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Veröffentlicht am 17.06.2021

Ein wunderbares Buch zum Innehalten

Vati
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In ihrem Roman „Vati“ hält Monika Helfer Rückschau auf das Leben ihres Vaters und ihrer Mutter, auf die Kinderjahre mit ihren Geschwistern, in der auch ihre Tanten und Onkeln eine wichtige Rolle spielten. ...

In ihrem Roman „Vati“ hält Monika Helfer Rückschau auf das Leben ihres Vaters und ihrer Mutter, auf die Kinderjahre mit ihren Geschwistern, in der auch ihre Tanten und Onkeln eine wichtige Rolle spielten.
Die Geschichte beginnt mit den Kinderjahren des Vaters. Er ist ein gscheiter Bub, dem die Mutter das Lesen beibringt und somit den Grundstein für seine Liebe zu den Büchern legt.
„Sie zeigte ihm die Buchstaben und erklärte ihm, dass es nur 26 davon gebe und dass die Satzzeichen – der Beistrich, der Doppelpunkt, der Punkt, das Ausrufezeichen, das Fragezeichen und so weiter – nicht zu den Buchstaben gehörten, sondern dazu da seien, um den Satz zu verstehen.“
Es folgen die Jugendjahre, der Krieg und die schwere Verletzung, die Liebe, ein Leben auf der Tschengla, der Absturz bis er noch einmal eine 2. Chance bekommt und sie ergreift.
Wertvolle Bücher und bedeutende Werke prägen sein Leben, verändern es um es schlussendlich zu beenden.
Meine Leseeindrücke
Ich freute mich auf ein „kurzes“ Buch mit nur 176 Seiten. Lange habe ich gezögert, ob ich es überhaupt lesen soll, irgendetwas hielt mich von ihm fern. Aber schnell erkenne ich, dass das etwas ganz Persönliches ist, etwas was ich langsam lesen muss, mich konzentrieren muss auf die Geschichten, die Monika Helfer hier erzählt. Einiges kommt mir bekannt vor von Erzählungen meiner Mutter und ihrer Lieblingsschwester. Erinnerungen an ihre Kindheit und Jugendzeit. Ob Südtirol oder Österreich, so unterschiedlich waren die Lebensbedingungen gar nicht. Und so lese ich das Buch mit zartem Schmerz in der Brust über eine Zeit die vorbei ist, unsere Eltern dennoch stark geprägt hat.
Fazit
„Vati“ von Monika Helfer ist ein wunderbares Buch zum Innehalten, zum langsam Lesen und zum Eintauchen in eine Zeit, die ich aus Erzählungen ansatzweise kenne. Wer Spannung und Action sucht, ist hier verloren. Das Buch wird oft als Fortsetzung von „Die Bagage“ genannt. Ich habe es nicht gelesen, werde das aber bald nachholen.

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Veröffentlicht am 12.06.2021

„Der Verdrüssliche“ von – das sind 3 Geschichten in einem Roman.

Der Verdrüssliche
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„Der Verdrüssliche“ ist ein Charakterkopf des Meisters Franz Xaver Messerschmidt (1736 – 1783), der ihn aus feinstem Alabaster gearbeitet hat. Er steht im Getty Museum in Los Angeles und ist Teil einer ...

