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Veröffentlicht am 09.03.2022

Glaubhafte Auseinandersetzung mit Mobbing, Erpressung und Vergewaltigung

Vertraute Qualen
6

„Vertraute Qualen“ ist der zweite Band von Kirsten Nähles Kriminalroman-Trilogie und somit Nachfolger ihes Krimi-Debüts „Zwölf Sünden“. Widerum steht das Würzburger Ermittler-Duo Victoria Stahl und Daniel ...

„Vertraute Qualen“ ist der zweite Band von Kirsten Nähles Kriminalroman-Trilogie und somit Nachfolger ihes Krimi-Debüts „Zwölf Sünden“. Widerum steht das Würzburger Ermittler-Duo Victoria Stahl und Daniel Freund im Mittelpunkt des Geschehens. Recht unterhaltsam wird der Leser gleich von Beginn an mitten in die Handlung geworfen und es dauert einen Augenblick bis er sich zu orientieren vermag. Sobald man aber die Protagonisten von den Nebencharakteren zu unterscheiden gelernt hat, lässt sich der Handlung leicht und problemlos folgen.

Gleich zu Beginn befindet sich der 16-jährige Leon angetrunken auf dem Nachhauseweg von einer Party. Den letzten Bus hat er verpasst, seine ein Jahr jüngere Freundin Marie war nicht auf der Party und in der Hoffnung bei ihr übernachten zu dürfen, ruft er sie an. Marie nimmt seinen Telefonanruf allerdings nicht entgegen und so muss er also mit einem längeren Fußmarsch ans andere Ende der Stadt vorlieb nehmen, bis ein Auto anhält und ein ihm bekannter Fahrer vorschlägt ihn heim zu fahren. Leon steigt zögerlich ein und es wird lange dauern bis wir wieder von ihm hören - auf welche Weise sollte an dieser Stelle nicht vorweggenommen werden. Weitere männliche Teenager aus Leons Klasse verschwinden und gleich mehrere Personen, unter ihnen auch die Lehrer der Schüler, geraten als potentielle Täter ins Fadenkreuz der Ermittlungen und stehen unter Verdacht. Besondere Brisanz und Dramatik erhält der Plot dadurch, dass Leons Freundin Marie die Tochter der ermittelnden Oberkommissarin Stahl ist. Zu den Hauptcharakteren hinzu gesellt sich der schüchterne Außenseiter Samuel, der von seinen Mitschülern keinerlei Beachtung findet, gemobbt, erpresst und aufs Übelste erniedrigt wird. Darüber hinaus werden dann als Ausgleich zur spannenden Haupthandlung und zur durchaus sehr kritischen Thematik des Mobbings zum Durchatmen für den Leser die jeweiligen privaten Probleme in Ehe bzw. Beziehung des Ermittlerduos mit eingestreut und es entfaltet sich eine durchaus interessante Kriminalgeschichte, bei welcher der Leser über weite Strecken die Gelegenheit zum Mitermitteln und -rätseln bekommt. Die Handlung folgt dabei einem „Geradeauskurs“ ohne größere Schnörkel und Abschweifungen.

