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Veröffentlicht am 26.12.2018

Maria Adolfsson – Doggerland: Fehltritt

Doggerland. Fehltritt (Ein Doggerland-Krimi 1)
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Nach dem großen Austernfest auf Doggerland kehrt die Kommissarin Karen Eiken Hornby verkatert nach Hause zurück. Sie sieht noch ihre Nachbarn Susanne aus der Ferne bevor sie in Tiefschlaf fällt aus dem ...

Nach dem großen Austernfest auf Doggerland kehrt die Kommissarin Karen Eiken Hornby verkatert nach Hause zurück. Sie sieht noch ihre Nachbarn Susanne aus der Ferne bevor sie in Tiefschlaf fällt aus dem sie brutal ein Anruf reißt: sie soll zum Tatort kommen, Susanne wurde ermordet. Nicht genug, dass die allein lebende Frau bestialisch hingerichtet wurde, sie ist auch noch die Ex von Karens Chef, der natürlich als einer der ersten unter Verdacht gerät. Doch er scheidet als Täter, aber nun ebenso als Ermittler aus, weshalb Karen die Verantwortung für die Aufklärung des Falls tragen muss. Keine leichte Last, denn es gibt quasi keinerlei Spuren, die zu einem Schuldigen führen könnten. Der Druck wächst auf Karen, ist sie der Aufgabe, der sie so lange entgegengesehnt hatte, doch nicht gewachsen?

Dass Schweden reihenweise hervorragende Krimiautoren hervorbringt, ist nichts Neues. Dazu gehört sicherlich auch Maria Adolfsson, die mit ihrer Doggerland Reihe ein wirklich beachtliches Debüt vorlegt. Ungewöhnlich an der Reihe – Ullstein hat bislang drei Bände angekündigt – ist der Handlungsort: die fiktiven Doggerschen Inseln, die sich in der Nordsee zwischen Dänemark, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich befinden.

In „Fehltritt“ stimmt schlicht und ergreifend alles: eine interessante Protagonistin, die weder Übermensch noch psychisch völlig am Ende ist, die ihre guten wie auch die weniger sympathischen Seiten hat, aber durch die Handlung hindurch menschlich und authentisch wirkt und zunehmend an Profil gewinnt. Ein Fall, der sehr lange offen bleibt und nur durch systematische und gute Polizeiarbeit gelöst wird und keinerlei Kommissar Zufall erfordert, der den Ermittlern mal eben aus der Patsche hilft. Die Handlung war für mich auch völlig ausgeglichen zwischen dem Privatleben der Figuren und der eigentlichen Krimihandlung, Karens Leben außerhalb des Reviers war perfekt dosiert, um sie als Figur greifbar zu machen aber nicht zu stark den Fokus vom eigentlichen Geschehen abzulenken. Der Schreibstil überzeugt ebenfalls, der Roman ist kein Psychothriller mit dauerhafter Anspannung am Anschlag, sondern ein solider Krimi, bei dem die Polizeiarbeit im Vordergrund steht.

Für mich jedoch am beeindruckendsten war der Handlungsort: die Autorin hat eine fiktive Welt erschaffen, die jedoch durch und durch glaubwürdig und vorstellbar erscheint. Es ist nicht nur die Landschaft, die natürlich eine gewisse skandinavische Prägung aufweist und zu dem rauen Nordseeklima passt, sondern auch die Menschen, die als Siedler verschiedenste Einflüsse Dänemarks, Norwegens und Schwedens, aber auch der Niederlande aufweisen und die fiktive Sprache, die mit einigen Worten eingeworfen wird, so als Mischung herausbilden. Die Autorin hat Details erschaffen wie eine mystische Sage, die die Entstehung des Eilands begründet, wie auch Vorbehalte und Vorurteile zwischen den Bewohnern im Norden und im Süden. Zu keiner Sekunde hat man Zweifel daran, dass es diesen Ort real geben könnte.

