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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.12.2021

Wer ist der Klügere?

Thirteen
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Können wir bitte zuerst über dieses Cover sprechen? Es ist absolut nach meinem Geschmack! Es passt zum Titel, es passt zur Story,  es ist schlicht, aber nicht langweilig!
Ich liebe es! ❤ Allein die Schreibweise ...

Können wir bitte zuerst über dieses Cover sprechen? Es ist absolut nach meinem Geschmack! Es passt zum Titel, es passt zur Story,  es ist schlicht, aber nicht langweilig!
Ich liebe es! ❤ Allein die Schreibweise des Titels, indem ein „I“ durch eine „1“ und ein „E“ durch eine „3“ ausgetauscht wurden. Einfach toll durchdacht!

Und der Inhalt ist definitiv nicht weniger ansprechend als die Verpackung! Ich mag ja schon immer Filme, die vor Gericht spielen und ganz besonders das amerikanische Justizsystem hat es mir angetan. „Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil“ ist ja tatsächlich bei den Amerikanern und dem dortigen Geschworenensystem viel treffender als bei uns. Dass ich Gerichtsthriller nun auch lese, ist tatsächlich eine noch recht frische Liebe. Dieses Werk hier ist jedoch nicht einfach nur ein Gerichtsthriller mit einem gewieften Anwalt, es ist gleichzeitig auch ein Buch über die Psyche eines mehr als cleveren Serienmörders. Die beiden Kontrahenten sind absolut ebenbürtig und liefern sich ein packendes Duell! Mittendrin – wie im Klappentext bereits erwähnt – der Angeklagte Bobby Solomon, für den es in diesem Prozess mehr als düster aussieht, sprechen doch alle Indizien dafür, dass er des Mordes schuldig ist. Die Charaktere fand ich alle total spannend und gut gezeichnet. Es war genau das richtige Maß an Details zu jeder Figur da, um ihnen die nötige Tiefe zu geben und aber auch genug offene Fragen zu lassen, um die Spannung zu halten.

Ich habe erst nach dem Lesen erfahren, dass „Thirteen“ tatsächlich Teil einer Reihe um den Strafverteidiger Eddie Flynn ist und ich befürchte, dass ich die anderen Teile wohl unbedingt auch lesen muss. „Thirteen" ist aber ohne Probleme ohne Vorkenntnisse lesbar, also keine Sorge! Eddie Flynn verdient meines Erachtens einfach noch mehr Aufmerksamkeit. Er vertritt nur Mandanten, die er für unschuldig hält. Eine Maxime, die ich durchaus für mehr als ehrenhaft für einen Anwalt halte. Natürlich bringt Flynn aber auch die typischen Probleme mit: Unter seinem Job leidet die Familie und seine Frau hat sich von ihm getrennt. Das Privatleben spielt jedoch nur eine Nebenrolle.

Obwohl man den Killer in diesem Buch von Anfang an kennt, ist es sehr spannend! Man fragt sich nicht nur einmal, was Joshua Kane und Eddie Flynn da aushecken. Beide sind definitiv mit allen Wassern gewaschen. Allein der Beginn, der aufzeigt, wie Kane in die Jury gekommen ist, war genial. Clever und eiskalt setzt er seine Ziele um. Die Idee, dass der Täter in der Jury sitzt, gefiel mir ausgesprochen gut und machte das Katz- und Maus-Spiel perfekt.

