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Veröffentlicht am 21.11.2021

Beeindruckendes Portrait von Harlem in den 1960ern

Harlem Shuffle
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MEINE MEINUNG
Mit „Harlem Shuffle“ hat der für seine Werke mehrfach ausgezeichnete US-amerikanische Schriftsteller Colson Whitehead einen beeindruckenden, sehr unterhaltsamen Roman vorgelegt, in dem er ...

MEINE MEINUNG
Mit „Harlem Shuffle“ hat der für seine Werke mehrfach ausgezeichnete US-amerikanische Schriftsteller Colson Whitehead einen beeindruckenden, sehr unterhaltsamen Roman vorgelegt, in dem er uns erneut einen faszinierenden aber schonungslosen Blick auf das Licht- und Schatten-reiche Leben der Afroamerikaner in der US-amerikanischen Geschichte werfen lässt.
Sein neuestes literarisches Meisterwerk ist eine gelungene Mischung aus bewegender Familiensaga, unterhaltsamer Ganovenkomödie und Hommage an den legendären New Yorker Stadtteil Harlem in den frühen 1960er Jahren.
Erzählt wird die rasante Gangstergeschichte aus der Perspektive des sympathischen Protagonisten jungen Ray Carney, einem Möbelhändler, liebevollen Familienvater und unfreiwilligen Ganoven, der sich zwar tagtäglich bemüht ein ehrliches Leben zu führen, aber immer wieder durch seine halbweltlichen Kontakte in kriminelle Machenschaften hineingezogen wird. Es ist höchst unterhaltsam und fesselnd Ray bei seiner Gradwanderung zwischen den beiden Welten zu begleiten und mitzuerleben, wie er immer tiefer in die Geschehnisse verstrickt wird.
Mit seinem brillanten, sprachlich eleganten Erzählstil und einem erstaunlich leichten, beschwingten „Sound“ konnte mich Whitehead auch diesmal wieder überzeugen. Trotz des ernsten, oft bedrückenden Hintergrunds der Handlung spart er nicht mit feinen humorvollen Spitzen und vergnüglichen Episoden, die mich immer wieder zum Schmunzeln gebracht haben.
Gekonnt zeichnet Whitehead ein faszinierendes und atmosphärisch dichtes Portrait von Harlem mit seinen schillernden aber auch dunklen Facetten. Er lässt uns schrittweise eintauchen in den Lebensalltag dieses berühmt-berüchtigten, quirligen Stadtviertels von New York, einer afroamerikanischen Enklave als Sinnbild der zunehmenden Segregation, und gewährt uns faszinierende und zugleich mitunter schmerzhafte Einblicke in die soziale Wirklichkeit jener Zeit -eine bizarre, kontrastreiche Mischung aus kleinem Wohlstand und Armut, Hoffnung und Angst, Legalität und Kriminalität, Normalität aber auch beständiger Willkür, Brutalität und Gewalt. Er entwirft ein vielschichtiges Panoptikum aus Kleinkriminellen, Hehlern, Huren und korrupten Cops auf der einen Seite, jenen, die sich darum bemühen ein besseres, solides und bürgerliches Leben zu führen sowie denjenigen innerhalb der afroamerikanischen Bevölkerung, denen es gelungen ist, sich auf der sozialen Leiter nach oben zu arbeiten und sich nun von den anderen als etwas Besseres abzugrenzen verstehen.
Zudem lernen wir durch die eingestreuten, gut recherchierten Details auch viel über die historische Realität, politischen Umbrüche und sozialen Zustände jener Zeit, den allgegenwärtigen Rassismus und die aufkommende Bürgerrechtsbewegung. Geschickt in die Romanhandlung eingebaute Hinweise auf den damaligen Zeitgeist, typische Marken, Filme und Verweise auf die Popkultur schaffen darüber hinaus ein ein sehr lebendiges und authentisches Flair.

Zum Hörbuch:
Das ungekürzte Hörbuch ist von dem Schauspieler und erfahrenen Hörbuchsprecher Richard Barenberg sehr überzeugend eingelesen. Mit seiner angenehmen Stimme und in einem angemessenen Tempo gelingt es ihm hervorragend, die unterschiedlichen Stimmungen und das besondere Setting dieser Geschichte glaubhaft zu transportieren und uns mühelos ins Geschehen zu ziehen. Mit geschickten Wechseln des Lesetempos, Verändern der Intonation und Lautstärke gestaltet Barenberg die Dialoge sehr lebendig und nuancenreich. Insgesamt eine rundum gelungene Lesung!

