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Veröffentlicht am 27.10.2021

Wasserkunst

Arzt der Hoffnung
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Medizinalrat Dr. Robert Koch ist mit seiner Verlobten Hedwig im Urlaub auf Sylt, als ihn der Ruf des Kaisers zuerst nach Berlin zurück- und dann nach Hamburg beordert. Dort ist eine Seuche ausgebrochen, ...

Medizinalrat Dr. Robert Koch ist mit seiner Verlobten Hedwig im Urlaub auf Sylt, als ihn der Ruf des Kaisers zuerst nach Berlin zurück- und dann nach Hamburg beordert. Dort ist eine Seuche ausgebrochen, die vertuscht werden soll. Alles deutet auf Cholera hin. Der Kaiser erwartet von ihm schnelle Ergebnisse und er denkt, dass er die auch liefern kann: „Was soll‘s, es ist nicht meine erste Choleraepidemie. Schlimmer als in Kalkutta kann es in Hamburg doch nicht werden.“ (S. 42). Aber die Situation gerät immer mehr außer Kontrolle. Es sterben jeden Tag hunderte Menschen, die Neuinfektionsrate ist doppelt so hoch.
Hedwig, die Koch auf Sylt in Sicherheit zurückgelassen hatte, gelangt mit dem letzten Schiff heimlich doch nach Hamburg und setzt durch, dass sie im Eppendorfer Krankenhaus als Hilfsschwester helfen darf. Ihre Erlebnisse hält sie in ungewöhnlich ausdrucksstarken und realistischen Skizzen fest.

Die Parallelen, die man während des Lesens vom „Arzt der Hoffnung“ zu unserer Corona-Zeit ziehen kann, sind erschreckend. „Solange wir uns noch die Hände schütteln, haben wir den Ernst der Lage nicht erkannt.“ (S. 115) Es ist nicht klar, woher das Bakterium stammt und wie es sich so rasend schnell verbreiteten kann. Kochs Hygiene-Anweisungen für die Bevölkerung werden nicht weitergegeben oder ignoriert – kurz, er führt einen Kampf gegen Windmühlen, muss um jede Unterstützung oder Anerkennung kämpfen. Außerdem ist der Senat überzeugt, ihn nicht zu brauchen und die Situation allein bewältigen zu können. Man will nicht vom Kaiser abhängig sein oder bevormundet werden, schließlich ist Hamburg autonom. Zudem wird ihm immer wieder seine Beziehung zu Hedwig vorgeworfen – er ist fast 50 und lässt sich wegen ihr, die erst 17 ist, scheiden – ein Skandal!

Ralf Günther beschreibt Kochs Kampf sehr anschaulich, die unzureichende Aufklärung der Bevölkerung, die Irrglauben zum Übertragungsweg und den Aberglauben bei der Behandlung. Ergänzt wird die Handlung durch Einzelschicksale und Augenzeugenberichte. Auch die Kompetenzgerangel zwischen Senat, Arzt und Kaiser werden angesprochen.
Leider liest es sich für mich über weite Strecken wie ein detailverliebtes Sachbuch, eine Aneinanderreihung von Episode. Denn während andere Ärzte direkt am Patienten arbeiten und neue Heilmethoden ausprobieren, sitzt Koch in Beratungen, streitet mit dem Senat und fährt mit der Kutsche durch die Gegend, um Wasserproben. zu sammeln.
Einzig seine Verlobte Hedwig bringt eine persönliche Note in die Handlung. Sie scheint eine sehr willens- und durchsetzungsstarke Persönlichkeit gewesen zu sein, die sich auch für die einfachsten Arbeiten nicht zu schade ist. Mir hat gefallen, dass sie sich ihm nicht unterordnet, nicht die perfekte Hausfrau ist wie seine erste Frau, sondern als gleichwertige Partnerin wahrgenommen werden möchte. Auch sind ihre medizinischen Ansichten deutlich moderner als seine – sie muss ihm die Erkenntnisse seiner jungen Kollegen immer wieder ans Herz legen. „Wir dürfen die einfachen Wege nicht verschmähen, nur weil sie einfach sind.“ (S. 186)

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Veröffentlicht am 23.09.2021

Wer war es?

Mord im Lesesaal
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Ein alter Mann, der wie ein Obdachloser aussieht, schleppt sich mit letzter Kraft in den Lesesaal der Züricher Museumsgesellschaft und dort in einen roten Sessel um auszuruhen. Ihm nähern sich verschiedene ...

