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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.11.2022

Berührt und wirkt nach

Isidor
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Dr. Isidor Geller wächst als Israel Geller in Galizien in ärmlichen Verhältnissen auf und zieht fürs Studium nach Wien. Dort schafft er den Aufstieg zum erfolgreichen, einflussreichen Mann und Kommerzialrat. ...

Dr. Isidor Geller wächst als Israel Geller in Galizien in ärmlichen Verhältnissen auf und zieht fürs Studium nach Wien. Dort schafft er den Aufstieg zum erfolgreichen, einflussreichen Mann und Kommerzialrat. Er sieht die Zeichen der Zeit, kann sich aber nicht vorstellen, dass ihm die Nationalsozialisten etwas anhaben können. Ein Trugschluss, wie sich leider sehr bald herausstellt.

Shelly Kupferberg ist Journalistin und Isidors Urgroßnichte. Aus Fotos, Briefen und weiteren Dokumenten hat sie das Leben ihres Urgroßonkels rekonstruiert und erzählt davon in sachlicher, distanzierter, fast schon emotionsloser Sprache.

"Isidor" ist eine Mischung aus Sachbuch und Roman, aber trotz aller Sachlichkeit und Nüchternheit vermag das Buch zu fesseln. Es berührt mich und macht mich fassungslos und sehr traurig - immer noch, obwohl ich bereits zahllose Geschichten, Berichte und Dokumentationen über die Gräueltaten der Nazis gelesen, gehört oder gesehen habe. Wie muss es da erst der Autorin ergangen sein? Für sie ist es ihr Angehöriger, für uns Leser nicht mehr, aber auch nicht weniger als ein uns Unbekannter, der stellvertretend für unzählige Juden steht, die sein schreckliches Schicksal teilen.

Ein bemerkenswertes Buch, das lange nachwirkt. Klare Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 16.08.2022

Sehr gelungen

Die Passage nach Maskat
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Theodor Jung fährt 1929 mit seiner Frau Dora, Tochter einer Hamburger Kaufmannsfamilie, seinen Schwiegereltern und deren Prokuristen mit dem Schiff von Marseille nach Maskat. Eines Tages ist Dora spurlos ...

Theodor Jung fährt 1929 mit seiner Frau Dora, Tochter einer Hamburger Kaufmannsfamilie, seinen Schwiegereltern und deren Prokuristen mit dem Schiff von Marseille nach Maskat. Eines Tages ist Dora spurlos verschwunden und wen Theodor auch fragt, keiner will sie kennen oder jemals auf dem Schiff gesehen haben. Er weiß nicht, ist es ein Komplott oder verliert er den Verstand und macht sich gezwungenermaßen auf, das Rätsel um seine Frau zu lösen. Kann er dabei irgend jemandem an Bord vertrauen?

Cay Rademacher ist mit „Die Passage nach Maskat“ ein sehr atmosphärischer, historischer Krimi - eigentlich könnte man es auch Psychothriller nennen - gelungen. Geschickt baut er Spannung auf und lässt die Leser bis zum Schluss im Ungewissen, was es mit Doras Verschwinden auf sich hat.

Absolute Leseempfehlung für alle, die historische Romane oder Krimis mögen.

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Veröffentlicht am 04.08.2022

Ein berührendes Kunstwerk

Fischers Frau
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Fischers Frau ist ein Roman über zwei Frauen vor dem Hintergrund der Kunst des Teppich-Knüpfens in Pommern. Für mich ein weniger interessantes Thema - dachte ich. Gut, dass ich auch dachte, ich könnte ...

Fischers Frau ist ein Roman über zwei Frauen vor dem Hintergrund der Kunst des Teppich-Knüpfens in Pommern. Für mich ein weniger interessantes Thema - dachte ich. Gut, dass ich auch dachte, ich könnte trotzdem mal in das Buch reinschauen.

Karin Kalisa webt ihre Geschichte über die Faserarchäologin Mia Sund und einen Fischerteppich, dessen Echtheit diese überprüfen soll, in wunderschönen, poetischen Sätzen zu einem berührenden Kunstwerk. In verschiedenen Erzählsträngen verknüpft sie Vergangenheit und Gegenwart, Maria-Lena und Mia, Mia und Nina. Ihr gelingt ein gehaltvolles Potpourri an Begebenheiten und Informationen, ohne ihre Geschichte zu überladen.