FAZIT
Eine unterhaltsame, beschwingt erzählte Gangstergeschichte und eine wundervolle Hommage an den legendären New Yorker Stadtteil Harlem in den frühen 1960er Jahren!
Sowohl der Roman als auch die von Richard Barenberg hervorragend eingelesene Hörbuchfassung sind sehr empfehlenswert.

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Veröffentlicht am 09.11.2021

Gelungene, großartig erzählte Fortsetzung

Revolution der Träume
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MEINE MEINUNG

Nach seinem grandiosen Auftakt „Schatten der Welt“ hat der deutsche Erfolgsautor Andreas Izquierdo mit „Revolution der Träume“ eine äußerst fesselnde Fortsetzung seiner lehrreichen historischen ...

MEINE MEINUNG

Nach seinem grandiosen Auftakt „Schatten der Welt“ hat der deutsche Erfolgsautor Andreas Izquierdo mit „Revolution der Träume“ eine äußerst fesselnde Fortsetzung seiner lehrreichen historischen Saga vorgelegt, die mich wieder sehr begeistern konnte. Die gelungene Mischung aus historischem Roman und berührender Geschichte über die unverbrüchliche Freundschaft zwischen den faszinierenden Protagonisten Carl, Artur und Isi hat mich wieder von Beginn an in ihren Bann gezogen.

Auch ohne den ersten Teil zu kennen, lässt sich dieser Roman gut lesen; doch ist es um einiges spannender, die Vorgeschichte der drei Jugendfreunde aus dem westpreußischen Thorn und ihre Entwicklung im Laufe der Zeiten mit zu verfolgen.

Dank des lebendigen, bildhaften und sehr mitreißenden Schreibstils fällt es nicht schwer, ins schillernd ambivalente Berlin der Goldenen 20ger Jahre einzutauchen. Mühelos entführt uns Izquierdo in die damalige Hauptstadt, die sich kurz nach Ende des 1. Weltkriegs in einer politisch höchst instabilen und krisengeschüttelten Lage befindet und nach zahlreichen blutigen Aufständen erst langsam ruhigeren Zeiten entgegensieht. Allgegenwärtig sind die Auswirkungen des verlorenen Kriegs sichtbar, Mangelversorgung, Elend und bittere Armut stehen in starken Kontrast zu dem unermesslichen Reichtum der Adligen und ihrer Vergnügungssucht.

Gekonnt vermittelt Izquierdo ein sehr stimmiges und authentisches Bild der damaligen bewegten Zeit und einer pulsierenden Metropole voller Kontraste zwischen Luxus, Reichtum, Vergnügungssucht, dekadentem Nachtleben, Existenzkampf, Kriminalität und Armut. Lebendig und atmosphärisch dicht portraitiert er das Alltagsleben in der Hauptstadt in all seinen Facetten. Izquierdo versteht es hervorragend, die sorgsam recherchierte Zeitgeschichte anschaulich und spannend mit seiner Handlung zu verweben und uns hautnah am Schicksal der Menschen teilhaben zu lassen.

Mit seinem einfühlsamen Schreibstil gelingt es ihm mühelos, uns in seine abwechslungsreiche, berührende und emotionsgeladene Geschichte rund um die drei Freunde Carl, Artur und Isi hinein zu ziehen.

Aus der rückblickenden Perspektive des jungen Protagonisten Carl erleben wir die Geschehnisse rund um das ungleiche, sehr sympathische Freundestrio und verfolgen voller Anteilnahme und Spannung ihre persönliche Entwicklung. Äußerst packend ist es, wie die so unterschiedlichen Protagonisten in dieser bewegten Zeit voller Umbrüche, Wandel und neuer Chancen jeder für sich zu bestehen versuchen und ihr Schicksal meistern.

Die Geschichte lebt neben der tollen eingefangenen, zeitgeschichtlichen Kulisse vor allem aber von seinen äußerst facettenreich angelegten Figuren. Die verschiedenen Charaktere sind allesamt detailliert ausgearbeitet, so dass sie mit ihren vielen Ecken und Kanten sehr lebensnah wirken.