„Der Verdrüssliche“ ist ein Charakterkopf des Meisters Franz Xaver Messerschmidt (1736 – 1783), der ihn aus feinstem Alabaster gearbeitet hat. Er steht im Getty Museum in Los Angeles und ist Teil einer Ausstellung, die bald beginnt. Frau Hofrat Dr. Carola Broggiato kennt ihn bestens, das Original und nicht irgendeine der zahlreichen Kopien. Er stand bis zu seinem Tod viele Jahre in der Villa des österreichischen Antiquitätenhändlers Wilfried Hausladen. Nach seinem Tod ging er als Erbe auf seinen Sohn Paul über. Bis zu ihrer Pensionierung war sie eine höhere Beamtin des Bundesdenkmalamts und hätte einer Ausfuhr bzw. eines Verkaufes dieses einmaligen Kunststückes niemals zugestimmt.
Warum aber steht er dann heute im Getty Museum in Los Angeles?
Gitta, Hausladens Schwiegertochter, kennt natürlich den Charakterkopf, zu dem sie eine beruhigende Beziehung aufgebaut hat. Sie ist Malerin und bereitet sich auf eine Vernissage vor. Kein leichtes Unterfangen, da sie erst vor Kurzem eine psychische Krise hatte. Nun erinnert sie sich wieder an den Charakterkopf und möchte ihn malen. Es würde ihr bestimmt guttun. So fragt sie ihren Mann, ob sie sich ihn nicht für ein paar Tage von der Stiftung ausleihen könnte.
Meine Leseeindrücke
Da habe ich ja ein tolles Buch in den Händen! - sind meine ersten Gedanken, als ich mit dem Lesen beginne. Obwohl etwas mehr als 500 Seiten lang, was mich am Anfang abschreckt, liest es sich leicht und schnell. Die 3 Geschichten, die sich nur zögerlich als Teil eines Ganzen erkennen lassen, verwirren mich am Anfang ein wenig. Ab etwa Mitte des Buches jedoch erkenne ich die Zusammenhänge und verfolge gespannt, amüsiert und schmunzelnd der Geschichten.
Fazit
„Der Verdrüssliche“ von Eva Holzmair – das sind 3 Geschichten in einem Roman. Es überrascht ein sehr guter Schreibstil, eine überaus gepflegte Sprache, eine gute Struktur gepaart mit einer interessanten Handlung. Das alles gibt dem Buch das gewisse Etwas. Die Wiener Sprachschmankerln, deren man mächtig sein sollte, verführen zu manchem Schmunzeln während der Lektüre. „Der Verdrüssliche“ von Eva Holzmair ist ein sehr gut geschriebener Roman, den ich jedem Buch- und Kunstlieberhaber mit Wiener Leidenschaft empfehle.

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Veröffentlicht am 29.05.2021

Ein überzeugender Roman über die Terrorjahre der Brigate Rosse

Tod eines glücklichen Menschen
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Es sind die Jahre der „Brigate Rosse“, einer linksextremen Terrorgruppe, die auch in der Lombardei Angst und Schrecken verbreitet. Der junge Staatsanwalt Colnaghi, Katholik und politisch der Democrazia ...

Es sind die Jahre der „Brigate Rosse“, einer linksextremen Terrorgruppe, die auch in der Lombardei Angst und Schrecken verbreitet. Der junge Staatsanwalt Colnaghi, Katholik und politisch der Democrazia cristiana zuzuordnen, soll den Mörder eines Politikers finden und ihm den Prozess machen.
Die berufliche Karriere bringt das Familienleben durcheinander, worunter seine Familie, am meisten aber sein älterer sensibler Sohn, leidet.
Mit der Verhaftung des jungen Topterroristen Gianni Meraviglia ändert sich sein Leben. In den Gesprächen mit Meraviglia versucht er zu verstehen, warum es diese große und ungebrochene Gewaltbereitschaft gibt. Zugleich sieht er die Justiz am Scheideweg, die nicht nur einfach verurteilen soll sondern sich aktiv der Lösung des Problems stellen muss.

