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Veröffentlicht am 05.09.2021

Die Schwarzen Reiter und die Kinder

Junge mit schwarzem Hahn
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Stefanie vor Schulte entwickelt in ihrem Erstlingswerk eine brilliante Romanidee, die direkt von dem Einbandsgemälde des Romans entnommen worden sein könnte. Der Junge auf dem Gemälde schaut melancholisch, ...

Stefanie vor Schulte entwickelt in ihrem Erstlingswerk eine brilliante Romanidee, die direkt von dem Einbandsgemälde des Romans entnommen worden sein könnte. Der Junge auf dem Gemälde schaut melancholisch, aber auch charakterlich gefestigt auf den Betrachtenden.Und darum geht es in dem Roman: Eine Geschichte über einen Jungen mit seinem schwarzen Hahn. Ein Junge mit einer nicht alltäglichen Geschichte.

Wer könnte dieser Junge sein? Wann und wo könnte er gelebt haben? Der Maler, mit dem Martin mitgeht, nimmt er eine Vaterrolle für den Jungen ein? Meint der Maler es gut mit ihm oder nützt er den feinsinnigen und hilfsbereiten Jungen aus?
Die Autorin lässt den Roman in einer Zeit spielen, die von Rechtlosigkeit und Armut geprägt ist. Die Menschen kämpfen täglich um ihr Überleben. Satt sein, glücklich sein, etwas für die Zukunft zurücklegen, die Kinder in Schulen ausbilden – all das gibt es hier nicht. Es herrscht der pure Überlebenskampf vor.

Der kleine Martin ist der einzige Überlebende einer größeren Familie, die der Vater eines Tages mit dem Beil erschlagen hat. Im Dorf kümmert sich niemand um ihn. Die Menschen haben eher Bedenken, dass sich sein Unglück auf sie übertragen könnte. Und dann dieser schwarze Hahn, der wie ein Teufel auf der Schulter des Jungen sitzt... Einzig ein Maler, der die Kirche im Dorf ausmalen soll, hat Mitleid mit dem Jungen und sieht in dessen Augen etwas Besonderes. Deshalb nimmt er ihn als Modell für den Christus, was die Leute im Dorf (die der Maler als Idioten bezeichnet) verärgert, ausgerechnet der Ausgestoßene.

Im Roman muss Martin viele Abenteuer bestehen und wächst dabei zu einer menschlichen Größe, erhaben über die Niederträchtigen um ihn herum. Das geht fast bis zur Selbstaufgabe des Jugendlichen. Aber seine eigentliche Aufgabe besteht darin herauszufinden, wer die wilden Reiter sind, die überall Kinder entführen, und was mit diesen Kindern passiert. Er findet es heraus.
Die übelste Gestalt in diesem Roman ist die Fürstin, die nur ihren eigenen kranken Egoismus auslebt und gar nicht merkt, wie ihr Volk darbt, hungert und verroht. Sie ist es auch, die die Aufträge für die Kindesentführungen erteilt. Martin muss nun an seine äußersten Grenzen gehen, um die Kinder zu befreien. Nachdem er auch noch eine Brachialaufgabe bewältigen muss, ist er der Retter.

Das ist alles sehr eindringlich beschrieben. Martin und die Fürstin bilden krasse Gegensätze. Während er – wie sein Vorbild Christus – das Gute will, ist die Fürstin geprägt von Eitelkeit und purem Egoismus und nicht ihrer Aufgabe als Landesfürstin gewachsen. Doch bei aller Grausamkeit und Hoffnungslosigkeit lässt der Roman am Ende einen positiven Ausblick auf die Zukunft zu. Martin kehrt zu dem Menschen zurück, der ihm am Meisten (neben seinem Hahn) bedeutet.