Insgesamt ist der flotte Schreibstil von Kirsten Nähle sprachlich eher einfach gehalten, Sätze sind nur äußerst selten kompliziert aufgebaut. Die einzelnen, kurzen Kapitel aus diversen Perspektiven sind mit den jeweiligen Namen der Protagonisten überschrieben. Die Geschichte wird auch Tempo-reich, recht spannend und schlüssig erzählt, ohne zu viel vorab bereits zu verraten, ist für den Leser auch sehr gefällig geschrieben und ein Spannungsbogen wird zunehmend aufgebaut - ja, bis zu dem Punkt, als sich der Täter dann zufällig, unvorsichtig und völlig unnötigerweise im Prinzip fast schon selbst verrät. Hier gibt es eine etwas enttäuschende Wendung und ab diesem Zeitpunkt ist die Handlung dann äußerst vorhersehbar und leider reißt hier dann auch der zuvor aufgebaute Spannungsbogen zwar nicht komplett, aber dennoch spürbar ab. Trotzdem ist der Krimi weit davon entfernt, ein schlechter Roman zu sein und in einer Hinsicht dann sogar mehr als herausragend: Denn Kirsten Nähle greift einige Probleme der heutigen Gesellschaft auf und thematisiert insbesondere Mobbing, Erpressung, Vergewaltigung und Sex mit Minderjährigen – nicht, dass es das nicht schon immer gegeben hätte, aber diese sehr problematischen Herausforderungen haben in der heutigen Zeit enorm zugenommen und sind bedauerlicherweise bereits zum Alltagsgeschehen geworden. Und in der Auseinandersetzung mit genau dieser Problematik besteht die eigentlich wahre Stärke des Buches. Ohne große Umschweife wird dies hier nicht tabuisiert, sondern in den Mittelpunkt des Geschehens gerückt, was den Leser zum Nachdenken über sich selbst, seine Kinder oder Enkel ermuntert und die Frage aufwirft, wo habe ich in der Vergangenheit vielleicht selbst jemanden gemobbt, allzu leicht und bequem weggesehen oder möglicherweise zumindest nicht entschieden genug dagegen opponiert. Äußerst sympathisch ist in diesem Zusammenhang ferner, dass das Ermittler-Duo, unterstützt durch weitere Personen in ihrer Einheit bei der Kriminalpolizei, nicht einfach nur seinen Job durchführt, sondern mehrfach auch sich selbst kritisch nach Fehlern und Versäumnissen hinterfragt.

Bis sich dem Leser die Bedeutung des Buchcovers, eine hellblaue Gartenlaube auf einem kleinen Grundstück in einen gelblichen Schimmer getaucht, oder der Buchtitel „Vertraute Qualen“ erschließen, dauert es eine gehörige Weile, final wird ihm der Zusammenhang dann aber nach ca. 2/3 des Buches komplett klar.

Fazit: „Vertraute Qualen“ ist der spannende zweite Band von Kirsten Nähles Kriminalroman-Trilogie, der durchaus zu überzeugen vermag, bei welchem jedoch ab einem gewissen Punkt die Handlung ein wenig zu vorhersehbar wird. Unterm Strich bleibt aber die Spannung dennoch einigermaßen erhalten und seine größte Bedeutung erhält der Kriminalroman durch seine kritische Auseinandersetzung mit der aktuellen Thematik von Mobbing, Erpressung und Vergewaltigung in der heutigen Gesellschaft. Auf dieser Ebene besticht „Vertraute Qualen“ und ragt im Vergleich zu anderen Büchern dieses Genres deutlich heraus. Als Leser dürfen wir nun dem bereits angekündigten dritten und letzten Band der Trilogie „Frische Wunden“ entgegen fiebern, in welchem eine Frau grausam getötet und ein Baby entführt wird. Wir dürfen gespannt sein, wie Victoria Stahl und Daniel Freund in diesem Fall dann ermitteln und ihn lösen werden.

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Veröffentlicht am 11.08.2021

Hochspannung trotz oder wegen totalen Internetausfalls

Systemfehler
4

Das Buch „Systemfehler“ von Wolf Harlander ist ein hoch-spannender, leicht dystopischer Thriller, der sich mit dem interessanten Szenario auseinandersetzt, was bei einem europaweiten Ausfall des Internets ...

Das Buch „Systemfehler“ von Wolf Harlander ist ein hoch-spannender, leicht dystopischer Thriller, der sich mit dem interessanten Szenario auseinandersetzt, was bei einem europaweiten Ausfall des Internets eintreten könnte. Die Fragestellung des „Was wäre, wenn tatsächlich das Internet von einem zum nächsten Moment ausfallen würde?“ wird dabei so authentisch und realitätsnah beschrieben, dass sich der Leser unmittelbar in die Handlung hinein versetzt fühlt und durchweg am Puls dieser Geschichte verbleibt.

