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Veröffentlicht am 09.06.2017

Wunderland trifft auf Realität

Alice = Alice
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Die eineiigen Zwillinge Alice und Scarlett leben seit einiger Zeit an verschiedenen Enden der Stadt. Seit der Scheidung der Eltern lebt Alice bei ihrer Mutter, während Scarlett zu ihrem Vater gezogen ist. ...

Die eineiigen Zwillinge Alice und Scarlett leben seit einiger Zeit an verschiedenen Enden der Stadt. Seit der Scheidung der Eltern lebt Alice bei ihrer Mutter, während Scarlett zu ihrem Vater gezogen ist. Aufgrund der räumlichen Trennung ist auch der Kontakt der Zwillinge eingeschlafen und umso härter trifft Alice der Scarletts Fenstersturz. Noch schockierter ist sie, als sie erfährt, dass es möglicherweise ein Selbstmordversuch ihrer Schwester war. Während Scarlett im Koma liegt beschließt Alice kurzentschlossen das Leben ihrer Schwester anzunehmen um herauszufinden wie es zu diesem „Unfall“ kommen konnte. Als Scarlett verkleidet nimmt Alice ihren Platz in der Schule ein und lernt ihre Mitschüler und Freunde kennen. Eines Tages findet sie einige von Scarletts Zeichnungen in ihrem Zimmer. Alice nimmt die Zeichnungen mit ins Krankenhaus in der Hoffnung, ihre Schwester dadurch aus dem Koma zu befreien. Doch alles kommt anders, anstatt das Scarlett wieder aufwacht, findet sich Alice im Wunderland wieder und muss dort einige Abenteuer überstehen.

Für mich war es dieses Jahr bereits die zweite „Alice im Wunderland“ Adaption die ich gelesen habe. Auch das erste Buch „Alice – Follow the White“ von Stephanie Kempin ist im Papierverzierer Verlag erschienen. Da mich dieses sehr begeistert hat, habe ich natürlich sehr große Erwartungen in „Alice = Alice“ gesetzt. Leider muss ich sagen, dass ich am Anfang doch ein wenig enttäuscht war. Dies liegt aber weder am Schreibstil von Maxi Schilonka noch an der Geschichte selbst, sondern einfach und allein an meinen Erwartungen. „Alice – Follow the White“ setzt die Figuren aus „Alice im Wunderland“ in einen völligen neuen und ungewohnten Kontext. So etwas hatte ich mir eigentlich auch von „Alice = Alice“ erwartet und genau hier wurden meine Erwartungen enttäuscht, denn die Geschichte bleibt relativ nah am Original dran. Das vorliegende Buch hebt sich jedoch dadurch hervor, dass es auf einmalige und besondere Art und Weise die Realität mit dem Wunderland verknüpft. Dies geschieht mit einer gewissen Leichtigkeit und Schwerelosigkeit, die mich sofort in ihren Bann gezogen hat.

Die realen Charaktere sind sehr gut ausgearbeitet und mit einer großen Liebe zum Detail beschrieben. Bei den Wunderlandcharakteren fehlt mir diese detailtreue an manchen Stellen, für mich persönlich aber nicht weiter tragisch, da ich das Original sehr gut kenne und dadurch die Personen sehr gut vor meinem geistigen Auge sehen kann. Bei den Beschreibungen merkt man dafür wieder die Detailgenauigkeit sehr gut, denn diese werden wiederum sehr ausführlich beschrieben. Des Weiteren fand ich den Schreib- und Erzählstil der Autorin sehr angenehm. Sie schreibt auf eine sehr jugendliche und lockere Art und Weise, ohne dabei aufgesetzt oder gekünstelt zu wirken. Außerdem passt diese legere Sprache hervorragend zu den jungen Charakteren.