Auf die weiteren Fälle wird man leider in deutscher Übersetzung noch einige Zeit warten müssen – das ist aber auch der einzige Wermutstropfen.

Veröffentlicht am 24.12.2018

Tony Parsons – Die Essenz des Bösen

Die Essenz des Bösen
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Detective Max Wolfe ist nur kurz im Einkaufszentrum Lake Meadows als die Hölle über ihn hereinbricht: ein Hubschrauber, von einer Drohne abgeschossen, stürzt in das Gebäude und löst ein Inferno aus. Es ...

Detective Max Wolfe ist nur kurz im Einkaufszentrum Lake Meadows als die Hölle über ihn hereinbricht: ein Hubschrauber, von einer Drohne abgeschossen, stürzt in das Gebäude und löst ein Inferno aus. Es dauert nicht lange, bis die beiden Khan Brüder als Täter identifiziert sind, doch bei der Festnahme kommt es zum Schusswechsel und eine Polizistin stirbt durch die Waffe des Islamisten. Die Bevölkerung ist außer sich und schwankt zwischen Trauer um die junge Polizistin und Mutter von zwei Kindern und Hass auf die Khan Familie. Die Eltern der Attentäter und eine Nichte wollen trotz ausdrücklicher Warnung nicht unter Polizeischutz bleiben, sondern in ihr altes Haus, in ihr altes Leben zurück und so passiert, was passieren muss: ein weiteres Leben wird ausgelöscht. Nur dieses Mal findet die Polizei den Täter nicht so schnell.

Auch im fünften Teil seiner Reihe um den Londoner Detective greift Tony Parsons aktuelle Themen auf und baut um diese eine überzeugende und vor allem spannende Geschichte. Pünktlich zum Erscheinungstermin könnte die Story auch kaum aktueller sein, ist doch mit London Gatwick einer der wichtigsten europäischen Flughäfen wegen wiederholter Störungen durch Drohnen für mehrere Tage lahmgelegt worden. Und an der unmittelbaren Gefahr, die von fanatischen Islamisten auch in Europa ausgeht, zweifelt inzwischen ohnehin niemand mehr.

Neben der Aktualität hat mich vor allem die Differenziertheit, mit der Parsons die Problematik darstellt, überzeugt. Einerseits jagt die Polizei Terroristen, aber nicht alle Familienmitglieder sind Täter und dürfen nicht als solche behandelt werden. Der Vater, der auf sein Recht auf sein altes Leben pocht, weil er alles für seine Integration getan hat, tut einem Leid. Neben den Opfern, die durch die Attentate zu beklagen sind, ist er der Hauptleidtragende, denn so sehr er sich auch bemüht, die englische Gesellschaft wird ihn nie aufnehmen und seine Söhne versetzen diesem Wunsch den letzten Dolchstoß. Die Polizei muss ihn vor den eigenen Leuten schützen – wahrlich kein leichtes Unterfangen, weder praktisch noch moralisch.

Auch Layla, die 16-jährige Nichte ist gefangen zwischen den Erwartungen und kann letztlich keine erfüllen. Niemand hilft ihr, nimmt sie an die Hand, um ihren Weg zu finden und so bleibt ihr nur die Verzweiflungstat als letzter Ausweg.

Auch Max Wolfe steckt in einem Dilemma: seine Ex will nach Jahren plötzlich die gemeinsame Tochter zurück. Er will sie nicht aufgeben, will aber auch ihr Bestes und ihr vor allem nichts vorenthalten. Gleichzeitig liebt er seinen Beruf – doch als alleinerziehender Vater Verbrecher jagen ist zeitlich nicht immer koordinierbar und geht unweigerlich zu Lasten des Mädchens. Was also tun?

Auch wenn Max Wolfe so einiges einstecken kann, er ist nicht der Superheld, der im Alleingang alle Gegner besiegt. Gerade sein kompliziertes Privatleben hindert ihn an dieser Rolle. Das macht aber die Reihe aus und liefert immer das kleine bisschen mehr, das Tony Parsons‘ Romane auszeichnet.

