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Veröffentlicht am 15.06.2017

Marylins Dilemma

Marylin
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Vorab:
Das Buch ist hochwertig aufgemacht, mit Lesebändchen und mit einem interessanten Nachwort mit Endnoten versehen. Auch gibt es ein Foto des Schriftstellers. Ich mag es, wenn eine Ausgabe so liebevoll ...

Vorab:
Das Buch ist hochwertig aufgemacht, mit Lesebändchen und mit einem interessanten Nachwort mit Endnoten versehen. Auch gibt es ein Foto des Schriftstellers. Ich mag es, wenn eine Ausgabe so liebevoll gestaltet wurde & wenn man als Rezipient zum Weiterlesen animiert wird.

Arthur Rundts Roman erschien 1928.
„Marylin“ ist zeitlich in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts angesiedelt. Die Goldenen Zwanziger stehen für ausschweifende Feste, neue Freiheiten, sexuelle Experimente und Drogenkonsum in Europa und insbesondere Berlin, aber auch für Prohibition und Rassentrennung in den USA.
Rundts Roman beginnt zunächst im amerikanischen Mittleren Westen und führt den Leser dann in die eigentlich liberale Großstadt New York.
In Chicago trifft ein junger Mann eines Tages auf ein wunderschönes Mädchen, insbesondere ihre dünnen, hellen Arme haben es ihm angetan. Der naive Philip verfolgt die junge Frau, erkennt ihre tägliche Routine, und obwohl sie sich ihm entzieht und sogar umzieht, gelingt es ihm, obwohl es zunächst dagegen ist, das Objekt seiner Begierde zu heiraten und eine Familie in New York zu gründen. Doch als der Nachwuchs zur Welt kommt, ist Philip außer sich vor Wut, und das eigentlich allgegenwärtige Unheil nimmt seinen Lauf…
Ein so gutes Buch wie „Marylin“ habe ich schon lange nicht mehr gelesen. Sachlich und nüchtern prangert der Autor soziale Ungerechtigkeit und Diskriminierung an, er legt den Rassismus in den damaligen USA schonungslos offen.
Sein Roman hat eine ganz klare Botschaft; trotz der linearen und konventionellen Erzählweise gelingt es Rundt ausgezeichnet, die Gefühle und Gedanken der Protagonisten transparent zu machen. Insbesondere Marylins Qualen werden eindrücklich beschrieben.
Der Autor zeigt in „Marylin“ auch auf, dass man andernorts liberaler und aufgeklärter war ( obschon die scheinbar Aufgeklärten auch Vorurteile haben, wie die vordergründig unvoreingenommene Französin Odette).
Der Roman endet tragisch, aber bei aller Dramatik gleitet Rundt meines Erachtens nie ins Kitschige ab.
„Marylin“ hat mich nachdenklich und betroffen gemacht.
Daher vergebe ich fünf Sterne für den Roman & ich spreche eine ganz klare Leseempfehlung aus!

Veröffentlicht am 30.05.2017

Ein ganz besonderer Gentleman

Der Gentleman
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"Der Gentleman“ ist eine geniale Persiflage! Der Autor Forrest Leo parodiert sehr gelungen den viktorianischen Roman und zitiert aus der Literaturgeschichte.
Goethes Faust gefällig??
Gute Literatur zeichnet ...