Leider schwächelt die Geschichte an manchen Stellen ein wenig. Die Idee, dass Alice den Platz ihrer Zwillingsschwester einnimmt, erinnert ein wenig an Erich Kästners „Das doppelte Lottchen“ und ist leider nicht wirklich komplett durchdacht. Alice geht diesen Rollentausch ohne große Vorbereitung an und erkennt recht schnell, dass sie völlig überfordert ist. Soweit kann ich das Ganze auch noch nachvollziehen. Die Schwierigkeiten für mich fangen an dem Punkt an, an dem niemand in der Schule ihr Dasein anzweifelt. Alice stolpert mehr oder weniger durch Scarletts Leben, doch weder Lehrer noch Schüler stellen dies in Frage; leider ein wenig unglaubwürdig.

Ansonsten hat mich die Geschichte sehr gefesselt, auch wenn die Spannung nicht wirklich greifbar war. An manchen Stellen hat es sich für mich ein wenig gezogen, aber trotzdem wollte ich immer wissen wie es weiter geht und war von der einen oder anderen Wendung doch sehr überrascht. Ohne vom Inhalt zu viel verraten zu wollen, möchte ich anmerken, dass das Ende für mich doch sehr unerwartet kam.

Besonders die Idee, dass Wunderland mit der Realität zu verknüpfen hat mich begeistert und ich gratuliere Autorin Maxi Schilonka für diesen Geniestreich. In meinen Augen ist die Geschichte nicht 100% glaubwürdig und durchdacht. Trotzdem hatte ich ein einmaliges und wunderbares Leseerlebnis.

Veröffentlicht am 08.06.2017

Berührende Familiengeschichte

Apfelblüten im August
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„Apfelblüten im August“ erzählt die Geschichte der beiden ungleichen Halb-Schwestern Sky und Tara. Eigentlich hat Sky alles im Leben was man sich wünschen kann. Einen wundervollen, sie vergötterten Ehemann, ...