Es sind so wundervolle, vielschichtige Charaktere, so dass ich sie schon im ersten Band ins Herz geschlossen und mit ihnen gebangt habe. Ob nun der sensible, immer noch etwas schüchterne Carl, der inzwischen unter Ernst Lubitsch als Kameramann arbeitet oder der clevere, vom Krieg gezeichnete Artur, der als sehr geschäftstüchtiger Boss einige Unterwelt-Etablissements leitet oder die selbstbewusste, kämpferische Isi mit ihrem etwas flatterhaften, rebellischen Wesen, die sich zunächst als Revolutionärin beim Spartakusbund engagiert – trotz all ihrer charakterlichen Unterschiede stehen sie bedingungslos füreinander ein und helfen einander in diesen schwierigen und turbulenten Zeiten.

Nach einer Fülle von fesselnden Verwicklungen, unerwarteter Wendungen und bewegender Momente endet die Geschichte mit einem recht offenen Ausklang.
Ich bin schon sehr gespannt, was das Schicksal für die drei sympathischen Freunde Carl, Artur und Isi noch alles bereithalten wird und freue mich schon sehr auf die Fortsetzung!

FAZIT
Eine fesselnde und mitreißend erzählte Fortsetzung mit tollem Berliner Lokalkolorit der 1920ger Jahre, einem fundierten zeitgeschichtlichen Hintergrund und lebendigen, sympathischen Charakteren!
Eine sehr lehrreiche Geschichtsstunde und ein ganz besonderes, sehr empfehlenswertes Leseerlebnis!!

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Veröffentlicht am 01.11.2021

Gelungene Fortsetzung der packenden Histo-Krimi-Reihe

Goldtod
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MEINE MEINUNG
Der historischen Kriminalroman „Goldtod“ von dem deutschen Autoren Axel Simon ist die packende und sehr gelungene Fortsetzung seiner neuen Krimireihe um den eigenwilligen Sonderermittler ...

MEINE MEINUNG
Der historischen Kriminalroman „Goldtod“ von dem deutschen Autoren Axel Simon ist die packende und sehr gelungene Fortsetzung seiner neuen Krimireihe um den eigenwilligen Sonderermittler Gabriel Landow, die im Berlin der bewegten Kaiserzeit zum Ausgang des 19.Jahrhunderts angesiedelt ist. Nach dem fesselnden Auftakt „Eisenblut“ war ich sehr neugierig, wie es nach den dramatischen Ereignissen des Vorgängerbands mit dem unkonventionellen, etwas heruntergekommenen Protagonisten Landow und seinem trickreichen einarmigen Kompagnon Orsini und ihrer neuen Detektei weitergehen wird, insbesondere da mir die beiden sehr ans Herz gewachsen sind.
Mit seiner Vielzahl an interessanten Charakteren und Handlungssträngen ist auch der zweite Fall für das ungewöhnliche Ermittlerteam wieder hochspannend und alles andere als vorhersehbar.
