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Veröffentlicht am 09.08.2019

Absolutes Lieblingsbuch

Das wandelnde Schloss
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Bereits Ende der 80er zum ersten mal erschienen, begeistert Howl's Moving Castle (oder zu deutsch Sophie im Schloss des Zauberers) bis heute die Leserinnen und Leser. Und zwar zu Recht.
Wir schlüpfen in ...

Bereits Ende der 80er zum ersten mal erschienen, begeistert Howl's Moving Castle (oder zu deutsch Sophie im Schloss des Zauberers) bis heute die Leserinnen und Leser. Und zwar zu Recht.
Wir schlüpfen in die Haut der jungen Sophie Hatter, die im Hutladen ihres verstorbenen Vaters arbeitet. Ihre Schwestern ziehen aus, um eine Lehre zu beginnen (eine in einem Backgeschäft, die andere bei einer Zauberin) und Sophie ist überzeugt davon, dass sie als Älteste kein Glück hat und für immer im Familienbetrieb (nun von der Stiefmutter geführt) festsitzt.
Nichts ahnend zieht sie eines Tages den Zorn einer mächtigen Hexe auf sich, die Sophie in eine uralte Frau verwandelt. Weil sie nicht möchte, dass ihre Familie sie so zu Gesicht bekommt, macht sie sich auf den Weg um ihr Glück zu finden.
Das erscheint dann auch - und zwar in Form des schwebenden Schlosses, in welchem der berühmt berüchtigte Zauberer Howl lebt. Diesem sagt man allerlei Grausamkeiten nach, so soll er zum Beispiel die Herzen junger Mädchen sammeln.
Als alte Frau meint Sophie, nichts zu befürchten zu haben. Sie dringt in das Schloss ein (welches von innen ganz anders aussieht, als man annehmen könnte - vor allem was die Größe angeht) und heuert als Putzfrau an. Dabei freundet sie sich mit Feuerdämon Calcifer, der als Flamme im Kamin lebt, und dem Lehrjungen Michael, dem sie mehr als einmal großmütterlich zur Seite steht, an.
Und natürlich gibt es da auch noch Howl selbst, der so ganz anders ist, als man Anfangs vermutet. Er ist eine der interessantesten und vielseitigsten Figuren, die ich je in einem Buch erlebt habe. Arrogant, liebenswürdig, heldenhaft, feige, talentiert, charmant, selbstsüchtig, loyal, kindisch... Howl ist so komplex und vielschichtig geschrieben, dass man ihn Anfangs kaum einschätzen kann - und sich mit jeder Seite mehr in ihn verliebt.
Apropos: Die Autorin selbst hat übrigens mal erwähnt, dass über die Jahre sehr viele junge Mädchen genau das zu ihr sagten: sie hätten sich auf Anhieb in Howl verliebt. Das hätte sie zwar gefreut, aber auch ein bisschen gewundert, denn selbst würde sie um nichts in der Welt mit einem Mann wie Howl zusammen sein wollen. Und eigentlich hat sie recht, denn immerhin ist der wahnsinnig anstrengend - aber manche Frauen mögen das in Maßen ja. :)
Fazit:
Diana Wynne Jones erschafft wie keine Zweite großartige und liebenswerte Charaktere, eine Welt voller Magie und viele überraschende Wendungen, die überhaupt nicht vorherzusehen sind. Außerdem ist sie eine Meisterin der subtilen und stillen Liebesgeschichten, die sich im Hintergrund abspielen und trotzdem wunderschön sind.
Dabei bleibt sie immer label- und schubladenfrei, nichts ist wie es scheint, nichts ist einfach nur schwarz oder weiß und selbst die vermeintlichen Helden haben jede Menge Laster und Schwächen. Bis zum Schluss bleibt es spannend und wenn sich alles nach und nach aufgelöst hat, kann man nur noch tiefbeeindruckt und zufrieden das Buch zuklappen.
Die ganze Geschichte ist so kreativ, einzigartig und voll von angenehmer Atmosphäre, dass man am liebsten reinspringen und selbst im Lande Ingari, bzw. dem Schloss mit der einzigartigen Tür leben möchte.
Über die Jahre hinweg habe ich Howls Moving Castle unzählige Male gelesen und ich werde es ganz bestimmt wieder tun. :)
(Zum Schluss noch eines: Es ist schon interessant, dass eher negativere Bewertungen ausschließlich von Menschen kommen, die zuerst die Studio Ghibli Verfilmung gesehen haben. Der Film ist nett, hat aber mit dem Buch nicht mehr so viel gemeinsam und für uns LeserInnen war es deswegen auch umgekehrt: Die meisten von uns waren nämlich vom Film ein bisschen enttäuscht... oder mochten ihn, aber dann als eigenständige Geschichte. Vielleicht sollte man da mit etwas anderen Erwartungen rangehen - wer eine exakte Vorlage des Filmes erwartet, wird garantiert enttäuscht)