Protagonist Daniel Faber ist IT-Experte in einer Spielesoftware-Entwickler-Firma. Als Marketing-Manager hat er Zugriff auf die Spiele-Software bereits lange vor der offiziellen Veröffentlichung. Details zur neuesten Spiele-Entwicklung „Cyber Nation War“ unterliegen allerdings höchster Geheimhaltung und so darf Sohnemann Ben ausnahmsweise dieses Brand-aktuelle Online-Spiel nicht vorab installieren und kennenlernen, wie sonst üblich. Unerlaubt verschafft sich Ben dennoch Zugang zum Spiel und verbreitet vermutlich dadurch ein äußerst übles Virus im Internet. Das verschärft einerseits Daniels Eheprobleme mit seiner Frau Isabelle und kostet ihn seinen Job, andererseits ruft es den BND auf den Plan, der fortan Daniel im Nacken sitzt. Exemplarisch an Daniels Familie - neben Daniel und Ben gehören auch Daniels Frau Isabelle, seine beiden Töchter Carolin und Sophie, seine Schwester Claudia, die Ärztin in einem Hamburger Krankenhaus ist, und seiner Mutter in Nürnberg zu den Protagonisten – demonstriert Wolf Harlander, welche Konsequenzen ein solcher Totalausfall des Internets nach sich zieht. Der BND wird in erster Linie durch die Protagonisten Nelson Carius und seine Kollegin Diana vertreten. Es entspinnt sich ein Horrorszenario, in welchem Flugzeuge abstürzen, Patienten auf Intensivstationen sterben, Wasser- und Lebensmittelversorgung zusammenbrechen, Bus- und Bahnverkehr lahmgelegt sind und vieles mehr. Und natürlich machen sich politische Gruppierungen die Situation zu Nutzen und suchen ihren Vorteil.

Der Schreibstil von Autor Wolf Harlander ist unkompliziert und sehr flott, wodurch der Spannungspegel stets sehr hoch gehalten wird. Auch der ständige Perspektivenwechsel, bei dem die Handlung aus Sicht diverser Protagonisten erzählt wird, trägt erheblich dazu bei, dass beim Leser nie das Gefühl von Langeweile auch nur im Entferntesten aufkeimen könnte. Kleines Manko ist für mich, dass Wolf Harlander wohl die Zahl der Charaktere überschaubar halten wollte und der Plot somit representativ auf Daniels Familie zurecht gezimmert wurde. Hier kommen eine Menge Zufälle natürlich zusammen, sodass alle Familienmitglieder die relevanten Berufe, notwendigen Charakteristika und Interessen haben. Andererseits wäre die Handlung erheblich komplexer geworden und die Anzahl an Charakteren zusammen mit dem Buchumfang immens angestiegen, wenn Wolf Harlander dies auf weitere Charaktere verteilt hätte. Das Cover des Buches ist grandios und fantastisch passend zur Handlung des Buches ausgewählt. Die Hörbuchversion wird hervorragend von Uve Teschner gelesen.

Fazit: Wolf Harlander hat mit seinem Thriller „Systemfehler“ ein zwar hypothetisches, dafür aber überaus realitätsnahes Szenario darüber geschildert, welche katastrophalen Folgen ein Ausfall des Internets in unserer modernen Gesellschaft unmittelbar nach sich ziehen würde. Der Leser befindet sich immer mitten in der Handlung und wird in Zeiten von Hackerangriffen zum darüber nachdenken angeregt, was in solch einer Situation alles passieren könnte und wie abhängig unsere Gesellschaft von der modernen Computerwelt und von einem intakten Internet geworden ist. Viel besser als in „Systemfehler“ lässt sich das kaum vor Augen führen.

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Veröffentlicht am 18.04.2021

Zu wenig historische, dafür aber herausragend emotionale Familiengeschichte

Die Stadt der Tränen
11

„Die Stadt der Tränen“ von Kate Mosse ist der zweite Band einer Serie rund um die französischen Hugenottenkriege des 16.Jahrhunderts und somit die Fortsetzung zu „Die brennenden Kammern“. Minou und Piet ...

