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Veröffentlicht am 12.12.2021

Manchmal bedarf es nicht vieler Worte

Eifersucht
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Ich bin kein Fan von Kurzgeschichten, sind diese doch meist zu sehr auf eine Person bzw. eine wesentliche Aussage reduziert, so dass für eine feine Ausarbeitung der Charaktere kaum Platz ist. Deshalb bin ...

Ich bin kein Fan von Kurzgeschichten, sind diese doch meist zu sehr auf eine Person bzw. eine wesentliche Aussage reduziert, so dass für eine feine Ausarbeitung der Charaktere kaum Platz ist. Deshalb bin ich auch mit einer gehörigen Portion Skepsis an das neue Buch von Jo Nesbø herangegangen, dessen Kriminalromane um und mit Harry Hole, dem einzelgängerischen Ermittler mit den unkonventionellen Methoden, ich sehr schätze.

Sieben Short Stories, ein Motiv, so der Untertitel von Nesbøs „Eifersucht“, in dem er diese Empfindung und ihre Auswirkungen, schon so oft in der Literatur thematisiert, in den vielen Facetten beschreibt. Was löst dieses Gefühl aus und was macht es mit dem Menschen? Richtet es sich gegen das Objekt oder entfaltet es gar eine selbstzerstörerische Wirkung? Kann man damit leben oder führt es zu unberechenbaren Konsequenzen? Das sind die Kernfragen, denen sich der Autor stellt und differenziert zu beantworten versucht.

Eine junge Frau, die ihre eigene Tötung in Auftrag gibt. Ein Brüderpaar, das sich wegen der Liebe zu einer Frau entzweit und das geschwisterliche Band durchtrennt, was für einen von ihnen tödliche Konsequenzen hat. Ein Ohrring auf dem Rücksitz eines Taxis, der eine Ehe Richtung Abgrund treibt. Alles so ähnlich schon einmal gelesen, aber von dem Autor durch die komprimierte Form äußerst intensiv und stellenweise auch unerwartet verstörend beschrieben.

Im Gegensatz zu den Kriminalromanen wirken diese Kurzgeschichten wesentlich literarischer, ausgefeilter und konzentrieren sich stärker auf die psychologische Komponente, verzichten aber dennoch nicht auf unerwartete Wendungen und bieten somit auch die Spannung, die wir von dem Autor gewohnt sind.

Manchmal bedarf es eben nicht vieler Worte, um auf den Punkt zu kommen. Lesen!

Veröffentlicht am 09.12.2021

Spannender Blick gen Osten

Nebeltage
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Dass eine Literaturnobelpreisträgerin einen Kriminalroman empfiehlt, ist selten, deshalb ist die Aussage von Olga Tokarczuk über „Nebeltage“ durchaus bemerkenswert: „Ein hervorragender Kriminalroman, maßgefertigt ...

Dass eine Literaturnobelpreisträgerin einen Kriminalroman empfiehlt, ist selten, deshalb ist die Aussage von Olga Tokarczuk über „Nebeltage“ durchaus bemerkenswert: „Ein hervorragender Kriminalroman, maßgefertigt für die heutige Zeit“. Mit diesen Worten hat sie zumindest mich auf Kaja Malanowskas „Nebeltage“ neugierig gemacht.

Die Autorin ist promovierte Biologin, schreibt Kolumnen für das linke Magazin Krytyka Polityczna und hat bereits zwei Romane und einen Band mit Erzählungen veröffentlicht, in denen sie unbequeme Themen anpackt, die nicht nur für Polen sondern auch für unseren Alltag relevant sind. In Kombination mit Tokarczuks Aussage reicht das für mich schon als Empfehlung.

Eine junge Frau wird hinterrücks in ihrem Badezimmer mit einem Hammer erschlagen. Das Motiv scheint unklar, könnte aber ein missglückter Raubmord sein. Verdächtigt wird – natürlich – die tschetschenische Putzfrau, eine Illegale mit Geldsorgen. Soweit, so bekannt. Mit den Ermittlungen werden Marcin Sawicki und seine neue Kollegin Ada Rochniewicz betraut, letztere erst kürzlich aus Wrocław nach Warschau versetzt, wobei der Grund dafür im Dunkeln bleibt. Eine interessante Konstellation, hier der akribische Ermittler alter Schule mit Eheproblemen, dort die intuitive Kommissarin mit traumatischer Vergangenheit (?), die dem Machogehabe, dem Misstrauen und der Geringschätzung der männlichen Kollegen ausgesetzt ist und sich ihren Platz erst noch erkämpfen muss.

