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Veröffentlicht am 30.07.2021

Eine italienische Reise

Bella Musica
1

Bella Italia – „Bella Musica“. Und schon hat mich Stefanie Gerstenberger neugierig gemacht auf ihren, wie ich inzwischen weiß, so wundervollen Roman über das Suchen und Finden der eigenen Wurzeln.

Mit ...

Bella Italia – „Bella Musica“. Und schon hat mich Stefanie Gerstenberger neugierig gemacht auf ihren, wie ich inzwischen weiß, so wundervollen Roman über das Suchen und Finden der eigenen Wurzeln.

Mit Luna, die in München mit ihrem Bruder das Il Violino, ein gut gehendes Ristorante, betreibt, mache ich mich auf nach Cremona. Gitta, ihre Freundin, kommt selbstverständlich mit und so beginnt eine Reise der besonders intensiven Art. Die beiden so unterschiedlichen Charaktere ergänzen sich, die forsche Gitta muss des Öfteren Luna in ihrer zurückhaltenden, zaghaften Art mitreißen, sie immer wieder aufmuntern. Luna will ihren Vater wiederfinden, der sie vor vielen Jahren verlassen hat. Ihren Wurzeln nachspüren kann und wird sie in Cremona. Hier findet sie nicht nur Spuren ihrer Familie, hier beginnt vielleicht ihre Zukunft. In dem Haus, in dem Anna, ihre Großmutter, trotz Widerstand ihre Geigen baute, trifft sie auf Fabio, auf Valentino. Eine turbulente Fahrt ins Ungewisse nimmt ihren Anfang.

Ein weiterer Erzählstrang führt zurück zu Anna Battisti. Sie ist Lunas Großmutter, die sie jedoch nie kennengelernt hat. Lediglich eine Kindergeige, von Anna gefertigt, erinnert an sie. Damals, in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts, war es für eine junge Frau unmöglich, die Familientradition der Geigenbauer fortzuführen. So war es für Anna ausgeschlossen, ihren Traum zu verwirklichen.

Zwei ganz unterschiedliche Frauen, nicht nur verwandtschaftlich, sondern durch die Liebe zur Musik, zum Geigenbau, verbunden, begleite ich durch schöne und schmerzhafte Jahre. Anna Battistis Weg war ein in weiten Teilen steiniger, der Krieg hat ihr ihre große Liebe genommen. Trotzdem ließ sie sich nie unterkriegen, kämpfte für ihre Sache, hat gewonnen und verloren.

Stefanie Gerstenberger hat ein Faible für Italien – von Nord nach Süd – sie findet hier ihre Geschichten und schon haben wir eine Gemeinsamkeit. „Bella Musica“ findet seinen Anfang in Cremona und hier erfahre ich ganz viel über diese Stadt. Der Bau von Streichinstrumenten hat hier eine lange Tradition, die weiterhin gepflegt wird. Bekannte Geigenbauerfamilien stammen von hier – Stradivari dürfte jedem ein Begriff sein. Vor diesem Hintergrund ist es eine wahre Freude, hier gedanklich entlangzuschlendern, dem Museo del Violino einen Besuch abzustatten.

Über Marsala in Sizilien geht es nach Turin. Das südländische Flair mit den üppigen Oleanderbüschen, den Feigenkakteen und den Feigenbäumen haben mich direkt die heiße Sonne der Insel spüren lassen. Die Autorin hat das südländische Ambiente perfekt eingefangen, lässt ihre Leser am italienischen Lebensgefühl teilhaben. Ihre Charaktere sind gekonnt in Szene gesetzt, bei mir kam sehr große Sehnsucht nach meinem Lieblingsland auf. Stefanie Gerstenberger hat einen sehr angenehmen, gut lesbaren Erzählstil, sie haucht ihren Figuren sehr viel Leben ein. „Das ist ihr Leben, es ist immer wieder anders und manchmal wunderschön, und es muss nicht perfekt sein..." Ein so richtiger, so kluger Satz.

Ich habe diesen Italien-Trip in seiner ganzen Fülle sehr genossen. Etwas zu dramatisch und dann doch zu süß war die Liebe. Hier hätte ich es mir weniger märchenhaft gewünscht, nicht so sehr klischeebehaftet. Aber nichts desto trotz bin ich gerne mit Luna nach Italien gereist. Ein Wohlfühlroman, der die Sehnsucht nach Italien weckt. Eine Sommerbrise, die zuweilen sehr stürmisch daherkommt, die sich in einen Wirbelsturm verwandelt, um dann wieder abzuflauen.

