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Veröffentlicht am 06.01.2022

Abwechslungsreich und interessant

Aufbrüche
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Die 41-jährige Bruna hat vor fast zwanzig Jahren, verliebt bis beide Ohren, Rom verlassen, um in USA mit Italoamerikaner Tom zusammen zu sein. Obwohl Toms Eltern von Anfang an gegen deren Beziehung waren, ...

Die 41-jährige Bruna hat vor fast zwanzig Jahren, verliebt bis beide Ohren, Rom verlassen, um in USA mit Italoamerikaner Tom zusammen zu sein. Obwohl Toms Eltern von Anfang an gegen deren Beziehung waren, zieht Bruna ihren Willen durch, die beiden heirateten, bekommen erst eine Tochter, paar Jahre später einen Sohn. Sie ist Professorin für Globalisierung in einer New Yorker Uni, Tom ist Arzt, sodass die weder die gleiche Arbeitszeiten noch gemeinsame Freunde haben. Bruna fühlt sich alleingelassen von ihrem Mann, drängt ihre Wünsche zurück und versucht nur für ihre Kinder da zu sein. Doch als ihr Sohn anfängt mit Puppen zuspielen und die Kleider von seiner Schwester anzuziehen, werden ihre konservative Schwiegereltern noch feindselige als den je. Deren Ehe, die seit Jahren unter Gleichgültigkeit leidet, fängt an zu wackeln. Als ihr Student Yunus vor ihre Tür steht, sie versteht und ihre gedrängte Gefühle wiedererweckt, findet Bruna ihr Trost in der Affäre mit ihm, eine Liebkosung, die ihr Leben für immer verändern wird...

In ihrem Debütroman verflochtet Arianna Farinelli der Liebe und die Verhältnisse einer Familie mit politischen Themen, welche die nicht nur die amerikanische Gesellschaft, sondern die ganze Welt spannend verfolgt hat, sehr geschickt zusammen. Sie nimmt ihre Leser mit ihrer vielschichtigen Charaktere nach USA, teilweise nach Italien und beschäftigt sie sich mit dem Fragen: Dürfen Eltern deren Kinder vorschreiben, wie die Leben und wen die Lieben? Wie Italoamerikaner sich so gut einleben könnten, während die Afroamerikaner immer noch für die Anerkennung kämpfen? Welche Rolle spielt Religion all dem?

Stellenweise behutsam, ohne Hektik, manchmal sehr gefühlsvoll, aber überwiegend Nüchtern erzählt Farinelli sehr vielfältig über Rassismus, Geschlechtsaspekte, Zusammenknall von der Kulturen, Religion und über Frau-sein. Sie berichtet über eine Professorin, die italienische Migrationshintergrunde hat, die nicht gläubig, dafür eine liebevolle Mutter, Geliebte, politische, aber vor allem Weltoffene Mensch ist. Eine abwechslungsreiche Geschichte, die interessante Einblicke über die heutige USA freigibt.

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Veröffentlicht am 14.12.2021

Ein ruhiger Unterhaltungsroman

Der Weg nach Hause
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12. August. 2019 Gotland/Schweden
Die 80-jährige Viola genießt die Sommertage in vollen Zügen mit ihrer Töchter, Enkelin und Urenkelin, die nur übers Sommer aus dem Festland reisen, um Urlaub zu machen. ...

12. August. 2019 Gotland/Schweden
Die 80-jährige Viola genießt die Sommertage in vollen Zügen mit ihrer Töchter, Enkelin und Urenkelin, die nur übers Sommer aus dem Festland reisen, um Urlaub zu machen. Sie ist glücklich und zufrieden mit ihrem Leben, bis eines Tages ein Anruf aus Paris kam und ihr eine sehr bekannte Stimme von ihr Abschied nimmt. Viola, die seit Jahrzehnten diese Stimme nicht live gehört hat, ist fassungslos und bestürzt. In kurzerhand packt sie ihre Mädels und all die nötigen Sachen ein und die 3 Generationen reisen zusammen nach Paris. Denn diese Stimme gehört ihre beste und einzige Freundin Lilly, mit ihr sie in ihrer Kindheit und Jugend in guten und schlechten Zeiten zusammengegangen ist...

Seitdem ich Lundberg's Debütroman „Das rote Adressbuch“ stellenweise mit tränennassen Augen gelesen hab, warte ich Jahr zu Jahr hibbelig auf was Neues von ihr. Leider muss ich zugeben, genau wie ihr zweiter Roman „Ein halbes Herz“ hat mich auch dieses drittes Buch nicht ganz überzeugen können. Zwar auch hier schreibt sie sehr angenehm, teils berührend, doch die großen Gefühle bleiben aus.