Ein alter Mann, der wie ein Obdachloser aussieht, schleppt sich mit letzter Kraft in den Lesesaal der Züricher Museumsgesellschaft und dort in einen roten Sessel um auszuruhen. Ihm nähern sich verschiedene Personen, die er aber alle mit einer kurzen Bemerkung oder Handbewegung wegschickt. Es sieht fast so aus, als würde er Hofhalten. Dann ist er plötzlich tot, erstochen mit einem Brieföffner, und alle acht Personen, die sich jetzt noch im Haus befinden, haben ein Motiv. „Ich habe es getan! Ich bin schuldig.“ (S. 46) sagen gleich zwei von ihnen, aber waren sie es wirklich? Da die Polizei wegen eines Großeinsatzes nicht kommen kann, beschließen die potentiellen Tatverdächtigen selber zu ermitteln …

Und die sind ziemlich interessant: Eine erfolgreiche Krimiautorin, die sich wegen ihrer theoretischen Aufklärungskenntnisse zur Anführerin der Ermittlungen aufschwingt, der Präsidenten der Museumsgesellschaft, der Leiter des Literaturhauses, die Saalaufsicht, der Sohn eines berühmten Schriftstellers, ein Dozent, eine Studentin und ein Leser, den keiner so richtig kennt, der sich aber sehr wichtig macht.

Eine spannende und abwechslungsreiche Täterjagd durch das Museum und Zürich beginnt, die in einem filmreichen Showdown gipfelt. Denn schnell wird klar, dass der Tote weder ein Obdachloser noch harmlos war.

„Mord im Lesesaal“ ist ein klassischer Whodunit-Krimi, der abwechselnd aus der Sicht der verschiedenen Tatverdächtigen erzählt wird. Dadurch bekommt man einerseits einen guten Einblick in ihre Gedanken, Gefühle und Motive, aber andererseits stört es den Lesefluss, weil die dadurch Kapitel recht kurz sind und viele schnelle kurze Überblenden und Ortswechsel beinhalten.
Außerdem hat mich irritiert, dass die Polizei nicht sofort an den Tatort kommt, wenn ein Mord gemeldet wird, sondern die Beteiligten am Telefon auffordert, mehrere Stunden auf sie zu. Das war mir einfach zu unrealistisch.

3 Sterne für diesen soliden Krimi.

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Veröffentlicht am 20.07.2021

Dienstmädchenmorde

Madame empfängt
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Frankfurt, August 1836: Ein junges Dienstmädchen wird vergiftet, während sie ihrer Nebenbeschäftigung, der Prostitution nachgeht. Der ermittelnde Oberinspektor Brand stellt den Fall relativ schnell ein: ...

Frankfurt, August 1836: Ein junges Dienstmädchen wird vergiftet, während sie ihrer Nebenbeschäftigung, der Prostitution nachgeht. Der ermittelnde Oberinspektor Brand stellt den Fall relativ schnell ein: Wen interessiert schon ein totes, liederliches Weibsbild?! Doch drei Wochen später stirbt das nächste Dienstmädchen unter den gleichen Bedingungen und da die Frankfurter Herbstmesse ansteht, bekommt Brand Druck von oben. Er ist sich sicher, dass der Täter irre sein muss und verhaftet einen ehemaligen Insassen der Städtischen Nervenheilanstalt, obwohl der betreuende Arzt der Meinung ist, dass der es auf keinen Fall gewesen sein kann. Kurz darauf stirbt das nächste Dienstmädchen …

Die Dichterin Sidonie Weiß ist von so viel Unfähigkeit empört. Sie schreibt seit 35 Jahren neben Gedichten auch Schauer- und Kriminalgeschichten und meint klüger zu sein, als der ignorante Inspektor. Das ältliche Fräulein sucht Hilfe bei ihrem alten Freund Johann Konrad Friedrich, einem ein in die Jahre gekommenen Lebemann, der schon alles gesehen hat und früher auch ein regelmäßiger Besucher diverser Bordelle war (sich in der Materie also auskennen sollte). Zusammen stellen sie eigene Ermittlungen an und schrecken dabei auch vor Einbruch nicht zurück …

„Madame empfängt“ von Ursula Neeb ist eine Neuauflage und der Beginn einer Reihe um die ermittelnde Dichterin. Der Fall an sich ist wirklich spannend. Obwohl es diverse Hinweise und auch eine Beschreibung des Täters gibt, bekommt man ihn einfach nicht zu fassen.
Während sich Sidonie die Arbeitgeber der Opfer vornimmt, erlebt Johann Konrad Friedrich zum Teil sehr amüsante Abenteuer in den sehr unterschiedlichen Etablissements. Sie kommen dem Täter auch bald auf die Spur, können ihn aber nicht fassen oder ihm etwas beweisen.