Eine italienische Reise - da war und ist Musik drin, voller Poesie und Lebensfreude mit südländischem Temperament unter der heißen Sonne Italiens.

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Veröffentlicht am 20.07.2021

Dramatisch, fesselnd, kurzweilig

Eskalation
1

Im Nachhinein frägt sie sich, warum sie diesen Anruf nicht sofort weggedrückt hat. Eine ihr unbekannte Nummer nimmt sie aber aus Gewohnheit an, es könnte ein Kunde ihres Nagelstudios sein. Außerdem prangt ...

Im Nachhinein frägt sie sich, warum sie diesen Anruf nicht sofort weggedrückt hat. Eine ihr unbekannte Nummer nimmt sie aber aus Gewohnheit an, es könnte ein Kunde ihres Nagelstudios sein. Außerdem prangt auf ihrem roten Flitzer groß und überdeutlich ihre Handynummer, Kundenakquise der einfachsten Art. Und jetzt droht diese Stimme, gibt ihr Befehle. Woher weiß der SUV-Fahrer hinter ihr den Namen ihrer Tochter? Ihr darf nichts passieren, also folgt Dina seinen Anweisungen, er dirigiert sie, hat sie in der Hand. Da – Rettung naht in Form einer Polizeikontrolle, sie atmet auf. Um gleich darauf entsetzt feststellen zu müssen, dass mit ihm nicht zu spaßen ist, diese Situation außer Kontrolle gerät.

Ein von Anfang an bedrohliches Szenario, das mich nicht mehr los lässt. Ein toter Polizist, eine verschwundene Polizistin und eine als vermisst geltende Ehefrau bieten viel Raum für Spekulationen. Einblick bekommt der Leser in die kranken Gedanken des Täters, jedoch ist unklar, wer er ist, welches Motiv ihn antreibt. Bald meinte ich, den Mörder und Entführer in einem ganz besonders fiesen Charakter enttarnt zu haben, war über weite Strecken überzeugt davon, dass meine Vermutung stimmt, er über kurz oder lang überführt wird. Um dann doch wieder zu zweifeln. Aus Tätersicht bekomme ich Einsicht in seine kruden Gedankengänge, sein Geltungsbedürfnis ist allgegenwärtig. Kriminalkommissar Kaast ist zuständig für diesen Fall, der sich ausweitet, bald wird klar, dass ein Serienmörder sein Unwesen treibt.

Die Sichtweisen wechseln, die Nöte des Opfers sind schwer zu ertragen. Gibt es Hoffnung oder ist deren Lange aussichtslos? Ängste sind direkt spürbar, entsetzt musste ich erst mal tief durchatmen, um die grauenvollen Einzelheiten nicht zu sehr an mich ran zu lassen.

Ein Alptraum, der nicht so schnell vorüber ist. Geschickt versteht es die Autorin, ihre Leser auf falsche Fährten zu locken. Nora Benraths erster Psychothriller kommt rasant daher, er will gelesen werden.

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Veröffentlicht am 02.07.2021

Eine schicksalhafte Begegnung

Schicksal
1

Die junge Rachel steht vor der Tür ihrer einstigen Schwiegermutter, bittet um Einlass. Mit Meno, ihrem damaligen Ehemann, möchte sie sprechen. Jedoch wird ihr dies vehement verweigert. Warum?

Szenenwechsel: ...

Die junge Rachel steht vor der Tür ihrer einstigen Schwiegermutter, bittet um Einlass. Mit Meno, ihrem damaligen Ehemann, möchte sie sprechen. Jedoch wird ihr dies vehement verweigert. Warum?

Szenenwechsel: Menos Tochter Atara steht vor der Tür der mittlerweile 90jährigen Rachel. Atara will Antworten, ihr Vater (Meno) ist vor kurzem gestorben. Dem großen Tabu aus ihrer Kindheit will sie nun endlich auf den Grund gehen. Nie erzählt er von Rachel, seiner ersten Frau, ihrer gemeinsame Zeit bei der Lechi und auch nicht, dass es schon mal eine Atara gab, nach der er seine Tochter benannt hatte. Atara ist überzeugt, dass diese Frau sein Leben zerstört hat und inzwischen auch ihres. Da klingt sehr viel Verbitterung durch und diese treibt sie an, sie will mehr wissen.

