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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.06.2017

Bedrückend

Der Tiger in meinem Herzen
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Arn ist gerade einmal 11 Jahre alt, als die roten Khmer die Herrschaft in Kambodscha an sich reißen. Schnell versinkt das Land in Angst und Schrecken; Arn wird nicht nur von seiner Familie getrennt, sondern ...

Arn ist gerade einmal 11 Jahre alt, als die roten Khmer die Herrschaft in Kambodscha an sich reißen. Schnell versinkt das Land in Angst und Schrecken; Arn wird nicht nur von seiner Familie getrennt, sondern in ein Arbeitslager gebracht. Ein Arbeitslager für Kinder. Unter widrigsten Umständen müssen hier schon die Kleinsten schuften. Bis zur Erschöpfung, bis zum Umfallen, bis zum Tod.

Patricia McCormick hat für ihren Roman viele Stunden im Interview mit Arn Chorn verbracht. Sie erzählt dessen Geschichte aus seiner Perspektive, bemüht sich ihre Erzählweise seinem 11-jährigen Ich anzupassen. Das gelingt ihr sehr gut, der Schrecken wird dadurch nur noch größer. Ein Kind in kindlicher Weise von Mord und Totschlag, unbändiger Grausamkeit und Ekel berichten zu hören, ist wirklich harter Tobak. Dabei müssen die Dinge nicht immer bis ins Detail beschrieben werden, die wirklichen Scheußlichkeiten findet man auch zwischen den Zeilen. Das Buch wird als Jugendroman beworben, ist aber sicherlich nicht unbedingt für jüngere bzw. zartbesaitete Leser geeignet. Mich hat Arns Geschichte über weite Teile schockiert und traurig gemacht. Man entwickelt schnell Mitleid für ihn, aber auch Respekt. Es ist tröstlich zu wissen, dass Arns Geschichte gut ausgeht, er wurde dafür berühmt, immer wieder öffentlich über den Völkermord in Kambodscha zu sprechen, setzt sich für Hinterbliebene ein und kämpft für Gerechtigkeit. Trotzdem hat man nach der Lektüre die vielen Opfer im Hinterkopf, denen das Schicksal nicht so hold war. Ein schreckliches Stück Geschichte, dem die Autorin mit diesem Buch ein würdiges Mahnmal gesetzt hat.

Veröffentlicht am 13.06.2017

Novelle mit großer Aussagekraft

Der Tod in Venedig
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Gustav Aschenbach ist ein erfolgreicher Schriftsteller in den mittleren Jahren. Die Ehefrau bereits verstorben, die Tochter verheiratet. Unabhängig wie er ist, beschließt er die heißen Sommertage Münchens ...

Gustav Aschenbach ist ein erfolgreicher Schriftsteller in den mittleren Jahren. Die Ehefrau bereits verstorben, die Tochter verheiratet. Unabhängig wie er ist, beschließt er die heißen Sommertage Münchens gegen einen Urlaub in Venedig einzutauschen. Doch dort angekommen, will er enttäuscht wieder abreisen. Zu schwül das Wetter, auch die Stadt selbst hatte er schöner im Gedächtnis. Da trifft er im Hotel einen Jungen, wunderschön und geheimnisvoll.
Manns Novelle hat mich überrascht. Die unerfüllte Liebe zu einem jungen Knaben, die Obsession fand ich als Thema wirklich gewagt. Natürlich lassen sich da autobiografische Züge erkennen: der bekannte Schriftsteller, eigentlich ein Vorzeigemodell des Bürgertums, der sich in homoerotischen Fantasien verliert. Völlig. Diese Charakterwandlung machte für mich den großen Reiz dieses Buches aus. Mann bedient sich zudem einer sehr reichen Sprache, die drückende Hitze, die unvergleichbare Schönheit, alles steht dem Leser sofort bildhaft vor Augen. Die Handlung selbst ist relativ vorhersehbar, trotzdem habe ich das Buch gerne gelesen. Manns Ausdruck und seine Erzählkraft entschädigen für kleine Schwächen.

