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Veröffentlicht am 29.07.2021

Eine Geschichte vom Loslassen, Neubewerten und Ändern

Wir für uns
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In ihrem Roman „Wir für uns“ erzählt Barbara Kunrath über zwei Frauen von ganz unterschiedlichem Charakter. Gemeinsam ist ihnen, dass sie in dem kleinen hessischen Dorf Solbach wohnen. Der Titel bringt ...

In ihrem Roman „Wir für uns“ erzählt Barbara Kunrath über zwei Frauen von ganz unterschiedlichem Charakter. Gemeinsam ist ihnen, dass sie in dem kleinen hessischen Dorf Solbach wohnen. Der Titel bringt eine Entwicklung der beiden Frauen zum Ausdruck, die ich als Leserin im Roman nachvollziehen konnte. Das Cover spiegelte mir eine heile Welt in der Geschichte vor, doch zwischen den Seiten haben Josie und Kathie, die beiden Protagonistinnen, mit einigen Sorgen und Problemen zu kämpfen.

Josie ist 41 Jahre alt, wohnt seit zwei Jahren in Solbach und arbeitet als Sozialarbeiterin beim Jugendamt. Ihr Freund Bengt ist verheiratet, seine Frau weiß nichts von seiner Affäre. Er ist seit neun Jahren mit Josie liiert und besucht sie einmal in der Woche am immer gleichen Tag. Für Josie ist das Arrangement akzeptabel, weil es ihr genügend persönliche Freiheiten lässt. Aber jetzt ist sie aufgrund einer Intoleranz unverhofft schwanger geworden, Bengt möchte das Kind nicht. Josie muss sich zwischen ihrem Kind und Bengt entscheiden.

Kathi ist 70 Jahre alt und ein Solbacher Urgestein. Früher hatte sie einen Lebensmittelladen im Ort, in dem sie von Kindesbeinen an gearbeitet und schließlich von ihrem Großvater übernommen hat. Sie hat einen verheirateten Sohn, dessen Ehe sich in einer Krise befindet. Jetzt ist ihr Mann plötzlich verstorben und sie muss mit ihrem Alleinsein zurechtkommen.

Eigentlich haben die beiden Protagonistinnen schon genug mit sich und ihren aktuellen Problemen zu kämpfen, doch hintergründig blitzt im Roman auf, dass es noch weitere Geheimnisse in der jeweiligen Familie gibt über die der Mantel des Schweigens von den Betroffenen gelegt wurde. Das Verhältnis von Josie zu ihrer Mutter ist schwierig, ihr Vater ist tot, die Eltern waren geschieden, ihr älterer Bruder ist ihr Anker. Sie hadert mit ihrer Rolle in der Familie, denn sie hat sich immer mehr Nähe und Zuwendung gewünscht. Die Erfahrungen fließen in ihren anstehenden Entschluss ein. Durch Zufall lernt sie Kathi kennen, deren Leben als selbständige Kauffrau sie viel Zeit und Kraft gekostet hat. Kathie hinterfragt ihr Handeln in Bezug auf ihr Verhältnis zu Sohn und Ehemann.

Josie erzählt aus der Ich-Perspektive, das gab mir die Möglichkeiten ihren inneren Auseinandersetzungen folgen zu können. Auf Kathie blickt Barbara Kunrath als allwissende Erzählerin, wobei sie auch deren Gedanken immer wieder aufgreift. Beide Protagonistinnen durchlaufen im Roman eine Entwicklung, die hin führt zu lebensverändernden Entscheidungen, der viele Überlegungen vorhergehen und für die eine gewisse Unsicherheit für die Zukunft bleibt. Doch beide haben eine positive Grundeinstellung zum Leben und die Stärke dazu, auch Tiefpunkte zu überwinden. Die Autorin fügt die authentisch wirkende Erzählung der beiden Lebensgeschichten in ein realistisch vorstellbares Umfeld ein, mit ebenfalls interessanten Nebenfiguren.