Veröffentlicht am 25.05.2017

Böse Absichten

Böse Absichten
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Osamu Nonoguchi wird von seinem Freund Kunihiko Hidaka gebeten, ihn nochmals abends aufzusuchen. Der erfolgreiche Autor steht kurz vor der Auswanderung nach Kanada und klingt am Telefon besorgt. Als Nonoguchi ...

Osamu Nonoguchi wird von seinem Freund Kunihiko Hidaka gebeten, ihn nochmals abends aufzusuchen. Der erfolgreiche Autor steht kurz vor der Auswanderung nach Kanada und klingt am Telefon besorgt. Als Nonoguchi dort ankommt, scheint das Haus verweist. Er informiert dessen Frau, die bereits im Hotel ist, wo sie die letzte nach verbringen wollten. Als sie das Haus schließlich gemeinsam betreten, finden sie nur noch die Leiche des Freundes und Gatten. Wer könnte dem Literaten etwas angetan haben? Die Polizei ist ratlos, auch Nonoguchi kann sich keinen Reim darauf machen. War es die Nachbarin, deren Katze von Hidaka vergiftet wurde? Doch die Dinge liegen möglicherweise ganz anders und es sind mehr gewiefte Erzähler am Werk als man meinen sollte.

Keigo Higashino spielt mit seinen Figuren und dem Leser. Durch Perspektivenwechsel bringt er immer wieder neue Wendungen, die unerwartet sind und dieselbe Situation gänzlich anders erscheinen lassen. Gerade zurechtgerückte Motive und Handlungen fallen wieder in sich zusammen. Die Wahrheit liegt eben doch nur im Auge des Betrachters und Erinnerungen können getrübt sein. „Böse Absichten“ punktet mit wenigen Figuren in einem komplexen Plot, der sich geschickt windet und keine einfache Lösung offeriert. Sprachlich für meinen Fall passend zu den jeweils erzählenden Figuren, beim Ermittler etwas einfältiger als bei Nonoguchi. Am Ende lässt er leider etwas nach und ganz zum Schluss kommt ein arg abruptes Ende, das ein wenig verstört und nicht zum Fluss der Geschichte passt.


Fazit: clever konstruiert, spannend zu lesen – ein gelungener Krimi.

Veröffentlicht am 25.05.2017

Epidemie

Epidemie
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Was ist die größte Bedrohung der westlichen Zivilisation? Nicht islamistische Kämpfer, nicht gierige Banker. Nein, man zerstört sich selbst durch unbändige Nahrungsaufnahme und gesundheitsgefährdendes ...

Was ist die größte Bedrohung der westlichen Zivilisation? Nicht islamistische Kämpfer, nicht gierige Banker. Nein, man zerstört sich selbst durch unbändige Nahrungsaufnahme und gesundheitsgefährdendes Übergewicht. Der schwedische Ministerpräsident Johan Svärd hat erkannt, dass er etwas unternehmen muss. Sein Land wird das globale Vorbild für die Bekämpfung der Fettleibigkeit werden. Gesundheit, d.h. Schlankheit, steht über allem. Mehr Themen braucht seine Partei nicht, denn, wenn wir unser Leben gefährden, was haben wir dann noch? Programme in Schulen sollen schon bei den Kleinen präventiv wirken, die Erwachsenen erhalten weniger subtilen Druck: wer die Normwerte nicht erfüllen kann, wird seinen Job nicht behalten. Doch eine kleine renitente Gruppe will sich dem Schlankheitsdiktat nicht unterwerfen, drastischere Maßnahmen sind gefragt – auch um den Gewinn der nächsten Wahl zu sichern.