Veröffentlicht am 06.06.2017

Charmante Story

Mr. Peardews Sammlung der verlorenen Dinge
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Laura ist nach der Scheidung von ihrem Mann noch etwas gebeutelt als sie die Stelle als Sekretärin, Haushälterin und Mädchen für Alles bei Mr. Peardew antritt. Der ältere Herr war früher ein erfolgreicher ...

Laura ist nach der Scheidung von ihrem Mann noch etwas gebeutelt als sie die Stelle als Sekretärin, Haushälterin und Mädchen für Alles bei Mr. Peardew antritt. Der ältere Herr war früher ein erfolgreicher Schriftsteller, jetzt lebt er alleine in seinem bezaubernden Haus „Padua“. Seine Tage verbringt er damit den liebevoll angelegten Rosengarten seiner Frau zu pflegen und Dinge zu finden. Dinge, die andere Menschen verloren haben, Dinge, die keiner mehr braucht. Denn auch Anthony hat einst etwas verloren, etwas, das ihm unendlich kostbar ist.

Ruth Hogan hat ein wirklich bezauberndes Debut abgeliefert, das sich zwar manchmal am Rand zum Kitsch befindet, aber erfreulicherweise nicht gänzlich dahin abdriftet. Die Geschichte des sympathischen Anthonys ist wirklich herzerwärmend und gleichzeitig ein bisschen traurig. Er hat vor langer Zeit seine große Liebe verloren und kämpft noch heute mit diesem Verlust. Seine Marotte Dinge zu sammeln (nur böse Zungen würden darin einen Messie sehen; schließlich sind alle Fundstücke säuberlich aufgereiht und katalogisiert) lässt ihn vielleicht etwas schrullig erscheinen, doch eigentlich ist er sehr klar in seinen Zielen. Dazu gehört es auch, Laura wieder etwas Boden unter den Füßen zu geben. Sie war mir ebenfalls schnell sympathisch, auch wenn sie manchmal etwas naiv ist. Die Autorin erzählt sehr leicht, trotzdem finden sich zwischendurch immer mal tiefgründigere Gedanken oder ernstere Themen. Altersdemenz und Downsyndrom scheinen auf den ersten Blick mit der leicht anmutenden Geschichte nicht zusammenzupassen; tun sie aber ganz hervorragend. Eingebettet in die Handlung sind kleine Geschichten zu verschiedenen Fundstücken, die sich jedoch ganz gut in den Fluss der Story einfügen. Einen feinen britischen Humor beweist die Autorin außerdem, sodass man des Öfteren ins Schmunzeln kommt.
Ein rundum gelungener Wohlfühlroman also, der unterhält, aber auch zum Nachdenken anregt.

Veröffentlicht am 31.05.2017

Amüsanter Serienauftakt

Die Brut - Sie sind da
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Erdbeben in Indien. Eine Atombombe in China. Eine verschwundene Wandergruppe in Peru. Ein zehntausend Jahre alter Kokon. Auf den ersten Blick zusammenhangslos… doch die Brut kommt und plötzlich wird aus ...