Der Schreibstil, knappe Sätze mit knallharten Aussagen. Ist das nicht Hemingway-Stil? Es ist aber auch ein sehr märchenhafter Stil. Mir kommt der gesamte Roman wie eine literarische Allegorie vor… Es ist eine brutale Erzählung, bei der ich öfters tief durchatmen musste. Kein leichter Stoff, sondern Ttiefgründiges über die Menschheit. Daher denke ich an ‚Allegorie‘, diese wortgewaltige Verarbeitung von Hilfbereitschaft, Egoismus, Not und Elend soll den Lesenden anregen (Parallelen in der real existierenden Welt zu sehen). Daher sind meine Anfangsfragen lediglich als Hinweise zu betrachten, denn es gibt keine näheren Angaben zum wo, warum, wieso.

Das Buch-Cover ist sehr ansprechend, ein künstlerisches Bild... gefällt mir gut!
Das Buch ist im Diogenes-Verlag erschienen, umfasst 227 Seiten und kostet 22 Euro.

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Veröffentlicht am 05.09.2021

Damals in den Sechzigern

Ein Koffer voller Schönheit
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Wer kennt noch die Avon Beraterin?

Avon, Kosmetikprodukte aus dem Köfferchen zu verkaufen – damals – eine Sensation. Heute, nicht mehr bekannt. Anne fährt mit ihrer Isetta (damals in den Sechzigern die ...

Wer kennt noch die Avon Beraterin?

Avon, Kosmetikprodukte aus dem Köfferchen zu verkaufen – damals – eine Sensation. Heute, nicht mehr bekannt. Anne fährt mit ihrer Isetta (damals in den Sechzigern die Fahrsensation, heute steht die Knutschkugel im Museum in Bonn, mein Vater hatte eine solche Knutschkugel, zum vorne einsteigen... vor meiner Zeit). Anne sieht nicht aus wie die damals durchschnittliche deutsche Frau – sondern hat einen fremdländischen ‚touch‘ an sich. Das könnte vielleicht für eine neue Idee sogar von Vorteil sein. Der Vorspann erzählt von Annes erster Fahrt von Lüneburg aufs Land, zu einer Bäuerin, die sich für den Bauernball schick machen wollte. Anne erinnert sich auch an ihre Ehe, die mal liebevoll begann und jetzt nichts mehr ist.

Dieses Buch erzählt davon, wie schwierig der Weg der Nachkriegsfrauen (nach dem Zweiten Weltkrieg) war und wie sie ihren Weg in die Emanzipation sich bahnen mussten – etwas, was wir heute als selbstverständlich annehmen.

Was mich faszinierte, war die unkonventionelle Schwiegermutter … schön, so einen Schatz an seiner Seite zu wissen. Da kann der Mann noch so sehr hinterwäldlerisch sein. Sie ist lustig und fidel. Leider wohl sehr selten solche Schwiegermütter...

Stil: Nett erzählt, vor allem von den Schwierigkeiten eine Avon Beraterin zu werden. Erinnert mich auch an die Anfänge von Beate Uhse, die mit ihrem Erotikunternehmen anfänglich auch gegen massive Probleme anzugehen hatte und später eine großartige Unternehmerin wurde (trotz der Schmuddelecke).

Es ist ein wichtiges Buch, um sich darüber im Klaren zu werden wie schwierig Anfänge sind, der Neuanfang nach dem Zweiten Weltkrieg, aber auch ein 'start up' (wie es heute so schön heißt) aufzubauen.
Durchaus lesbar für diejenigen auch, die heute ein neues Unternehmen aufbauen wollen. Die Schwierigkeiten bleiben, vielleicht auf anderer Ebene. Daher nicht aufgeben, Hütchen auf und durch!

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Veröffentlicht am 31.08.2023

Das seltsame Wesen im Wasser (der Riesenkalamar oder das Unterseekabel?)

Weil da war etwas im Wasser
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‚Pouvez-on serieusement imagine que la production de l‘encre, chez le poulpe, aurait ete selectionne au cours de l‘evolution‘ecrire?‘ (Autobiographie d‘un poulpe)

‚Als ein riesiger Tintenfisch ein Tiefseekabel ...