Der Schreibstil von Steve Cavanagh ist sehr angenehm und flüssig. Die Kapitel hatten eine angenehme Länge. Die Absätze aus Eddies Sicht wurden in der Ich-Perspektive geschrieben und lassen den Leser somit nah an ihn heran. Die Kapitel, die Joshua Kanes Handlungen und Gedanken wiedergeben, werden hingegen durch einen neutralen Erzähler übernommen. Ich mochte die Abwechslung beim Lesen. Das einzige Manko, was ich am Buch sah, ist tatsächlich, dass es mir zu lange dauerte, bis der Prozess begann #MeckernaufhohemNiveauEnde. Lobend erwähnen muss ich auf jeden Fall noch, dass Steve Cavanagh dem Leser sehr unauffällig und geschickt Wissen vermittelt. Zum Beispiel wusste ich nicht, dass es "Geschworenen-Berater" gibt, die den Anwälten bei der Auswahl der Jury helfen. Passend dazu gab es zwischen den Kapiteln Steckbriefe der Geschworenen zu entdecken, die Interessen, Alter, politische Neigungen, den Familienstand und andere interessante Fakten über die Personen enthielten, die für die Jury in Frage kämen.

Die Handlung spitze sich mehr und mehr zu und es war klar, dass es ein spannendes Finale geben wird. Und ja, es war spannend, action- und wendungsreich und hat mir richtig, richtig gut gefallen - der Prozess selbst war hier mein absolutes Highlight. Ein wahrer Pageturner!
Ich hatte auch tatsächlich keine Vermutung, wie es ausgehen wird.

544 Seiten, in denen nie Langeweile aufkam! Die Story ist komplex, detail- und wendungsreich. Ich war restlos begeistert und lege jedem Thrillerfan, der toll durchdachte, spannende Bücher liebt, ans Herz das Buch zu lesen! 📚👨‍⚖️

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Veröffentlicht am 21.10.2021

Niederkaltenkirchen forever

Rehragout-Rendezvous
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Ein neuer Fall für den Eberhofer - endlich! Als Fan der Reihe habe ich dem Erscheinen des 11. Bands entgegen gefiebert! Und was soll ich sagen? Ich hatte wieder eine mordsmäßige Gaudi beim Lesen.😀📖

Das ...

Ein neuer Fall für den Eberhofer - endlich! Als Fan der Reihe habe ich dem Erscheinen des 11. Bands entgegen gefiebert! Und was soll ich sagen? Ich hatte wieder eine mordsmäßige Gaudi beim Lesen.😀📖

Das kann ich vom Franz allerdings nicht behaupten. Der Arme muss sich nämlich mit allerhand Niederkaltenkirchener Problemen auseinandersetzen:
Die Oma tritt in den Kochstreik.
Die Susi mutiert zur Karrierefrau.
Die Simmerls haben wieder mal Probleme mit ihrem Sprössling.
Der Leopold vermisst seine Familie, die wegen eines depperten Virus in Thailand festsitzt.
Und dann ist da auch noch ein vermeintlicher Vermisstenfall zu klären.
Da ist es dem Franz aber wirklich nicht zu verdenken, dass er seinen Job hier und da etwas stiefmütterlich angeht. Aber überall, wo der Eberhofer etwas zu unengagiert ist, gleicht der Rudi das mit seinem altbekanntem Übereifer aus, der natürlich auch im elften Band nicht fehlen darf. Und selbstverständlich keifen die beiden Herren der Schöpfung sich dabei wieder an wie ein altes Ehepaar. 😅 Man darf sich also auf den einen oder anderen witzigen Dialog einstellen.

Die Wortwahl und der Schreibstil der Autorin waren wieder göttlich. Ich habe sehr oft geschmunzelt und einige Male wirklich gelacht. 🤣
Da wir vor Kurzem erst "Kaiserschmarrn-Drama" im Kino gesehen hatten, konnte ich mir die Verfilmung von "Rehragout-Rendezvous" schon komplett bildlich vorstellen und hatte die Stimmen und Gesichter direkt im Kopf. 😅

Zugegebenermaßen muss man allerdings sagen, dass der Vermisstenfall und die damit verbundene Polizeiarbeit im neuesten Werk vom Rita Falk etwas kurz kommen. Es ist auch nicht ganz realistisch, dass die Susi als Vertretung des Bürgermeisters plötzlich Erweiterungen des Kindergartens o.ä. im Alleingang beschließen kann. Mir persönlich hat das allerdings nicht viel ausgemacht, da ich schon längst das größere Interesse an den Charakteren der Eberhofer-Sippe habe als an den Kriminalfällen. 😅 Ich hoffe aber, dass der nächste Fall trotzdem wieder etwas realistischer und herausfordernder wird und der Franz nicht wieder alles Rudi erledigen lässt.
Die Auflösung des Falls konnte mich trotzdem überraschen und ich bin gespannt, wie und ob das in den Folgebänden aufgegriffen wird. 🤩

