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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.11.2023

Aus dem Leben eines Dreifachvaters

Väter sind was Wunderbares, das muss man den Müttern nur immer wieder sagen
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Humor ist bekanntermaßen Geschmackssache und Alexander Bayers und meine Wellenlängen kreuzen sich leider nur gelegentlich. Sein „Insiderbericht von der Windelfront“ deckt von der Verkündung der Schwangerschaft ...

Humor ist bekanntermaßen Geschmackssache und Alexander Bayers und meine Wellenlängen kreuzen sich leider nur gelegentlich. Sein „Insiderbericht von der Windelfront“ deckt von der Verkündung der Schwangerschaft bis hin zum Leben mit Schulkind alle möglichen Themenbereiche rund ums Familienleben ab. Über Geburtsvorbereitungskurse etc. hatte ich vielleicht einfach schon zu viele Kalauer gehört; die ersten Kapitel waren nicht so meins. Dann wurde es stellenweise viel besser; insbesondere die Passagen mit längeren Dialogen zwischen Vater und Kindern haben mir gefallen; schnelle Wortwechsel, viel Situationskomik und Mitgefühl für den Vater habe ich auch bekommen. Oft blieb mir Bayers Humor aber zu übertrieben. Vielleicht ist das Buch eher für Väter als für Mütter?

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Veröffentlicht am 30.06.2023

Starker Start, lässt dann jedoch nach

Zwei Fremde
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Die 33-jährige Remie Yorke tritt ihre letzte Schicht als Nachtmanagerin des Mackinnon an. Am nächsten Tag beginnt die Winterpause des einsam in den Highlands gelegenen Hotels, nach der sie nicht mehr zurückkehren ...

Die 33-jährige Remie Yorke tritt ihre letzte Schicht als Nachtmanagerin des Mackinnon an. Am nächsten Tag beginnt die Winterpause des einsam in den Highlands gelegenen Hotels, nach der sie nicht mehr zurückkehren möchte. Es ist ein ruhiger Abend mit nur noch zwei Hotelgästen im Haus und zunächst wird Remies Vorfreude nur durch einen aufziehenden, schweren Schneesturm getrübt. Doch dann klingelt ein Mann, der sich als Police Constable Gaines ausweist und berichtet, dass es bei einem Gefangenentransport ganz in der Nähe einen Unfall gab und der Schwerverbrecher Troy Foley flüchtig ist. Über eine Stunde später klingelt ein weiterer Verletzter in Uniform, der die gleiche Geschichte erzählt und sich ebenfalls als Gaines vorstellt. Einer von ihnen lügt offensichtlich und Remie, die bis zum nächsten Morgen die einzige Hotelangestellte vor Ort ist, muss sich entscheiden: Wem kann sie vertrauen? Und wie kann sie sich und ihre Gäste schützen?

Die Ausgangssituation in „Zwei Fremde“ sorgt sofort für Spannung: Eine Frau, fast auf sich alleine gestellt, muss eine Einschätzung treffen, von der vermutlich ihr Leben abhängt. Unweigerlich stellt sich die Frage, wie man an Remies Stelle handeln würde und wer denn nun der echte Gaines ist. Das undurchsichtige Katz-und-Maus-Spiel, das die ersten zwei Drittel des Thrillers prägt, fand ich dann auch am Fesselndsten, obwohl das Verhalten der verschiedenen Figuren mehr und mehr Rätsel aufgab.

Doch nach und nach geht dem Thriller etwas die Luft aus und Ungereimtheiten häufen sich. Im Nachhinein ist klar, dass fast alle Protagonistinnen und Protagonisten die Möglichkeit gehabt hätten, ihr jeweiliges Ziel schneller und risikoloser zu erreichen. Die durchaus überraschenden Wendungen verhindern leider auch nicht, dass „Zwei Fremde“ mehr und mehr an Nachvollziehbarkeit einbüßt. Schade, es begann alles sehr vielversprechend.

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Veröffentlicht am 23.10.2022

Abzug in der B-Note

Freiheitsgeld
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Bedingungsloses Grundeinkommen, Neubauten aus dem 3-D-Drucker, großflächige Naturschutzzonen überall in Deutschland - eine schöne neue Welt ist das, die Autor Andreas Eschbach für das Jahr 2064 entworfen ...