Der Autor hat einen äußerst komplexen und clever konzipierten Krimiplot entworfen, der mich mit seiner sehr atmosphärischen und leicht düsteren Stimmung rasch in seinen Bann ziehen konnte. Axel Simon nimmt uns mit auf eine faszinierende Zeitreise, die uns dank seines lebendigen und dichten Erzählstils mühelos in die Kaiserstadt der Wilhelminischen Zeit eintauchen lässt und uns aufschlussreiche Einblicke in das damalige Leben gewährt. Sehr anschaulich und lehrreich hat der Autor historische Details und politische Hintergründe in seine faszinierende Geschichte eingewoben. Sehr gut gefallen hat mir auch der sehr eloquente, lebendige Erzählstil des Autors. Durch humorvolle Einschübe - gewürzt mit Landows sarkastischen Spitzen - sorgt er er dafür, dass die etwas abgründige Handlung immer wieder aufgelockert wird.
Die vielschichtige Kriminalgeschichte gewinnt durch die geschickten Wechsel der Perspektiven und Schauplätze zunehmend an Dynamik und Spannung. Durch die vielen eingeflochtenen Details und sich entwickelnden Verstrickungen erfordert es schon einiges an Aufmerksamkeit beim Lesen um der anspruchsvollen Handlung zu folgen, lässt einem dadurch aber auch viel Raum für eigene Spekulationen und liefert viel Stoff zum Miträtseln, was mir großen Spaß bereitet hat.
Der Krimi zeichnet sich vor allem durch seine hervorragend ausgearbeiteten, facettenreichen und sehr lebensnahe Charaktere aus. Im Mittelpunkt steht der sehr eigenwillige Ermittler Gabriel Landow, das schwarze Schaf einer einst wohlhabenden Familie des Ostpreußischen Landadels, der sich inzwischen mit seiner kleinen Detektei durchzuschlagen versucht. Er verkörpert mit seiner unverwechselbaren, meist mürrischen Art, seinem prekären Lebensstil und genialen Geist den typischen Antihelden und konnte mich mit seiner vielschichtigen Persönlichkeit wieder begeistern. Eine äußerst gelungene, liebenswerte Figur ist auch Landows Kompagnon Orsini, der clevere, ehemalige Taschendieb mit seinem großen Herz, der Landow nicht nur bei den Ermittlungen eine große Stütze ist. Dieses recht verschrobene Ermittler-Team mit ihren Ecken und Kanten lässt in ihren amüsanten Interaktionen bisweilen schon gewisse Parallelen zu den berühmten Figuren Sherlock und Watson erkennen.
Sehr glaubwürdig und lebendig sind auch die vielen faszinierenden Nebenfiguren angelegt.
Gekonnt führt Simon seine unterschiedlichen Handlungsstränge zusammen und lässt seine Geschichte schließlich in einem unglaublich mitreißenden Showdown gipfeln. So wird am Ende der Kriminalfall sehr nachvollziehbar und stimmig aufgelöst. Ich bin schon sehr gespannt, wie es mit diesem sympathischen Ermittler-Team Landow & Orsini weitergehen wird und mit welchem spannenden Fall sie im nächsten Band konfrontiert werden.

