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Veröffentlicht am 09.07.2021

Highland-Horror

Die dunklen Wasser von Inverness
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„Die dunklen Wasser von Inverness“ ist der zweite Band der DI Kennedy Reihe. Die alleinerziehende Mutter ist nach längerer Abwesenheit wieder im Dienst und wird gleich in ihrem ersten Fall nach Dienstantritt ...

„Die dunklen Wasser von Inverness“ ist der zweite Band der DI Kennedy Reihe. Die alleinerziehende Mutter ist nach längerer Abwesenheit wieder im Dienst und wird gleich in ihrem ersten Fall nach Dienstantritt mit einem grausigen Szenario konfrontiert, als ein verstümmelter Torso am Flussufer gefunden wird. Als kurze Zeit später eine weitere verstümmelte Leiche auftaucht, ist schnelles Handeln gefragt. Dann ist da noch der Handlungsstrang um Annabelle, eine junge Frau, die mit ihrem Auto in den abgeschiedenen Highlands unterwegs ist und nach einem Unfall schwer verletzt in einer wenig vertrauenerweckenden Umgebung erwacht.

Diese beiden von Beginn an konkurrierenden Perspektiven werden konsequent durchgehalten und sorgen zumindest anfangs für ein gewisses Tempo und machen neugierig. Leider wird in den über 500 Seiten der Bogen überspannt, denn sowohl die langatmigen Schilderungen von Kennedys Polizeiarbeit als auch Annabelles Martyrium in der Gefangenschaft werden bis zum Gehtnichtmehr ausgereizt. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Halliday sich nicht entscheiden konnte, ob er einen Polizeiroman oder eine gruselige Horrorstory mit übernatürlichen Elementen und unappetitlichen Details schreiben wollte. Zumindest ist es nicht der klassische schottische Krimi, als der er beworben wird, denn offenbar hat sich der Autor von Urban Legends inspirieren lassen, die rund um den Bau diverser Stauseen und -dämme in den Highlands kursieren und von unterirdischen Gängen und verschütteten Arbeitern erzählen.

Was man dem Autor definitiv nicht absprechen kann, ist das Gespür für die menschenleeren und düsteren Orte des Hinterlandes von Inverness. Die Atmosphäre, die diese ausstrahlen, ist auf den Punkt getroffen, und es sind schlussendlich die stimmigen Beschreibungen dieser beeindruckenden Landschaft der schottischen Highlands, die mich halbwegs zufrieden auf dieses Buch zurückblicken lässt, denn sowohl der Aufbau der Story als auch die zugrunde liegende Thematik konnte mich leider nicht überzeugen.

Veröffentlicht am 29.06.2021

Ähnlichkeiten vorhanden

Die Töchter des Nordens
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Der Klimawandel und dessen Auswirkungen auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft haben England in die Knie gezwungen. Die Umwelt ist zerstört, die wenigen Nahrungsmittel werden in Konserven aus Amerika ...

Der Klimawandel und dessen Auswirkungen auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft haben England in die Knie gezwungen. Die Umwelt ist zerstört, die wenigen Nahrungsmittel werden in Konserven aus Amerika geliefert. Das freudlose Dasein der Menschen ist aufs Überleben reduziert. Sie hausen zusammengepfercht auf engstem Raum, gehen sinnloser Arbeit nach, die ihnen von ihrer totalitären Regierung zugewiesen wird, Frauen werden zur Verhütung gezwungen. Eigenständiges Denken ist unerwünscht, jeglicher Form von Kritik wird mit Gewalt begegnet. Unterdrückung und totale Kontrolle, wohin man schaut.

Nicht alle beugen sich diesem Joch. Auf den Hügeln des Lake District bewirtschaftet das kämpferisches Frauenkollektiv von Carhullen, an dessen Spitze die charismatische, militärisch ausgebildete Jackie steht, eine Farm nach den alten Methoden. Die Frauen sind Selbstversorger, bewegen sich unterhalb des Radars der Regierung, aber trainieren auch für den Ernstfall.

Dorthin bricht Schwester, die Ich-Erzählerin, eines Tages auf. Sucht nach Selbstbestimmung und einem besseren Leben. Aber auch diese feministische Utopie hat ihre Schattenseiten, es gibt nicht nur den Gruppenzwang. Auch von außen wächst der Druck, bedroht das Leben in den Hügeln, da die Existenz der rebellischen Frauen den offiziellen Stellen ein Dorn im Auge ist. Das Überleben des Kollektivs steht auf dem Spiel, und so dauert es nicht lange, bis Schwester und ihre Mitstreiterinnen sich zwischen Gewalt oder Kapitulation entscheiden müssen.