„Apfelblüten im August“ erzählt die Geschichte der beiden ungleichen Halb-Schwestern Sky und Tara. Eigentlich hat Sky alles im Leben was man sich wünschen kann. Einen wundervollen, sie vergötterten Ehemann, eine entzückende kleine Tochter, ein schönes Haus und einen guten Teilzeit-Job als Anwältin. Und auch Tara, die Wilde und Unangepasste, hat scheinbar endlich ihren Platz im Leben gefunden. Die Rap-Gang in der sie zusammen mit Lebensgefährten Aaron auftritt, startet gerade so richtig erfolgreich durch und sie befinden sich auf großer Tournee auf den USA. Mit im Gepäck natürlich immer ihr kleiner, entzückender Sohn.
Doch plötzlich bricht die ganze Idylle in sich zusammen und ein Schicksalsschlag nach dem nächsten prasselt auf die Schwestern ein. Troy, Skys Ehemann und große Liebe stirbt plötzlich und unerwartet an einer Vireninfektion und Sky zieht sich völlig in sich selbst und ihre Trauer zurück und droht daran zu Grunde zu gehen. Ihre Familie beschließt, dass es für sie das Beste wäre wieder in ihre Heimatstadt zu ziehen. Und so beginnt eine Reise quer durch Amerika bei der am Ende nichts mehr so ist wie es war.
Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um eine Fortsetzung des Romans „Der Christmas Cookie Club“. Diese Information habe ich aber erst erhalten, als ich „Apfelblüten im August“ fertig gelesen hatte und ich muss sagen, dass ich nie das Gefühl hatte, dass mir wertvolle Information gefehlt hat. Beide Bücher kann man ohne Probleme unabhängig voneinander lesen, da sie in sich abgeschlossen sind.
Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht der beiden Halb-Schwestern Tara und Sky erzählt. Durch diesen kapitelweisen Perspektivenwechsel bekommt man einen sehr guten Einblick in die Gefühlslage und Gedankenwelt der beiden, aber auch einen guten Eindruck wie sie auf die jeweils andere wirken. Sowohl Tara als auch Sky sind sehr starke Persönlichkeiten, die beide wissen was sie von ihrem Leben erwarten. Auf den ersten Blick scheinen sie völlig unterschiedlich und inkompatibel zu sein, dieser Eindruck verliert sich aber mehr und mehr je besser man die beiden kennenlernt. Von Kapitel zu Kapitel kann man mehr Gemeinsamkeiten entdecken und ihre Verhaltensweisen besser verstehen.
Auch die Nebencharaktere werden sehr detailreich und anschaulich beschrieben und tragen sehr zur Handlung bei. Im Vergleich zu anderen Büchern dienen hier die Nebendarsteller nicht nur als Statisten und Lückenfüller. Sie haben ihre eigene Geschichte und unterstützen maßgeblich die Botschaft die vermittelt werden soll.
Auch wenn der Titel einen klassischen Herz-Schmerz-Roman vermuten lässt, versteckt sich hinter den Seiten so viel mehr. Natürlich gibt es die klassischen Elemente eines Liebes- und Frauenromans, aber Autorin Ann Pearlman geht noch auf so viel mehr ein. Einerseits natürlich auf die Themen Verlust und Trauer, andererseits aber auch auf Vater-Tochter-Beziehungen. Aber auch Rivalität unter Geschwistern, Klassendenken, Rassismus, Selbst- und Fremdeinschätzung, Freundschaft, Familie, Erfolg und Ruhm sind zentrale Themen in der Geschichte. Besonders schön wird der Roman dadurch, dass diese Themen von verschiedenen Seiten beleuchtet werden und man erkennt dass vieles was für einen selbst normal und alltäglich ist, für andere ein täglicher Kampf ist.
Im Anhang sind noch einige Kochrezepte aufgeführt, die die Geschichte perfekt abrunden. Hierbei handelt es sich um Gerichte die im Laufe des Buches Erwähnung finden, zusätzlich wird bei jedem Rezept noch einmal auf die Bedeutung und die Verbindung des Gerichts eingegangen. Dieses Kapitel rundet das Buch perfekt ab.
Bei „Apfelblüten im August“ handelt es sich um eine wunderbare und tiefgründige Familiengeschichte die zum Nachdenken anregt.

Veröffentlicht am 09.05.2017

Die andere Seite des Krieges

Demnächst in Tokio
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Deutschland in den 30 Jahren: Die 18jährige Elisabeth wird von ihrem despotischen Vater mit dem um 20 Jahre älteren Ernst Wilhelm zwangsverheiratet. An sich schon schrecklich genug für die unerfahrene ...

Deutschland in den 30 Jahren: Die 18jährige Elisabeth wird von ihrem despotischen Vater mit dem um 20 Jahre älteren Ernst Wilhelm zwangsverheiratet. An sich schon schrecklich genug für die unerfahrene und behütete Elisabeth, aber es kommt noch schlimmer. Denn Ernst Wilhelm hat einen Posten im diplomatischen Dienst des Deutschen Reiches. Und zwar in Japan. 1934 macht sich Elisabeth auf den Weg zu ihrem Mann nach Tokio, voller Angst sowohl vor dem fremden Land, wie auch dem fremden Ehemann. Nach ihrer Ankunft in Tokio kann sie aber feststellen, dass zumindest ihr Mann einen äußerst freundlichen und freundschaftlichen Umgang zu ihr pflegt. Trotzdem bleibt die diplomatische Welt mit all ihren Intrigen, Geheimnissen und Tuscheleien lange Zeit ein Buch mit sieben Siegeln für sie. Und das Erscheinen von Alexander, dem geheimnisvollen Freund Ernst Wilhelms, bringt Elisabeths an sich schon konfuse Welt vollends durcheinander. Der Beginn des zweiten Weltkrieges rückt mit großen Schritten näher und Elisabeths Situation wird auf allen Ebenen immer angespannter und brisanter.

