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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.04.2023

Ruhig aber auch aufwühlend

Es war einmal in Brooklyn
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"Es war einmal in Brooklyn" beginnt sehr stark und hält dieses Niveau eigentlich das gesamte Buch hindurch, nur manchmal schwächelt es ein klein wenig. Die große Stärke des Romans sind eindeutig die realitätsnahen ...

"Es war einmal in Brooklyn" beginnt sehr stark und hält dieses Niveau eigentlich das gesamte Buch hindurch, nur manchmal schwächelt es ein klein wenig. Die große Stärke des Romans sind eindeutig die realitätsnahen Protagonist:innen, die im guten Sinne "nichts besonderes" sind. Sie sind eigentlich durchschnittliche Menschen, die Schicksale erleben, die jeder und jedem passieren können und leider viel zu oft auftreten.
Ich habe schnell mit Juliette und David sympathisiert, auch wenn im Laufe des Buches meine Sympathien eindeutig stärker zu Juliette gewandert sind. Besonders prägend war für mich der Teil, bei dem sich beinahe alle jungen Männer im Roman unsympathisch gemacht haben, als es um die Entjungferung Juliettes ging, als Rico damit prallte, dass sie noch Jungfrau sei (da sie enger ist), als David ausflippt, weil er dachte, er hätte Anspruch auf Juliette und ihre Jungfräulichkeit und Mister Du-must-mir-so-unsympathisch-dass-ich-deinen-Namen-verdrängt-habe, der JuliettesTraurigkeit und Verwirrung nutzt, um sie dann schließlich zu entjungfern... Keiner der Männer ist hier im Recht und ihr Denken ist einfach altmodisch und frauenverachtend... Ich hätte mir hier bessere Aufarbeitung gewünscht, aber das ist auch der einzige Kritikpunkt an diesem Buch.

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Veröffentlicht am 29.03.2023

Ein Plädoyer an Geschichten

Die Bibliothek der Hoffnung
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Die Bibliothek der Hoffnung ist ein Plädoyer für Geschichten! Der Roman zeigt wie wichtig Bücher, Bibliotheken, das (Vor-)Lesen und das Zuhören sind und das auf so vielen Ebenen.
Es geht um die Bethnal ...

Die Bibliothek der Hoffnung ist ein Plädoyer für Geschichten! Der Roman zeigt wie wichtig Bücher, Bibliotheken, das (Vor-)Lesen und das Zuhören sind und das auf so vielen Ebenen.
Es geht um die Bethnal Green Library in London, die zu Beginn der Blitzkriegs in die noch nicht eröffnete U-Bahnstation umziehen musste, in der auch viele Bewohner des Londoner Stadtteils Zuflucht suchten. Die leitende Bibliothekarin, aus Ermangelung eines anwesenden Mannes, macht es sich zur Aufgabe, den Menschen zu helfen und ihnen Ablenkung, Trost und Hoffnung zu schenken. Sie liest Kindern vor, gründet einen Lesezirkel und hat ein offenes Ohr und eine Buchempfehlung für alle Menschen die zu ihr kommen.
Eine wunderschöne Idee war für mich die Rahmenhandlung, bei der eine alte Mutter in der Coronapandemie durch Schilder in der U-Bahnstation an diese Zeit erinnert wurde und sie ihren Kindern davon erzählt. Zu einer Zeit in der das "Ende der Zeitzeugenschaft" eingeläutet wird, zeigt diese Rahmenhandlung, wie wichtig es ist, den wenigen Verbliebenen zuzuhören und daraus zu lernen. Aber auch die Geschichte rund um die Bibliothek in er U-Bahnstation, die auf wahren Begebenheiten beruht, ist schön zu lesen und trotz der düsteren Thematik oft erheiternd und hoffnungsspendend. Gegen Ende hin, wurde es mir jedoch zu sehr in die Länge gezogen und der Fokus war teilweise zu sehr auf den zwei großen Liebesgeschichten.

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Veröffentlicht am 10.08.2022

Wunderschöne Atmosphäre

Findelmädchen
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In dem Roman Findelmädchen dreht sich alles um die jugedliche Helga, die als Kind in der Nachkriegszeit ohne Eltern in Köln leben musste, bis ein französisches Ehepaar sie und ihren Bruder aufgenommen ...

In dem Roman Findelmädchen dreht sich alles um die jugedliche Helga, die als Kind in der Nachkriegszeit ohne Eltern in Köln leben musste, bis ein französisches Ehepaar sie und ihren Bruder aufgenommen haben. Doch im Winter 1954 meldet sich plötzlich ihr Vater aus Köln.
Wie auch schon in ihrem ersten Roman Trümmermädchen schafft es Lilly Bernstein wunderbar die Atmosphäre einzufangen, wie es war in den 50er Jahren in Westdeutschland zu leben. Sie schreibt von fortsetzenden Anfeindungen gegenüber Bevölkerungsgruppen, die schon im 2. Weltkrieg verfolgt wurden, von Kindern, die in Waisenhäusern misshandelt werden, vom aufkommenden Rassismus und von einer mutigen, jungen Frau, die sich in dieser Zeit traut ihre Stimme zu erheben.
Bernstein schafft es ihren Leser*innen das Gefühl zu geben, als würden sie selbst in dieser Zeit des beginnenden Umbruchs zu leben. Sie verwebt eine einzigartige Geschichte mit historischem Wissen und nebenbei werden auch wichtige Ereignisse behandelt, ohne auch nur einmal belehrend von oben herab zu erzählen. Gelungen ist auch die Verbindung zum ersten Roman Trümmermädchen, die schöne Erinnerungen weckt, bei denen, die den Roman gelesen haben, wobei es nicht notwendig ist, diesen zu kennen.
Auch wenn es, dem Genre verschuldet, stellenweise etwas kitschig ist, ist es doch ein sehr gelungener Roman!