Der Roman „Wir für uns“ von Barbara Kunrath führt zwei unterschiedliche Frauen mit ganz verschiedenen Problemen in einem kleinen Ort in Hessen durch Zufall zusammen. Es ist eine Geschichte vom Loslassen, Neubewerten und Ändern, die zum Nachdenken anregt über sich selbst und dem eigenen Ziel im Leben. Sie regt dazu an, die vielen, oft unbeachteten kleinen Momente im Alltag zu genießen. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

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Veröffentlicht am 21.07.2021

Eine Liebesgeschichte bei der Freude und Leid nah beieinander liegen

Ein ganzes Leben lang
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Rosie Walsh entfaltet in ihrem Roman „Ein ganzes Leben lang“ die romantische und tragische Liebesgeschichte von Leo und Emma vor den Lesern. Einen ersten Einblick in das schicksalhafte Leben der Protagonistin ...

Rosie Walsh entfaltet in ihrem Roman „Ein ganzes Leben lang“ die romantische und tragische Liebesgeschichte von Leo und Emma vor den Lesern. Einen ersten Einblick in das schicksalhafte Leben der Protagonistin gibt der Prolog, in dem eine Szene beschrieben ist, die sich erst später in den näheren Kontext einordnen lässt. Die Autorin schildert darin, wie die Gezeitenforscherin Emma gerade einen ungewöhnlichen Fund macht, was ein echtes Highlight in ihrer beruflichen Karriere ist, und fast gleichzeitig eine beunruhigende Reaktion ihres Körpers wahrnimmt. Solche Ereignisse, bei denen Freude und Leid in ihrem Leben nah beieinanderstehen, erlebt Emma immer wieder.

Zu Beginn des Romans leidet Emma seit ein paar Jahren an Krebs, gegen den sie mit allen Mitteln ankämpft. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Leo hat sie eine dreijährige Tochter, die sie behütet und beschützt. Leo ist für eine große Tageszeitung als Journalist tätig und schreibt dort Nachrufe berühmter und weniger bekannter Personen, die er manchmal auch schon im Voraus für den Fall der Fälle vorzubereiten hat. Emma und Leo kennen sich seit zehn Jahren und sind seit sieben Jahren verheiratet, doch für Leo ist diese Zeit wie „ein ganzes Leben lang“, denn er glaubt, dass er alles über Emma weiß. In der Zeit, in der für Emma eine wichtige Untersuchung ansteht, verfasst Leo für seine Ehefrau einen Nachruf. Für ihn ist es eine Reise in die Vergangenheit zu wunderbaren Erinnerungen, was sich im Cover widerspiegelt.

Die Protagonisten erzählen beide aus der Ich-Perspektive, die Kapitel wechseln unregelmäßig zwischen den beiden hin und her. Für Emma ist ihr Zuhause ihr sicherer Rückzugsort. Bald schon erfuhr ich von ihr, dass sie Leo glücklich machen möchte, doch sie setzt diesem Bestreben Grenzen. Ab diesem Zeitpunkt wusste ich, dass sie etwas verbirgt, konnte jedoch dessen Dimension noch nicht abschätzen. Es entstand eine hintergründige Spannung. Leo entdeckt schließlich bei der Recherche zu seinem Nachruf auf Emma Unstimmigkeiten in Dokumenten. Erst kann er es nicht glauben, dann sind seine Gefühle für seine Frau tief verletzt.

Rosie Walsh hat einen mitreißenden Schreibstil, der erst nach und nach Informationen über das Leben von Emma freigibt, teils durch deren eigene Schilderungen, teils durch die Nachforschungen von Leo zur Vergangenheit seiner Frau. Durch das geschickte Einstreuen von Halbwahrheiten ließ die Autorin mir als Leserin genügend Freiraum zu eigenen Deutungen und führte mich dadurch auf manche falsche Fährte. Auf diese Weise konnte sie mich durch manche unerwartete Wendung überraschen. Obwohl Emmas Leben auf Lügen aufgebaut ist, empfand ich sie zunehmend liebenswert je mehr ich über ihre Vergangenheit erfuhr. Ein großes Plus der Geschichte ist die Figurengestaltung, denn Rosie Walsh begründet bis in die Nebenfiguren hinein die Handlungen der einzelnen Personen nachvollziehbar.