Veröffentlicht am 09.08.2019

Gäbe es nur mehr solcher Bücher

Feuerrot
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Feuerrot, diesmal ein Jugendbuch mit historischem Hintergrund, hat mich wieder einmal daran erinnert, warum ich Nina Blazons Geschichten so liebe: Sie ist eine der wenigen Autorinnen, die ein wunderbar ...

Feuerrot, diesmal ein Jugendbuch mit historischem Hintergrund, hat mich wieder einmal daran erinnert, warum ich Nina Blazons Geschichten so liebe: Sie ist eine der wenigen Autorinnen, die ein wunderbar positives Frauenbild vermitteln.

Ihre Figuren sind nie weinerlich oder nervig, sie sind nicht auf den Mund gefallen, müssen eigentlich nicht gerettet werden (es sei denn, die Situation ist wirklich verzwickt und unmöglich alleine zu bewältigen) und sie bekommen ganz sicher keine weichen Knie, weil ihnen der "unverschämt gutaussehende Badboy" mal eben zugelächelt hat - und wenn doch, dann durchschauen sie ihn früh genug.

Außerdem kommen Freundschaften bzw. Bindungen zwischen den Frauen nicht zu kurz (was leider in den meisten Jugend-, YA- und NA-Romanen der Fall ist, denn da geht es oft nur um einen Typen und die Rivalität zwischen den Damen).

In Feuerrot widmet sich Frau Blazon einem traurigen und trotzdem sehr interessanten Thema: der Hexen- /Dämonenverfolgung und wie vor allem Frauen unter dieser zu leiden hatten.
Das Ganze wird abwechselnd aus der Sicht von Madda (einer Magd), Elisabeth (aus gutem Hause) und Beno (ebenfalls aus gutem Hause) erzählt.
Dadurch hat man einen guten Einblick in das Leben von Arm und Reich.

Beno war dabei meiner Meinung nach sogar am spannendsten, denn durch seine Gedankengänge kann man wunderbar sehen, welchen Einfluss die Worte des Inquisitors Kramer haben und wie schnell sich zur damaligen Zeit Zweifel und Ängste bilden konnten:
Sind Frauen etwa alle sündige, gottlose, schwache Kreaturen, die anfällig für Dämonen und den Teufel sind?

Über einige der Männer und natürlich vor allem Lucio und Kramer (die sogar Aussagen und "Hexentests" fälschen, um die Frauen brennen zu sehen) habe ich mich so geärgert, dass ich das Buch am liebsten gegen die Wand schmeißen wollte (was eine Schande wäre, weil es absolut toll ist).
Hier nur mal ein Kramer-Zitat:

"(...) Die Frauen wenden sich von Gott ab, um Satans Dienerinnen zu sein. Und durch Verführung reißen sie Menschen mit sich ins Verderben.
Sie sind das wahre Übel, denn ein Dämon ist machtlos ohne seine Hexe. Es braucht ein leichtgläubiges, wollüstiges Wesen aus Fleisch und Blut als Instrument seiner Macht, um dem Teufel dienen zu können.
Es braucht... die Frau!"

Kramer und viele andere Figuren, z.B. Anna Mindelheim und Agnes Bader, die unter Folter Geständnisse ablegten und als Hexen verurteilt wurden, hat es übrigens wirklich gegeben. Das Nachwort der Autorin hierzu ist unglaublich interessant (und bedrückend).

Der Schreibstil ist wie immer super, die Geschichte von Anfang bis Ende spannend und... oh ja! Die Liebe kommt natürlich auch nicht zu kurz. :)
Ich könnte mir sogar eine Verfilmung richtig gut vorstellen.

