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Veröffentlicht am 02.01.2022

Das Cottage

Das Versprechen
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Die 13jährige Amor denkt, dass Eltern eigentlich unsterblich sein sollten. Und doch stirbt ihre Mutter mit nur vierzig Jahren an Krebs. Amor wird aus dem Internat heimgeholt, ihre Schwester Astrid ist ...

Die 13jährige Amor denkt, dass Eltern eigentlich unsterblich sein sollten. Und doch stirbt ihre Mutter mit nur vierzig Jahren an Krebs. Amor wird aus dem Internat heimgeholt, ihre Schwester Astrid ist daheim und der älteste der Geschwister Anton, der seinen Militärdienst ableistet, bekommt sieben Tage Urlaub. Auf der Farm der Swarts versammeln sich Familie und Freunde der Toten. Im Jahr 1986 gibt es erste Unruhen zwischen Schwarzen und Weißen. Der Verstorbenen war es ein Anliegen, dass Salome, ihr schwarzes Hausmädchen, das Cottage, in dem sie lebt, bekommen soll. Auf dem Sterbebett verspricht ihr Mann, er wird dafür sorgen, dass das Haus und ein Stück Land an Salome übergehen.

Über mehrere Jahrzehnte berichtet der Autor vom Niedergang der eigentlich wohlhabenden Familie Swart. Die Mutter Rachel schien die Familie zusammengehalten zu haben. Nach ihrem Tod vermögen die Überlebenden es nicht, eine Gemeinsamkeit zu finden. Der Vater, früher ein Schwerenöter hat sich schon vor einer Weile der Kirche zugewandt. Anton ist wegen des Wehrdiensts nicht zu hause, Astrid vergnügt sich lieber mit ihrem Freund und Amor, die Jüngste, ist so schockiert vom Tod ihrer Mutter, dass sie das zunächst nicht wahrhaben will. Das Versprechen gerät in Vergessenheit. Schließlich wird Mandela aus der Haft entlassen und Süd Afrika zur Demokratie;

Mit schlichten, aber prägnanten Worten bringt der Autor auch Lesern, die nicht direkt im System der Apartheid groß geworden sind, diese Zeit des Umbruchs nahe. Die Strukturen der weißen Familien werden aufgebrochen, während die der Ureinwohner nicht sofort in die Bresche springen können, sie waren ja viel zu lange unterdrückt und klein gehalten. Doch auch ihre Strukturen brechen auf, so dass eine eigentlich sehr positive Entwicklung erstmal zu Unruhen und Tumulten führt. Gebannt verfolgt man wie von einer einst vermutlich stolzen Familie beinahe nichts mehr bleibt. Immer wieder wünscht man, das Versprechen würde nicht beiseite geschoben und immer wieder geflissentlich vergessen werden. Was man freiwillig und mit guten Gründen gibt, birgt die Chance, eine Gemeinschaft erzeugen, die allen zugute kommen könnte.

Ein herausragender und wohl zurecht preisgekrönter Roman über eine Zeit eines radikalen Umbruchs.

Veröffentlicht am 23.12.2021

Der Adler

Der letzte Tod
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Er hat die bessere Aufklärungsquote. Nur deshalb ist Kriminalinspektor August Emmerich noch bei der Abteilung Leib und Leben. Im September 1922 ist die Inflation auch in Wien hoch. Hundertzwanzig Kronen ...

Er hat die bessere Aufklärungsquote. Nur deshalb ist Kriminalinspektor August Emmerich noch bei der Abteilung Leib und Leben. Im September 1922 ist die Inflation auch in Wien hoch. Hundertzwanzig Kronen kostet eine Zigarette. Und dabei müht er sich um seine Pflegekinder und um die Aufklärung der Mordfälle. Nur durch Zufall wurde das letzte Opfer gefunden. Zwei Obdachlose haben in ihrem Unterschlupf eine Leiche gefunden. Emmerich und sein Kollege Winter übernehmen den Fall. An ihre Seite gestellt wird, nicht gerade zu Emmerichs Freude, der Psychoanalytiker Sándor Adler. Eigentlich könnten sie die Hilfe gut gebrauchen, aber in Emmerich sperrt sich alles gegen den Eindringling.

In seinem fünften Fall hat Kriminalinspektor es nicht leicht. Er hadert mit seiner Situation, seiner Kriegsverletzung, seinen Stand im Kommissariat, eigentlich mit allem. Das führt nicht unerwartet zu Problemen, wenn er wieder mal zu aufbrausend reagiert, kann es zu Beschwerden kommen. Winter kann ihn da nicht immer bremsen. Und Adler nervt ihn auch mit seinen unwillkommenen Ratschlägen. Der neue Fall ist äußerst rätselhaft, denn der Tote verstarb schon vor einer ganzen Weile, wodurch es schwierig wird auch nur die Identität festzustellen. Privat sorgt sich August um seine Ziehkinder, deren verstorbene Mutter er schmerzlich vermisst. Besonders Paul, der Jüngste, scheint die Erlebnisse nicht verwinden zu können.