Der Roman kann die Ähnlichkeit mit Atwoods „Magd“ nicht leugnen, aber Sarah Hall hat sich zu wenig Platz für ihre Themen genommen und bleibt deshalb weitgehend an der Oberfläche. Die dystopische Gesellschaft und das feministische Utopia, das Kollektiv und die Anführerin, die individuelle Selbstbestimmung und der Gruppenzwang, die Unterordnung und die Rebellion. Die Beschreibungen/Ausarbeitungen sind genauso unbefriedigend wie der Schluss, der völlig unvermittelt und ohne große Erklärung daherkommt.

Lobend erwähnen hingegen muss man die großartigen Landschaftsbeschreibungen Cumbrias. Wer die Gegend kennt, wird mir zustimmen: Das ist Nature Writing vom Feinsten.

Veröffentlicht am 03.06.2021

Bica, Poncha und Levadas

Tod auf Madeira (Ein Madeira-Krimi 1)
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Wenn die Sonne scheint, der Himmel blau ist und die Temperaturen steigen, nimmt das Verlangen nach einer Auszeit zu. Zumal dann, wenn der momentane Alltag zugegebenermaßen eher wenig Abwechslung bietet. ...

Wenn die Sonne scheint, der Himmel blau ist und die Temperaturen steigen, nimmt das Verlangen nach einer Auszeit zu. Zumal dann, wenn der momentane Alltag zugegebenermaßen eher wenig Abwechslung bietet. Kein Wunder, dass dann Urlaubskrimis Hochkonjunktur haben, bieten sie doch die Möglichkeit, sich auf künftige Urlaubsziele zu freuen oder Erinnerungen Revue passieren zu lassen. Meist sind es deutsche Autoren, die mit entsprechendem Pseudonym den Eindruck vermitteln, dass sie dem/der Leser/in ländertypische Atmosphäre, eingebettet in eine spannende Handlung, bieten. Aber leider gelingt das nicht immer, so auch in diesem Fall.

„Tod auf Madeira“, Auftakt einer Reihe mit Comissário Mauricio Torres, schließt eine der letzten Leerstellen auf der Liste der europäischen Destinationen, die als Hintergrund für einen Urlaubskrimi dienen. Ich kenne die „Blumeninsel“ im Atlantik, habe sie bereits mehrfach besucht, und gerade deshalb lässt mich die Lektüre mit einem mehr als zwiespältigen Gefühl zurück.

Die Krimihandlung ist durch und durch konventionell: Der Wanderurlaub einer Reisegruppe, deren Teilnehmer sich seit der Schulzeit kennen, wird von einem Todesfall überschattet, der Rätsel aufgibt. Und da kommt Comissário Torres ins Spiel. Mord oder die Verkettung unglücklicher Umstände? Fast jeder Teilnehmer hätte ein Motiv gehabt…

Der Autor wandelt auf ausgetretenen Pfaden, nicht nur, was die Story angeht. Auch die Charakterisierung der Personen hat man so schon häufig gelesen. Die betrogene Ehefrau, der melancholische Polizist, der den Tod seiner Frau noch nicht verarbeitet hat etc. Und was den Handlungsort angeht, hier verarbeitet er die Informationen zu Madeira, die in jedem Reiseführer zu finden sind. Kein Wunder, denn die Region um Calheta, die er ausgiebig beschreibt, ist massiv touristisch geprägt.

Wenn man ihm glauben darf, sind die Madeirer ein zutiefst melancholisches Volk, geben sich der Saudade hin, lauschen dem Fado und trinken ständig Bica und Poncha. Natürlich wandern die Touristen immer die Levadas entlang, fahren mit dem Korbschlitten und verpassen damit so ziemlich alles Interessante, was man auf der Insel unternehmen, anschauen und erleben kann. Einmal mehr eine verpasste Gelegenheit, um die Qualitäten dieses schroffen Kleinods entsprechend zu würdigen. Schade!

Veröffentlicht am 24.05.2021

Langatmig und zäh

Klippentod
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Simon Jenkins hat seine Arbeit als Polizist hinter sich gelassen und lebt nun ein Künstlerleben in Cadgwith, einem Fischerdorf im Süden Cornwalls. Aber er muss bald feststellen, dass es nicht so einfach ...