Fazit:

Ich habe mich die ganze Zeit gut unterhalten gefühlt, ich mochte die Hauptcharaktere (bis auf ein paar kleine Missverständnisse und Streitgespräche, aber hey, es sind Teenager... da gehen auch mal die Hormone durch) und das Ende war sowohl befriedigend, als auch sehr realistisch.
Absolute Leseempfehlung!

Sollte Nina Blazon in einem ihrer zukünftigen Bücher nun auch noch das Thema LGBT positiv aufgreifen (und sei es nur am Rande), wird sie meine persönliche Jugendbuch-Heldin!

Veröffentlicht am 09.08.2019

Forbidden

Forbidden
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Hallo? Hört mich jemand? Ich liege hier unten, begraben unter diesem riesigen Berg von Gefühlen!
Wie das passieren konnte? So ganz genau weiß ich's auch nicht. Sie kamen langsam und schleichend, es wurden ...

Hallo? Hört mich jemand? Ich liege hier unten, begraben unter diesem riesigen Berg von Gefühlen!
Wie das passieren konnte? So ganz genau weiß ich's auch nicht. Sie kamen langsam und schleichend, es wurden immer mehr und ehe ich mich versah, sind sie über mir zusammengebrochen!
Die Ursache? Dazu muss ich meine Gedanken sortieren und weiter ausholen, also nochmal von vorne.

Kurz & knackig - darum geht's in Forbidden:
Mama hat einen neuen Freund, ist fast nie zuhause und hat überhaupt recht wenig Interesse an ihren Kindern.
Die beiden Ältesten, Maya und Lochan, übernehmen eine Art "Elternrolle" aus Angst, jemand könnte von den miserablen Zuständen bei ihnen erfahren und die Geschwister daraufhin getrennt voneinander in Heime oder Pflegefamilien stecken.
Dabei passiert das, was eigentlich nicht sein darf: Sie verlieben sich ineinander.

Lang & ausführlich - meine persönliche Meinung:
Wo soll ich nur anfangen? Dieses Buch ist einfach... so gut. Und schrecklich. Und hoffnungsvoll. Und intensiv. Vor allem Intensiv.
Abwechselnd beschreiben die Protas das Geschehen aus ihrer Sicht, wobei ich mich in beide richtig gut hineinversetzen konnte. Lochan ist ein ruhiger Typ mit großen sozialen Ängsten, Maya dagegen offen und locker.
Die Liebe zwischen den beiden ist so absolut, so vollkommen und echt, ohne dabei unrealistisch zu werden. Es ist die Art Liebe, nach der viele suchen, die Seelenverwandtschaft, die sich die meisten von uns wünschen.
Aber nicht nur Maya und Lochan sind gelungene und gut geschriebene Charaktere, auch alle anderen wirken wahnsinnig echt und realistisch.
Da ist die Mutter, die lieber bei ihrem Liebhaber säuft, als Zeit mit ihrer Familie zu verbringen oder mal den Haushalt zu machen. Man verabscheut sie und genau das ist von der Autorin auch so beabsichtigt.
Die jüngsten Geschwister, Willa und Tiffin, tun einem eigentlich die ganze Zeit über leid. Dann gibt es noch Kit. Ihn will man hassen und... kann es irgendwie nicht. Er ist ja auch nur ein Junge, der mit der Situation nicht zurecht kommt und versucht, irgendwie über Wasser zu bleiben. Dabei nimmt er leider ein paar falsche Abzweigungen und trifft schlechte (!!!) Entscheidungen.
Je weiter ich mit der Geschichte voran kam, desto nervöser und ängstlicher wurde ich und dann kam es: das Ende. Verraten werde ich davon natürlich rein gar nichts, aber ich empfehle eine riesen Packung Taschentücher bereit zu legen.

Kritzel kratzel - der Schreibstil:
Wollt ihr wissen, wie gut Tabitha Suzuma schreibt?
Ich habe gefühlt, was Lochan fühlt und ich habe gefühlt, was Maya fühlt; ich habe mit ihnen geweint und gelacht, war hoffnungsvoll und wütend.
Irgendwann habe ich mir einfach nur noch gewünscht, dass die beiden bitte bitte irgendwie zusammen sein können. Ich wollte nicht, dass sie sich jemals trennen müssen. Und das obwohl ich nicht eine einzige Sekunde lang vergessen hatte, dass sie Geschwister sind.
So gut schreibt Tabitha Suzuma.