Die Charaktere sind authentisch und überzeugend gezeichnet - besonders Mia. Sie ist sympathisch und ein bisschen schrullig, genau so, wie man sich das von einer passionierten Wissenschaftlerin vorstellt.

Für mich ist Fischers Frau ein großartiger Roman, der mir gezeigt hat, dass es sich lohnen kann, einem vermeintlich uninteressanten Thema eine Chance zu geben. Mehr noch, ich bin absolut begeistert: Klare Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 03.08.2022

Überraschend

Die Definition von Glück
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Catherine Cusset erzählt in ihrem Roman „Die Definition von Glück“ von Clarisse und Ève, zwei Frauen, die von ihrer Vergangenheit geprägt sind. Ihre scheinbar gegensätzlichen Leben beschreibt die Autorin ...

Catherine Cusset erzählt in ihrem Roman „Die Definition von Glück“ von Clarisse und Ève, zwei Frauen, die von ihrer Vergangenheit geprägt sind. Ihre scheinbar gegensätzlichen Leben beschreibt die Autorin in zwei Erzählsträngen, die sehr lange parallel verlaufen und sich auf überraschende Weise kreuzen.
Clarisse ist ruhelos und hat immer wieder Affären, Ève ist seit vielen Jahren glücklich mit Paul verheiratet. Im Laufe der Zeit verändern sich beide aber und nichts scheint mehr unmöglich zu sein.
Beide Protagonistinnen sind sehr sympathisch und liebenswert gezeichnet. Die Beschreibung von den Ereignissen rund um Clarisse vermittelt eine Atemlosigkeit und Gehetztheit, ganz wie auch ihr Leben verläuft.
Der Autorin gelingt es mit schönen Formulierungen und großem Fingerspitzengefühl zwei Leben so zu erzählen, dass man sich mittendrin fühlt und eigentlich gar nicht mehr aufhören möchte, zu lesen. Ein sehr gelungenes Buch - leicht zu lesen, aber alles andere als trivial!

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Veröffentlicht am 26.07.2022

Ein weiteres Highlight des Lesesommers

Die Schwimmerin
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In "Die Schwimmerin" erzählt Gina Mayer von Betty, die 1962 mit Martin, den sie gerade geheiratet hat, eine Wohnung in Essen bezieht. Er ist Buchhalter bei Krupp, sie Hausfrau - ganz so, wie es damals ...

In "Die Schwimmerin" erzählt Gina Mayer von Betty, die 1962 mit Martin, den sie gerade geheiratet hat, eine Wohnung in Essen bezieht. Er ist Buchhalter bei Krupp, sie Hausfrau - ganz so, wie es damals üblich war. Sie hatte aber auch ein anderes Leben, von dem Martin nichts weiß, im Krieg, als sie noch Elisabeth hieß und mit ihrer Mutter von Düsseldorf in ein Dorf im Südwesten flieht. Dort ist sie eine Außenseiterin, freundet sich aber mit Susanne, der Pfarrerstochter und ihrem Bruder Rüdiger an. Alles ändert sich, als die Amerikaner ins Dorf kommen.

Ich wollte eigentlich nur mal kurz reinlesen und konnte dann nicht mehr aufhören. Gina Mayer hat mich mit ihrem mitreißenden, bilderreichen Erzählstil sofort in ihren Bann gezogen und neugierig gemacht. Mit zwei sich immer wieder abwechselnden Handlungssträngen, 1962 und Rückblenden in die Jahre ab 1942, baut sie gekonnt einen Spannungsbogen auf. Die Protagonisten zeichnet sie glaubwürdig und lebensecht, besonders Betty. Sie gibt tiefe Einblicke in deren Seelenleben und damit in eine Generation, die durch ihre Kriegserlebnisse und das damalige Frauenbild geprägt wurde.

Die Schwimmerin ist ein ganz besonderer, feinfühliger Roman und ein weiteres Highlight dieses Lesesommers!

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