Simon Jenkins hat seine Arbeit als Polizist hinter sich gelassen und lebt nun ein Künstlerleben in Cadgwith, einem Fischerdorf im Süden Cornwalls. Aber er muss bald feststellen, dass es nicht so einfach wie gedacht ist, die Verbindungen zu seinem früheren Ich zu kappen. Als ihn spät in der Nacht der Anruf einer verzweifelten jungen Frau erreicht, die um Hilfe bittet, weist er sie ab. Ein fataler Fehler, wie er sich am nächsten Tag eingestehen muss, als ihre Leiche gefunden wird. Offenbar hat sie sich von der Klippe in den Tod gestürzt. So jedenfalls die Einschätzung der Polizei, für die der Fall damit geklärt ist. Ihre Freundin ist davon überzeugt, dass sie gestoßen, ermordet wurde und bittet Jenkins um Hilfe. Und es scheint, als läge sie mit ihrer Vermutung richtig, denn es taucht eine weitere Leiche auf, was die Alarmglocken des Ex-Polizisten schrillen und dessen Nachforschungen in Gang setzt.

Sehnsucht nach Meer? Nach felsgesäumten Wanderwegen und üppigem Grün? Reetgedeckten Cottages mit bunter Rosenpracht im Vorgarten? Wer in grandiosen Naturbeschreibungen, atmosphärischen Schilderungen des englischen Dorflebens samt Besuchen im Pub schwelgen möchte, wird in „Klippentod“ bestens bedient. Aber was die Stärke des Buches ausmacht, ist gleichzeitig auch seine Schwäche, denn als spannender Kriminalroman funktioniert es nur bedingt.

Die Vermutung liegt nahe, dass es als Einstieg in eine Reihe gedacht ist. Eine Location mit Atmosphäre, eine sympathische Hauptfigur mit traumatischer Vergangenheit, die Fischer, die um ihre Existenz fürchten plus das Alltagsleben im Dorf. All das wird in epischer Breite auf 560 Seiten geschildert, plätschert langsam dahin und stellt die Geduld auf eine harte Probe. Mir fehlt das Tempo, die Spannung, die immer wieder abflacht und das Ganze zu einer ziemlich langatmigen und zähen Geschichte macht und das Interesse an der Auflösung killt.

Veröffentlicht am 14.05.2021

Nichts Neues unter der südkalifornischen Sonne

Tote ohne Namen
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Von Autorenkollegen auf dem Cover als „sensationell“ und „atemberaubend“ beschrieben, weckt dieser Thriller hohen Erwartungen, zumal der Klappentext äußerst interessant klingt. Handlungsort Südkalifornien ...

Von Autorenkollegen auf dem Cover als „sensationell“ und „atemberaubend“ beschrieben, weckt dieser Thriller hohen Erwartungen, zumal der Klappentext äußerst interessant klingt. Handlungsort Südkalifornien an der Grenze zu Mexiko. Zwei namenlose Minderjährige werden tot aufgefunden, übersät mit zahllosen Schnittwunden, die Obduktion ergibt, dass sie offenbar zur Prostitution gezwungen wurden. Ein Ermittlerduo, bei dem die Ex-Kopfgeldjägerin Alice Vega, die erst zuschlägt und dann fragt, das Sagen hat, unterstützt von Ex-Cop Max Caplan. Kann man daraus folgern, dass dies ein Thriller ist, der Geschlechterstereotypen aushebelt, sich mit der Migrationsproblematik auseinandersetzt und die Machenschaften der mexikanischen Drogenkartelle thematisiert? Ich denke schon, aber leider werden diese Versprechen nicht eingelöst.

Die Story ist weitgehend nach Schema F mit sämtlichen Zutaten geplottet, die man bei diesen Eckpunkten von Anfang an erwarten kann: Korrupte Behördenvertreter, Kompetenzgerangel zwischen DEA und Polizei ebenfalls, ebenso die Schmiergeldzahlungen der Kartelle. Keine Überraschung, alles vorhersehbar. Und auch die beiden Ermittler bewegen sich auf ausgetretenen Pfaden, wobei allerdings in puncto Aggressivität die Rollen getauscht wurden. Vega ist diejenige mit der tief sitzenden ungezügelten Wut, und Cap ist eher der Zögernde, hat offensichtlich noch immer mit einer traumatisierenden Erfahrung aus einem früheren Fall zu kämpfen, der wohl in Band 1 abgehandelt wurde.

Womit wir bei dem Punkt wären, der mich am meisten gestört hat und der mittlerweile bei vielen Verlagen Usus ist. Warum steigt man mit Band 2 in eine Reihe ein? Das Basiswissen zur Beziehung der beiden Hauptfiguren fehlt annähernd komplett, ihre Charakterisierung ist schwammig, kaum greifbar und hält dadurch den/die Leser/in auf Distanz. Und wenn dazu noch eine vorhersebare 08/15 Story kommt, killt das mein Interesse an weiteren Büchern der Reihe.