Little glimpse - meine Lieblingsstelle:
"Ich will nicht daran denken, wie man das zwischen uns nennt. Ich will mir nicht durch irgendwelche Aufkleber aus der Welt da draußen den glücklichsten Tag meines Lebens verderben lassen.
Den Tag, an dem ich den Jungen geküsst habe, den ich in meinen Träumen schon immer umarmt und geküsst habe, nur dass ich mir das nie eingestehen wollte.
Den Tag, an dem ich endlich aufgehört habe, mir etwas vorzulügen und so zu tun, als wäre es eine ganz besondere Art von Liebe, die ich für ihn empfinde, wo es doch in Wirklichkeit... einfach Liebe ist, mit allem."

Fazit: 5 absolut verdiente Sterne für meine emotionale Achterbahnfahrt mit Forbidden.
So, kann mir jetzt bitte irgendjemand hier raushelfen? :)

Veröffentlicht am 25.11.2021

Felix

Felix Ever After
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Felix ist trans, hadert aber noch mit seiner Geschlechtsidentität. Er lebt mit seinem Vater zusammen, der ihm zwar die Mastektomie und Hormone zahlt, sich aber dennoch nicht ganz an die Sache gewöhnt hat. ...

Felix ist trans, hadert aber noch mit seiner Geschlechtsidentität. Er lebt mit seinem Vater zusammen, der ihm zwar die Mastektomie und Hormone zahlt, sich aber dennoch nicht ganz an die Sache gewöhnt hat. Als in der Schule alte Fotos aufgehängt werden und Felix' Deadname groß zu lesen ist, hat er den Schuldigen schnell ausgemacht. Er beschließt, ihm als Catfisch auf Insta aufzulauern und Geheimnisse zu entlocken, um sich zu rächen. Aber liegt er überhaupt richtig?

"Felix Ever After" hat mich sofort mit einem wunderbar flüssigen Schreibstil in seinen Bann gezogen. An dieser Stelle auch ein riesiges Lob an die deutsche Übersetzung: hier wurde die Geschichte nicht nur in sehr angenehmes Deutsch verwandelt, sondern auch auf geschlechtergerechte und inklusive Sprache geachtet. Top!

Grundsätzlich hat mir die Story um Felix total gefallen. Die Transfeindlichkeit war hart zu lesen, fühlte sich leider aber auch sehr real an.
Sowohl der Protagonist als auch alle Nebencharaktere haben Ecken und Kanten, machen Fehler, sind unsicher, drehen sich um sich selbst - typische Teenies eben.
Felix' Reise zu seiner wirklichen Identität war total glaubwürdig. Nicht, dass ich das besonders gut beurteilen könnte, aber in meiner Rezension geht es ja nun mal um meine Meinung. :)

Ich ziehe einen Stern ab, weil ich die Catfish-Sache etwas zu grausam finde (aber gut, wenn ich an mich als Teenie zurückdenke, schüttelt es mich ob meiner Empathielosigkeit) und ein bisschen enttäuscht war, dass sich eine Freundschaft, die ich anfangs so gefeiert habe, eben doch als mehr rausstellt, was den klischeehaften Eindruck entstehen lässt, dass es keine intimen, "touchy" Freundschaften geben kann.

Ich möchte nicht zu viel schreiben oder gar spoilern, denn ich glaube, man muss das Buch einfach selbst lesen. Das empfehle ich wirklich von ganzem Herzen allen Menschen!

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  • Handlung
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Veröffentlicht am 07.10.2021

Die Eine

Es kann nur eine geben
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Carolin Kebekus ist seit Jahren eine feste Größe in der deutschen Comedyszene. Ihre Entwicklung hat mir grade in letzter Zeit ziemlich gefallen und da sie mit diesem Buch (laut Klappentext) einen Nerv ...

Carolin Kebekus ist seit Jahren eine feste Größe in der deutschen Comedyszene. Ihre Entwicklung hat mir grade in letzter Zeit ziemlich gefallen und da sie mit diesem Buch (laut Klappentext) einen Nerv bei mir trifft, musste ich es natürlich unbedingt lesen.