Ursula Neeb beschreibt die unwürdigen Arbeitsbedingungen, das Leben und die Träume der Dienstmädchen, die nicht immer freiwillig in die Prostitution gerutscht sind. Sie werden von ihren Dienstherren wie Sklaven behandelt, unterbezahlt, oft ausgetauscht und am liebsten gar nicht wahrgenommen.

Sidonie ist mir als Person leider nicht so richtig sympathisch gewesen. Sie kokettiert mit ihrem Status als ältliches Fräulein und alte Jungfer, wirkt überheblich, besserwisserisch und vergreift sich auch mal im Ton. Dabei ist sie durchaus gewillt, Gutes zu tun, hat schon diverse Projekte ins Leben gerufen, um den Armen zu helfen. Aber ihre Art war einfach nicht meins.
Johann Konrad Friedrich mochte ich da deutlich mehr. Er verbringt seine Tage im Kaffeehaus und schreibt an seinen Memoiren, wenn Sidonie nicht gerade seine Hilfe einfordert.

Der Fall an sich ist ganz interessant, schnell erkennt man das Muster des Täters und hat auch einen Verdacht. Aber die Erzählsprache und Erzählweise haben mir nicht zugesagt, zu langatmig, umständlich und weitschweifig, die Sprache zu gestelzt.

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Veröffentlicht am 14.06.2021

Der Blutegel

Mord zwischen den Zeilen
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Ausgehend vom Titel und der Überschrift des Klappentextes hatte ich (relativ zeitnah) einen Mord erwartet. Doch alles beginnt damit, dass das Ehepaar Sam(antha) und Kel aus Afrika, wo sie als Pflegekräfte ...

Ausgehend vom Titel und der Überschrift des Klappentextes hatte ich (relativ zeitnah) einen Mord erwartet. Doch alles beginnt damit, dass das Ehepaar Sam(antha) und Kel aus Afrika, wo sie als Pflegekräfte für „Ärzte ohne Grenzen“ gearbeitet haben, in die englische Kleinstadt Lockwood zieht. Isabel, Sams neue Kollegin, freundet sich sofort mit ihr an und führt sie in die Laien-Theatergruppe „The Fairway Players ein“. Diese wird von dem respektablen Ehepaar Martin und Helen Hayward geleitet. Kurz darauf erkrankt die zweijährige Enkelin der Haywards einem schweren und seltenen Hirntumor. Nach Aussage der Ärztin kann ihr nur ein neues, noch nicht zugelassenes Medikament aus den USA helfen, das 250.000 £ kostet. Sie starten einen Spendenaufruf mit einer Crowdfunding-Website und nehmen wirklich eine Menge Geld ein. Aber Sam, die Neue, hat schnell das Gefühl, dass da irgendwas nicht stimmt. Die Ärztin ist ihr suspekt, von dem Medikament hat noch keiner der ihr bekannten Ärzte gehört und irgendwie wird immer mehr Geld gebraucht. Auch Isabel wird ihr immer unangenehmer, klammert, drängt sich zwischen Sam und deren Freunde und in ihre Ehe – sie ist wie ein Blutegel, der ihr alle Zeit und Energie aussaugt, aber natürlich meint sie es nur gut. Doch ein Mord passiert nicht.

Auch die Erzählweise der Geschichte war anders als erwartet. Sie wird die ersten 380 Seiten nur über die E-Mails und SMS erzählt, die zwischen den Mitgliedern der Theatergruppe und anderen Beteiligten im Rahmen der Spendensammlung hin und her gehen. Dabei erfährt man oft nur eine Seite der Konversation, weil u.a. die Antworten von Sam und ihrem Mann Kel komplett fehlen. Erst dann geschieht der Mord und auf den folgenden 140 Seiten werten zwei Rechtsanwaltsgehilfin (wieder per SMS und Mails) die vorliegenden Daten aus und versuchen herauszufinden, was es mit der Spendensammlung auf sich hat, wie es zu dem Mord kommen konnte und wer ein Motiv hat. Dabei spielen sie verschiedene Varianten durch. Das war für mich nicht leicht zu lesen und zum Teil verwirrend, weil zu viele Personen vorkommen, von denen man oft nicht weiß, wer sie eigentlich sind und wie sie untereinander in Beziehung stehen.