Åsa Ericsdotter hat aus einem der beherrschenden Themen der Zeit einen fast dystopischen Roman geschaffen, der möglicherweise gar nicht so fern der Realität ist, wie man zunächst meinen mag. Der soziale Druck, der auf Menschen jenseits der Norm ausgeübt wird, ist auch heute schon nicht zu leugnen. Dass es für die Gesundheit förderlicher ist, wenn man kein zu hohes Übergewicht mit sich trägt und zudem auf ausreichende Bewegung achtet, ist ebenfalls unbestritten. Wenn sich jemand dieser Thematik bemächtigt und sie in extremo ausreizt, sieht die Lage jedoch schon etwas anders aus. Immer mehr verleiht die Autorin ihren Figuren ein Vokabular, dass alle Alarmglocken schrillen lässt und verdächtig an jenes des Dritten Reiches und der Rassenideologie erinnert, nur dass hier nicht die Hautfarbe sondern der Taillenumfang das maßgebliche Kriterium ist. Und wieder einmal schauen die meisten einfach nur zu oder gar weg. Und viele folgen dem Ruf und lassen sich von der neuen schönen Welt vereinnahmen, denn eigentlich will doch die Regierung nur das Beste für ihre Bürger, oder?

Die Geschichte ist platziert um wenige Figuren herum: Landon, ein junger Forscher, dessen Freundin dem Ruf des neuen Ideals folgt und erliegt und seiner Nachbarin, die mit ihrer kleinen Tochter von den Zwangsmaßnahmen der Regierung bedroht ist. Keine Superhelden, sondern klardenkende Menschen, denen man ihre Sorgen und Agieren glaubt und die durch die Handlung tragen können, da es gerade ihre kleinen Schwächen sind, die sie menschlich erscheinen lassen. Ein in sich stimmiger Roman, der ein schnelles Tempo durch die recht kurzen Kapitel und raschen Wechsel zwischen den Figuren schafft, was stimmig mit dem Inhalt ist und das als „Roman“ bezeichnete Buch eher in Richtung Krimi rückt und Spannung aufbaut.

Veröffentlicht am 25.05.2017

Die Frau mit dem roten Schal

Die Frau mit dem roten Schal
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Eine hübsche junge Frau. An den Klippen. Kurz vor dem Sprung. Jamal schafft es noch zu ihr hin, doch den Fall kann er nicht verhindern. Tot liegt sie am Boden, mit dem roten Schal um den Hals, den er ihr ...

Eine hübsche junge Frau. An den Klippen. Kurz vor dem Sprung. Jamal schafft es noch zu ihr hin, doch den Fall kann er nicht verhindern. Tot liegt sie am Boden, mit dem roten Schal um den Hals, den er ihr noch zugeworfen hatte. Der Schreck ist groß und wird noch größer als die Polizei ihn schnell für den Täter hält, niemand will seine Version des freiwilligen Suizids bestätigen und da es zuvor schon ähnliche Fälle gab, steckt Jamal in der Falle. Wie soll er beweisen, dass er nicht der Täter ist? Angeblich hat die Polizei sichere Beweise für seine Schuld. Bevor man ihn festnimmt, ergreift er die Flucht.

Ein durch und durch spannender Roman, der den Leser an vielen Stellen zweifeln und wundern lässt, ebenso wie den Protagonisten, zu vieles passt nicht zusammen. Sehr gut gelungen ist die Perspektive Jamals, der langsam daran verzweifelt, dass ihm kein Glauben geschenkt wird und der nicht weiß, was er der staatlichen Maschinerie entgegensetzen soll. An vielen Punkten hatte ich Zweifel, dass es dem Autor gelingen würde, hierfür eine stimmige Erklärung zu finden, doch er findet sie, alles wird restlos aufgelöst, Fragen oder Unklarheiten werden beseitigt, obwohl er wirklich auffällig viele Fragezeichen setzt im Laufe der Handlung. Zwar überzeugt mich die letztliche Auflösung nicht restlos, dafür ist sie mir zu wenig realitätsnah, was jedoch nicht bedeutet, dass es einen solchen Fall nicht durchaus geben könnte.

Fazit: ein spannender Roman, der ganz ohne die derzeit angesagten französischen Klischees vom tollen Essen und Sonnenschein auskommt, sondern sich auf seine Protagonisten und die Handlung fixiert.