Atara pendelt zwischen Rachel und deren Geschichte und ihrer Familie, niemandem wird sie gerecht, am wenigsten sich selbst. Sie möchte das Gestern ergründen, dabei stößt sie bei Rachel zunächst auf wenig Bereitschaft, sich ihr zu öffnen. Und doch bleibt es nicht aus, dass sich Rachel nochmal mit ihrem Kampf für die Freiheit Israels gegen die Briten auseinandersetzt. Hier klingt der fortdauernde politische und religiöse Konflikt Israels immer wieder durch, es wird eher angedeutet denn deutlich.

In Ataras Ehe steht es nicht zum Besten, sie ist permanent unzufrieden und lässt dies Alex deutlich spüren. Die erwachsenen Kinder aus beider erster Ehe sind aus dem Haus, der gemeinsame Sohn Eden, der Elitesoldat, den sie schwärmerisch ihren „Garten-Eden-Sohn“ nennt, sucht im Glauben seinen inneren Frieden.

Das Schicksal fragt nicht, es schlägt unerbittlich zu. Die familiäre Problematik mit all ihren Geheimnissen und Lügen, der Unzufriedenheit, sich vor dem Leben verschließen wollen sind Phasen, die bewältigt werden wollen. Es geht auch um Verlust und Trauerbewältigung - jeder durchlebt dies anders.

Schicksalhaft waren und sind ihrer aller Leben. Rachel setzt sich nochmal mit ihrer Zeit im Widerstand auseinander, Atara kämpft in ihrer Ehe und steht letztendlich an einem Wendepunkt. Dies alles vor der Kulisse Israel. Wer jedoch einen politischen Hintergrund erwartet, wird großteils enttäuscht sein. Sollte man die Vergangenheit ruhen lassen? Oder nochmal längst vergessen gemeinte Konflikte hervorkramen? Aufarbeiten wird eher nicht mehr möglich sein.

Mir hat dieses "Schicksal", je weiter ich las, immer besser gefallen und das offene, aber doch versöhnliche Ende ist dieser Geschichte gerecht geworden. Ein vielschichtiges Buch über das Leben und die Liebe an sich, ehrlich und ungeschönt ist ausgelesen und von mir für gut befunden. Gerne bin ich ein Stück des Weges mit Rachel, Atara und all den anderen gegangen.

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Veröffentlicht am 01.07.2021

Unterhaltsamer Abschluss der Speicherstadt-Saga

Der Traum von Freiheit
2

Der dritte Teil der Speicherstadt-Saga ist überschattet vom Nationalsozialismus. Im Hamburg des Jahres 1925 begegnen wir Mina, die seit zwölf Jahren Kopmann & Deharde, eine der führenden Kaffeeimportfirmen ...

Der dritte Teil der Speicherstadt-Saga ist überschattet vom Nationalsozialismus. Im Hamburg des Jahres 1925 begegnen wir Mina, die seit zwölf Jahren Kopmann & Deharde, eine der führenden Kaffeeimportfirmen in der Hamburger Speicherstadt, führt. Damals von ihrem Vater übernommen versteht sie es mit viel Geschick gute Gewinne zu erzielen. Ihren früheren Verlobten Edo, der mit einer schweren Kriegsverletzung zu kämpfen hat, weiß sie als Bürovorsteher stets an ihrer Seite. Er ist nach wie vor ihre große Liebe, auch wenn sie mit Frederik offiziell verheiratet ist. Diese Ehe besteht jedoch nur noch auf dem Papier, er hat sich schon längst nach Berlin abgesetzt, lebt sein eigenes Leben.

Mina mit ihrer resoluten, zupackenden, sehr liebenswerten Art bringt das Kontor auf Vordermann, hat trotz der Vorurteile gegen Frauen in Führungsposition Erfolg. Mit Frederik hat sie sich soweit ausgesöhnt, sie treten mittlerweile bei bestimmten gesellschaftlichen Ereignissen gemeinsam auf, was für sie sehr hilfreich ist, ihre Stellung in dieser Männerdomäne festigt.

Nach dem Tod von Minas Großmutter Hiltrud führt sie nun auch den Haushalt der Villa und bietet Agnes, ihrer Schwester und Anton, deren Mann an, hier zu wohnen. Anton mag es lange nicht wahrhaben, dass er als Jude hier nicht überleben wird. Immer näher rücken die strammen Nazis, auch wenn es keiner so recht glauben mag.