„Die Stadt der Tränen“ von Kate Mosse ist der zweite Band einer Serie rund um die französischen Hugenottenkriege des 16.Jahrhunderts und somit die Fortsetzung zu „Die brennenden Kammern“. Minou und Piet Joubert-Reydon sind, nach anstrengendem Kampf in Band 1, mittlerweile mit ihrer Familie, die mit Marta und Jean-Jaques Zuwachs bekommen hat, in Puivert als Adel und Burgherren seit zehn Jahren fest etabliert. Als solche werden sie zusammen mit Minous inzwischen erwachsenen Geschwistern Alis und Aimeric sowie Tante Salvadora und Minous Vater Bernard zur Hochzeit des protestantischen Königs Heinrich III. von Navarra mit der katholischen Margarete von Valois, Schwester des Königs Karl IX. von Frankreich und Tochter von Caterina de’ Medici, nach Paris eingeladen. Bereits im Vorfeld vor der Vermählung wird Vidal, ursprünglich ein enger Freund von Piet, der sich inzwischen aber einerseits zum intriganten Kardinal und andererseits zum absoluten Todfeind von Minou und Piet entwickelt hat, dafür sorgen, dass auf tragische Weise nicht alle Familienmitglieder nach Paris reisen können.
In Paris angekommen wohnt der Leser zusammen mit Minou und ihrer Familie dieser historischen Hochzeit bei, ehe die Familie dann in der darauf folgenden Bartholomäusnacht auseinander gesprengt wird und die einzelnen Familienmitglieder recht unterschiedliche Schicksale im Verlauf des Romans erleiden.
Ein Personenregister über die Protagonisten gleich zu Beginn des Buches sowie ein historischer Abriss über die wichtigsten geschichtlichen Ereignisse dieser Zeitspanne vermitteln dem Leser das für das Buch nötige Hintergrundwissen.

Wie etabliert im Genre des historischen Romans, werden geschichtlich verbürgte Ereignisse mit einer fiktiven Rahmenhandlung, die vor der geschichtlichen Kulisse spielt - in diesem Falle rund um die Familie von Minou und Piet – verwoben. In „Die Stadt der Tränen“ stellt Kate Mosse allerdings, wie bereits im Vorgängerband, das Schicksal der Familie Joubert-Reydon eindeutig vor die tatsächliche historische Komponente. Die sogenannte Bluthochzeit wird auf nur wenigen Seiten abgehandelt und auch die Geschehnisse um die Bartholomäusnacht geraten deutlich zu knapp, der Königshof und wichtige historische Personen bleiben weitestgehend außen vor, die einzelnen Hugenottenkriege werden manchmal in nur einem Satz erwähnt. Ähnlich verhält es sich mit den Auseinandersetzungen der Niederländer um Willem I. van Oranje mit den Habsburgern. Obwohl die Familie Joubert-Reydon aus religiösen Gründen nach Amsterdam umsiedeln muss und große Teile des Buchs in den Niederlanden spielen, bleiben diese Aspekte größtenteils unerwähnt – folgerichtig wird auch die Ermordung von Willem I. in einem Nebensatz abgehakt. Darüber hinaus erinnert der Epilog, welcher knapp 300 Jahre später spielt, gleichsam dem Showdown im letzten Drittel des Buches, ein wenig an die Abläufe der entsprechenden Textpassagen des Vorgängerbandes.

Für all jene Anhänger des historischen Romans, die vorzugsweise Geschichte aufarbeiten und betont die historische Komponente im Vordergrund sehen möchten, kann ich diesen Roman nur bedingt empfehlen. Diesen kann beispielsweise „Die Bartholomäusnacht“ von Alexandre Dumas nahegelegt werden. Leider geraten in diesem Zusammenhang auch die von Kate Mosse entwickelten Charaktere ein wenig zu modern für die damalige Zeit, wodurch der Leser auch nicht allzu viel über das Leben der Menschen in dieser Epoche erfährt.

