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Venatrix

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Veröffentlicht am 22.05.2022

Von Gipfelsiegen und Tragödien

Das ist doch der Gipfel
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Dieses gediegen ausgestattete Buch erzählt die Anfänge des Bergsteigens. Berge und besonders die Alpen sind Barrieren, die es zu überwinden gilt, wenn man vom Norden in den Süden und umgekehrt will. Man ...

Dieses gediegen ausgestattete Buch erzählt die Anfänge des Bergsteigens. Berge und besonders die Alpen sind Barrieren, die es zu überwinden gilt, wenn man vom Norden in den Süden und umgekehrt will. Man überquert sie auf Saumpfaden, Karrenwegen und mehr oder weniger ausgebauten Straßen. Der Zweck ist immer ein pekuniärer - Handel. Die Sagen der Gebirgsbewohner sind voll von Monstern, Berggeistern und Drachen, die alle jene, die abseits der Pfade wandeln, den Tod finden lassen. Ab dem 18. Jahrhundert ändert sich das Bild: Künstler, Kartografen und auch Literaten wagen neben unerschrockenen Pionieren den Weg in die Höhe. Nicht mehr der kürzeste (Handels)Weg über den Berg zählt, sondern der Gipfelsieg.

Andreas Lesti, Journalist, Germanist und begeisterter Alpinist schildert nun in 15 Porträts wie sich die Berge von Orten des Schreckens zu den heute von Touristen überlaufenen Sehnsuchtsorten entwickelten.

Der Bogen spannt sich vom bretonischen Schiffsjungen und späteren Arzt Belsazar Hacquet, der ab 1775 zahllose Gipfel in den Westalpen bezwang, dabei Gehzeiten, Geländeschwierigkeiten und die Naturschönheiten beschrieb. Somit kann man ihn als einen der ersten Bergführer bezeichnen. Völlig unbedarft, blauäugig und unzureichend ausgerüstet („Halbschuhtourist“) erklimmt Johann Wolfgang von Goethe im November (!) 1779 das Furkajoch, versinkt dort hüfthoch im Schnee, ständig bedroht durch Lawinen und hat mehr Glück als Verstand, dass er dieses Abenteuer unbeschadet übersteht.

Dann dürfen wir Alexander von Humboldt auf einer seiner Forschungsreise, die ihn u.a. Auf den Teide und den Chimborazo führt, begleiten. Die Expeditionen der österreichischen Brüder Schlagintweit nehmen uns in den 1850er Jahren mit nach Nordindien, wo die Brüder in fast drei Jahren nicht nur 30.000km zurücklegen, sondern auch neue Höhenrekorde aufstellen. Allerdings sammeln/rauben sie wahllos und obsessiv Artefakte, deren Auswertung unterblieben ist.

Doch nicht nur wagemutige Männer besteigen die Berge. Lesti berichtet über die Amerikanerin Meta Brevoort, die sich gemeinsam mit ihrem Hund Tschingel, ein Duell um den Gipfelsieg am Matterhorn mit der Engländerin Lucy Walker liefert. Am 21. Juli 1871 ist es soweit - Good old Europe siegt!
Die herausragendste Bergsteigerin ist jedoch die Polin Wanda Rutkiewicz, die in den 1980er Jahren endgültig in die Männerdomäne des Gipfelstürmens einbricht. Bis 1992 erklimmt sie acht der 14 Achttausender. Beim Besteigen des Kangchendzönga verunglückt sie auf 8300m tödlich.

Dann erfahren wir, warum Skirennen in Japan so populär sind: Theodor von Lerch, dessen Namen in den Alpen kaum wer kennt, hat den Skilauf 1910 in den kleinen Ort Takata gebracht, der nun als Wiege des japanischen Skilaufs gilt.

Spannend und berührend auch das Interview mit Norman Dyrenfurth (1918-2017), jenen Bergsteiger, der noch Hermann Buhl oder Sir Edmund Hillary persönlich gekannt hat.