„Ein ganzes Leben lang“ von Rosie Walsh ist ein emotional berührender Roman mit liebevoll bis ins Detail gestalteten Charakteren, der glaubhaft aufzeigt, wie möglich es ist, unser Leben, unsere Vergangenheit für andere nach außen umzugestalten, so dass wir unser Umfeld unserem Sinne nach täuschen können. Dadurch regt die Erzählung zum Nachdenken an. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 19.07.2021

Glänzende Verbindung des Schicksals dreier sehr unterschiedlicher Figuren

Die Stille des Meeres
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In seinem Roman „Die Stille des Meeres“ schildert Donal Ryan in den ersten drei Kapiteln jeweils die Geschichte drei sehr verschiedener Männer unterschiedlichen Alters. Zunächst scheint es, als ob die ...

In seinem Roman „Die Stille des Meeres“ schildert Donal Ryan in den ersten drei Kapiteln jeweils die Geschichte drei sehr verschiedener Männer unterschiedlichen Alters. Zunächst scheint es, als ob die Erzählungen keinen Zusammenhang miteinander haben. Nach Art der Weise aller Bäche und Flüsse, die ins Meer fließen und sich letztlich zu einer einzigen Wassermasse vereinen, verbindet der Autor schließlich im letzten Kapitel, betitelt mit „Seeinseln“, die Erzählstränge seiner Protagonisten Farouk, Lampy und John miteinander, die im kleinen irischen Ort Ardnamoher aufeinandertreffen.

Der Syrer Farouk ist 44 Jahre alt und Arzt. Er möchte sich, seine Frau und seine kleine Tochter vor zu erwartenden Ressentiments in Sicherheit außer Landes bringen. Dazu lässt er sich auf das Geschäft mit einem Schleuser ein, der verspricht, die Familie per Schiff nach Europa zu bringen. Doch nur Farouk erreicht das Land. Lampy, der eigentlich Laurence heißt, ist 23 Jahre und verliebt in die gleichaltrige Chloe, die ihm das Ende der Beziehung erklärt und nach Dublin zum Studium zieht. Er bleibt zurück ohne eine Idee für seine Zukunft, ohne festen Job, mit einem nörgelnden Großvater und einer Mutter, die besorgt seinen mangelnden Ehrgeiz sieht. Der ehemalige Steuerberater John kann auf ein langes Leben zurückblicken, das geprägt ist von Betrug zum Zweck eigener Bereicherung und Untreue. Er hofft in seinen letzten Stunden auf Vergebung. Im letzten Kapitel zeigt sich, welche Umstände ihn zu seinem Geständnis gebracht haben.

Donal Ryan betrachtet seine Figuren Farouk und Lampy als allwissender Erzähler, John lässt er jedoch aus der Ich-Perspektive auf sein Leben zurückblicken. Alle drei Geschichten sind auf ihre Art durch die verschiedenen Schicksale bewegend, wobei John auch oder gerade durch seine Bekenntnisse sein Image als Unsympath für mich nicht abstreifen kann. Gemeinsam ist den drei Hauptfiguren, dass sie sich an einem Tiefpunkt ihres Lebens befinden. Jeder von ihnen hat einmal glücklichere Tage erlebt.

Der Autor bindet seine Figuren in ein gesellschaftliches Gefüge ein. Es sind Geschichten von heute, die das globale Miteinander wie auch den lokalen Zusammenhalt zum Ausdruck bringen. Donal Ryan zeigt, dass weit entfernte Ereignisse wie zum Beispiel der Krieg in Syrien ganz nah in den Alltag des kleinsten Orts auf einem anderen Kontinent einziehen können, dort wo jeder jeden kennt und es kein Entkommen aus der von den Dorfbewohnern zugedachten Rolle zu geben scheint.

Der Roman lebt von den beeindruckenden, vorstellbaren Figuren und dem Schreibstil des Autors, der es schafft, die beschriebenen Personen und ihre Gefühle dem Leser und der Leserin sehr nahe zu bringen. Das vierte Kapitel überraschte mit einer glänzenden Verbindung der Charaktere, die mich berührte und nachdenklich darüber stimmte was Glück ist und ob und wie es über den Umgang jedes Einzelnen mit seinen Mitmenschen erreicht werden kann. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

Veröffentlicht am 13.07.2021

Roman mit krimineller Handlung, authentisch erzählt

Trümmerland
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Sabine Hofmanns Roman „Trümmerland“ spielt in Bochum im Frühjahr 1946. Noch sind die Trümmerberge der zerbombten Häuser überall zu sehen. Zwischen den Trümmern wird geplündert und alles mitgenommen, was ...