Haben wir nun also einen schlechten Roman vor uns? - Keineswegs. All jenen, die einen spannenden, unterhaltsamen, emotionsgeladenen, abwechslungs- und temporeichen Roman mit hier und da eingestreuten geschichtlichen Ereignissen bevorzugen, kann ich dieses Buch nur wärmstens ans Herz legen. Da liegt meines Erachtens auch die große Stärke des Schreibstils von Kate Mosse. Sehr flüssig und sehr bildhaft ruft sie in der ihr unverkennbaren Art die einzelnen, wirklich starken Charaktere ins und aus dem Leben und schildert in einer für jedermann verständlichen Sprache eine emotional ergreifende Familiengeschichte, deren Mitgliedern vor dem Hintergrund der Religionskriege teils auch harte Schicksalsschläge widerfahren. Sehr geschickt nimmt sie den Leser an die Hand und führt ihn an eine zunächst nahezu immer deutlicher vorhersehbare Handlung heran bis dann urplötzlich eine völlig unerwartete und nicht vorhersagbare Wendung eintritt, wodurch sich die gleichen starken Emotionen der Protagonisten des Romans beim Leser widerspiegeln und auf ihn übertragen. Zur Verstärkung der emotionalen Hilflosigkeit der Protagonisten greift sie eindrucksvoll darüber hinaus auf das Stilmittel von Zeitsprüngen (jeweils um einige Jahre weiter) zurück, wodurch der Leser staunend, teils sogar schockiert, die Hilflosigkeit und Ungewissheit der Protagonisten reflektiert und gewissermaßen am eigenen Leib zu verspüren vermag.

Ganz am Ende darf der Leser dann auch noch die, wiederum etwas zu knapp geratene, Krönung von Henri Quatre zum König von Frankreich in der Kathedrale Notre-Dame von Chartres miterleben, begleitet von einem beeindruckenden Cliffhanger im Hinblick auf Band 3.

Fazit: Die historischen Aspekte des Romans sind nicht so akribisch herausgearbeitet und in die fiktive Handlung eingebunden wie das in diesem Genre beispielsweise bei Rebecca Gablé oder Ulf Schiewe der Fall ist und halten sich somit leider in Grenzen. Die spannende, gefühlsbetonte Komponente hingegen sticht aber umso deutlicher hervor und sorgt dafür, dass sich das Buch zu einer herausragend emotionalen Familiengeschichte vor dem Hintergrund der Hugenottenkriege entwickelt. All jenen, die in einem Roman Freude und Genuss an letzterem finden, kann ich eine eindeutige Leseempfehlung aussprechen. Ich persönlich freue mich auf Band 3 und fiebere ihm entgegen. Die Kenntnis von Band 1 ist für das Verständnis von Band 2 nicht essentiell notwendig, vermittelt dem Leser aber das Gefühl die Familiengeschichte der Joubert-Reydons über Generationen hinweg mitverfolgt zu haben und weiterhin mitverfolgen zu dürfen.

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Veröffentlicht am 03.05.2022

Fachlich interessant, der (Unter-)Titel verfehlt aber eindeutig das Thema

Der Stoffwechsel-Kompass
4

Hauptsächlich war mir Prof. Ingo Froböse, ein ausgewiesener und anerkannter Experte auf seinem Gebiet, durch seine zahlreichen Videos über Krafttraining und Rückenschule bekannt. Und angesichts der Tatsache, ...

Hauptsächlich war mir Prof. Ingo Froböse, ein ausgewiesener und anerkannter Experte auf seinem Gebiet, durch seine zahlreichen Videos über Krafttraining und Rückenschule bekannt. Und angesichts der Tatsache, dass wir nun mal alle nicht jünger werden und meistens an Gewicht eher zulegen, schien mir „Der Stoffwechsel-Kompass“ ein hervorragendes Buch zu sein, um mich auf meine 50-ger Jahre vorzubereiten.