Es geht um zwei Freundinnen, die nicht unterschiedlicher seien können. Wo Viola als Einzelkind in einer wohlhabenden Familie wächst, in ihrer Jugend die beste Ausbildung macht, ackert und schuftet Lilly nach dem Tod ihres Mutters für ihre 8 Geschwister und um ihr Papa finanziell unterstützen wäscht sie Teller im Dorflokal, bis ihre Hände Wund werden. Doch dann geschieht etwas, sodass die Wege der Mädels abrupt trennen.

Erzählt wird die Geschichte rückblickend aus den Jahren zwischen 1948-1968 und in der Gegenwart 2019 und egal in welchem Jahr, Tages Datum ist immer gleich: 12. August. Wir begleiten Viola und Lilly abwechselnd 20 Jahre lang und erfahrenen aus deren Leben und Gefühlen. Allerdings gibt es da einige Geschehnisse, welche ich überhaupt nicht nachvollziehen konnte und für mich nicht nur klischeehaft, sondern auch vorhersehbar waren.

Obwohl dieses Buch Gefühlsmäßig nicht nah ans „Das rote Adressbuch“ herankommt, ist es trotzdem stellenweise berührend, traurig und unterhaltsam.

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Veröffentlicht am 02.12.2021

Das Schweigen eines Dorfes

Dunkelblum
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Beim Massaker von Rechnitz wurden in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs rund 180 ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter in der Nähe der Schloss Rechnitz ermordet und ins Massengrab gegraben. Darüber gibt ...

Beim Massaker von Rechnitz wurden in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs rund 180 ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter in der Nähe der Schloss Rechnitz ermordet und ins Massengrab gegraben. Darüber gibt es einige Bücher und Dokumentarfilme, aber die Fakten sowie das Massengrab sind bis Heute nicht ins Tageslicht geschafft. Und nach Kriegszeit eröffnetes Gerichtsverfahren hatten nur wenige Ergebnisse gebracht, denn während des Prozesses wurden zwei Augenzeugen ermordet, seitdem heißt es schweigen... Über diese Schweigen erzählt Eva Menasse.

Dunkelblum heißt Menasses Fiktive Ortschaft im Burgenland/Österreich. Hier sind meisten Einwohner geboren und aufgewachsen, jeder kennt jeden, aber auch für neu Zugezogenen sind deren Türen immer offen. Eine Kleinstadt nähe der Ungarische Grenze mit dunkler Vergangenheit und schrecklichen Geheimnissen. Denn acht Tage vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges ist hier ein furchtbares Verbrechen passiert. Die älteren Dunkleblumer wissen sehr wohl, was da geschehen ist, aber keiner verliert ein Wörtchen darüber. Für die jüngere und einige Außenstehende ist die Geschichte neu. Und durch Zufall entdeckte man menschliche Knochenreste, die Studenten, die einen Jüdischen Friedhof aus dem Gestrüpp befreien wollen, eine junge Frau, die plötzlich verschwindet und ein Fremdengast, der einige Postkarten kauft, aber nicht weiterschickt, macht die ganze Sache auch nicht besser. Doch was verbindet alles zusammen?

„In Dunkelblum haben die Mauern Ohren, die Blüten in den Gärten haben Augen, sie drehen ihre Köpfchen hierhin und dorthin, damit ihnen nichts entgeht, und das Gras registriert mit seinen Schnurrhaaren jeden Schritt.“ S.9

Dieser erster Satz sagt einiges über Menasses Schreibstil! Denn mit brillanten, bildgewaltigen und mit schwarzem Humor verfeinerter Sprache, erzählt sie auffallend komplex aus der Vogelperspektive. Wir lernen nicht nur die Dorfbewohner, sondern jede Dunkelblume-Gasse, einschließlich ein sprachbegabter Papagei haargenau kennen. Die Fabulierkunst ist hier bis zum letzten Tropfen ausgeschöpft, doch manchmal weniger ist mehr. Obwohl ihr Mikrokosmos Dunkelblum mich gepackt hat, hatte ich trotzdem meine Probleme mit Unmengen von Figuren und immer wieder wechselnden Zeitebenen. Dieses ganze „ohne vorgewarnte“ Wechsel hat mich stellenweise verwirrt, sodass ich mir eine Skizze mit Personen und Zeitangaben machen musste.

Es ist keine leichte Lektüre, welche man durch den Seiten fliegt. Hier braucht man Zeit, Geduld, Konzentration und Durchhaltevermögen! Doch nichtsdestotrotz ist es ein großartig geschriebener Roman über Verdrängung der Vergangenheit, persönliche Kriegs-Schicksale und über die Ereignisse von Zweiten Weltkrieg sowie des Mauerfall.

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Veröffentlicht am 16.11.2021

Anstrengend zum Lesen aber gut

Grace – Vom Preisträger des Booker Prize 2023 ("Prophet Song")
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Oktober 1845, Norden von Donegal

Gerade mal mit vierzehn Jahren, die Haare abgesäbelt und in übergroßer Männerkleidung gesteckt, schickt ihre Mutter Grace aus dem Haus weg, um Arbeit zu suchen und sich ...