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Veröffentlicht am 05.05.2022

Interessanter Protagonist* - solide Handlung

Der letzte Schrei
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Um ehrlich zu sein: Die Leseprobe dieses Buches konnte mich zuerst nicht überzeugen. Trotzdem habe ich dem Buch eine Chance gegeben, denn wie oft liest man das Buch eines israelischen Autors, in dem er ...

Um ehrlich zu sein: Die Leseprobe dieses Buches konnte mich zuerst nicht überzeugen. Trotzdem habe ich dem Buch eine Chance gegeben, denn wie oft liest man das Buch eines israelischen Autors, in dem er die High Society und die queere Gesellschaft Israels thematisiert? Ich hatte kaum Vorstellungen vom Leben in Israel und die, die ich hatte, waren sehr religiös geprägt, da passte diese Handlung nicht wirklich hinein - aber Sangiv überzeugt die Leser:innen und lässt sie in Bereiche der israelischen Kultur blicken, die sonst kaum im Rampenlicht stehen.
Der Schreibstil orientiert sich stark an der Persönlichkeit Odeds, was am Anfang anstrengend sein kann. Mit der Zeit gewöhnt man sich jedoch daran und man fühlt sich Oded durch den sehr eigenen Schreibstil sehr nahe. Spannend ist auch, die Geschlechtlichkeit Odeds, bezeichnet er sich doch selbst oft mit weiblichen Beschreibungen, fasst kommt das Gefühl auf, der Charakter könnte genderfluid sein - auf die Geschlechlichkeit wird im Roman selber jedoch nie genau eingegangen, was auch daran liegen könnte, dass es eigentlich schon der dritte Roman mit dem Ermittler Oded ist, jedoch der erste, der ins Deutsche übersetzt wurde... Hebräisch kann ich leider nicht lesen und so bleibt meine Frage offen, ob es in einem früheren Roman Thema ist, ob es an der Übersetzung liegt oder ob ich zu viel hineinlese... Sollte Oded wirklich genderfluid gelesen werden, und für mich ist es nun so, ist das ein Grund das Buch zu feiern, denn das ist ein großer und wichtiger Schritt in eine tolerantere Zeit!

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Veröffentlicht am 15.03.2022

Britischer Film Noir

Den Wölfen zum Fraß
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Patrick McGuinness verbindet in "Den Wölfen zum Fraß" alles was Großbritannien ausmacht, mit allem was wir aus hard bioled crimis kennen. Das bedeutet es fließt viel Tee und wir haben düstere, melancholische ...

Patrick McGuinness verbindet in "Den Wölfen zum Fraß" alles was Großbritannien ausmacht, mit allem was wir aus hard bioled crimis kennen. Das bedeutet es fließt viel Tee und wir haben düstere, melancholische und sehr lange Monologe, die teilweise sehr weit vom eigentlichen Geschehen abschweifen. Doch dem Autor gelingt es, dass dies nicht stört. Überhaupt nicht, als Leser:in verfolgt man gerne die Gedankengänge Anders, tauscht mit ihm in seine Vergangenheit und die gesellschaftlichen Probleme Englands nach und vor dem Brexit ein. Dabei schafft McGuinness es auch sehr viele Themen anzusprechen: die Macht der Medien, die Gefahren eine Frau zu sein und wieso Männer es in der Datingwelt "einfacher" haben, englische Privatschulen, und, und, und... Trotzdem bildet der Roman ein abgeschlossenes Ganzes, ohne lose Enden, ohne unnötigen Ballast. Manchmal werden Absätze vielleicht etwas zu lang und die Gedanken drohen beim Lesen abzuschweifen, aber der Autor schafft es einen immer wieder zurückzuholen und ans Buch zu fesseln.
Ander ist ein sympathischer Hauptcharakter, der sich selbst nicht immer sicher ist. Ein Protagonist, der eine gemeinsame Vergangenheit mit dem vermeindlichen Mörder hat. Ein Protagonist, dem vielleicht nicht ganz zu trauen ist.
"Den Wölfen zum Fraß" ist kein actionreicher Thriller mit viel Blut und ekelerregenden Leichenbeschreibungen. Es ist eher ein sanft beginnender Wind, der unbemerkt zu einem Sturm anwächst und bei dem die Leser:innen nicht mehr wissen, was sie glauben sollen, wem sie Mitleid schenken sollen und auf welches Ende sie hoffen sollen... Alles in allem also ein gelungener Roman, den es so nicht mehr oft gibt und der auch Nicht-Krimifans zu empfehlen ist, denn die Leiche ist hier nur Mittel zum Zweck um viel wichtigere Themen anzusprechen.

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