Nach einer kurzen Einleitung katapultiert Autorin Katharina Seewald den Leser ins Deutschland der 30er Jahre. Die Nachwehen des ersten Weltkrieges sind am Rande noch ein wenig spürbar, doch viel drohender ist das Heraufziehen des zweiten Weltkrieges. Auf äußerst anschauliche Weise beschreibt sie die beschwerliche und langwierige Reise Elisabeths von Deutschland nach Japan. Der Leser kann nachvollziehen wie fremd und deplatziert sich Elisabeth in ihrer neuen Rolle als Diplomatengattin fühlt. Doch Schritt für Schritt wächst sie in ihre neue Rolle hinein und man teilt Freud und Leid mit ihr. Manche Gedankengänge und Verhaltensweisen der Hauptpersonen wirken aus heutiger Sicht ein wenig seltsam an, unter Anbetracht der damaligen Umstände und vor allem der Erziehung welche Elisabeth zu teil geworden ist, kann man es aber nachvollziehen.
Die Fülle an Namen und Personen im Compound war zu Beginn für mich ein wenig zu viel. Vor allem da sehr viele Personen zwar namentlich eingeführt werden, ihr Äußeres kurz beschrieben wird, sie aber keine besondere Rolle zur eigentlichen Geschichte beitragen. Sie dienen viel mehr dazu ein möglichst vollständiges und anschauliches Bild der damaligen Zustände zu vermitteln. Auf die drei Hauptpersonen Elisabeth, Ernst Wilhelm und Alexander wird im Gegenzug dazu dafür sehr detailliert eingegangen. Besonders in Elisabeths Gedanken und Gefühle bekommt der Leser einen hervorragenden und allumfassenden Einblick, da sie auch die Erzählerin der Geschichte ist. Bei ihr merkt man auch die größte Entwicklung im Laufe der Zeit; vom naiven Dummchen zur erfahrenen Grand Dame.

Die außergewöhnliche Lebens- und Liebesgeschichte Elisabeths basiert auf realen Gegebenheiten wie man im Nachwort erfahren darf. Die Kombination aus den Schrecknissen des zweiten Weltkrieges, der exotischen Kulisse Japans und dem zarten Erblühen Elisabeths macht „Demnächst in Tokio“ zu etwas besonderem und hebt es dadurch von anderen Bücher über den 2. Weltkrieg ab. Der Schwerpunkt der Geschichte liegt eindeutig mehr auf der privaten Seite, trotzdem werden die historischen Hintergründe sehr gut eingeflochten und sind äußerst gut recherchiert. Der Leser bekommt so einen sehr guten Einblick in die Rolle Japans vor und während des zweiten Weltkrieges, ein Thema das ansonsten eher selten behandelt wird.

Der Ausgang der Geschichte ist mehr oder weniger absehbar, wobei dies mich persönlich nicht gestört hat. Durch die chronologische Erzählweise erinnert das Buch mehr an eine Biographie und aufgrund dessen ist Spannung für mich kein ausschlaggebendes Kriterium für die Beurteilung. Wichtiger hingegen ist die Erzähl- und Schreibweise. Beides fand ich äußerst ansprechend und passend zu der Thematik des Buches.

„Demnächst in Tokio“ zeigt ein berührendes Einzelschicksal in den Irrungen und Wirrungen des zweiten Weltkrieges. An sich nichts Neues, trotzdem für mich ein sehr aufwühlendes Buch vor der wunderschönen Kulisse Tokios.

Veröffentlicht am 08.05.2017

Das Mädchen aus Tottenham

Adele: ihre Songs, ihr Leben
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Adele zählt schon seit einigen Jahren zu den ganz Großen in der Music Szene und es gibt sicher kaum jemanden der nicht mindestens eines ihrer Lieder kennt. Spätestens seit sie die Titelmelodie „Skyfall“ ...