Gekonnt schildert die Autorin das Leben sowohl der einfachen Leute als auch der oberen Schichten im Wien des Jahres 1922. Die Geldentwertung wird immer schlimmer, die einen müssen sehen, wo sie etwas Bezahlbares zu Essen auftreiben, während die anderen in eleganten Restaurants speisen. Dabei wird es auch für einen Polizisten wie Emmerich immer schwieriger, seine Familie zu versorgen. Und auch der Mordfall gibt schier unlösbare Rätsel auf. Doch mit Klugheit und auch mit der Hilfe seines treuen Assistenten Winter macht sich Emmerich an die Arbeit. Und auf dem Weg zur Lösung folgt man Emmerich und seinen Kollegen gebannt. Wie selten taucht man ein in diesen packenden Kriminalroman, der auch eine beeindruckende Milieuschilderung darstellt. Die Reihe um August Emmerich ist einfach herausragend, eine der wenigen, bei denen man eigentlich gleich den nächsten Band haben möchte, wenn man einen beendet hat.

Veröffentlicht am 19.12.2021

Die Fliegerin

Die Ungerächten
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Immer noch sucht Hannah Bloch nach jenen, die ihr nach dem Leben trachteten. Gemeinsam mit Scott Young arbeitet sie im Jahr 1947 beim CIC und sucht nach Nazi-Verbrechern, um sie ihrer gerechten Strafe ...

Immer noch sucht Hannah Bloch nach jenen, die ihr nach dem Leben trachteten. Gemeinsam mit Scott Young arbeitet sie im Jahr 1947 beim CIC und sucht nach Nazi-Verbrechern, um sie ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Doch nun soll diese Aufgabe an die Deutschen übergeben werden und Hannah muss ihren Lebensunterhalt anders verdienen. Scott hat ihr ermöglicht, eine Ausbildung zur Pilotin zu machen. Er bietet ihr aber auch an, mit nach Amerika zu kommen. Hannah allerdings sieht ihre Aufgabe weiterhin darin, die Verbrecher zu finden, die viele ihrer Freunde grausam quälten und umbrachten.

In diesem zweiten Band um Hannah Bloch, deren Leben die Nazis als unwert ansahen, wird sehr eindrücklich dargestellt, dass Hannah eine eine ganze Menge wert ist. Aufrecht versucht sie, die Nazi-Schergen aufzuspüren und den Behörden zu übergeben. Was dann passiert, ist schier unglaublich und hat mit einer echten Bestrafung wenig zu tun. Viel zu leicht kommen die Verbrecher davon. Da liegt der Gedanke an Rache nahe und als Hannah dem polnischen Überlebenden Pawel begegnet, erfährt sie, dass man die Sache auch anders angehen kann. Hannah gerät in eine Zwickmühle, soll sie die Verbrecher einem Gerichtsverfahren zuführen oder soll sie das Recht selbst in die Hand nehmen.

Wenn man so liest, wie leicht die Nazi-Verbrecher nach dem Krieg teilweise davonkamen, möchte man mit den Zähen knirschen. Es kaum zu verstehen, wie es überhaupt zu diesem Regime kommen konnte und wieso so viele mitmachten. Da haben wahrscheinlich auch Fragen, die man älteren Verwandten gestellt hat, nicht weitergeholfen, wird doch diese Zeit nur mit sehr kargen Worten bedacht. Und so kann dieser Roman, der die Zeit kurz nach Kriegsende beschreibt, wenigstens einen Einblick gewähren. Man fühlt den Kampf der Opfer wie Hannah um Gerechtigkeit und man ist angeekelt von sich aalhaft durch die leider sehr weitmaschigen Netze der Justiz windenden Nazis, die nicht für ihre Verbrechen geradestehen. Gefesselt liest man von dem inneren Kampf der Opfer, die sich nach Vergeltung sehnen, aber doch überlegen müssen, ob es richtig sein kann, dass Recht in die eigenen Hände zu nehmen.
Dieser packende historische Thriller erzählt mit authentischen Worten von den Opfern, denen viel mehr Worte gegönnt sein sollten.

Veröffentlicht am 08.11.2021

Hohes Venn

Grenzgänger
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Dies ist die Geschichte von Henni Schöning und ihrer Familie. Noch während des zweiten Weltkrieges lebten sie einfach, aber zufrieden. Doch nach dem Krieg kehrte der Vater als ein anderer zurück und Hennie ...

Dies ist die Geschichte von Henni Schöning und ihrer Familie. Noch während des zweiten Weltkrieges lebten sie einfach, aber zufrieden. Doch nach dem Krieg kehrte der Vater als ein anderer zurück und Hennie ist diejenige, die versucht die Familie zusammenzuhalten. Mit vierzehn ist sie einfach zu jung. Und ihre Brüder kommen ins Heim, während sie selbst wegen Kaffeeschmuggel im Besserungsheim landet. Der Vater von allem überfordert hat sich der Kirche zugewandt, was ihm vielleicht Halt gibt, sich allerdings nicht als hilfreich erweist. Jahre später verfolgt Hennies Schulfreundin Elsa einen Prozess, in dem keine andere als Hennie angeklagt ist.