Ich persönlich kann euch den neuesten Fall vom Eberhofer und Rudi Birkenberger also nur empfehlen! Langweilig war es trotz der etwas vernachlässigten Ermittlungen für mich an keiner Stelle. Es war kurzweilig wie eh und je in Niederkaltenkirchen unterwegs zu sein.
Ich hatte viel Spaß beim Lesen und empfehle das Buch sehr gern an Fans der Reihe weiter.

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Veröffentlicht am 31.08.2021

Ein Jahreshighlight!

Glaube mir
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Du liest gerne Thriller und magst
🧐 Verwirrspielchen, die zum Rätseln einladen;
❤ Kapitel in einer angenehmen kurzen Länge;
🤫 Cliffhanger, die neugierig machen und
😱 Plottwists, bei denen dir der Mund ...

Du liest gerne Thriller und magst
🧐 Verwirrspielchen, die zum Rätseln einladen;
❤ Kapitel in einer angenehmen kurzen Länge;
🤫 Cliffhanger, die neugierig machen und
😱 Plottwists, bei denen dir der Mund offen stehen bleibt?
Dann solltest du „Glaube mir“ von Alice Feeney unbedingt auf deine Leseliste setzen!

„Ich bin ganz gut darin, die Version von mir zu sein, die die Menschen meiner Meinung nach sehen wollen. Zumindest äußerlich.“
Anna Andrews, Seite 16

Anna Andrews hat ihr Ziel erreicht. Sie ist Moderatorin beim BBC-Mittagsmagazin in London. Ihre Vergangenheit und ihre zwischenmenschlichen Beziehungen hat sie dafür hinter sich gelassen - bis in ihrer Heimatstadt Blackdown die Leiche einer jungen Frau auftaucht und sie als Reporterin vor Ort berichten soll.
Der in diesem Fall ermittelnde Detective Chief Inspector Jack Harper ist nicht nur der Exmann von Anna, sondern auch der Liebhaber des Opfers. Davon weiß jedoch niemand und das soll auch so bleiben, denn Jack hat das Opfer in der Mordnacht getroffen. Aber hat er den Tatort wirklich verlassen als sie noch lebte?

Eine perfekte Ausgangslage für einen Thriller, wie ich ihn mag. Alice Feeney lässt abwechselnd die Hauptfiguren Anna und Jack zu Wort kommen, die beide aus ihrer Sicht die Geschehnisse wiedergeben. Das 'Problem' ist allerdings, dass es beide Charaktere mit der Wahrheit nicht so genau nehmen und ich nie wusste, woran ich bin.

"Manchmal denke ich, ich bin die unzuverlässige Erzählerin meines eigenen Lebens. Manchmal denke ich, wir alle sind so."
Anna Andrews, Seite 34

Eine dritte Erzählperspektive aus Tätersicht rundet die Story ab und bringt dabei immer wieder neue Aspekte ins Spiel, die das vorher Gelesene in Frage stellen. Die Autorin ist eine Meisterin darin, Hinweise zu streuen und ihre Figuren verdächtig wirken zu lassen. Immer wieder wurde ich misstrauisch. Zunächst habe ich während des Lesens nur Anna und Jack verdächtigt, aber nach und nach schien mir fast jeder als Täter bzw. Täterin in Frage zu kommen (ihr wisst ja, die Vorstadtidylle täuscht uns doch jedes Mal). Ich habe aber keine große Bindung zu den Figuren aufgebaut, da ich ihnen einfach nicht getraut habe. Das soll aber keinesfalls Kritik sein. Denn genau darin lag die Spannung des Buchs begründet. Da man sich beim Lesen ständig in den Gedanken von Anna oder Jack befunden hat, taucht man immer wieder in ihre Gefühlswelt ein. Die Autorin erzeugt dadurch eine emotionale Tiefe, die mir sehr gut gefiel. Selbst die Nutzung einiger Klischees wirkte auf mich keinesfalls stereotyp oder plump.