‚Pouvez-on serieusement imagine que la production de l‘encre, chez le poulpe, aurait ete selectionne au cours de l‘evolution‘ecrire?‘ (Autobiographie d‘un poulpe)

‚Als ein riesiger Tintenfisch ein Tiefseekabel berührt, beginnen seine Arme davon zu erzählen, wie es ist, ein Ungeheuer zu sein.‘ Tiefseekabel sind dazu verlegt worden, um technische Signale von A nach B zu leiten. Und nun erzählt ein Riesenkalamar diesem Kabel von seinem Leben? Doch das Kabel selbst kann ja nicht Geschichten aufnehmen, es leitet nur. So hat Luca Kieser die Geschichte des Kalamars aufgenommen und erzählt sie. Der Schlusssatz der rückseitigen Information endet mit ‚Ein außergewöhnliches literarisches Abenteuer‘.

Der vorstellende Text berichtete von dem Riesenkalamar, von Sanja und Dagmar (Sanja ist fasziniert von dem Meeresgetier und geht eine Beziehung mit ihm ein), von der Umwelt und den tiefgehenden (im wahrsten Sinne des Wortes) Veränderungen und anthropogenen Zerstörungen. Nun folgt aus tierischer Sicht die Wahrnehmung (erinnert vielleicht ein klein wenig an den ‚Schwarm‘ von Schätzing).

Es sind sanfte Worte, ja durchaus poetisch zu benennen. Aber in ihrer Sanftheit ziemlich aufrüttelnd. Ergreifend! Die Schreibe ist einfach, wirkt oft sehr Pennälerhaft (Gedankenassoziationen). Wird aus Sicht der Arme des Kalamars geschrieben.

Es gibt jedoch auch jede Menge interessanter Infos zu Bereichen, mit denen ich mich nie beschäftigt habe - Krill, Kalamar, Wal, Arktis, Eisberge (jaja, auch die Titanic wird erwähnt, wohl das bekannteste Eisbergunglück). Mit der Leseprobe hatte ich Schwierigkeiten und wollte aber dem Buch eine Chance geben. Nun, ich habe es nicht bereut mutig zu sein. Es ist ein Lesegenuss der anderen Art Literatur. Nicht schnell und spannend wegzulesen, sondern Wort für Wort einwirken lassen, Zeitgeben zum tief sinken lassen (wobei wir wieder bei der Tiefsee sind). Zugegeben – es ist ein forderndes Lesen, sehr fordernd! Insofern keine Alltagslektüre...

Das Umschlagsbild ist aufregend und eigen gestaltet, mit Alleinstellungsmerkmal, so einen Umschlag gibt es nicht so schnell wieder. Ohne einen Schutzumschlag, braucht es auch nicht. Das gesamte Buch ist in Unterwasserfarben, blau türkis, gestaltet mit rötlichen Kalamararme (sechs seiner acht Arme). Sehr auffällig. Ebenso auffällig, weil ungewöhnlich, ist der der in weiß aufgedruckte Titel: Weil da war etwas im Wasser… und natürlich fragt sich der lesende Mensch sofort, was war denn da im Wasser?
Das Buch selbst kommt sehr hochwertig daher, liegt angenehm griffig in der Hand. Picus Verlag, Wien, 2023

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Veröffentlicht am 28.07.2023

Eliza

Eine Lady hat die Wahl
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Etwas Leichteres für zwischendurch. Eine Romanze.
Die siebzehnjährige Eliza wird mit dem weitaus älteren Earl of Somerset (25 Jahre Differenz), dem neunten seiner Art, verheiratet, rein aus ökonomischen ...