FAZIT
Eine fesselnde, abwechslungsreich erzählte Fortsetzung dieser faszinierenden historischen Krimi-Reihe! Mit einem vielschichtigen, sehr undurchsichtigen Kriminalfall, tollen eigenwilligen Protagonisten und viel Zeitkolorit – so folgt man dem ungewöhnlichen Ermittlergespann gerne durch das wilhelminische Berlin!

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Veröffentlicht am 01.11.2021

Faszinierendes Portrait einer untergehenden Stadt

Als ich einmal in den Canal Grande fiel
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MEINE MEINUNG
In ihrem neuesten, sehr unterhaltsamen Sachbuch „Als ich einmal in den Canal Grande fiel – Vom Leben in Venedig" nimmt uns die deutsche Autorin Petra Reski mit auf einen sehr persönlichen ...

MEINE MEINUNG
In ihrem neuesten, sehr unterhaltsamen Sachbuch „Als ich einmal in den Canal Grande fiel – Vom Leben in Venedig" nimmt uns die deutsche Autorin Petra Reski mit auf einen sehr persönlichen Ausflug nach Venedig. Schon nach wenigen Seiten war ich gefangen von Reskis wundervoll lebendigen, humorvollen und mitreißenden Erzählstil.
Bereits seit 1991 hat sie sich in „die schönste Stadt der Welt“ verliebt und zu ihrer Wahlheimat auserkoren –natürlich aber auch der Liebe zu „ihrem Venezianer“ wegen, wie uns die „Wahlvenezianerin“ gesteht.
Kein Wunder, dass sie die Stadt mit all ihren Besonderheiten und kleinen Wundern, die liebenswerten alteingesessenen Bewohner und unberührten Ecken wie keine Zweite kennt. Aber leider bekommt sie auch die vielfältigen Schattenseiten zu spüren, muss sie doch tagtäglich die negativen Auswirkungen des Massentourismus miterleben .
Äußerst anschaulich und kenntnisreich führt Reski uns vor Augen, was es bedeutet in dieser pittoresken Lagunenstadt zu leben, denn Tag für Tag erlebt sie hautnah mit, wie dieses Sehnsuchtsziel von Touristen aus aller Welt gnadenlos überrannt oder fast alljährlich vom obligatorischen Hochwasser bedroht wird.
Als Expertin kann sie uns aus erster Hand von vielen schockierenden Fehlentwicklungen in dieser Stadt und ihren zahllosen Bedrohungen im Laufe der Zeiten berichten und lässt uns einen ungeschönten Blick hinter die Kulissen werfen.
Nicht nur der immense Kreuzfahrttourismus, die zunehmende Wasserverschmutzung setzen der Stadt immer mehr zu, sondern auch skrupellose Immobilienspekulationen, die die letzten echten Venezianer ans Festland vertreiben, oder korrupte Kommunalpolitiker, die eher für den eigenen Profit als das Wohl ihrer Wählerschaft und dem einzigartigen Unesco Kulturerbe am Herzen liegt.
Gekonnt und detailreich zeichnet die Autorin ein melancholisch stimmendes, aufrüttelndes und schonungsloses Portrait von Venedig.
Doch auch an den vielfältigen faszinierenden Seiten Venedigs und der beeindruckenden Historie lässt sie uns teilhaben. Leidenschaftlich und voller Liebe zu ihrer neuen Heimat erzählt Reski von den alten Traditionen, der tiefen Verwurzelung der Venezianer und nimmt uns mit zu den vielen mystischen Geheimnissen und kulturellen Schönheiten der romantischen Lagunenstadt.
So bleibt es auch nicht aus, dass man vom besonderen Zauber dieser einzigartigen Stadt gefangengenommen wird! Großen Spaß beim Lesen haben mir beispielsweise die Schilderungen über die abenteuerlichen Exkursionen der Autorin mit ihrem kleinen Boot bereitet, wenn sie sich todesmutig unter den misstrauischen Blicken der Gondolieri in Zentimeterarbeit durch das Gewirr in den Kanälen vorbei an Gondeln navigiert.
Petra Reski ist ein vielschichtiges Portrait und leidenschaftliche Hommage mit kurzweiligen, mitreißend erzählten Anekdoten und auch nachdenklich stimmenden Geschichten über ihre Wahlheimat Venedig gelungen.

FAZIT
Ein wundervoll unterhaltsames und sehr persönliches Buch, das sehnsüchtiges Fernweh weckt und neugierig macht, auf eine faszinierende, dem schleichenden Untergang geweihte Stadt, für die es sich aber unbedingt zu kämpfen lohnt.
Eine sehr empfehlenswerte und hochinteressante Lektüre für alle Venedig-Liebhaber und solche, die es noch werden wollen!

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Veröffentlicht am 08.07.2021

Beklemmender Jugendroman über die Penzberger Mordnacht

Dunkelnacht
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INHALT
„Weil auch in diesen Zeiten irgendwer das Richtige tun muss, einfach, weil es richtig ist.“
April, 1945. Alle spüren, dass der Krieg und die fürchterliche Ideologie der Nationalsozialisten kurz ...

INHALT
„Weil auch in diesen Zeiten irgendwer das Richtige tun muss, einfach, weil es richtig ist.“
April, 1945. Alle spüren, dass der Krieg und die fürchterliche Ideologie der Nationalsozialisten kurz vor dem Ende stehen. Doch in der Nacht vom 28. auf den 29. April 1945, zwei Tage vor Hitlers Selbstmord, ereignet sich das dunkelste Kapitel der damals noch jungen Stadt Penzberg in Bayern. Denn während der einst von den Nazis abgesetzte Bürgermeister zurück ins Rathaus zieht, erlässt die Wehrmacht den Befehl, alle Widerständler sofort hinzurichten. Und zwischen allen Fronten stehen die Jugendlichen Marie, Schorsch und Gustl.

(Quelle: Oetinger Verlag)