"Der Gentleman“ ist eine geniale Persiflage! Der Autor Forrest Leo parodiert sehr gelungen den viktorianischen Roman und zitiert aus der Literaturgeschichte.
Goethes Faust gefällig??
Gute Literatur zeichnet sich meines Erachtens häufig durch Intertextualität aus, so auch hier.
Die Handlung ist um das Jahr 1850 angesiedelt und spielt – wie könnte es anders sein – in London. Der vergeistigte Poet Lionel Savage kann von seiner Kunst leider nicht leben, und so ist der einzige Ausweg eine Heirat. (Jane Austen und Maria Theresia lassen grüßen). Seine Auserwählte ist natürlich wohlhabend! Dummer Nebeneffekt – seit der Hochzeit wird der Protagonist von einer ausgewachsenen Schreibblockade geplagt. Lionel beginnt, seine Ehefrau heimlich zu hassen, sieht in ihr den Grund für seine Unfähigkeit, etwas zu Papier zu bringen. Feinste Misogynie, wie ich finde!
Nicht die Liebe und die Exaltiertheit wie bei Goethes Werther kommt hier ins Spiel, sondern das Gegenteil: Savage (Nomen est Omen?) sieht im Freitod den einzigen Ausweg. Klassisch, mit Pistole. Jedoch würde das Beseitigen des Blutes dem treuen Butler Simmons (very British, methinks!) zu viel abverlangen. Also muss eine saubere Methode her!
Eine unverhoffte Lösung in Form eines Gentleman, der Savage seine Ehefrau abnimmt, tut sich auf, doch kaum hat Lionel einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, entdeckt er seine Liebe für die ehemals verhasste Gattin.
Will man nicht immer das haben, was so fern scheint?!
Der weltfremde Dichter muss die Hölle finden, wenn er sein Liebchen wieder sein nennen will …
Ich hatte beim Lesen viel Spass, Stil und Sprache sind wirklich klasse.
Der Roman ist eine echte Entdeckung! Ein fantastischer Genremix, vielleicht mit alter ego (Lionel/Leo), eine Karikatur des perfiden Albion, eine Persiflage auf Jane Austen und die stiff upper lip, was für ein grandioser Lesespass! Es macht bei diesem Ideenfeuerwerk ein wenig Mühe, den Faden nicht zu verlieren, trotzdem ist der „Gentleman“ 5 volle Sterne wert.

Veröffentlicht am 25.05.2017

Auf der Suche nach der Wahrheit

Der Tag, an dem wir dich vergaßen
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„Der Tag, an dem wir dich vergaßen“ ist ein gutes Buch, das ich gerne gelesen habe. Es geht um die Entzauberung von Familiengeheimnissen und um die Enträtselung der Vergangenheit. Dabei behandelt der ...


„Der Tag, an dem wir dich vergaßen“ ist ein gutes Buch, das ich gerne gelesen habe. Es geht um die Entzauberung von Familiengeheimnissen und um die Enträtselung der Vergangenheit. Dabei behandelt der Roman auch menschliche Beziehungen, er ist jedoch kein Feelgood – Familienroman. Dies wird meines Erachtens aber schon über die Covergestaltung des Buches kommuniziert. Der eigentliche Text ist gut strukturiert und in drei Teile gegliedert, sodaß diverse Facetten beleuchtet werden können. Sprachlich und stilistisch konnte mich Diane Chamberlains Werk überzeugen, da die Form gut zum Inhalt passt.

Worum geht’s?
- Die Protagonistin Riley MacPherson geht nach dem Tod ihres Vaters an den Ort zurück, an dem alles begann. Ihren Heimatstaat North Carolina hatte sie jedoch jahrelang gemieden wie der Teufel das Weihwasser.
- Denn: Nach dem Selbstmord ihrer Schwester war die Familie nicht mehr, was sie einmal gewesen war, und die Bezeichnung „Familie“ traf auf die Sippe streng genommen nicht einmal mehr zu, zu zerrüttet war das Verhältnis der Mitglieder.
- Als Riley sich daran macht, das Elternhaus zu entrümpeln, macht sie einen Fund, der sie völlig aus der Bahn wirft: In einer Schachtel findet sie alte Zeitungsartikel, die sie annehmen lassen, dass ihre Schwester womöglich noch am Leben ist!
- Riley begibt sich auf die Suche und stösst dabei nur auf die sprichwörtlichen verschlossenen Türen, und doch muss sie wissen, was in der Vergangenheit wirklich geschah…


Man sollte als Leser keinen Actionkracher erwarten, auch wenn es durchaus spannende Passagen gibt.
Die Erzählung stellt ein Familiendrama ins Zentrum, denn Rileys Nachforschungen bringen den Dominoeffekt ins Rollen – jedes Geheimnis zieht ein weiteres nach sich, was ist Lüge, was ist Wahrheit, und womöglich war die Realität, die Riley zu kennen glaubt, nur Konstruktion.