Erdbeben in Indien. Eine Atombombe in China. Eine verschwundene Wandergruppe in Peru. Ein zehntausend Jahre alter Kokon. Auf den ersten Blick zusammenhangslos… doch die Brut kommt und plötzlich wird aus vielen Katastrophen eine große…
Ezekiel Boone hat hiermit einen absolut unterhaltsamen Serienauftakt hingelegt. Und damit wären wir auch gleich bei meinem wichtigsten Kritikpunkt: Serienauftakt heißt für mich nicht, dass ich meine Geschichte in den einzelnen Bänden komplett in der Luft hängen lassen darf. Für den Autor schon ; ) Abgesehen von dem Cliffhanger-Ende habe ich mich aber wirklich beim Lesen amüsiert. Boone hat einen schnodderigen Humor, allzu empfindlich sollte man beim Thema Schimpfwörter aber nicht sein. Bei mir hat er irgendwie einen Nerv getroffen und so war die Story schnell ausgelesen. Die entwickelt sich etwas trashig, einige Ekelszenen waren aber so abstrus, das sie doch eher zum Lachen waren. Insgesamt ist das beschriebene Szenario aber schon spannend und gut aufgemacht, die Logik muss man manchmal Logik sein lassen können. Die Figuren sind recht vielseitig, die verschiedenen Handlungsstränge ermöglichen einen Blick rund um den Globus. Ob man jetzt zu jeder noch so kleinen Figur auch direkt sämtliche Erklärungen zum Sexualleben gebraucht hätte, sei mal offen gelassen. Mich hats nicht wirklich gestört, vielleicht lernt der Autor aber ja bis zum nächsten Band auch noch andere Möglichkeiten der Charakterisierung seiner Personen kennen. Boone hat die verschiedenen Orte geschickt vernetzt (sorry, den Wortwitz konnte ich mir nicht verkneifen) und so ergibt sich ein großes Ganzes. Etwas schade fand ich, dass sich gegen Ende des Buches vieles auf die USA konzentriert, die anscheinend als schlauste Schlaunation die Einzige ist, die irgendwie im Alleingang die Welt retten wird. Oder halt auch nicht. Ich warte gespannt auf Band zwei und mache derweil um sämtliche Netze einen Bogen. Sicher ist sicher.

Veröffentlicht am 25.05.2017

Gudrun

Das Mädchen im Strom
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Im Mainz der 1920er Jahre erlebt die junge Jüdin Gudrun Samuel eine quasi unbeschwerte Jugend: die Familie ist wohlhabend, in Margot hat Gudrun eine beste Freundin gefunden, in Martin ihre erste Liebe. ...

Im Mainz der 1920er Jahre erlebt die junge Jüdin Gudrun Samuel eine quasi unbeschwerte Jugend: die Familie ist wohlhabend, in Margot hat Gudrun eine beste Freundin gefunden, in Martin ihre erste Liebe. Doch mit den Jahren wird die Bedrohung durch die Nationalsozialisten immer größer und Gudrun muss ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen, will sie nicht untergehen.

Sabine Bode hat in diesem Buch eine wahre Lebensgeschichte zu einem Roman verarbeitet. Das Schicksal der „echten“ Gertrude Salomon steht aber stellvertretend für viele, sodass die Romanform dem Leser sicherlich mehr geben kann als es eine Biografie gekonnt hätte.
Mir fiel der Einstieg in die Geschichte nicht leicht, gerade zu Beginn war mir Gudrun unerträglich unsympathisch. Auch an den Erzählstil der Autorin musste ich mich erst gewöhnen, sodass sich echte Lesefreude erst nach einiger Zeit einstellte. Der Stil bleibt immer distanziert, große Emotionen darf man trotz des harten Stoffes nicht erwarten. Sehr ansprechend fand ich die eingestreuten Briefwechsel zwischen Gudrun und Margot, die zwar ähnliche Ausgangssituationen haben, denen das Leben aber völlig unterschiedlich mitspielt. Margot wandert im Schutz der Familie in die USA aus, während Gudrun sich alleine nach Shanghai durchschlägt. Eine sehr interessante Gegenüberstellung. Die Autorin vermittelt die Fakten sehr unaufdringlich, trotzdem merkt man schnell, dass in diesem Buch auch viel Recherche steckt. Die Handlung wirkt immer authentisch, auch wenn man als Leser manchmal nur den Kopf schütteln mag.
Insgesamt habe ich „Das Mädchen im Strom“ nach dem holprigen Start doch gerne gelesen; dranbleiben lohnt also.