Meine persönlichen Eindrücke
Es ist dies durchaus kein unterhaltender Roman und ein paar Kenntnisse der jüngeren italienischen Geschichte unabdingbar, um ihn zu verstehen. Die Beschreibung der Lebensverhältnisse in der Lombardei, der Einfluss der katholischen Kirche auf Gesellschaft und Familie und der Stellenwert der Familie selbst lassen den Leser, der sich mit der Thematik Partisanen und Entwicklung der Republik nach dem 2. Weltkrieg nicht beschäftigt (hat), schwer verständlich erscheinen. Zu groß ist der Unterschied zur heutigen Zeit.
Die Romanfigur des Staatsanwalts wird geteilt in zwei Welten.
In einer ist er Vater seines sensiblen Sohnes, Sohn seiner Mutter und Ehemann seiner Ehefrau. In der anderen steht er einem kleinen Team vor, steht vor einer großen Karriere, ist gezeichnet von seinem unerschütterlichen Glauben. Die beiden Welten treffen sich in einem filigranen Zusammenspiel, das der junge Schriftsteller mit sehr großem Einfühlvermögen beschreibt. Begleitet wird die Geschichte von Lebensabschnitten des Vaters, die immer wieder eingeblendet werden und das Gesamtbild vervollständigen. Fontana schreibt über ein Zeitfenster, das gezeichnet war von Terror, Toten und dem Verlangen nach Vergeltung.

Fazit
Giorgio Fontanas Roman „Tod eines glücklichen Menschen“ ist ein überzeugender Roman über die Terrorjahre der Brigate Rosse, erzählt am Leben des Staatsanwaltes Colnaghi, der verstehen will und damit eine Lösung herbeizuführen versucht. Die Beschreibung der letzten Lebensaugenblicke haben mich ins Knochenmark getroffen.

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Veröffentlicht am 22.05.2021

Wenn junge italienische Autoren über Gefühle schreiben, entstehen kleine Meisterwerke.

Der Name seiner Mutter
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Ettore ist Vater geworden. Seine Frau hat ihm einen Sohn, Pietro, geboren. Doch das junge Familienglück währt nicht lange. Nach einigen Monaten verlässt sie Sohn und Mann und verschwindet aus ihrem Leben. ...

Ettore ist Vater geworden. Seine Frau hat ihm einen Sohn, Pietro, geboren. Doch das junge Familienglück währt nicht lange. Nach einigen Monaten verlässt sie Sohn und Mann und verschwindet aus ihrem Leben. So wächst Pietro bei seinem Vater in dem kleinen Ort Fabbrico in der Emilia Romagna auf. Es ist ein ruhiges stilles Zusammenleben, unterbrochen durch Aufenthalte bei den Großeltern mütterlicherseits.
Zu einem Geburtstag bekommt Pietro von seinem Vater einen Hund geschenkt, Bricciola.
Die Trennung des jungen Hundes von seiner Mutter bewegt Pietro sehr und das erste Mal stellt er sich die Frage, ob es bei seiner Mutter auch so war.
Dann wird Pietro groß, macht Matura und zieht in die Stadt zum Studieren. Als seine Jugendliebe zu ihm zieht und schwanger wird, erkennt er, dass Fabbrico sein zuhause ist und kehrt mit Miriam zu seinem Vater zurück. Erst am Ende des Buches wird er etwas über seine Mutter erfahren.
Meine persönlichen Eindrücke
Der Roman liest sich flüssig, ist aber bei Weitem keine einfache Lektüre. Teilweise möchte ich meinen, diese distanzierte Sprache des Erzählens, besonders in der ersten Hälfte des Buches, ist bewusst unpersönlich gehalten. Nur wenig erfahre ich von Pietros inneren Vorgängen, seinen Wünschen, Sehnsüchten oder Zweifeln. Erst im letzten Drittel öffnet Pietro seinen Panzer und lässt Gefühle an die Mutter gerichtet, erkennen. Dann merke ich, wie tief der Schmerz ist, der sich bis jetzt nicht direkt geäußert hat und vielleicht nicht mal ein Schmerz ist, sondern ein Phantom – etwas was fehlt und da sein sollte.
Pietro weiß ja nicht, was genau fehlt.
Es fehlt die Vorstellung der Mutter, aber was bedeutet das? Wir stellen uns immer eine ideale Mutterfigur vor – aber hätte Anna diese Rolle einnehmen können und was, wenn nicht?
Trotz der Thematik habe ich das Buch nicht als trist oder traurig empfunden. Da ist zum einen die Zuneigung des Vaters seinem Sohn gegenüber, die mehrmals äußerst sensibel beschrieben ist. Zum anderen kann man auch Pietros Liebe zu seinem Vater zwischen den Zeilen lesen. Es gibt eine Vertrautheit, die Ruhe ausstrahlt, in all der Stille.
Fazit
Camurris Roman „Der Name seiner Mutter“ stimmt nachdenklich, beschäftigt mich auch nachdem ich ihn gelesen habe und wird mir als sensibles Bekenntnis eines jungen Mannes, der seine Mutter vermisst, in Erinnerung bleiben.
In den letzten Jahren hat sich ein neuer italienischer Literaturstil entwickelt. Junge Schriftsteller schreiben sehr gefühlvoll und sensibel über ihre Kindheit, ihre Jugend, ihr Verhältnis zu den Eltern und zu ihrem Umfeld. Hier möchte ich Giorgio Fontanas Roman „Tod eines glücklichen Menschen“ oder Paolo Cognettis „Acht Berge“ nennen, zwei, wie ich finde, hervorragende Romane. Camurris Roman gesellt sich dazu.