»Am Ende ergibt sich ein Bild von den Alpen der Gegenwart, das ohne die Helden der Vergangenheit nicht verständlich wäre.«

Fazit:

Das Buch ist wegen seiner gediegenen Ausstattung - Leinencover und Lesebändchen - ein tolles Geschenk nicht nur für Bergfexe. Das Titelbild zeigt übrigens eine Postkarte des Mont Blanc aus dem 19. Jahrhundert. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 15.05.2022

"Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit"

24. Februar... und der Himmel war nicht mehr blau
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Als am 24. Februar 2022 die russischen Truppen in der Ukraine einmarschierten, änderte sich das Leben der jungen Valeria Shashenok wie das aller Ukrainer schlagartig. Zuvor war sie eine unbekümmerte junge ...

Als am 24. Februar 2022 die russischen Truppen in der Ukraine einmarschierten, änderte sich das Leben der jungen Valeria Shashenok wie das aller Ukrainer schlagartig. Zuvor war sie eine unbekümmerte junge Frau, die auf TikTok ihre Wünsche und Träume sowie Fotos ihrer Reisen gepostet hat.

Damit war es schlagartig vorbei. Sie zieht mit ihren Eltern in einen vorher als Büro genutzten und daher recht komfortabel ausgestatteten Luftschutzkeller. Da es neben Langeweile auch WLAN gibt, beginnt sie über ihren nun veränderten Alltag zu berichten. Neben zahlreichen Fotos von ihr selbst gehen Bilder der zerstörten Häuser ihrer Heimatstadt Tschernihiw um die Welt. Innerhalb kürzester Zeit ist Valeria über alle Grenzen bekannt.

Es gelingt ihr, auf abenteuerliche Weise aus der Ukraine auszureisen, und lebt nun in Mailand.

Meine Meinung:

Dieses nur 90 Seiten umfassende Buch ist bei story.one erschienen und spricht auch jene an, die, so wie ich, mit sozialen Medien wie TikTok nichts am Hut haben. Das Buch ist eine Ergänzung zur täglichen Kriegsberichterstattung in den Medien. Es zeigt das Leben einer jungen Frau, die plötzlich ihrer Träume, ihrer Heimat, ihrer Freunde und ihrer Zukunft beraubt wird.

Ich habe nun kurz auf TikTok hineingesehen und festgestellt, dass ich für diese Art der Kommunikation ein wenig zu alt bin. Das Buch lese ich gerne.


Valeria schreibt in manchmal scheinbar unzusammenhängenden Statements über ihre Tage im Bunker, von ihrer Flucht und ihren verlorenen Träumen. Auch aus ihrem Exil in Mailand bleibt sie mit Freunden in der Ukraine in Kontakt und veröffentlicht Videos bzw. Botschaften aus dem zerstörten Land.

Das Buch wird durch einige persönliche Fotos sowie durch eine Landkarte der Ukraine und Fotos aus der zerstörten Stadt Tschernihiw ergänzt.

Berührend ist, dass Valeria dieses Buch nicht nur ihrem von einer Bombe getöten Cousin und allen UkrainerInnen sondern vor allem dem russischen Volk widmet. Denn das russische Volk wird von Putin belogen und betrogen. Denn, „das erste Opfer eines Krieges ist die Wahrheit“, auch wenn der Angriffskrieg der russischen Armee nicht so genannt werden darf.

Fazit:

Eine gute Ergänzung zu den Kriegsberichten, die täglich über unsere Bildschirme flimmern. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 15.05.2022

Ein Lob der Freundschaft

Rettet die Freundschaft!
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Dieses Buch von Sebastian Schoepp ist eine Hommage an die Freundschaft.

In launigen, aber auch ernsten Worten erläutert er sie Bedeutung der Freundschaft für sich selbst und der Allgemeinheit. Vor allem ...

Dieses Buch von Sebastian Schoepp ist eine Hommage an die Freundschaft.

In launigen, aber auch ernsten Worten erläutert er sie Bedeutung der Freundschaft für sich selbst und der Allgemeinheit. Vor allem in der Zeit der Reduktion der sozialen Kontakte während der Pandemie kommt der echten Freundschaft große Bedeutung zu.

Doch was ist „wahre Freundschaft“? Anhand einiger selbst erlebter Beispiele erklärt der Autor, wie sich wahre Freunde von oberflächlichen Bekanntschaften unterscheiden.