„Nebeltage“ ist im winterlich grauen Warschau angesiedelt, eindrücklich von der Autorin beschrieben, die damit die passende Atmosphäre für diesen düsteren Polizeiroman kreiert. Die Ermittlungen gehen langsam voran, werden auch stellenweise für mein Empfinden zu ausführlich beschrieben, gerade dann, wenn das persönliche Umfeld des Opfers unter die Lupe genommen wird. Wesentlich interessanter sind die Innenansichten, der Blick auf die polnische Gesellschaft mit ihrem Rechtsextremismus, der Misogynie, den verheerenden Auswirkungen einer sektiererischen Religiosität, dem Filz in Politik und Polizei. Eine absolut lohnenswerte Lektüre, die sich mit aktuellen gesellschaftlichen Themen auseinandersetzt. Lesen!

Veröffentlicht am 08.12.2021

Schwärende Wunden

Mitgift
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Es ist ein eindringliches Stück Familiengeschichte, das Henning Ahrens in seinem für den Deutschen Buchpreis 2021 nominierten Roman „Mitgift“ beschreibt. Aber im Gegensatz zu den trivialen Werken dieses ...

Es ist ein eindringliches Stück Familiengeschichte, das Henning Ahrens in seinem für den Deutschen Buchpreis 2021 nominierten Roman „Mitgift“ beschreibt. Aber im Gegensatz zu den trivialen Werken dieses Genres hüllt er den Leser/die Leserin nicht in die wohlige Decke von Liebe, Verständnis und Zuckerguss, sondern zeigt das bäuerliche Familienleben, reduziert und konzentriert auf ein problematisches Vater-Sohn-Verhältnis. Das ist aber längst nicht das einzige Thema, er schaut auch mit dem Brennglas in die Seelen der einzelnen Familienmitglieder, zeigt die Auswirkungen, die der Zweite Weltkrieg auf sie hatte. Hoffnungen, Wünsche und Träume, die sich nicht erfüllten. Enttäuschungen, die bis in die Gegenwart hinein wirken und Leben zerstören.

Ahrens verkneift sich jegliche Sentimentalität, beschreibt nüchtern, präzise und mit einer gehörigen Portion Distanz diese toxischen innerfamiliären Verhältnisse. In alternierenden Kapiteln zwischen den Jahren 1944 und 1962 wechselt er die Perspektiven, lässt er aber nicht nur die verschiedenen Familienmitglieder sondern auch die Totenfrau Gerda zu Wort kommen, deren Leben ebenfalls mit der Bauernfamilie verbunden ist. Einst die Jugendliebe des alten Wilhelm, von diesem aber zugunsten der Mitgift der Bauerntochter Käthe verlassen, damit Scholle zu Scholle kommt. Es ist dieser Hunger nach Land, das Versprechen der Nationalsozialisten, den Bauern neue Gebiete im Osten zur Verfügung zu stellen, die ihn in die Wehrmacht treibt und schließlich dazu führt, dass er bis 1949 in Kriegsgefangenschaft gerät. Zuhause muss die Familie, heißt im Klartext der älteste Sohn, dafür sorgen, dass der Betrieb weiterläuft. Doch von dem heimkehrenden Vater bleibt die Anerkennung aus, denn jeder hat seinen Platz in der Familie, das ist schon seit Generationen so geregelt, muss wissen, wohin er gehört, wieder zurück ins Glied rücken. Das konfliktbeladene Verhältnis zwischen dem tyrannischen Vater, der sich noch immer nicht von dem Gedankengut der Nationalsozialisten abgewandt hat, und dem Sohn, der für sich einen Ausweg aus diesem bäuerlichen Leben sucht, schaukelt sich allmählich auf, bis es schließlich zu dem finalen Ereignis kommt, das einen der beiden das Leben kostet. Lesen!

Veröffentlicht am 06.12.2021

So muss es enden

Der Mongole - Tod eines Nomaden
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Yeruldelgger hat die Nase voll. Ganz gleich, wie sehr er sich abstrampelt, um denen das Handwerk zu legen, die sämtliche Gesetze aushebeln und sein Volk in den Würgegriff nehmen, es ist nie genug. Erschöpft ...

Yeruldelgger hat die Nase voll. Ganz gleich, wie sehr er sich abstrampelt, um denen das Handwerk zu legen, die sämtliche Gesetze aushebeln und sein Volk in den Würgegriff nehmen, es ist nie genug. Erschöpft von den immerwährenden Kämpfen nach Gerechtigkeit, die zu keinen Ergebnissen führen, quittiert er den Polizeidienst, verlässt die Stadt und zieht sich in die Wüste zurück. Mit der Unterstützung seines spirituellen Lehrmeisters besinnt er sich auf die uralten Traditionen, hofft so, zur Ruhe zu kommen, seinen inneren Frieden und wieder zu sich selbst zu finden.