Immer wieder gab es neue Wendungen in der Storyline, die mich unverhofft getroffen haben (aber im Nachhinein total logisch erschienen). Wirklich gekonnt hat Alice Feeney mich hier an der Nase herumgeführt. Das Buch ist einfach von Seite 1 an extrem spannend geschrieben. Ich habe mich auch, wenn ich nicht gelesen habe, gedanklich immer wieder mit den Ereignissen in Blackdown auseinandergesetzt: In meinen Augen ist das der absolute Beweis dafür, dass "Glaube mir" ein tolles Buch ist!

Besonders lobend erwähnen, möchte ich - neben all der Spannung und den interessanten Figuren - aber auch den wirklich tollen Schreibstil der Autorin. Die Art wie sie Dinge beschreibt, habe ich beinah als poetisch empfunden. Es gibt so viele Stellen, die ich als „Lebensweisheiten“ bezeichnen würde und trotzdem wirkt nichts davon gestelzt, gekünstelt oder gar kitschig. Hut ab, Mrs. Feeney!

"Die Zeit ist eine Falltür, durch die wir alle irgendwann im Leben purzeln, oft ohne zu ahnen, wie weit wir gefallen sind. In den Fängen eines Publikums aus unseren eigenen schlimmsten Ängsten, das eine Zugabe verlangt, sobald wir es wagen, uns nicht mehr zu fürchten." Seite 221

Je weiter, das Buch voranschritt, umso mehr Verdächtige und Theorien hatte ich auf meiner Liste. Eine dieser Optionen ist nachher auch tatsächlich eingetreten. Für mich ist das allerdings kein Grund das Buch schlechter zu bewerten, denn die Plottwists am Ende waren perfekt und eine meiner Theorien musste einfach stimmen, da ich ja alle Figuren irgendwann verdächtig fand. 😅
Ich war also nicht total überrascht vom Ende, aber zu 100 Prozent davon überzeugt! 😁

Was kann ich dir also noch sagen, um dich von "Glaube mir" zu überzeugen?
💪 Du könntest beim Lesen des Buchs abnehmen.
Man vergisst nämlich vor lauter Spannung zu essen.
💣 Das Buch hilft auch bei zu niedrigem Blutdruck, weil es so aufregend und zum Fingernägelknabbern spannend ist.
🙋‍♀️ Das Buch wird deine Geschicklichkeit verbessern, denn du wirst den Haushalt die nächste Zeit mit einer Hand erledigen müssen. In der anderen Hand, hast du dann nämlich den Roman. 😉

"Glaube mir" war seit langer Zeit wieder ein richtiger Pageturner! Ich habe zwar auch zuletzt einige gute Bücher gelesen, aber bei keinem ist der Funke so schnell übergesprungen wie hier. Ich wage es mich aus dem Fenster zu lehnen und zu behaupten, dass "Glaube mir" zu meinen Jahreshighlights 2021 gehören wird. Also stürm' in die Buchhandlung oder hau' in die Tasten, um das eBook zu bestellen.

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Veröffentlicht am 26.08.2021

Brutal, emotional!

Der Sommer, als ich starb
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Ich persönlich lese Horror-, Kriminalromane und Psychothriller nicht nur zur Unterhaltung, sondern mich fasziniert auch auf eine perfide Weise, wozu der Mensch fähig ist. Nicht ohne Grund bleibe ich oft ...