Meine Meinung:

Sebastian Schoepps persönlichen Wahrnehmungen wechseln sich in diesem Buch mit Einblicken in die Gedanken von zahlreichen Philosophen wie Epikur und Montaigne ab. Das gefällt mir sehr gut.

Muss ich viele Freunde haben? Oder genügen zwei, drei, auf die ich sich im Ernstfall 1000-prozentig verlassen kann? Wie unterscheide ich echte Freunde, die mir auch in schwierigen Zeiten beistehen von jenen, die vor allem dann zur Stelle sind, wenn es mir gut geht? Hier bietet der Autor ein paar Gedanken zum Nachdenken.

Überdauern Jugendfreundschaften Jahre oder Jahrzehnte der Unterbrechung? Diese Frage kann ich persönlich mit einen lauten JA beantworten. Mit meiner besten Freundin aus der Schulzeit habe ich nach wie vor Kontakt, obwohl sich unsere Lebenswege mehrfach auch örtlich getrennt haben. Doch jedes Mal, wenn wir uns treffen, können wir dort anschließen, wo wir in der Vergangenheit aufgehört haben.

Freundschaften, die später im Leben geschlossen werden, haben eine andere Qualität, stehen aber einer in jungen Jahren geschlossenen um nichts nach.

In unserem digitalen Zeitalter lassen sich Freundschaften über große Distanzen leichter pflegen. Tun wir das ganz einfach und retten unsere Freundschaften! Sie sind es wert!

Fazit:

Diesem Lob an die Freundschaft gebe ich gerne 5 Sterne.

Veröffentlicht am 15.05.2022

Ein komplexer Krimi

Die Richterin und der Tanz des Todes
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Auch den 5. Fall für die Untersuchungsrichterin Mathilde de Boncourt habe ich gerne gelesen. Die Autorin beschert ihrer Leserschaft einen komplexen Krimi.

Die charismatische Flamencotänzerin Santana wird ...

Auch den 5. Fall für die Untersuchungsrichterin Mathilde de Boncourt habe ich gerne gelesen. Die Autorin beschert ihrer Leserschaft einen komplexen Krimi.

Die charismatische Flamencotänzerin Santana wird während der Generalprobe zu den „Nemausus – une danse travers les siècles“ ermordet und Mathilde de Boncourt ist live dabei. Bei den Ermittlungen stellt sich heraus, dass Santana ihren Erfolg nicht nur ihrer Begabung und ihrer Zähigkeit verdankt, sondern auch das eine oder andere Mal zu den „Waffen einer Frau“ gegriffen hat, um ihre Karriere voranzutreiben.

Ob ihr Verlobter davon Wind bekommen hat und Santana aus Eifersucht ermordet hat?

Doch dann wird Dolcé, die anstelle von Santana in der Show tanzen soll, ermordet, wieder erstochen. Welchen Zusammenhang gibt es zwischen den Opfern?

Meine Meinung:

Der Autorin ist wieder ein spannender Krimi gelungen, der nicht nur die kulinarischen Besonderheiten in und rund um Nîmes farbenfroh beschreibt, sondern einen Einblick in die Lebensweise der Gitanos gibt.

Neben dem bewährten Ermittlerteam Rachid Bouraada, Felix Tourrain und Coralie Mollard darf auch die bekannte Sängerin Marta Torres vorsichtig Erkundigungen einholen. Martas Bekanntheit ist in der Region ein Türöffner, der vor allem bei den Gitanos, die üblicherweise der Polizei gegenüber wenig mitteilsam sind, hilfreich ist.

Neben den Ermittlungen bekommen wir es wieder Einblick in das Seelenleben von Mathilde und auch von Rachid zu tun, die beide voneinander fasziniert sind, sich aber noch (?) nicht erklärt haben. Die zarten Pflänzchen einer aufkeimenden Zuneigung müssen gepflegt und gehegt werden.

Mathilde de Boncourt ist eine Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht, die ihre liebt und die mit dem Laster des Rauchens kämpft. Sie kann kaum ohne ihre „Gauloise Blonde“ auskommen. In vielen Büchern wird vor allem das Rauchen konsequent verdammt. Dass es hier quasi erlaubt ist, macht den Krimi authentisch.