Ich war gleich mit Mina und den ihren dabei - zu Friedenszeiten und während des beginnenden Hitler-Regimes. Hier hat die Autorin die Atmosphäre gut eingefangen. Bei der nächsten Generation, die direkt in diese Zeit der Hitlerjugend hineinwächst, spürt man direkt, wie die Jugend auf deren Ideale gedrillt wurde. Jedoch sind sie schon imstande, so manches zu hinterfragen und nicht alles gutzuheißen. Die Bombennächte über Hamburg, die Nöte der Bewohner und die Hilfsbereitschaft, diesem Irrenhaus zu entkommen waren eindringlich geschildert.

Trotz des ernsten Hintergrundes war „Der Traum von Freiheit“ ein kurzweiliges Lesevergnügen, das ich gerne weiterempfehle.

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Veröffentlicht am 30.06.2021

Lebendiges Porträt einer starken Frau

Dora Maar und die zwei Gesichter der Liebe
1

Als Henriette Theodora Markovitch wurde sie in Frankreich geboren, aufgewachsen im argentinischen Buenos Aires mit einer notorisch unzufriedenen Mutter, die sehr viel Wert auf Etikette legte und ihrem ...

Als Henriette Theodora Markovitch wurde sie in Frankreich geboren, aufgewachsen im argentinischen Buenos Aires mit einer notorisch unzufriedenen Mutter, die sehr viel Wert auf Etikette legte und ihrem Tata. Sie beide, ihr Vater und sie, verstanden sich, waren auf einer Wellenlänge. Theodora wusste schon bald, was sie wollte. Tango tanzen, das wollte sie in Argentinien, ihren ersten Fotoapparat schenkte ihr ihr geliebter Tata.

19jährig kam sie zurück nach Frankreich, studierte hier Fotografie und Malerei, änderte bald ihren Namen in Dora Maar. Sie traf Man Ray und sie beide experimentierten mit der surrealistischen Fotografie, entdeckten die Technik der solarisierten Porträts. In dieser Zeit schuf Dora mit ihrem 1936 entstandenen „Pere Ubu“ ein vielbeachtetes Werk der manipulierten Fotografie.

Zunächst legte sie keinen Wert darauf, Picasso vorgestellt zu werden, was dann aber doch geschah. Er, der um seine Genialität immer wusste, war der geborene Verführer und für sie war es der genau richtige Zeitpunkt, ihn in ihr Leben zu lassen. Fotografieren war für Picasso nichts von großem Wert, er hielt sie zum Malen an. „Du solltest malen, Adora. In jedem Fotografen steckt ein Maler“. Die Entstehung von „Guernica“, eines der bekanntesten Gemälde Picassos, begleitete Dora fotografisch. Auch wird gemunkelt, dass sie hier kleinere Malarbeiten verrichtete.

Es gab immer andere Frauen nebenher, das war Dora bewusst, sie akzeptierte dies wohl oder übel. Acht Jahre waren sie ein Paar, es war nicht immer einfach, Picasso war ein Egomane, sah nur sich und sonnte sich im Kreise seiner Entourage. Die Künstlerszene in Paris war eine ganz eigene Welt, in der sich Dora nicht immer geborgen fühlte. Die schwierige Zeit während des Nazi-Regimes standen sie gemeinsam durch. Paris ist von den Boches besetzt, sie reisen nochmal gemeinsam in sein Haus in Menerbes, das er ihr später schenken wird. Das nahende Ende ihrer Liebe spürte sie, die Begegnung Picassos mit Francoise Gilot bedeutete das unausweichliche Aus ihrer Zweisamkeit.

Der Lesegenuss wird durch die Liste der Kunstwerke zum Schluss nochmal gesteigert. Viele Werke von Dora Maar, von Picasso und einige Werke von Man Ray sind so schnell zu finden, man sollte sich aber Zeit nehmen, um diese Fülle an Kunst auf sich wirken zu lassen.

Bettina Storks gelingt es mühelos, den Leser mitzunehmen in diese längst vergangene, faszinierende Welt. Über Picasso, das so charismatische Ausnahmetalent, ist vieles bekannt. Sowohl seine Werke als auch sein Leben wurden und werden vielfach dokumentiert. Die Autorin schafft es hier, Dora Maar in ihrer ganzen Vielschichtigkeit lebendig zu porträtieren. Ich habe mich gerne auf diese Reise eingelassen und zum Schluss nochmal einen Blick in diese verstaubte Schachtel geworfen, in der Dora sieben Bilder aufbewahrte. Ihr gelebtes Leben lässt sie nochmal Revue passieren.

Die Reise mit Dora Maar ist zu Ende und die Reihe „Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe“ um ein sehr lesenswertes Stück Zeitgeschichte reicher.

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