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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.01.2022

Kein konventionell gestrickter Spannungsroman

Milch oder Blut
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Wer einen 08/15 konventionell gestrickten Spannungsroman erwartet, ist bei Liza Cody an der falschen Adresse. Ob nun die Protagonistin aus dem in diesem Genre üblichen Rahmen fällt, oder die Story sich ...

Wer einen 08/15 konventionell gestrickten Spannungsroman erwartet, ist bei Liza Cody an der falschen Adresse. Ob nun die Protagonistin aus dem in diesem Genre üblichen Rahmen fällt, oder die Story sich in eine unvorhersehbare Richtung entwickelt…bei dieser Autorin muss man mit allem rechnen, denn sie überrascht immer wieder mit ihrem Ideenreichtum.

Eine Woche im Leben von Seema Dahami, die bei einem Pub-Besuch mit ihren Freundinnen die Bekanntschaft eines älteren Herrn macht. Ein Charmeur der alten Schule, kultiviert, vermögend, ohne Dreck unter den Fingernägeln. Ganz anders als Seema, die ihren Lebensunterhalt als Stadtgärtnerin verdient. Sie kann sich Lazaros Charisma nicht entziehen, genießt das Interesse, das er zeigt, nimmt sein Angebot an, sie in seiner komfortablen Limousine nach Hause fahren zu lassen und lehnt auch das Opiumpfeifchen nicht ab, das er ihr anbietet. Auf sein Drängen hin verabreden sie sich wieder, sie soll einen Dachgarten für ihn gestalten, aber alle diese Treffen finden nachts in seiner Villa statt. Die Warnung einer Freundin schlägt Seema in den Wind, obwohl ihr manches seltsam vorkommt. Die seltsamen Flecken an ihrem Hals, das unerklärliche Nasenbluten und die Fressorgie, bei der sie entgegen ihrer jüdischen Erziehung einen blutigen Cheeseburger verschlingt. Und dann wird auch noch ihre Mutter mit durchschnittener Kehle aufgefunden…

„Milch oder Blut“ ist ein wilder, stellenweise verwirrender Mix aus Krimihandlung, jüdischen Traditionen und Blutsauger-Story, der sich zwischen Realität und Fantasie bewegt und die Grenzen zwischen Lüge und Wahrheit verwischt. Das muss man mögen, und wenn man sich darauf einlassen kann, wird man mit einer ungewöhnlichen, spannenden und unterhaltsamen Geschichte belohnt.

Veröffentlicht am 05.01.2022

Clever geplotteter Justzthriller

Thirteen
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Im englischsprachigen Ausland ist der nordirische Autor und ehemalige Bürgerrechtsanwalt Steve Cavanagh längst kein Unbekannter mehr. Und nachdem er sich bei der Vergabe des Theakston‘s Old Peculier Crime ...

Im englischsprachigen Ausland ist der nordirische Autor und ehemalige Bürgerrechtsanwalt Steve Cavanagh längst kein Unbekannter mehr. Und nachdem er sich bei der Vergabe des Theakston‘s Old Peculier Crime Novel of the Year Award 2019 gegen u.a. Val McDermid, Mick Herron und Liam McIlvanney durchsetzen konnte, bekommt er nun endlich auch hierzulande die Aufmerksamkeit, die er verdient.

Die Ausgangssituation in diesem vierten Band der Thrillerreihe um den Strafverteidiger Eddie Flynn (bisher liegen in der deutschen Übersetzung Bd. 1 und 2 vor) ist genretypisch: Bobby Solomon, Hollywoods neuer Liebling, ist angeklagt, seine Ehefrau und deren Liebhaber ermordet zu haben. Er beteuert seine Unschuld, aber sämtliche Indizien sprechen gegen ihn. Als der mit dem Fall betraute Staranwalt sein Mandat niederlegt, übernimmt Flynn die Verteidigung. Unterstützt von der ehemaligen FBI-Agentin Harper "Leck mich“ überprüft er die vorliegenden Beweise und stößt auf Ähnlichkeiten mit Mordfällen, bei denen sämtliche Täter zweifelsfrei schuldig gesprochen und verurteilt wurden. Aber es gibt ein Indiz, das alle diese Fälle miteinander verbindet…

Da Cavanagh die Story in alternierenden Kapiteln aus der Sicht des Verteidigers sowie des mörderischen Jury-Mitglieds erzählt, bleibt die Spannung permanent auf hohem Niveau. Man ist jederzeit nah an dem aktuellen Geschehen und der Gedankenwelt der beiden Protagonisten, die sich in ihrer methodischen Vorgehensweise gar nicht so unähnlich sind. Aber obwohl „Thirteen“ über weite Strecken mit hohem Tempo aufwartet, gibt es doch auch einige Längen und Ungereimtheiten in diesem Katz-und-Maus Spiel, wie z.B. die Todesfälle innerhalb der Jury. Warum werden diese nicht unter die Lupe genommen und genauer untersucht? Täter und Motiv? Ziemlich schnell offensichtlich. Und dennoch kann man sich der Faszination dieses clever geplotteten Justizthrillers nicht entziehen.