MEINE MEINUNG
In ihrem neuen großartigen Jugendbuch „Dunkelnacht“ widmet sich die bekannte Hamburger Autorin Kirsten Boie den sehr beklemmenden Ereignissen rund um die „Penzberger Mordnacht“. In diesem erstaunlich dünnen Büchlein greift die Autorin die historisch verbürgten, aber nur wenigen bekannten Geschehnisse auf, die sich wenige Tage vor Ende des 2. Weltkriegs Ende April 1945 in dieser kleinen bayerischen Kleinstadt südlich von München zugetragen haben.
Diese als Nouvelle verfasste, knappe aber äußerst gehaltvolle und beeindruckend erzählte Geschichte befasst sich mit einem unfassbaren Verbrechen und einem speziellen, eher selten behandelten Aspekt der von den Nazis begangenen Greueltaten, der von Historikern als "Endphasenverbrechen" bezeichnet wird. Gekonnt für die jugendliche Leserschaft ab 15 Jahren aufbereitet eignet sie sich hervorragend für den Geschichtsunterricht, ist aber auch für Erwachsene interessant zu lesen. Entsprechend findet sich für die jugendliche Zielgruppe im Anhang ein kurzes Glossar, das einige eventuell unbekannte, aber zum Verständnis wichtige Begriffe und Zusammenhänge rund um die damalige Nazi-Zeit und das Hitler-Regime erläutert.
Der Autorin gelingt es hervorragend, uns gleich von Beginn an in die beklemmende und bewegende Handlung hineinzuziehen, indem sie geschickt sorgsam recherchierte zeitgeschichtliche Hintergründen einfließen lässt und uns sehr authentische Einblicke in die damalige Lebenswelt ihrer Protagonisten vermittelt. Auch wenn die allwissende distanzierte Erzähl-Perspektive zunächst etwas gewöhnungsbedürftig wirkt, so passen der gewählte Schreibstil und die einfach gehaltene, sehr prägnante Sprache hervorragend zu der erzählten Geschichte. Sehr schnell wird die unheilvolle Stimmung greifbar und lässt einen nicht mehr los, denn man ahnt schon früh, die grauenvollen Verwicklungen der Geschehnisse für die Beteiligten und die unausweichlich aufziehende Katastrophe, die schließlich in einer unfassbaren Tragödie mündeten.
Gekonnt versetzt die Autorin uns in das kleine Städtchen Penzberg und vermittelt ein stimmiges, authentisches und lebendiges Bild der damals herrschenden Zustände.
Rasch wird deutlich, dass in der Bevölkerung viele auf gegensätzlichen Seiten stehen – auf der einen Seite die fanatischen Nazis, die verbissen immer noch an den Endsieg glauben, und auf der anderen Seite die „Roten“- Arbeiter zumeist, die nur darauf hoffen, dass der Hitler-Kult endlich ein Ende nimmt und die Alliierten dem Ganzen ein baldiges Ende bereiten. Sehr anschaulich und nachvollziehbar zeigt die Autorin auf, dass gerade die Jugend wie Marie und Schorsch von der Nazi-Ideologie geprägt ist und zugleich auch von den Ansichten ihrer Eltern beeinflusst wurde.
Gekonnt verdeutlicht Boie aus Sicht der drei Protagonisten die ganze Zerrissenheit zwischen Krieg und Frieden oder Richtig und Falsch, und zeigt auf, wie ein jeder in dieser Ausnahmezeit und dem quasi rechtsfreien Raum auszuloten versucht, wo man mit seiner Haltung zukünftig steht oder manchen an dem Irrglauben festhält, durch bestimmte Taten, das Ende doch noch verhindern zu können. Ich finde auch für Jugendliche, die sich noch nicht sehr eingehend mit dieser Zeit auseinandergesetzt haben, ist es der Autorin hervorragend gelungen, die diffizilen Aspekte dieser komplexen Lage zu umreißen und zugleich die unterschiedlichen Emotionen wie Pflichtbewusstsein, Schuld, Angst, Misstrauen und zarter Hoffnung einzufangen.
Die zum Abschluss sehr verstörende Geschichte endet dennoch mit einem hoffnungsvollen und versöhnlichen Ausklang und ist überaus passend gewählt.
In ihrem wichtigen und sehr gelungenen Nachwort bettet die Autorin ihre Geschichte nochmals in einen weiteren Kontext im Hinblick auf die unzureichende und beschämende gerichtliche Aufarbeitung der unfassbaren, während der Penzberger Mordnacht begangenen Taten ein und zeigt uns Lesern eine zusätzliche Dimension dieses großen, letztlich ungesühnten Unrechts auf, das mich wirklich fassungslos und betroffen zurückgelassen hat.

FAZIT
Mit ihrem hervorragenden Jugendbuch hat Kirsten Boie ein äußerst wichtiges Werk gegen das Vergessen geschrieben, das betroffen macht, nachdenklich stimmt und noch lange nachwirkt! Zugleich hat sie den 16 unschuldigen Opfern dieser kaltblütigen und skrupellosen Bluttat ein würdiges Denkmal gesetzt!
Man kann nur hoffen, dass dieses sehr lesenswerte Buch auch viele jugendliche LeserInnen erreicht!

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