Adele zählt schon seit einigen Jahren zu den ganz Großen in der Music Szene und es gibt sicher kaum jemanden der nicht mindestens eines ihrer Lieder kennt. Spätestens seit sie die Titelmelodie „Skyfall“ zum gleichnamigen James Bond Film gesungen hat, ist sie in aller Munde.
Doch wer befindet sich hinter der Kulisse? Wer ist Adele wirklich, die trotz ihres Erfolges immer so natürlich und bodenständig wirkt? Und wie wurde sie zu dem Megastar der sie heute ist? Der Bestseller Biograph Sean Smith gibt auf all diese und noch mehr Fragen eine Antwort in „Adele: Ihre Songs, ihr Leben“.
Die Biographie startet dabei schon vor Adeles Geburt und beleuchtet wie sich ihre Eltern kennengelernt haben. Der Leser sieht Adele aufwachsen und durchlebt mit ihr einen der schlimmsten Schicksalsschläge ihres jungen Lebens, den Tod ihres geliebten Großvaters. Immer wieder kommen sowohl die Familie, wie auch ehemalige Lehrer und andere Wegbegleiter Adeles zu Worten und geben einen sehr persönlichen und intimen Einblick in das Leben der Ausnahmekünstlerin.
Besonders hervorheben möchte ich, dass sich nicht ausschließlich nur auf Adele fixiert wird, sondern das große Ganze betrachtet wird. So erfährt der Leser auch genaueres über Adeles Mitarbeiter, ihre Produzenten und Weggefährten. Auch auf ehemalige Mitschüler der BRIT School, wie zum Beispiel Amy Winehouse, wird ein Fokus gelegt und der Werdegang der beiden Damen verglichen. Aber natürlich geht es vorrangig um Adele und ihre Songs. Und vor allem auch die Entstehungsgeschichte ihrer Lieder. Der Leser erfährt welche Dinge Adele zu ihren Liedern inspiriert hat und gibt einen sehr intimen Einblick in ihre Gedankenwelt. Dabei ist Autor Sean Smith hemmungslos ehrlich und verschweigt auch nicht Adeles phasenweise vorhandene Alkoholexzesse.
Der Erzählstil des Autors ist äußerst angenehm und die Biographie lässt sich gut lesen. An keiner Stelle kommt Langeweile auf, ganz im Gegenteil. Ich persönlich war wie gefesselt und wollte das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Den einzigen Kritikpunkt den ich anzubringen habe ist, dass keinerlei Fotos enthalten sind. Gerade bei dem Abschnitt über Adeles erstes Vogue Fotoshooting wäre es sehr schön gewesen, wenn die Bilder auch in der Biographie abgedruckt wären.

Veröffentlicht am 07.05.2017

Naturwissenschaftlicher Thriller

Das Einstein Enigma
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Der Portugiese Tomás Noronha, Historiker und Kryptanalyst von Beruf, wird während eines beruflichen Aufenthalts in Kairo von der äußerst hübschen und anziehenden Iranerin Ariana angesprochen. ...

Der Portugiese Tomás Noronha, Historiker und Kryptanalyst von Beruf, wird während eines beruflichen Aufenthalts in Kairo von der äußerst hübschen und anziehenden Iranerin Ariana angesprochen. Sie unterbreitet ihm ein Angebot der iranischen Regierung. Diese möchte nämlich das Tomás ein bisher unveröffentlichtes Dokument von Albert Einstein übersetzt. Doch nicht nur die Iraner, sondern auch das CIA haben Interesse an dem Dokument, das angeblich die Bauanleitung für eine einfache und kostengünstige Atombombe enthalten soll. Tomás steht auf einmal zwischen den Fronten und vor der Frage wem er noch trauen kann, während er versucht das geheimnisvolle Dokument zu entschlüsseln.