Mit gewohntem Witz und Scharfsinn beackert sie hier die unangenehmen Themen, die ich, wenn ich ehrlich bin, oft auch nur durch die humoristische Linse ertrage.
Dabei konzentriert sie sich in der ersten Hälfte stark auf Medien, was total in Ordnung ist, denn das ist halt ihr Ding, ihr Beruf, ihr Leben.

So gibt es gleich zu Anfang einen kleinen Exkurs in die Märchenwelt und die langweiligen Rollen, die weibliche Charaktere dort einnehmen.
Außerdem geht es um ein Thema, bei dem ich richtig wütend werden und das ich leidenschaftlich hassen kann: Männergruppen in denen es die eine Frau gibt, wie in Schlumpfhausen halt. Frauen sind in den Medien sowieso in der Unterzahl, dazu bringt Carolin konkrete Zahlen und macht deutlich, dass sie auch weniger Redezeit haben, wenn sie dann schon zu sehen sind. Im Kinderprogramm ist das übrigens besonders schlimm, denn der Großteil aller Figuren dort ist männlich.
Dadurch können sich Jungs aussuchen, ob sie sich mit dem Kreativen, dem Schusseligen, dem Lustigen, dem Anführer etc. identifizieren. Für Mädchen bleibt nur die eine Frau übrig, ob man die nun gut findet oder nicht.
Und ja, mir ist beim Lesen klar geworden, dass Carolin ein bisschen zu alt ist, um den Anime-Hype mitgenommen zu haben. Ich bin mit Sailor Moon, Wedding Peach, Kamikaze Kaito Jeanne, Lady Oscar, DoReMi, Ein super Trio, Mila Superstar etc. aufgewachsen. Da konnte man unter vielen charakterlich unterschiedlichen Frauen wählen, die am Ende aber alle den gleichen, etwas unrealistischen Körpertyp hatten, zu niedlich und zu leicht bekleidet waren, das sehe ich ein - während es da bei männlichen Figuren nachgewiesen auch mehr Diversität gibt.
Was ich trotzdem so richtig hasse, sind Detektiv-, Comedy- oder Superheldengruppen, bei denen es immer nur eine Frau gibt. Oder heutzutage zwei und dann kommt man sich so richtig fortschrittlich und feministisch vor, während die Männer weiter in der Überzahl bleiben. In gemischtgeschlechtlichen Gruppen ist das einfach immer so. Übrigens sind Männer auch häufiger Kandidaten in Quiz- und Gameshows, haben also öfter die Chance, was zu gewinnen. Steht nicht im Buch, zähle ich seit Jahren als Fan dieser Shows aber regelmäßig.

Natürlich geht es auch um Themen wie die schlechte Bezahlung bei typisch weiblichen Berufen, unbezahlte Carearbeit und Mental Load, schlechte Renten usw.
Aber der Hauptfokus liegt auf dem Konkurrenzkampf unter Frauen und ich liebe es, dass Carolin die Gründe dafür nicht als naturgegeben sieht, sondern mit unserer Gesellschaft und der anerzogenen Haltung zu bzw. der Sichtbarkeit von Frauen argumentiert.
Wenn sie schreibt, dass sie früher den Satz "Ich bin nicht wie die anderen Frauen" locker als Wandtattoo hätte haben können, dann fühle ich das total, weil ich ganz genauso war. Ich habe Frauen damals abgewertet, geslutshamed, war eifersüchtig, habe behauptet, ich könne besser mit Männern (und das stimmte nicht mal!! Ich konnte immer gut mit Frauen und als queere Person verliebe ich mich ja sogar in sie!).
Meine internalisierte Misogynie saß einfach so tief.
Ich habe mal gehört, das alles sei Resultat der ständigen Abwertung von allem, was weiblich ist. Soll heißen, wir beobachten von klein an, wie Frauen abgewertet werden und wie sich über sie lustig gemacht wird. Damit uns das nicht auch passiert (wir möchten ja als Subjekt wahr- und ernst genommen werden), distanzieren wir uns lieber schnell von unserem Geschlecht und verkünden laut, wir wären nicht so. Da ich als Kind (und zum Glück heute auch wieder) ein ziemliches girly girl war, kenne ich natürlich den ganzen Mist, den man sich dafür anhören musste.