Viel wird in dem Buch über Stoffwechsel, Ernährung und Verdauung sehr detailliert dargestellt, manchmal auch ein wenig zu fachspezifisch für den Laien, und die wesentlichsten Begriffe nochmals in einem hervorgehobenen Kasten zusammengefasst. Man lernt in der Tat sehr viel darüber, wie der Körper „arbeitet“, was gut und schlecht für ihn ist. Dennoch fehlt mir das eigentlich Neue, was das Buch liefern sollte – weniger fachspezifisch erklärt, kann man das Meiste auch bereits in Zeitschriften wie der Apothekenumschau oder ähnlichem entnehmen. Der größte Schwachpunkt des Buches scheint mir aber, dass der Untertitel "Was uns in der zweiten Lebenshälfte fit, schlank und wach hält" schlichtweg irreführend ist: Die meisten Informationen sind allgemeiner Natur und beziehen sich auf den menschlichen Körper ganz generell, nur ganz wenige Details gegen Ende des Buches sind auf den Menschen in seiner zweiten Lebenshälfte ausgerichtet. Hier wird eindeutig nicht gehalten, was versprochen wird. Was bleibt, ist ein interessantes Buch eines Fachmannes, welches sehr viel über den menschlichen Stoffwechsel, Ernährung und die menschliche Verdauung vermittelt - sehr lesenswert, aber sicherlich kein "must have".

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Veröffentlicht am 30.08.2021

Auf Perihelbahnen präzediert man der Auflösung des Kriminalfalls entgegen

Dein dunkelstes Geheimnis
12

"Dein dunkelstes Geheimnis" ist der mittlerweile sechste Roman von Jenny Blackhurst. Er firmiert unter dem Genre Psychothriller, wäre jedoch weitaus besser im Genre des Kriminalromans aufgehoben, unterlegt ...

"Dein dunkelstes Geheimnis" ist der mittlerweile sechste Roman von Jenny Blackhurst. Er firmiert unter dem Genre Psychothriller, wäre jedoch weitaus besser im Genre des Kriminalromans aufgehoben, unterlegt mit etwas gesellschaftskritischen und leicht dramatischen Aspekten. Nicht uninteressant geschrieben und durchaus bestens als unterhaltsame Lektüre geeignet, ist er weder einschläfernd noch aufpeitschend und befindet sich in puncto Spannungslevel irgendwo zwischen diesen beiden Extremen – Tendenz: Zunehmend ansteigende Spannung mit voranschreitender Seitenzahl bis hin zum fulminanten aber ein wenig überstürzten Finale.

Das Buch beginnt mit der Frage „Wo ist sie?“ und zusammen mit dieser Fragestellung und den Protagonisten mäandert der Leser so nach und nach durch die Handlung des Buches. Gestellt wird die Frage während regelmäßig wiederkehrender Gefängnisbesuche von Kathryn an ihren Vater Patrick, der vor 25 Jahren Kathryns beste Freundin Elsie ermordet haben soll – zumindest hat er den Mord, obwohl unaufgeklärt, an der damals Fünfjährigen gestanden und wurde dafür zu lebenslanger Haft verurteilt. Es ist dieses Ereignis, welches Kathryns Leben komplett auf den Kopf stellt und entgleisen lässt. Seither musste sie eine Menge durchmachen, hat wiederkehrende Alkoholprobleme, befindet sich in psychologischer Therapie und fühlt sich schlicht als „die Tochter des Monsters“. Vertrauen und Freundschaften kann sie nur noch zu wenigen Personen aufbauen, unter ihnen ihr Bruder Jordan, ihre Mutter Jill (zu der sie aber den Kontakt meidet) und ansatzweise ihre Nachbarin Miriam sowie ihre Therapeutin Veronica. Für ihren Vater empfindet Kathryn nur noch Hass und Verachtung. Ungewöhnlich und ein wenig gewöhnungsbedürftig berichtet Kathryn dies aus einer „Ich“-Perspektive heraus.