Auf den ersten Blick erscheint "Das Einstein Enigma" wie ein klassischer Agententhriller im Stile von Dan Brown. Doch bereits nach wenigen Seiten merkt der Leser, dass sich hier um viel mehr als das handelt. Autor J.R. Dos Santos lässt seinen Protagonisten in die Tiefen der Physik eintauchen und nimmt den Leser mit. Doch nicht nur die Physik spielt eine große Rolle, sondern auch Mathematik, Thermodynamik, Religion und Spiritualität. All diese Dinge werden zu einem äußerst ansprechenden Roman verknüpft, der phasenweise allerdings etwas langatmig wirkt. So kommt Tomás wie auch der Leser in den Genuß von Grundlagenvorlesungen aus den verschiedensten Bereichen und wird Schritt für Schritt in die Materie eingeführt. Vorwissen braucht man hierbei wenig mitzubringen, normales Schulwissen genügt auf jeden Fall, da der Autor die wissenschaftlichen Grundlagen sehr ausführlich und vor allem auch anschaulich erklärt. Wer allerdings mit diesen Themen überhaupt nichts anfangen kann, sollte besser die Finger von dem Buch lassen.

Besonders hervorheben möchte ich hierbei die Fähigkeit des Autors naturwissenschaftliche Grundgesetze und Theorien mit der Religion und dem fiktionalen zu verbinden. Alle von ihm gezogenen Schlußfolgerungen sind sehr gut nachvollziehbar und es fällt auf den ersten Blick schwer zu erkennen, wo die Tatsachen aufhören und die Fiktion beginnt.
Durch den starken wissenschaftlichen Bezug und der intensiven Beschäftigung mit den Naturwissenschaften innerhalb dieses Romans bleibt wie befürchtet die Spannungskurve ein wenig auf der Strecke. Über weite Strecken ähnelt der Roman eher einem Einführungskurs in die Naturwissenschaften als einem Thriller. Mich persönlich hat dies allerdings nicht gestört, da ich die Abhandlungen als äußerst interessant und lehrreich empfunden habe. Dies soll aber nicht heißen, dass der Roman über weite Strecken langweilig wird. Die klassische Thriller-Spannungskurve flacht zwar immer wieder ab, der Autor schafft es aber jedes Mal wieder sie aufs Neue zu beleben.

Neben den beiden bereits angesprochenen Handlungsschwerpunkten gibt es auch noch einen weiteren und der betrifft das Privatleben von Kryptanalyst Tomás. Auch diesen Strang bindet der Autor sehr gut in die Gesamtgeschichte ein und dient vor allem auch dazu dem Protagonisten etwas mehr Tiefe und Menschlichkeit zu geben. Die anderen Hauptpersonen, vorallem die Herren des CIA bleiben dafür eher große Unbekannte. Man erfährt von ihnen nur das für die Handlung notwendige und daher bleiben sie bis zum Schluß eher zweidimensionale Charaktere.

Die Erzählweise des Autors passt sehr gut zu dem Buch und gibt dem Ganzen meiner Meinung nach noch einen Funken mehr Authentizität. Gerade die Gespräche von Tomas mit einigen Universitätsprofessoren wurden sehr gut dargestellt. Obwohl es sich eigentlich um Dialoge handelt, hat man während des Lesens das Gefühl einem Monolog zu lauschen. Ein durchaus typisches Verhalten eines Professors der einem Uneingeweihten seine Materie erklärt.

J.R. Dos Santos schafft den doch sehr schwierigen Spagat zwischen einem ansprechenden Thriller und einer anspruchsvollen Lektüre. "Das Einstein Enigma" ist nicht unbedingt ein Buch das man einfach so nebenbei lesen sollte, dafür sind manche Themen einfach zu komplex. Für naturwissenschaftlich Interessierte aber eine sehr gute Lektüre, die auf jeden Fall die Neugier für den Nachfolgeband, der im März 2018 erscheinen soll, macht.