Ich persönlich lese Horror-, Kriminalromane und Psychothriller nicht nur zur Unterhaltung, sondern mich fasziniert auch auf eine perfide Weise, wozu der Mensch fähig ist. Nicht ohne Grund bleibe ich oft beim Zappen hängen, wenn ich eine Dokumentation über Serienmörder erwische. Versteht mich nicht falsch: Ich bewundere weder Ted Bundy noch Charles Manson, aber ich möchte – warum auch immer - ihre Taten verstehen. Und nach dem Lesen von „Der Sommer als ich starb“ habe ich ein seltsames Bauchgefühl zurückbehalten. Das liegt nicht nur daran, dass Ryan C. Thomas jede Folterszene bis ins kleinste Detail schildert, sondern daran, dass dieser Roman betont, wir alle könnten Opfer (oder sogar Täter) werden. Und das hat mich getroffen.

„Ich wusste nicht, warum. Weil jeder eine Bestimmung hat, richtig? Weil wir alle Teil von Gottes großem Plan sind, […]. Oder vielleicht, weil Gott da oben einfach Würfel rollt und uns als Figuren auf einem allumfassenden Spielbrett benutzt. Oder vielleicht lag es bloß an Pech oder Glück oder vielleicht passierte Scheiße nun mal einfach und man musste damit klarkommen. […]“ Roger Huntington, Seite 208 von 215 (eBook)

Ryan C. Thomas Horrorthriller beginnt sehr ruhig. Der Autor nimmt sich viel Zeit, um seine Hauptfiguren, die beiden Schulfreunde Roger und Tooth, mit dem Leser bekannt zu machen. Er lässt Roger, der der Erzähler dieser Geschichte ist, von ihrem Leben davor und ihren Zukunftsplänen berichten. Ihr Ziele für den Sommer bestanden darin, Gras zu rauchen, Bier zu trinken, abzuhängen und falls es sich anbietet, Mädchen abzuschleppen. Er lässt die beiden auf eine wunderbar rotzige Weise alte Geschichten aufwärmen, über erlebte Abenteuer lachen und ich als Leserin saß grinsend und genauso naiv wie Roger und Tooth da, nichtsahnend was noch kommen wird. „Der Sommer als ich starb“ liest sich fast wie ein Coming-of-Age-Roman und ich habe mich atmosphärisch an „Die Leiche“ von Stephen King erinnert gefühlt. Tatsächlich war ich irgendwann leicht irritiert, dass noch nicht mehr passiert ist. Im Nachhinein betrachtet, war aber gerade dieses erste Drittel der Geschichte essentiell für meine emotionale Bindung zu den Figuren und für ihre Charakterentwicklung innerhalb ihrer Gefangenschaft, die noch folgen sollte.

Die Handlung des Buchs ist schnell zusammengefasst: Roger, der mittlerweile das College besucht, kommt in den Sommerferien zurück in seinen Heimatort. Dort wollen er und sein Schulfreund Tooth eine schöne Zeit miteinander verbringen. Als sie in die Wälder fahren, um dort ein paar Bier zu trinken und Schießübungen mit Tooths neuer Waffe zu machen, hören sie die verzweifelten Hilferufe einer Frau. Der Versuch sie zu retten, schlägt fehl und plötzlich befinden sie sich angekettet in der Hütte eines Psychopathen, der nicht müde wird, sich immer neue Foltermethoden für sie auszudenken.

„Hätte ich nur gewusst, was als Nächstes geschehen würde, ich hätte mir von Tooth die Pistole geschnappt und uns beiden Kugeln ins Hirn gejagt.“ Roger Huntington, Seite 68 von 215 (eBook)