In einem parallelen, wenngleich nicht unabhängigen, Handlungsstrang wird nun auf Kathryns Heimatinsel Anglesey am 25. Jahrestag von Elsies Verschwinden wieder ein fünfjähriges Mädchen vermisst. Das Mädchen wird aus dem gleichen Wäldchen, hinter dem gleichen Haus wie damals entführt und sieht Elsie darüber hinaus auch noch zum Verwechseln ähnlich. Mit der Aufklärung dieses Falles sind „Detective Inspector“ Maggie Grant, deren Sexleben in der ersten Hälfte des Buches unnötigerweise etwas zu viel beleuchtet wird, und ihr Team befasst. Spätestens als Kathryn sich dazu entscheidet nach Anglesey zu reisen und bei der Suche des vermissten Mädchens mitzuhelfen, werden die beiden Handlungsstränge enger miteinander verwoben. Angekommen auf ihrer Heimatinsel wird Kathryn mehrfach wiedererkannt und es entfaltet sich – reichlich spät, aber gerade noch rechtzeitig - eine durchaus spannende Geschichte.

Das Buch - Jenny Blackhursts gefälligem und unkompliziertem Schreibstil lässt sich dabei recht einfach folgen - hat sicherlich seine Stärken, aber auch deutliche Schwächen. Zu seinen Stärken zählen zweifellos seine gesellschaftskritischen und dramatischen Komponenten, die das Leben Kathryns beschreiben, die (ungewollt) in eine Situation gerät, welche sie als Kind und ihrem weiteren Leben komplett überfordern. Zu den großen Schwächen des Buches gehört jedoch sicherlich, dass dem Leser in ein paar Schleifen zu viel die gleichen Informationen vorgekaut, wichtige Details zum Miträtseln hingegen verschwiegen werden und letzten Endes dann auch leider ein paar Zufälle zu viel zusammenkommen. Darüber hinaus gibt es mehrfach logische Brüche in der Handlung, manche Aktionen versanden und werden nicht mehr aufgenommen. Repräsentatives Beispiel ist u.a. der unklare Zusammenhang zwischen Handlung und Cover des Buches, wobei das Cover alleine ein echter Blickfang ist. All dies lässt die Lektüre ein wenig zu konstruiert wirken. Dennoch steigert sich im Verlauf des Buches das Spannungslevel im schwungvollen zweiten Teil deutlich, was den Leser dann schon mitzureißen vermag und anregt darüber nachzudenken, wie er selbst in verschiedenen Rollen wohl gehandelt hätte und wie leichtfertig man sich oftmals ein Urteil über andere Menschen bildet.

Fazit: Die Grundidee zu Jenny Blackhursts "Dein dunkelstes Geheimnis" ist sehr gut gewählt und die gesellschaftskritischen und dramatischen Aspekte kommen auch deutlich heraus; die Entfaltung der Handlung hingegen mutet, trotz flüssigen und nie langweiligen Schreibstils, dann doch eher wie ein Kriminalfall in bester „Tatort“-Manier an - gleichsam einer unterhaltsamen Geschichte, die man entspannt gerne mal so nebenbei liest, welche allerdings den Leser nicht sonderlich fordert und auch kaum zum Mitdenken bei der Lösung des Falls motiviert. Da die Protagonisten insgesamt eher blass bleiben, hätte ich mir an manch einer Stelle ein plötzliches Auftauchen von Margaret Rutherford alias Miss Marple gewünscht, die den Leser aus seiner aufgezwungenen Lethargie wachrüttelt und mit gezielten Hinweisen etwas Klarheit in den Fall und sein überhastetes, leicht konfuses Ende bringt. Das Buch ist weiß Gott nicht schlecht, aber aus dieser wirklich originellen Basis hätte Jenny Blackhurst meines Erachtens deutlich mehr machen können. Das Potential zu einem wunderbaren Kult-Psychothriller wäre eindeutig da gewesen, diese Chance wurde aber leider vertan. Was bleibt, ist ein unterhaltsamer, aber durchschnittlicher Kriminalroman mit kleinen kritischen Botschaften.

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