Sehr spannend fand ich die „Freundschaft“ zwischen Sam und Isabel, die so harmlos beginnt und bei der man bald das Gefühl hat, dass sie nur in Isabels Fantasie besteht. Sie versucht sogar, Sam durch Erpressung und ein schlechtes Gewissen an sich zu binden.

Auch Sams Misstrauen bezüglich der Spendensammlung habe ich geteilt. Der Aufruf verselbständigt sich und scheint allen über den Kopf zu wachsen. Schnell wird ein Komitee gegründete, das die mehr oder weniger sinnvollen Aktionen und das eingenommene Geld verwalten soll, aber niemand hat wirklich einen Überblick. Das Highlight ist eine Gala mit Prominenten Schirmherren, die unter Vorspiegelung falscher Tatsachen gewonnen werde. Das alles entwickelt eine Dynamik, der sich die Beteiligten nur schwer wieder entziehen können. Man macht im Eifer des Gefechts natürlich auch Fehler und tätigt Fehlinvestitionen, fällt auf Betrüger rein.

Mein Fazit: Ungewöhnliche Erzählweise und verwirrend viele Personen - für mich ist das Buch kein Krimi im eigentlichen Sinn, eher eine Charakterstudie, die sich auch mit Gruppendynamik befasst.

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Veröffentlicht am 21.05.2021

Für mich zu war der Krimi zu cosy …

Der Donnerstagsmordclub (Die Mordclub-Serie 1)
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Joyce ist noch relativ neu in der Luxus-Seniorenresidenz Coopers Chase und fühlt sich ein bisschen fremd. Die ehemalige Krankenschwester hätte sich das Heim nie leisten können, aber ihre Tochter zahlt ...

Joyce ist noch relativ neu in der Luxus-Seniorenresidenz Coopers Chase und fühlt sich ein bisschen fremd. Die ehemalige Krankenschwester hätte sich das Heim nie leisten können, aber ihre Tochter zahlt für sie. Um so erfreuter ist Joyce, als sie von Elizabeth, einer früheren Geheimagentin, in den Donnerstagsmordclub eingeladen wird, dessen Begründerin Penny nach einem Schlaganfall im Wachkoma liegt. Penny hat früher bei der Polizei gearbeitet und während ihrer Dienstzeit die Akten der von ihren Kollegen abgelegten ColdCases gesammelt, die sie jetzt „aufklären“ (natürlich kommt es nie zu einer Verurteilung). Zum Club gehören auch der ehemalige Professor Bernard, Ibrahim war Psychiater und Ron ein berühmter Gewerkschaftsführer. Doch dann gibt es plötzlich zwei aktuelle Mordfälle im Dunstkreis der Residenz, deren Ermittlung sie sich nicht entgehen lassen können …

Nachdem ich letztes Jahr mit Begeisterung „Mord in Sunset Hall“ von Leonie Swann gehört habe, in der auch eine Senioren-WG ermittelt, hatte ich darauf gehofft, dass „Der Donnerstagsmordclub“ ähnlich humorvoll, skurril und spannend ist, wurde aber leider etwas enttäuscht. Klar, ein Cosy Krimi ist nun mal gemütlich, aber hier wurde es selbst mir zu langatmig und weitschweifig. Statt der erhofften stringenten Ermittlungsarbeit der Senioren und der Polizei (welche den Fall mit kleinen Überschneidungen parallel untersucht), verliert sich die Handlung immer wieder in den Erinnerungen der Senioren und ihren alltäglichen Verrichtungen, dabei sind der Fall an sich und die Hintergründe wirklich spannend. Auch das Setting hat mir sehr gut gefallen und ich mochte ich die vier Ermittler wirklich sehr, wie sie mit dem Älterwerden und ihren Partnern und Freunden umgehen.

Leider springt die Handlung innerhalb der Kapitel immer mal zwischen den einzelnen Erzählsträngen und ich habe deswegen ab und an den Faden verloren und musste „zurückspulen“. Vielleicht wäre auch wegen der Fülle der beteiligten Personen das Buch besser gewesen als das Hörbuch, da man da schneller mal zurückblättern kann. Mal sehen, ob ich den zweiten Teil lese oder höre …

Ein großer Pluspunkt des Hörbuches sind die Sprecher. Johannes Steck und Beate Himmelstoß haben ihre Sache sehr gut gemacht, die verschiedenen Personen und ihre Stimmungen gut erkennbar wiedergegeben.

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