Doch daraus wird nichts, denn sein Ruf eilt ihm voraus und niemand bleibt in der Wüste unbemerkt. Und so sieht er sich mit der Bitte einer unverhofft vor seiner Jurte auftauchenden Reiterin konfrontiert, sie bei der Suche nach ihrer verschwundenen Tochter zu unterstützen. Sie wird nicht die Einzige bleiben, die seine Hilfe benötigt. Verschwundene Frauen, Todesfälle, ausgeführt nach uralten Riten und ein Massengrab, all dies führt dazu, dass der ehemalige Polizist noch einmal in den Sattel steigt, um die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen.

Ian Manook nimmt uns mit in ein Land, das im Westen kaum einmal in den Nachrichten auftaucht. Ein Land, das für die meisten von uns ein weißer Fleck ist. Ein Land, das schon längst wegen seiner seltenen Bodenschätze zum Spielball der gierigen internationalen Großkonzerne geworden ist. Ein ökologisch ausgebeutetes Land, dessen stolze Bewohner auf der Jagd nach dem schnellen Geld ihre Identität verlieren.

So muss sie also enden, die Trilogie. Mit einem einsamen Tod inmitten der gnadenlosen Wüste, deren Vormarsch nicht zu stoppen ist. Mit dem langsamen, aber unaufhörlichen Verschwinden der nomadischen Kultur. Mit Profitstreben, das kühl kalkulierend die Traditionen eines Volkes auslöscht. Und auch wir tragen Schuld.

Veröffentlicht am 03.12.2021

Ein kulinarischer Ausflug nach Vietnam

Vietnameasy
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„Vietnameasy“ ist das zweite Kochbuch der Food- Autorin und -Stylistin Uyen Luu, in den achtziger Jahren mit ihrer Familie aus Vietnam nach England gekommen und im Londoner Nordosten aufgewachsen. Bekannt ...

„Vietnameasy“ ist das zweite Kochbuch der Food- Autorin und -Stylistin Uyen Luu, in den achtziger Jahren mit ihrer Familie aus Vietnam nach England gekommen und im Londoner Nordosten aufgewachsen. Bekannt wurde sie durch ihre Supper-Clubs im heimischen Wohnzimmer, bei denen Luu die Teilnehmer mit den Aromen der vietnamesischen Küche vertraut machte. Die von ihr veranstalteten Kochkurse stießen ebenfalls auf großes Interesse, so nahmen unter anderem auch Jamie Oliver und Gennaro Contaldo an ihnen teil.

Unter den Kochtraditionen Asiens nimmt die vietnamesische Küche eine Sonderstellung ein, ist sie doch geprägt von den unterschiedlichsten Einflüssen benachbarter Nationen, aber nicht zuletzt auch von Gebräuchen und Traditionen der französischen Kolonialmacht. So ist das überall erhältliche Banh Mi nichts weiter als ein mit frischen Zutaten belegtes Baguette.

Wie man bereits dem Titel entnehmen kann, ist es Uyen Luus Anliegen aufzuzeigen, wie schnell und einfach man die schmackhaften Gerichte Vietnams zubereiten kann. Und das schafft sie mit 80 Rezepten, in denen sich Tradition und Moderne vereinen. Eine Herangehensweise, die perfekt in unsere globalisierte Welt passt und es uns auch einfacher macht, Zutaten, die eventuell gerade nicht vorhanden sind, durch entsprechende Alternativen, die die Autorin in jeder Rezept-Einleitung nennt, zu ersetzen.

Luu stellt auf den ersten Seiten die vietnamesische Speisekammer mit ihren Grundzutaten vor und gibt hilfreiche Küchentipps. Bei der Einteilung der nachfolgenden Rezepte verabschiedet sie sich von der klassischen Menüfolge, und das ist auch gut so, denn wer stellt sich denn heutzutage noch stundenlang in die Küche, um ein mehrgängiges Menü zuzubereiten. Aber sie denkt auch an diejenigen, die auf diese Vorschläge nicht verzichten möchten, und so gibt es am Ende des Kochbuchs zwei Seiten mit entsprechenden Kombinationsmöglichkeiten.

Köstliches zu Reis, Bunte Gemüsebeilagen, Knackige Salate, Mit Freunden schlemmen, Himmlische Nudelsuppen, Schnelle Gerichte für jeden Tag, Süßes und Desserts und Grundlagen – so die Einteilung, bei der an alles gedacht ist.

Uyen Luu hält ihr Versprechen, die Zubereitung der vorgestellten Speisen ist in der Tat „easy“, weil die jeweilige Beschreibung sehr detailliert beschrieben und anschaulich bebildert ist. Und auch die Zutaten sind mittlerweile in jedem gut sortierten Supermarkt erhältlich, allerdings sollte man darauf achten, gute und frische Ware zu bekommen. Dann steht einem kulinarischen Vergnügen nichts im Wege.