Die Härten der Nachkriegszeit waren nur schwer zu ertragen. Auch wenn man nicht vergessen darf, dass dieser Krieg ohne die Deutschen in dieser Form nicht stattgefunden hätte, so waren die ersten Jahre nach dem Krieg auch für die Deutschen schwer. Am Beispiel eines kleinen Dorfes im Deutsch-Belgischen Grenzgebiet wird hier deutlich, dass es manchmal ums blanke Überleben ging. Ein Mädchen wie Hennie musste viel zu früh erwachsen werden, die Mutter allzu früh gestorben und der Vater nach dem Kriegseinsatz nicht mehr richtig lebenstüchtig. Hennie leidet sehr darunter, dass sie nicht verhindern konnte, dass ihre Brüder ins Heim gebracht wurden.

Mit sehr eindringlichen Worten schildert die Autorin die schier unsäglichen Verhältnisse in den Kinderheimen der 1950er. Die tragischen Ereignisse, die dazu führten, dass Hennies Brüder dort untergebracht wurden, sind an Dramatik kaum zu überbieten. Doch zu lesen wie die Kinder in den Heimen gequält und drangsaliert wurden ist kaum zu ertragen. Und dass sich die Heimleitung auch noch damit herausreden kann, es sei zum Besten der Kinder, ist aus heutiger Sicht einfach unverständlich. Eine solche Kindheit kann man nur zu überleben versuchen. Und nicht alle haben das geschafft. Auch Hennie muss einiges mitmachen, wenn sie durch den Schmuggel auch nicht ganz unverschuldet dort hineingerät, so lastete doch zu viel auf ihr. Von zwei Zeitebenen aus lässt die Autorin ihre Leser an den Geschehnissen teilhaben. Während der gesamten Lektüre bleibt man im Bann der Geschichte und man verdammt den Krieg und dessen Folgen. Dieser zeitgeschichtliche Roman reißt mit und regt zum Nachdenken an.

Veröffentlicht am 06.11.2021

Eine Garage für Hugo

Feind des Volkes
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Hauptmann Max Heller lässt es ruhiger angehen, lange dauert es nicht mehr bis er in Rente geht. Gerne hätte er die Garage für seinen Trabi fertig, doch Material ist schwer zu bekommen, ebenso die Arbeiter. ...

Hauptmann Max Heller lässt es ruhiger angehen, lange dauert es nicht mehr bis er in Rente geht. Gerne hätte er die Garage für seinen Trabi fertig, doch Material ist schwer zu bekommen, ebenso die Arbeiter. Als in der Nähe zwei schlimm zugerichtete Leichen gefunden werden, macht er sich mit seinen Kollegen sofort auf den Weg. Bei den Toten handelt es sich um Arbeitskollegen, die auch privat bekannt waren. Die Ehefrauen reagieren wie erstarrt auf die Todesnachricht, doch ein Motiv ist erstmal nicht zu erkennen. Es dauert auch nicht lange, bis die Staatssicherheit sich für die Sache interessiert.

Max Hellers letzter Fall beginnt im Jahr 1959 und kommt im Jahr 1961 zu Abschluss. Kurz vor der Rente hat Heller schon fast mit seiner Arbeit abgeschlossen. Sein Vorgesetzter macht ihm das leicht. Allzu linientreu geht es Appelt manchmal nicht so sehr darum, einen Fall aufzuklären, eher scheint er Lösungen zu wünschen, mit denen kein Aufsehen erregt wird. Und so werden Max’ Nachfragen zu der Vergangenheit der Toten nicht sehr gern gesehen. Schwierig ist für die Hellers auf das Verhältnis zu ihrem Sohn Klaus. Als überzeugter Sozialist und treuer Mitarbeiter der Staatssicherheit sind die Auffassungen von ihm und seinen Eltern einfach zu unterschiedlich.

Auch mit Hellers letztem Fall versteht es der Autor, seine Leser zu fesseln. Auch wenn die Untersuchung etwas kompliziert erscheint und die Taten grausam, die Schilderung von Hellers Gedanken, seinem Hadern mit dem Staat, seiner Liebe zu seiner Familie, sein Streben danach, seine Arbeit ordentlich zu machen, das reißt einen bei der Lektüre mit. Diese unterschwellige Enge durch die mögliche Beobachtung durch die Stasi, Karins Sehnsucht nach ihrem zweiten Sohn, der im Westen lebt, Anni, die letztlich unter Max’ kritischer Einstellung zu leiden hat. Aber Dresden ist ihre Heimat und eigentlich haben sie auch alles, sie bekommen alles, es dauert nur etwas länger. Der Zwiespalt zwischen Kritik am Staat und Heimattreue, in dem sich Max Heller befindet, trägt diesen spannenden Roman. Die lebensnahe Zeichnung der handelnden Personen ist ausgesprochen gelungen.