Im Verlauf der Geschichte werden die Beziehungen und Verwicklungen der Familie MacPherson analysiert, das Leid und die Motivation der einzelnen Figuren.
Chamberlain gelingt die Figurenzeichnung und die Ausarbeitung der Handlung gut, und wenn man manche Passagen als überzeichnet empfinden könnte, fällt dies in der Gesamtschau nicht allzu sehr ins Gewicht, da Chamberlains story sich gut liest. Die Tragik der Ereignisse lässt keinen Leser kalt.

Fazit:

Eine tragische Familiengeschichte, für die ich 4,5 von insgesamt 5 möglichen Sternen vergebe.

Veröffentlicht am 20.05.2017

Das Streben nach Glück

Fat City
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FAT CITY von Leonard Gardner ist ein amerikanischer Klassiker, der bereits 1969 veröffentlicht wurde. Ich hatte das Glück, den Roman in einer gelungenen neuen deutschen Übersetzung lesen zu dürfen. ...


FAT CITY von Leonard Gardner ist ein amerikanischer Klassiker, der bereits 1969 veröffentlicht wurde. Ich hatte das Glück, den Roman in einer gelungenen neuen deutschen Übersetzung lesen zu dürfen.
Überhaupt liebe ich amerikanische Literatur sehr, vielleicht noch mehr als die deutsche, da es allein durch die englische Syntax möglich ist, Dinge schneller auf den Punkt zu bringen als im
Deutschen. Auch englischsprachige Fachliteratur ist meines Erachtens lesenswert und es macht sogar Spass, sie zu lesen, nicht umsonst landen die deutschen Übersetzungen oft auf den Sachbuchbestsellerlisten. Doch zurück zum Roman „Fat City“ . Er ist in gewisser Hinsicht eine uramerikanische Erzählung – im Zentrum steht das Streben nach Glück und die Jagd nach dem Amerikanischen Traum. Aufstiegshoffnungen und der Wunsch, etwas aus seinem Leben zu machen. Ist nicht das Leben sowieso ein Kampf ? Gardner macht vielleicht nicht zufällig zwei Boxer zu den Protagonisten seiner Geschichte. Die Lebenswege von Ernie Munger und Billy Tully aus Stockton, Kalifornien, kreuzen sich. Beide sind sie Boxer, der eine hat seine Zwanziger bereits hinter sich gelassen, der andere ist ein Twen. Beide träumen vom sozialen Aufstieg und davon, der Enge ihres Daseins zu entfliehen. Kürzlich habe ich einen anderen Roman, in welchem es (peripher) um das Boxen geht, gelesen: „DER CLUB“ von Takis Würger. Tully hat seine besten Jahre bereits hinter sich, wird nicht glorifiziert, Munger ist noch hungrig, aber können die beiden ihrem Schicksal entrinnen? Beziehungstechnisch ist es für die beiden Männer auch schwierig – was ist Glück und ist es je von Dauer?
FAT CITY hat mir besser gefallen, denn die Beschreibungen haben mich mehr angesprochen. Es ist nur vordergründig ein Sportroman, also auch für Sportmuffel wie mich gut lesbar. Man muss aber sagen, dass der „Club“ eher eine Art akademischer Schlüsselroman/ Krimi sein will, als eine Aufstiegsgeschichte oder eine Geschichte von Antihelden nach amerikanischer Machart. Sprachlisch und stilistisch hat mir der Roman „Fat City“ auch gefallen – Melancholie und Humor, ein lakonischer Unterton, wenig Pathos, so mag ich meine Bücher!
Manche Elemente in Fat City fand ich berührend, und ich kann den Wunsch nach sozialem Aufstieg sehr gut nachvollziehen.
Obwohl die Erzählung zeitlich im Amerika der fünfziger Jahre angesiedelt ist, ist sie auch heute noch ein packendes Stück Literatur.