Oktober 1845, Norden von Donegal

Gerade mal mit vierzehn Jahren, die Haare abgesäbelt und in übergroßer Männerkleidung gesteckt, schickt ihre Mutter Grace aus dem Haus weg, um Arbeit zu suchen und sich selbst zu ernähren. Denn durch Kartoffelfäule ausgelöste Missernten leidet ganz Irland unter große Hungersnot, sodass ihre Mutter Sarah ihre Kinder nicht mehr versorgen kann. Unbemerkt von ihrer Mutter schleicht ihrer kleiner Bruder Colly hinter Grace her und so gehen zwei Kinder auf dem entlang der Straßen, in den von Armut benebelten Städten Irlands rein. Und so werden Tage zu Wochen, Wochen zu Monaten. Grace, die sich als Junge ausliefert hat, entwickelt sich unter jeglichen Männer zu einer Jungen Frau, mit all den Gefühlen, die viele Gefahren mitbringen...

Mystisch, düster und bedrückend nimmt der Autor seine LeserIn nach damaligen, unter Hungersnot leidenden Irland mit und lässt sie teilweise ungeschönt die Armut mitzuerleben. Mit poesihaften Sprache, bildgewaltig und partiell irische Sagen und Märchen geschmückt erzählt er uns ein Stück aus der dunkle, traurige irische Geschichte. Allerdings ich hatte meine Probleme mit diesem Erzählstil, denn die ganzen historische Fakten, alten Liedern, Aberglauben, Geister und Wesen ect. waren, meiner Meinung nach, zu viel an der Zahl, sodass die Story unnötig in der Länge gezogen ist. Zum Teil habe ich nicht mal verstanden, was der Autor mir mit so vielen Legenden erzählen wollte. Dazu kommt seine gewöhnungsbedürftiger Schreibstil, wo er Anführungszeichen bei wörtlicher Rede verzichtet hat. Weil hier auch Geister spucken, konnte ich bei einigen stellen nicht auseinander halten, ob Grace mit jemanden tatsächlich spricht oder mit sich selbst.

Eine intensive dennoch anstrengender Leseerlebnis, was viel Konzentration erfordert. Man braucht hier Zeit, Geduld und Willen. Keine leichte Kost, aber Lesenswert.

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Veröffentlicht am 17.10.2021

Tragikomisch, vielstimmig, bitterböse

DAFUQ
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Die 28-jährige Anja wurde wegen unangemeldeten Demonstration gegen Regierungskorruption festgenommen und zu zehn Tage Arrest verurteilt. Sie landet in eine Moskauer Gefängniszelle, in dem sie mit weiteren ...

Die 28-jährige Anja wurde wegen unangemeldeten Demonstration gegen Regierungskorruption festgenommen und zu zehn Tage Arrest verurteilt. Sie landet in eine Moskauer Gefängniszelle, in dem sie mit weiteren fünf Frauen -die ebenfalls wegen geringfügigen Ordnungswidrigkeiten sitzen müssen- nicht nur die Toilette, sondern auch eine Tasse lauwarmen Tee teilt. Die jungen Frauen stammen aus völlig anderen Gesellschaftssichten ab, dennoch reden die gerne miteinander, spielen erfundene Spiele und erzählen aus dem eigenen Leben. Anja nimmt alles erstmals wie eine Anekdote auf, die sie hinterher ihren Freunden erzählen möchte, denn das Essen schmeckt gut, die Insassen sind in Ordnung und es herrscht keine Gewalt, doch die Tage vergehen. Anjas Mitinsassen verlassen eine nach dem anderen die Zelle und sie bleibt mit ihren Gedanken und ihre Wahnvorstellungen alleine...

Hinter diesem „Gangsterhaften“ Titel, und ein Cover welches mich an einen modernen „Drogenroman“ erinnert, verbirgt sich eine aktuelle Geschichte über heutigen Russland. Sehr mutig, zugleich zornig ergreift die Autorin einige Themen wie russische Gesellschaftsspalt zwischen Armut und Reichtum, traditionelle Rollenverteilung, Regime-Gläubigkeit, Unabhängigkeitsdrang und Sexualität. Klingt zu Politisch? Ist es aber nicht. Denn Jarmysch hat ihre Figuren sehr kreativ und vielfältig kreiert und ihnen lustigen Stimmen gegeben, sodass ich immer wieder bei Dialogen lauthals lachen musste.

Kira Jarmysch ist als Alexej Nawalnys Pressesprecherin bekannt und es ist ihrer erster Roman, in dem sie einige biografische Eckdaten mitverarbeitet hat. Ein gut gelungenes, interessantes, außergewöhnliches und lesenswertes Debüt.

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