Der Krimi besticht nicht nur durch das Lokalkolorit, sondern durch unerwartete Wendungen, die die Spannung erhöhen. Zahlreiche Hinweise verdichten sich zu einer heißen Spur, um dann doch in einer Sackgasse zu enden.

Fazit:

Ein fesselnder Krimi, der uns wieder die kulinarischen Genüsse der Region um Nîmes näherbringt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 08.05.2022

Ein Wien-Krimi vom Feinsten

Mexikoplatz
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Psychologin Nicky Witt verlässt um drei Uhr morgens das Haus ihrer neuen Bekanntschaft und entdeckt eine weibliche Leiche im Park am Mexikoplatz. Als die Polizei wenig später eintrifft, ist die Tote verschwunden ...


Psychologin Nicky Witt verlässt um drei Uhr morgens das Haus ihrer neuen Bekanntschaft und entdeckt eine weibliche Leiche im Park am Mexikoplatz. Als die Polizei wenig später eintrifft, ist die Tote verschwunden und Nicky ahnt noch nicht, in welchen Strudel der Ereignisse sie hineingezogen wird.

Das Ermittlerduo Felix Grohsmann und Johanna „Joe“ Kettler beginnen mit ihren Recherchen und stoßen auf eine Vermisstenanzeige: Lisa, eine Studentin der Wirtschaftsuniversität ist abgängig. Wenig später taucht die Leiche wieder auf und wird als die vermisste junge Frau identifiziert. Je tiefer Grohsmann und Kettler in das Umfeld der Toten eintauchen, desto größer ist die Diskrepanz zwischen den Bildern, die Lisas Eltern bzw. Studienkollegen von ihr haben.

Nicky Witt, die zunächst einmal auf der Liste der Verdächtigen steht, beginnt die psychologischen Aspekte dieses Verbrechens zu beleuchten. Damit kann sie den Ermittlern den einen oder anderen Hinweis geben.

Die Auflösung ist ein wenig überraschend, aber schlüssig.

Meine Meinung:

Autorin Mina Albich ist mit diesem Debüt-Krimi ein spannendes Buch gelungen, das in die Psyche der Menschen blicken lässt. Da haben wir zum einen die Klienten der Psychologin, von denen der eine oder andere Nicky Witt an die Grenzen ihrer Geduld bringen und zum anderen jene, die mit beiden beiden Beinen im Leben stehen, obwohl es manchmal nicht so leicht ist. Mina Albich hat lebendige Charaktere erschaffen. Menschen wie du und ich, die Höhen und Tiefen des Lebens durchmachen. Felix Grohsam ist trotz jahrelangen Polizeidienstes ein umgänglicher Mensch geblieben. Nach wie vor trauert er um seine verstorbene Frau Caro, doch langsam scheint er aus seinem Schneckenhaus hervorzukriechen.

Der Schreibstil ist angenehm zu lesen. Jeder Charakter darf so reden, wie ihm oder ihr der Schnabel gewachsen ist. Daher gibt es in einigen Dialogen, wohl dosierte Dialektpassagen. Nicht zu viel, sondern angenehm authentisch, sodass sich der Krimi rundum stimmig präsentiert.

Gut gefällt mir, dass wir sowohl Einblick in die Arbeit der Psychologin erhalten als auch den Polizisten bei ihren Ermittlungen, die manchmal mühsam sind, über die Schultern schauen dürfen.

Geschickt für uns die Autorin an der Nase herum. Sie legt Spuren, die in der einen oder anderen Sackgasse münden. Elegant sind auch die Eigenheiten so mancher Örtlichkeit wie die Architektur der Wirtschaftsuniversität oder die Kirche am Mexikoplatz eingeflochten.

Diese Art Krimi hat Reihenpotenzial. Ich hoffe, schon bald eine Fortsetzung mit Felix, Joe und Nicky lesen zu dürfen. Indizien dafür gibt es ja eine Menge.


Fazit:

Ein gelungenes Krimi-Debüt, das mich gut unterhalten hat. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.