Bedingungsloses Grundeinkommen, Neubauten aus dem 3-D-Drucker, großflächige Naturschutzzonen überall in Deutschland - eine schöne neue Welt ist das, die Autor Andreas Eschbach für das Jahr 2064 entworfen hat. Mit dem sogenannten Freiheitsgeld richten sich die Figuren des gleichnamigen Romans völlig unterschiedlich ein: Sie hängen zugedröhnt zu Hause ab, gehen einem Job aus Leidenschaft nach oder zahlen einen hohen Preis, um sich besonderen Luxus leisten zu können, der Durchschnittsbürger*innen nicht mehr zur Verfügung steht. Eschbach gelingt ein faszinierendes, durchdachtes und dichtes Worldbuilding, das am besten funktioniert, wenn er es wie nebenbei in die Handlung einfließen lässt. Ein Teil der Informationen wird allerdings auch über längere Monologe und Gedankenstränge vermittelt. Dies wirkt nicht weniger stimmig, liest sich aber etwas aufgesetzt.

Ich habe mich sehr auf die Lektüre von „Freiheitsgeld“ gefreut und war gespannt, welche Dystopie Eschbach aus der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens entwickelt. Der Roman liest sich dann auch fesselnd und teilweise erschreckend. Einige Passagen haben mich allerdings ziemlich irritiert und mir so etwas Lesefreude genommen: Wenn es um Paarbeziehungen geht, von denen es in „Freiheitsgeld“ einige gibt, wird die Darstellung oft schwächer. Die Schilderung der meisten Charaktere bleibt sehr oberflächlich, stellt Interaktionen stereotyp dar und hat mich auch ab und zu verwirrt, da sich Protagonisten öfters unstimmig verhalten. Die Ausgestaltung neuer Lebenswelten liegt dem Bestseller-Autor offensichtlich mehr, als sich in zwischenmenschliches Verhalten einzufühlen.
Als zweite große Schwäche von „Freiheitsgeld“ empfinde ich, dass der Roman trotz gleich mehrerer Verbrechen, die ein junger, ehrgeiziger Polizist zu lösen versucht, sehr lange nur vor sich hinzuplätschern scheint. Die eigentliche Action kommt erst kurz vor Schluss und verpufft dann auch gleich wieder. Nach dem aufwändigen Worldbuilding bin ich doch etwas enttäuscht, wie unbedeutend die Rollen einiger Figuren letztendlich sind. Es bleibt das Gefühl, dass Eschbach aus „Freiheitsgeld“ mehr hätte machen können. Er hatte eine spannende Idee und beschreibt eine Welt, die so dicht an der Realität und dann doch wieder so anders ist, dass es mich gleichzeitig fasziniert und gegruselt hat. Die eigentliche Handlung und die von ihm geschaffenen Charaktere fallen dahinter zurück, als hätte der Autor auf ihre Ausgestaltung keine rechte Lust mehr gehabt. Wie schade, denn eigentlich hat „Freiheitsgeld“ alle Anlagen, um eine 5-Sterne-Bewertung zu bekommen.

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Veröffentlicht am 10.04.2022

Viel Beschreibung, wenig Handlung

Every (deutsche Ausgabe)
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Dave Eggers Roman „Every“ knüpft an seinen Bestseller “Der Circle“ an, den ich bereits vor ein paar Jahren gelesen habe und gleichzeitig spannend und erschreckend fand. Inzwischen ist aus dem Circle „Every“ ...

Dave Eggers Roman „Every“ knüpft an seinen Bestseller “Der Circle“ an, den ich bereits vor ein paar Jahren gelesen habe und gleichzeitig spannend und erschreckend fand. Inzwischen ist aus dem Circle „Every“ geworden, nachdem die Firma den größten Online-Shop der Welt geschluckt hat, von dem alle nur als „dschungel“ sprechen. Everys Macht ist größer denn je – der Konzern bietet Apps für jede Lebenslage, die die Menschen beinahe lückenlos überwachen und ihnen das Leben dabei scheinbar so angenehm und vor allem berechenbar wie möglich machen. Natürlich gibt es auch Menschen, die das System ablehnen. Eine von ihnen ist Delaney, die schon seit Jahren einen Plan verfolgt: Sie will sich bei Every bewerben und den Konzern von innen vernichten. Und tatsächlich schafft sie es mit Hilfe ihres Freundes Wes, eingestellt zu werden. Ihre Strategie: sich so abstruse neue Überwachungs-Apps einfallen zu lassen, dass die Menschheit sich von Every abwendet. Allerdings ist das gar nicht so einfach …