Sabine Hofmanns Roman „Trümmerland“ spielt in Bochum im Frühjahr 1946. Noch sind die Trümmerberge der zerbombten Häuser überall zu sehen. Zwischen den Trümmern wird geplündert und alles mitgenommen, was irgendwie brauchbar erscheint, obwohl es inzwischen verboten ist.

Hella Schrader ist 12 Jahre alt. Sie wohnt gemeinsam mit ihrer Mutter Martha und der aus Ostpreussen stammenden Edith Marheinecke, die seit einem Jahr bei ihnen einquartiert wurde, in einer kleinen Wohnung unweit des Zechengeländes. Am Nachmittag klettert sie gerne in den Trümmern und findet hier und dort auch immer wieder ein nützliches Teil. Auf diese Weise möchte sie den Haushalt unterstützen, in dem es an Essbarem, Kleidung, Heizmaterial und Haushaltsgegenständen fehlt.

Eines Tages sieht sie am Boden eines Bombentrichters einen Mann mit verrecktem Bein liegen. Sie überwindet ihre Angst und klettert zu ihm. Doch er stirbt als sie ihn erreicht hat. Sie nimmt seinen Kurzmantel aus feinem Wollstoff mit nach Hause. Im Futter finden sich Lebensmittelscheine für Butter. Nach Abwägen des Für und Wider entschließen Martha und Edith, dass sie die Scheine einlösen werden, ohne zu ahnen, welche Auswirkungen das haben wird.

Die Autorin schafft in ihrer Geschichte ein vorstellbares Szenario der Nachkriegszeit. Das Überleben steht im Alltag der Bochumer im Vordergrund, der Schwarzmarkt blüht und dennoch sind die meisten froh darüber, überlebt zu haben. Weil viele Männer noch vermisst werden, arbeiten die Mütter für den Lebensunterhalt, die Kinder sind sich außerhalb der Schule notgedrungen selbst überlassen. Martha hat ein schlechtes Gewissen, Hellas Funde anzunehmen, weil sie ihr verboten hat, in den Trümmern zu plündern. Sie weiß, dass sie den Mantel nicht behalten durften und daher liegt von Beginn des Romans die Furcht vor Entdeckung und der daraus resultierenden Strafe über dem Verhalten der Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft, die deutlich spürbar ist.
Die Erzählung zeigt ebenfalls ein Bild der damaligen Polizeiarbeit. Für die Briten, die Bochum in der Nachkriegszeit besetzt hatten, war es nicht einfach, auf jedem einflussreichen Posten jemanden zu setzen, der keinem nationalsozialistischen Gedankengut anhängt. Die Not bietet Kleinkriminellen mit ihren illegalen Geschäften ein gutes Pflaster. Auch aufgrund der allgemeinen Ausstattung der Kriminalpolizei ist die Nachverfolgung von Straftaten schwierig.

Dank der guten Recherche von Sabine Hofmann bildet sich ein kompaktes gelungenes Bild des Alltags. Das Tempo, in dem die Kriminalhandlung sich entwickelt ist gemächlich, die Spannung eher unterschwellig. In vielen Nebenhandlungen erfuhr ich detailliert einiges über die Zusammenhänge von Schiebung, Schwarzhandel, Fälschungen und der Sorge, die die Menschen dazu veranlasste, sich trotz drohender Bestrafung auf ungesetzlichem Weg Notwendiges zu besorgen. Die Figuren durchleben dabei riskante Situationen, aber auch an ihrer Freude über und an kleinen Dingen durfte ich als Leser teilhaben.

„Trümmerland“ von Sabine Hofmann ist ein Roman mit kriminellen Handlungen. Er bildet die Zeit des Nachkriegsdeutschlands in einer Stadt des Ruhrgebiets überzeugend und nachvollziehbar mit authentischen Figuren ab. Gerne empfehle ich das Buch weiter an Leser historischer Romane.