Veröffentlicht am 19.12.2021

Unterhaltsame Geschichtsstunde

Die Brücke der Ewigkeit
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Ein historischer Roman, der im vierzehnten Jahrhundert angesiedelt ist, mit einem Steinmetz als Protagonisten, der die Vision hat, ein Bauwerk zu erschaffen, das die Ewigkeit überdauern wird…klingelt da ...

Ein historischer Roman, der im vierzehnten Jahrhundert angesiedelt ist, mit einem Steinmetz als Protagonisten, der die Vision hat, ein Bauwerk zu erschaffen, das die Ewigkeit überdauern wird…klingelt da etwas bei den Leser*innen historischer Romane? Auch wenn der Handlungsort ausnahmsweise nicht das mittelalterliche England ist, so ist mir beim Lesen des Klappentextes sofort Ken Follett in den Sinn gekommen, auch wenn Wolf Hector (ein Pseudonym des Autors Thomas Ziebula) als Hintergrund Prag und den Bau der Karlsbrücke gewählt hat.

Wenn man die Geschichte um die Entstehung eines real existierenden Bauwerks in den Mittelpunkt eines Romans stellt, bedarf das einer gründlichen Recherche. Und hier hat der Autor ohne Zweifel seine Hausaufgaben mehr als erledigt. Die Quellenlage ist, wie Hector im Nachwort vermerkt, mehr als dürftig, was dem Roman allerdings nicht zum Nachteil gereicht, ganz im Gegenteil, denn so bleibt wesentlich mehr Spielraum für die künstlerische Freiheit, speziell was die Persönlichkeiten der Handlungsträger und deren Umfeld angeht.

In historischen Romanen, die für die breite Masse angelegt sind, lassen sich Klischees leider in den meisten Fällen nicht vermeiden, was allerdings der Lesbarkeit zu Gute kommt. So kommt auch hier der Baumeister aus einfachen Verhältnissen, hat sowohl Gönner als auch Rivalen, muss Rückschläge überwinden und sich zahlreicher Intrigen erwehren. Glücklicherweise verzettelt sich der Autor nicht, driftet nicht in nichtssagende Banalitäten ab, sondern bemüht sich um eine realistische Darstellung der damaligen Lebensumstände.

Dem Vergleich mit Follett hält Hectors „Die Brücke der Ewigkeit“ ohne Zweifel stand, und wer sich für die Geschichte historischer Bauwerke und deren Entstehung interessiert, kann hier unbesorgt zugreifen.

Veröffentlicht am 29.11.2021

Auch Autoren brauchen hin und wieder Abwechslung

Das Talent
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Wie so viele Amerikaner hat John Grisham eine besondere Beziehung zum Sport. Football, Baseball und Basketball sind die drei Sportarten, denen in den Vereinigten Staaten das Interesse der Öffentlichkeit ...

Wie so viele Amerikaner hat John Grisham eine besondere Beziehung zum Sport. Football, Baseball und Basketball sind die drei Sportarten, denen in den Vereinigten Staaten das Interesse der Öffentlichkeit gilt, und er versucht sich als Heranwachsender in allen dreien, allerdings mit mäßigem Erfolg. Bis zum College spielt er aktiv Baseball, trainiert später seinen Sohn und lässt auf seinem Grundstück sechs Spielfelder errichten, die 26 Teams der Little League als Trainingsgelände dienen.

Für eine Profi-Karriere hat es Grisham glücklicherweise nicht gereicht, denn sonst würde er uns sicher nicht mit seinen regelmäßig erscheinenden Justizthrillern unterhalten. Aber auch ein Autor braucht in der Themenwahl manchmal Abwechslung, und so unternimmt er ab und an einen Ausflug in die Welt des Sports. Bisher gibt es aus seiner Feder den Baseball-Roman „Home Run“ sowie die beiden Football-Romane „Touchdown“ und „Der Coach“, alle drei sehr realitätsnah und empfehlenswert für Leser*innen, die sich für diese Sportarten interessieren.