Mein oben genannter „Stand by me“-Flair kippte dann also doch schneller als mir lieb war und plötzlich fand ich mich inmitten eines Horrorromans mit Folterszenen, die direkt aus der Hölle zu kommen schienen. Teilweise wurde die Erzählweise wirklich detaillierter als ich wollte! Wäre es ein Film gewesen, hätte ich mir die Augen zugehalten und zwischen den Fingern hindurch geprüft, ob abgeblendet wurde. Aber diesen Gefallen tut Thomas seinen Lesern nicht. Wo andere abblenden, fängt er erst richtig an. Indem er Roger seine Geschichte erzählen lässt, der die vierte Wand regelmäßig durchbricht, um den Leser direkt anzusprechen, hat er mich emotional immer tiefer in die Misere der beiden Freunde hineingezogen. Gleichermaßen furchtbar und genial! Das ist in meinen Augen die beste Beschreibung für den angewandten Schreibstil des Autors. Ich kam bei einigen Szenen an meine Ekelgrenze. Zum Verschnaufen blieb mir nie viel Zeit und ich weiß nicht genau, ob ich das gut oder schlecht fand. Eine morbide Art der Neugier hatte mich gepackt. Zwar erfährt man direkt im Prolog, der im Gegensatz zum restlichen Buch in der Gegenwart spielt, dass Roger überlebt hat, aber ich wollte unbedingt wissen, wie er sich rettet und was ihm genau widerfahren ist. Was hat er erlebt, dass ihn dermaßen kaputt gemacht hat? Wieso empfindet er seine Rettung nicht als Happy End? Wäre der Tod wirklich besser gewesen? All diese Themen werden von Roger immer wieder aufgegriffen und haben mich nachdenklich gestimmt. Es bleibt spannend bis zum bitteren Schluss. Da ich es auch bei Horrorromanen, den Schriftstellern übelnehme, wenn sie das Ende zu schnell herbeiführen oder unglaubwürdig gestalten, bin ich froh, dass Thomas die letzten Kapitel für mich glaubhaft geschildert hat. Ich persönlich fand das Ende wirklich gelungen, da es authentisch war – die Handlung ebenso wie die Gefühlswelt von Roger.

Trotz allem habe ich aber auch zwei kleine Kritikpunkte gefunden, die mich zwar nicht massiv gestört haben, aber mir dennoch beim Lesen aufgefallen sind. Zum einen gibt es Szenen im Buch, die sehr starke Gewalteinwirkungen auf die Figuren darstellen, von denen ich denke, dass sie ein „normaler“ Mensch, nicht überleben würde. Allerdings bin ich kein Mediziner und kenne zum Glück niemanden, mit derlei Erfahrungen, sodass ich diese Kritik nur als Vermutung aussprechen kann. 😉 Zum anderen hätte ich mir etwas mehr Hintergrund zum „Bösewicht“ der Geschichte gewünscht. Seine Taten werden zwar erklärt, hier hätte der Autor – für meinen Geschmack – etwas mehr Zeit auf die Psyche verwenden können. Das liegt aber vermutlich einfach an meiner Vorliebe, die Bösewichte näher „kennenlernen“ zu wollen.

„Der Sommer als ich starb“ ist ein brutales Buch, was Bilder in die tiefsten Windungen meines Hirns gemalt hat, wo ich sie vermutlich nie wieder löschen kann. Und doch war es keine plumpe Aneinanderreihung von brutalen Folterszenen. Ryan C. Thomas hat mich mit seinen Worten und seinen Figuren emotional Achterbahn fahren lassen. Für mich besticht das Buch genau dadurch! Es erzeugt nach dem sanften Einstieg eine durchweg düstere, traurige und emotional aufgeheizte Stimmung, die man nicht oft im Horrorgenre findet. „Psychopathisch und extrem brutal“ so lauten die ersten vier Worte des Klappentextes und ich kann euch versprechen, dass es sich hierbei nicht um übertriebenes Marketing handelt! Wenn ihr eure literarischen Grenzen austesten wollt, seid ihr hier also genau richtig.

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Veröffentlicht am 23.04.2021

Unfassbar stark!

Mr. Parnassus' Heim für magisch Begabte
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Fantasy, Magie, Märchen? Gefällt dir? Dann unbedingt lesen!
„Mr. Parnassus´ Heim für magisch Begabte“ hat mich bereits vor einigen Monaten verzaubert, als ich es bei den künftigen Neuerscheinungen entdeckt ...