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Veröffentlicht am 11.07.2021

Komplexer Thriller, der durchgehend spannend ist

Die Verlorenen
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Mit dem Thriller „Die Verlorenen“ beginnt der Engländer Simon Beckett eine neue Serie bei dem Jonah Colley, ein Sergeant der bewaffneten Sondereinheit der Metropolitan Police in London, im Mittelpunkt ...

Mit dem Thriller „Die Verlorenen“ beginnt der Engländer Simon Beckett eine neue Serie bei dem Jonah Colley, ein Sergeant der bewaffneten Sondereinheit der Metropolitan Police in London, im Mittelpunkt steht. Während Jonah sich mit einigen Teamkollegen nach Feierabend in einem Pub trifft, ruft sein früherer Freund Gavin ihn auf seinem Handy an und bittet um Hilfe. Seit zehn Jahren haben die beiden keinen Kontakt mehr, aber Jonah erkennt die Ängstlichkeit in der Stimme von Gavin und begibt sich zum vorgeschlagenen Treffpunkt zu einem Lagerhaus am Kai. Das Cover vermittelt einen düsteren Eindruck einer solchen Lagerhalle. Vor Ort findet Colley vier fest in Plastikplane eingewickelte und mit Tape verschnürte Personen, eine davon ist Gavin. Noch während er versucht die Planen aufzureißen, wird er tätlich angegriffen und findet sich einige Zeit später im Krankenhaus wieder.
Nachdem sein vierjähriger Sohn Theo vor zehn Jahren verschwunden ist, zerbrach wenig später seine Ehe. Seitdem ist Colley zu einem einsamen Wolf geworden, der die Anonymität einer Wohnung in einem Hochhaus in einer zwielichtigen Gegend zum Leben bevorzugt. Zunächst ist nicht klar, was damals geschah, als Theo aus seinem Leben verschwand. Von der Zeitangabe her ist es auffällig, dass auch der Abbruch der Verbindung zu Gavin gleichlange her ist. Natürlich wollte ich wissen, ob beides vielleicht miteinander zu tun hat. Immer häppchenweise lässt Simon Beckett seinen Protagonisten sich an die damaligen Ereignisse zurückerinnern.
Colley steckt recht schnell in der Zwickmühle, er hat Schlimmes erlebt, hat starke Schmerzen und findet sich in der Rolle des Verdächtigen wieder. Da er nicht in die Aufklärung des Falls involviert ist, erhält er auch keine Informationen. Aber er ist neugierig und obwohl eine Verletzung ihn behindert scheut er nicht davor zurück, eigene Ermittlungen nachzugehen. Seine gewonnenen Erkenntnisse machen ihn aber umso mehr verdächtig.
Der Autor schont seine Hauptfigur nicht, auch brutale Szenen schildert er aus nächster Sicht. Die Konstruktion des Thrillers ist durchdacht und liefert immer nur schrittweise weitere Hinweise, was die Spannung von Beginn an hochhielt. Das geschickte Ausspielen von gegebenen und zurückgehaltenen Informationen zwischen Jonah und den ermittelnden Detective Inspector Fletcher und Detective Seagant Bennet steigert die Spannung noch.
Simon Beckett versteht es auch in seiner neuen Serie, wieder eine beklemmende Atmosphäre aufzubauen an Orten, die sonst voller Leben sind, aber zu bestimmten Zeiten düster und leer. Neben Colley, Bennet und Fletcher kreiert er weitere interessante Figuren, manche undurchsichtig, die Entwicklungspotential für die nächsten Bände haben.
In seinem Thriller „Die Verlorenen“ lässt Simon Beckett Jonah Colley ermitteln, ein Mitglied des bewaffneten Eliteteams der Met, sympathisch und mit vielen Ecken und Kanten versehen. Der komplexe Thriller ist durchgehend spannend. Zum Schluss bleiben Fragen offen, die einer Klärung in der Fortsetzung bedürfen, auf die ich mich schon sehr freue. Klare Leseempfehlung an Thrillerfans!

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