Etwas Leichteres für zwischendurch. Eine Romanze.
Die siebzehnjährige Eliza wird mit dem weitaus älteren Earl of Somerset (25 Jahre Differenz), dem neunten seiner Art, verheiratet, rein aus ökonomischen Gründen. Und für den Earl ist das junge Ding auch nur eine Zierpuppe. Witwe geworden, nach zehn Jahre Ehe, überrascht sie die Testamentseröffnung. Sie ist die Haupterbin. Aber nicht, weil ihr Mann sie so sehr liebte, sondern anderen Verwandten eines auswischen wollte. Gleichzeitig wird sie mit ihrer Jugendliebe konfrontiert, denn er erhält den Titel des Lords. Doch auf jeden Fall, nun darf das Leben beginnen…

Die junge Frau wird selbstbewusster, ‚with a little help of good friends‘, genießt das Leben und entzieht sich den Konventionen…Doch im Testament steht, dass ihr der sagenhafte Reichtum nur zusteht bei einem tadelloser Lebensführung. Was sie aber letztendlich nicht davon abhält eine Dreiecksbeziehung auszuleben...

Unterhaltsam, zum Abschalten, keiner hohen intellektuellen Erwartung muss genügt werden… Ambiente der Regency Zeit. Gleichzeitig ist es wirklich gute Unterhaltung, mit einem Schuss Humor und Augenzwinkern und einen deutlichen Hinweis darauf, wie eingeengt das Leben von Frauen im 19. Jahrhundert war.
Das Umschlagsbild deutet natürlich zu gut die Richtung an. Der Titel ebenfalls. Und doch werden auch Themen angesprochen, die selbst heute noch wichtig sind, nicht nur in gewissen Ländern, auch bei uns in Mitteleuropa.

Die Hauptpersonen: Natürlich alle aus aristokratischen Kreisen, England in der Regency-Epoche - Eliza Eunice Courtenay (27, verwitwet), Right Honourable Countess of Somerset. Margret, die Gesellschaftsdame, verwandt mit Eliza und enge Vertraute. Die männlichen Teile – der Schriftsteller Lord Max Melville, charmant aber sehr eigen, und Lord Oliver Somerset, der Neffe, Titelerbe (von Julius Edward Courtenays) und erste Liebe von Eliza. Gut beschrieben wird eine zunehmend selbstbewusste Eliza. Sie lässt ihre bisherigen Einschränkungen hinter sich und geht neue Wege, sucht Freiheit und Unabhängigkeit.

Tolle Dialoge, humorig und charmant. Wie bereits erwähnt, eine leichte Lektüre... gemäß dem Anspruch, leichte Unterhaltung, gute vier Sterne.

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Veröffentlicht am 22.04.2023

Der schönste Turm der Christenheit

Der Turm aus Licht
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Das Freiburger Münster - der schönste Turm der Christenheit, eine gotische Kathedrale, die noch im Mittelalter beendet wurde... das Kleinod in der Stadt Freiburg, unzerstört im Zweiten Weltkrieg. Eine ...

Das Freiburger Münster - der schönste Turm der Christenheit, eine gotische Kathedrale, die noch im Mittelalter beendet wurde... das Kleinod in der Stadt Freiburg, unzerstört im Zweiten Weltkrieg. Eine Schönheiten unter den ihren...

Astrid Fritz, die bereits viele Bücher, die im Mittelalter in Freiburg spielen, geschrieben hat, machte sich an ein bombastisches Werk: 814 Seiten. Sie lässt ihre Geschichte im 13. Jahrhundert beginnen, als bereits Teile des neuen Baues und noch Teile der Vorgängerkirche (Konradkirche) stehen. Es ist eine Saga um die Erbauer des Münsters und der politischen Geschehnisse in der Stadt Freiburg, mit ihren Intrigen und Niedertrachten, aber auch ihre Schönheiten um den Bau des Münsters.

Die einzelnen Figuren ziehen große Sympathien auf sich mit guten Wünschen, dass ihr Vorhaben doch gelingen möge. Andere, die häßlichen Gegenspieler, laden des Lesers Verachtung auf deren ungerechte Häupter.

Ein Buch über eine der schönsten Kirchen der Welt, das sich spannend liest.

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