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Veröffentlicht am 20.04.2021

Die Suche nach dem Tatmotiv steht im Mittelpunkt

Der Fall Collini - Filmausgabe
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Caspar Leiner ist ein junger Anwalt und hat sich, wie viele andere auch, in die Liste für den Notdienst der Strafverteidigervereinigung eintragen lassen. Es erreicht ihn der Anruft des Amtsgereicht Tiergarten, ...

Caspar Leiner ist ein junger Anwalt und hat sich, wie viele andere auch, in die Liste für den Notdienst der Strafverteidigervereinigung eintragen lassen. Es erreicht ihn der Anruft des Amtsgereicht Tiergarten, dass es einen Beschuldigten ohne Verteidiger gibt und dass gegen ihn Haftbefehl wegen Mordes beantragt wird. Fabrizio Collini hat Hans Meyer durch 4 Schüsse in den Kopf getötet und danach mit seinen Schuhabsätzen so auf das Gesicht getreten, dass vom Kopf nicht mehr viel übrig ist. Kurz nach der Tat hat er sich persönlich der Polizei gestellt. Trotz genauester Untersuchungen gelingt es nicht das Tatmotiv herauszufinden. Der Angeklagte selbst schweigt dazu. Was kann ihn zu diesem brutalen Mord bewogen haben? Nirgends scheint das Motiv zu liegen. Es braucht den berühmten Zufall und Leiner findet eine Spur.

Meine persönlichen Eindrücke
Das Buch ist gut geschrieben. Die Sprache ist klar, deutlich und ohne viele Ausschmückungen. Der Roman wirkt sehr verständlich für jedermann und ist von Beginn an spannend. Er bleibt es auch ohne Schwachstellen bis zum Ende. Die Hauptfiguren sind treffend charakterisiert und die Verbindungen untereinander gut ausgearbeitet. Die kleinen Liebesabstecher nehmen der Romanhandlung etwas von ihrer Härte und geben dem Ganzen eine gefühlvolle Note. Der Fall entwickelt sich zum Ende hin unerwartet. Ich will gar nicht aufhören mit dem Lesen.

Fazit

Mit dem Roman „Der Fall Collini“ hat Ferdinand von Schirach das Thema von Recht und Gerechtigkeit aufgeworfen. Die Frage nach dem Tatmotiv ist unumgänglich, wenn es gilt ein schweres Verbrechen aufzuklären. Ein Mord muss bestraft werden, aber wenn man die Beweggründe, die dazu geführt haben und auch die Informationen über das Leben des Ermordeten kennt, der selbst Schuld auf sich geladen hat, so regt dies zum Nachdenken an. Von Schirachs Kunst ist es hier, die Handlung systematisch, ordentlich und präzise darzustellen und die Suche nach dem Tatmotiv in den Mittelpunkt des Romans zu stellen.

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