Der Roman dreht sich vor allem um Delaneys Job-Rotation. Sie arbeitet in verschiedensten Every-Abteilungen und lernt die Firma so von innen kennen, inklusive ihrer unterschiedlichen Apps. Eggers dreht die Überwachungsschraube gekonnt immer weiter – alle von Every entwickelten Programme scheinen so viele hilfreiche Funktionen zu haben, dass die Kunden ihre totale Transparenz klaglos in Kauf nehmen. Ins Nachdenken kommt man beim Lesen schon, denn längst nicht alle geschilderten Entwicklungen wirken technisch und moralisch undenkbar.

Allerdings nutzen sich diese Schockmomente mit der Zeit doch etwas ab und dann fällt auf, dass die Handlung eher dürftig ist. Es passiert einfach nicht besonders viel in „Every“, abgesehen von den letzten 140 Seiten. Das ist schade, denn einige Charaktere sind so interessant angelegt, dass ihre Geschichten sicher erzählenswert gewesen wären. Doch sie bleiben alle Beiwerk von Delaney, und das ist schade. Ich hatte mir von „Every“ deutlich mehr versprochen.

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Veröffentlicht am 28.09.2021

Zähes Psychoduell

SCHWEIG!
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Es hätte ein packendes Kammerspiel in Thrillerform werden können: Die erfolgreiche Familienmanagerin Esther besucht ihre jüngere Schwester Sue, um ihr ein Weihnachtsgeschenk vorbeizubringen. Es ist der ...

Es hätte ein packendes Kammerspiel in Thrillerform werden können: Die erfolgreiche Familienmanagerin Esther besucht ihre jüngere Schwester Sue, um ihr ein Weihnachtsgeschenk vorbeizubringen. Es ist der 23. Dezember, beide haben sich in diesem Jahr noch gar nicht gesehen und hoffen, Esthers Überraschungsbesuch möglichst schnell hinter sich zu bringen. Sue erträgt die Anwesenheit ihrer Schwester kaum und diese will eigentlich sofort wieder abfahren – sobald sie sich sicher ist, dass es Sue gut geht und sie sie beruhigt alleine lassen kann. Doch dieser Eindruck stellt sich zunächst so gar nicht ein …

Schnell wird deutlich: Zwischen den Schwestern ist viel im Argen. Wie viel, zeigt sich durch ihre unterschiedlichen Perspektiven auf die Begegnung. Kleinigkeiten – die Begrüßung, das Servieren von Tee, die Einrichtung – werden abwechselnd aus beiden Blickwinkeln geschildert, und schnell wird deutlich: Esther und Sue nehmen die gleiche Situation höchst unterschiedlich wahr. Beide sind geprägt von verdrängten Erinnerungen, die durch ihr Treffen nach und nach hochkommen. Und schließlich weiß man als Leserin oder Leser kaum noch, was man glauben soll: Ist Sue labil, Esther ein Kontrollfreak, oder steckt noch etwas ganz anderes hinter ihrer toxischen Schwesternbeziehung?

Eigentlich eine wunderbare Ausgangslage für einen Thriller, doch statt Fahrt aufzunehmen, wird dieser nach und nach zäh. Beide Schwestern sehnen das Ende ihres Wiedersehens vehement herbei, doch ihr Treffen zieht sich – und mit ihm dieses Buch. Dabei gibt es unerwartete Enthüllungen, Verwicklungen und Erkenntnisse und ich musste meinen Eindruck von beiden mehrmals korrigieren. Doch trotzdem wabert die Geschichte eher schleppend vor sich hin – vielleicht, weil das Verhalten der Schwestern in einigen Punkten so wenig nachvollziehbar bleibt. Oder, weil große Teile der Geschichte durch die unterschiedlichen Perspektiven doppelt erzählt werden und so das Tempo gedrosselt wird. Auch der finale Twist konnte das für mich nicht mehr rausreißen. Am Ende war ich froh, dieses zähe Psychoduell überstanden zu haben.

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