Nun also „Das Talent“, ein Roman aus dem Basketball-Milieu, der den Werdegang des fiktiven südsudanesischen Basketball-Spielers Samuel „Sooley“ Sooleyman beschreibt, der seinen Traum von der Profi-Laufbahn in die Realität umzusetzen möchte. Und dafür gibt er alles, verlässt seine Familie und seine Heimat. Unterstützt wird er dabei von einem Talentscout, der ihn motiviert, unterstützt, an ihn glaubt, und ihn trotz mäßiger Leistung zu einem Show-Turnier mit in die USA nimmt, bei dem die Talentsucher der Colleges auf der Tribüne sitzen. Während seine Karriere Fahrt aufnimmt, erreichen ihn schlimme Nachrichten aus dem Sudan. Sein Heimatdorf wurde überfallen und niedergebrannt, seine Familie ist auf der Flucht Richtung Uganda. Jetzt kann nur noch ein Wunder helfen, und Sooley hat es in der Hand. Er muss einen ordentlichen Batzen Geld verdienen, damit er sie in die USA holen kann.

Um Freunde an diesem Roman zu haben, sollte man schon ein gewisses Maß an Kenntnis und Interesse für Basketball mitbringen, denn Grisham verwendet zum einen immer wieder Fachbegriffe, zum anderen kommentiert er die Spiele im knappen Stil eines Sportreporters. Ansonsten liefert er genau das, was wir auch von seinen Thrillern gewohnt sind: kurze Kapitel, gute Charakterisierungen, eine ordentliche Portion Drama und ein Ende, das zu Herzen geht. Dazu jede Menge Hintergrundinformationen zur politischen Lage im Sudan.

Ein Roman, der von der Liebe des Autors zu diesem Sport zeugt und das ideale Geschenk für alle ist, die eine Affinität für Basketball haben.

Veröffentlicht am 25.11.2021

Über die Liebe zur Literatur

Hier geht’s lang!
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Wie bereits in „Männer in Kamelhaarmänteln“ begibt sich Elke Heidenreich in „Hier geht’s lang“ auf eine Reise in ihre persönliche Vergangenheit. Dabei richtet sie den Fokus auf ihre Leseerfahrungen, im ...

Wie bereits in „Männer in Kamelhaarmänteln“ begibt sich Elke Heidenreich in „Hier geht’s lang“ auf eine Reise in ihre persönliche Vergangenheit. Dabei richtet sie den Fokus auf ihre Leseerfahrungen, im Speziellen auf die Bücher von Autorinnen, die sie durch ihr Leben begleitet und Spuren hinterlassen haben, wobei diese Einordnung natürlich aus Sicht der erwachsenen Leserin erfolgt.

In jungen Jahren helfen ihr die typischen Mädchenbücher, das triste Leben ihrer Nachkriegskindheit zu ertragen, die Jugendliche liest die Schmonzetten von Anne Golon, es folgen Sagan und Colette. Aber es gibt auch Lehrerinnen, die sie zur Literatur hinführen. Natürlich sind das meist Autoren, eine Erfahrung, die sie auch während ihres Germanistik-Studiums macht. Deren männliche Sicht auf das Leben, die Gefühle und die Welt bieten allerdings wenig Raum für Frauen, die auf der Suche nach ihrem eigenen Weg sind, haben nichts mit deren Realität zu tun. Aber glücklicherweise gibt es genügend Autorinnen, die diese Leerstellen füllen können. Autorinnen und ihre Bücher, die Denkprozesse anstoßen, zur Reflexion anregen, sie ermuntern, Dinge nicht als gegeben hinzunehmen sondern zu hinterfragen. Die Lust am Lesen hat Heidenreich ihr gesamtes Leben begleitet, wobei ihr auch immer daran gelegen war/ist, diese bei ihren Mitmenschen zu entfachen, eine Vorstellung von den Welten zu vermitteln, die sich zwischen zwei Buchdeckeln verbergen können.

Heidenreich schreibt über ihre Liebe zur Literatur, über Bücher, die den Horizont erweitern, Denkanstöße geben, alternative Lebensentwürfe aufzeigen und die Selbstfindung unterstützen. Ob diese nun von Autorinnen oder Autoren stammen, ist meiner Meinung nach nicht von Bedeutung, denn schlussendlich kommt es immer darauf an, was man selbst aus der Lektüre mitnimmt.