Fantasy, Magie, Märchen? Gefällt dir? Dann unbedingt lesen!
„Mr. Parnassus´ Heim für magisch Begabte“ hat mich bereits vor einigen Monaten verzaubert, als ich es bei den künftigen Neuerscheinungen entdeckt habe. Dieses wunderschön bunte, in Pastelltönen gehaltene Cover hat meinen Blick direkt auf sich gezogen. Ich liebe es ja, wenn das Cover zur Geschichte passt, und ich kann euch sagen: Hier wurde mit Liebe zum Detail designt! Es passt einfach hervorragend und transportiert direkt diese wohlig-warme Gefühl, was mich auch beim Lesen begleitet hat.
Aber nun zum Inhalt: Linus Baker ist Beamter der Behörde für magisch Begabte Minderjährige. Er ist in seinem Job vorbildlich und penibel, privat jedoch einsam und ziemlich langweilig. Das sieht er allerdings anders! Aus – für ihn – heiterem Himmel bekommt er den Spezialauftrag das Waisenhaus von Arthur Parnassus zu überprüfen. Die Bewohner – und der Leiter – dieses Heims sind ziemlich speziell und stellen Linus vor einige Herausforderungen.
An diesem Punkt möchte ich zum Inhalt nichts mehr schreiben, da es mir eine so große Freude bereitet hat, die Figuren des Buchs – besonders die Kinder des Waisenhauses – selber „kennen zu lernen“. Das Buch erinnert den einen oder anderen vielleicht an den Roman „Die Insel der besonderen Kinder“ (so ging es mir). Ich persönlich finde jedoch, dass die Geschichte eine komplett andere Dynamik hat. Für mich hat „Mr. Parnassus´ Heim für magisch Begabte“ Ähnlichkeit mit einem Märchen. Es ist ein Roman, der die Seele streichelt, zum Nachdenken anregt und so vieles vermittelt.
Dabei ist der Schreibstil des Autors sehr leicht und bildhaft. Ich habe alles vor mir gesehen: Die Insel, das Meer, das Heim, die Kinder mit all ihren Besonderheiten. Ich bin komplett in die Geschichte eingetaucht und fühlte mich tatsächlich eher wie ein stummer Beobachter als eine Leserin. TJ Klune schreibt sehr emotional und doch auch humorvoll mit kleinem Augenzwinkern.
Wie schon angerissen, vermittelt dieses Buch Werte. Es geht um Respekt, um Zusammenhalt, um Andersartigkeit und deren Vor- und Nachteile. Der Autor integriert diese Themen aber absolut unaufdringlich und keinesfalls belehrend. Und trotzdem bemerkt man einen gewissen Appell: „Mach´ dir immer selbst ein Bild über dein Gegenüber und urteile nicht vorschnell.“
Mich hat dieses Buch emotional total abgeholt. Immer mal wieder musste ich mit einem Tränchen kämpfen, gewann aber. Bis ca. 50 Seiten vor Schluss alle Dämme brachen und ich so „durchgeheult“ habe, dass ich kaum noch die Seiten erkennen konnte. Das passiert mir wirklich nicht oft. Genau wie mich dieses Buch innerlich aufgewühlt hat, wird auch Linus Baker von den Kindern und dem Heimleiter aus seiner Komfortzone gelockt. Der Vorzeige-Beamte entdeckt an sich und seiner Umwelt immer neue Facetten und nicht alle davon gefallen ihm. Wie er damit wohl umgeht? Das müsst ihr selber lesen!
Mich hat schon lange kein Buch mehr sooo emotional berührt wie dieses. Es ist einfach mitreißend. Man entwickelt unheimlich schnell Sympathien. Die Kinder, die Insel, selbst der griesgrämige Fährmann sind mir ans Herz gewachsen. Eine bezaubernde und gefühlvolle Geschichte, die unheimlich lang nachhallen wird. Ich vermisse die Charaktere immer noch! Ich empfehle dieses Buch sehr gern weiter.

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