Carolin schenkt sich im Buch jedenfalls nichts, geht offen mit ihren Fehlern und früheren Ansichten über Frauen um, gesteht, dass sie es damals genossen hat, die einzige "coole" Frau in einer Männertruppe zu sein, berichtet über ihre Eifersucht anderen gegenüber, sagt ehrlich, dass sie Probleme mit ihrem Körper und Schönheitsidealen hat(te)... außerdem erkennt sie ihre Privilegien an, weiß, dass sie von einem unfairen System profitiert hat und das Frauen, die z.B. von Rassismus oder Queerfeindlichkeit betroffen sind, noch ganz andere Kämpfe ausfechten müssen.
(Trotzdem übersieht sie, wie die meisten sich öffentlichen äußernden Feministinnen, Klassismus komplett.)

Wenn sie vom Scheitern schreibt, macht sie auch das vollkommen offen und ehrlich. Leider übernimmt sie aber selbst manchmal den männlichen Blick, den sie in vergangenen Kapiteln noch anspricht und kritisiert. Ob Männer nämlich wirklich besser mit Konflikten und Niederlagen umgehen, wage ich angesichts der nachfolgenden Kapitel zu Gewalt (und meiner persönlichen Erfahrung) doch zu bezweifeln.
Und dass immer betont werden muss, dass Frauen doch "stark" sind:

"Ich hatte nur wahnsinnig starke Frauen um mich herum. Die sind nie heulend weggerannt und mussten auch nie nach Hause, wenn es gefährlich wurde."

Warum eigentlich nicht? Was ist schlimm daran? Klar ist eine einseitige Darstellung in Medien blöd, aber warum zur Hölle darf ich jetzt auch nicht mehr weinen oder meine Angst zeigen? Das funktioniert für Männer doch schon nicht! Empathie und Gefühle zeigen, Hilfe suchen, wenn es alleine nicht weitergeht... davon brauchen wir mehr und nicht weniger. Ich möchte mich da keinem männlichen Ideal anpassen, um bloß kein Klischee von zu klein, zu schwach, zu lieb, zu ängstlich zu erfüllen. Das ist so ziemlich meine größte Kritik am Buch, weil ich da immer mal über Passagen gestolpert bin. Also, ich habe jedenfalls sehr oft Angst und bin trotzdem nicht schwach, vielen Dank!

Die Teile zu Business und Kirche habe ich natürlich interessiert gelesen, auch wenn ich zu beiden Themen keinen großen Bezug habe. (Zumal halt einfach auch nicht jede Frau beim Fernsehen oder im Büro arbeitet, Projekte leitet, in Meetings hockt und große Aufstiegschancen hat. Und girl boss feminism braucht niemand, am Ende ist es nämlich wurscht, ob man von einem Mann oder einer Frau ausgebeutet wird.)

Der zweite Part des Buches ist so eine Art feministischer Rundumschlag (ich liebe gute Rundumschläge) verschiedenster Themen, alle gut erklärt, alle mit der gewissen Prise Humor um sie besser ertragen zu können.

Besonders gefreut hatte ich mich auch auf den Teil zu Gaming. Als Rollenspielerin (egal ob Videospiel oder Pen and Paper), die im Laufe der Jahre schon einiges an Sexismus und Übergriffigkeit ertragen musste, war ich richtig gespannt auf Carolins Meinung. Und ja, sie erklärt alles einfach und auch für Außenstehende verständlich, obwohl sie ziemlich an der Oberfläche bleibt. Ist aber total okay, alles andere würde, wie bei so vielen Themen, komplett den Rahmen sprengen.
Trotzdem schön zu lesen, dass diese tolle Frau auch so gerne zockt.
(Und ja, ich habe nen kleinen Crush...)
Früher habe ich mich für meinen Hang zum Eskapismus geschämt, heute bin ich froh über diese Leidenschaft, weil mir regelmäßiges Abtauchen hilft, mit meiner Depression und der realen Welt wieder besser klarzukommen.

Alles in allem ein sehr unterhaltsames Buch. Obwohl ich jedes Thema schon kannte, habe ich es super gern gelesen.

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