Veröffentlicht am 18.05.2017

Spannender Berlinthriller

Das Joshua-Profil
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Max Rhode ist Schriftsteller und lebt mit Frau und Kind in Berlin. Zwar ist die zehnjährige Jola adoptiert, aber dies tut der Vaterliebe keinen Abbruch.
Eines Tages verwandelt sich Max‘ Leben in einen ...

Max Rhode ist Schriftsteller und lebt mit Frau und Kind in Berlin. Zwar ist die zehnjährige Jola adoptiert, aber dies tut der Vaterliebe keinen Abbruch.
Eines Tages verwandelt sich Max‘ Leben in einen Alptraum – Jola soll zu ihren drogensüchtigen Eltern zurück.
Und Max wird plötzlich gejagt, er soll ein Verbrecher sein, das Verbrechen allerdings noch in der Mache.
Als Jola entführt wird, setzt Max alles daran, seine Tochter zu finden, auch wenn die Entführung angeblich Jolas Schutz dienen soll.
Zusammen mit seinem ungeliebten Bruder Cosmo und der Kurierfahrerin Frida ist Max auf der Suche und zugleich auf der Flucht vor einer düsteren Prophezeiung…


Ich habe versucht, in dieser Kurzzusammenfassung nicht zu spoilern. Nur soviel – Fitzek ist von Haus aus Jurist und spielt in seinem Roman diverse Szenarien durch, nicht alle sind absurd. Dies erklärt er auch sehr schön im Nachwort – damit macht er es dem Leser leicht, zu leicht womöglich?
Die Fitzek – Thriller sind so etwas wie mein guilty pleasure, denn literarisch tendiert ihr Wert leider gegen Null. Stilistisch und sprachlich ist „Das Joshua – Profil“ relativ simpel gestaltet. Lineare Erzählweise und Formulierungen, die fast schon umgangssprachlich klingen: „[…] wie wenn[…]“.
Als Leser sollte man nicht allzu viel Tiefgang oder stilistische Finessen erwarten. Fitzeks Roman tangiert philosophisch – ethische Fragestellungen, und um der Spannung willen schneidet er die Themen eben nur an und geht nicht in die Tiefe, ganz klar ist, dass der Thriller primär ein Unterhaltungsroman sein will. Ein sehr guter Unterhaltungsroman, wie ich finde. Andererseits ist es aber auch ein wenig schade, dass der Autor nicht mehr Sitzfleisch für einen fetten Schmöker hatte, aber eine ausführliche Erörterung in Buchform würden passionierte (Fast Food) Thrillerleser vielleicht nicht mittragen.
Ob wohl Verkaufsüberlegungen eine Rolle spielten?
Be as it may, „Das Joshua-Profil“ ist ein sehr spannender Berlin – Thriller, den ich kaum aus der Hand legen konnte, obwohl manche Elemente übertrieben und auch ein wenig unlogisch waren.
Spitze finde ich aber die Berlin – Bezüge, die realistisch, frisch und modern wirken. Auch die Charakterisierung der kleinen Jola ist Fitzek sehr gut gelungen, und die Liebe Rhodes zu seiner Tochter ist wirklich rührend und glaubwürdig! Toll fand ich auch die Figur des Anwaltes, ein unkonventioneller Typ, aber juristisch voll auf Zack. Die weiblichen Figuren sind mir aber zu schematisch gezeichnet – bitchy die Eine, bestechlich die Andere, gerecht die Dritte…
Der Thriller ist spannend und mitreißend, literarisches Fast Food, das gebe ich gerne zu, aber spannend und höchst unterhaltsam! Ich vergebe für „Das Joshua – Profil“ von Sebastian Fitzek 4,5 von fünf möglichen Sternen.