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Veröffentlicht am 14.03.2023

Wie aus der Zeit gefallen

Der letzte Sommer in der Stadt
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Gianfranco Galligarichs Buch "Der letzte Sommer in der Stadt" scheint zu polarisieren. Für mich wirkt es wie aus der Zeit gefallen. Es katapultiert den Leser in das Rom der siebziger Jahre. In ein ruhiges, ...

Gianfranco Galligarichs Buch "Der letzte Sommer in der Stadt" scheint zu polarisieren. Für mich wirkt es wie aus der Zeit gefallen. Es katapultiert den Leser in das Rom der siebziger Jahre. In ein ruhiges, melancholisches Rom. In ein Rom, das völlig ohne die Neuerungen auskommt. Neuerungen, die in unserem Leben schon manchmal eine unruhige Hektik verbreiten können und die man vielleicht schon einmal zur Seite legen könnte. Die ungewohnte Ruhe mag manchem zu langweilig erscheinen, denn so wirklich viel passiert nicht in diesem Roman. Die Geschichte plätschert leise vor sich hin, die Handlung gibt nicht viel her, ist ohne nennenswerte Höhepunkte. Jedoch, wer genau hinsieht, wird erkennen, dass das Buch nicht davon leben will. Es lebt von seiner Sprache, die mit einer immensen Wucht auf den Leser einprasselt. Scheinbar ruhig und leise, aber doch von einer gewaltigen Schönheit. Tieftraurig und heiter, mit bildhaften Formulierungen, die in der Erinnerung bleiben. Witzig und detailliert und auch voller Klischees, so, wie man sich das damalige Leben in Italiens Hauptstadt vorzustellen hat. Das schmale Buch hat zwar nur wenig Seiten, aber in meinen Augen sehr viel zu sagen. Und auch wenn es den Zeitgeist nicht mehr trifft, ist es für mich eine Wiederentdeckung, die sich lohnt zu lesen.

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Veröffentlicht am 14.03.2023

Ein schönes Buch

Der Papierpalast
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Mich hat als erstes diese wunderschöne Cover angezogen. Wie ein zartes, liebliches Aquarell umhüllt es das Buch, das sich am Ende als gar nicht so lieblich entpuppt. Und auch vom Titel erwartet man etwas ...

Mich hat als erstes diese wunderschöne Cover angezogen. Wie ein zartes, liebliches Aquarell umhüllt es das Buch, das sich am Ende als gar nicht so lieblich entpuppt. Und auch vom Titel erwartet man etwas anderes, als das, was man am Ende bekommt. Denn diese Buch ist viel mehr, als nur eine banale Liebesgeschichte, auch wenn es zu Beginn so anmutet.

Elle muss eine Entscheidung treffen. Denn sie hat sich neu verliebt, obwohl sie in ihrer Ehe doch glücklich ist. Jahrzehntelang hat "der Papierpalast" als Feriendomizil ihrer Familie gedient. Er hat schon vieles gesehen. Schönes und Hässliches, Gutes und Schlechtes. Das Buch erzählt Elles komplettes Leben. Stück für Stück wird es aufgeblättert und so werden nach und nach kleine Geschichten und Geheimnisse preisgegeben, die mich als Leser oft verblüfft haben.

Die Sprache schwankt zwischen Poesie und Derbheit, sie ist klar und detailliert, jedoch erstaunlicherweise niemals ins Triviale abdriftend. Mich hat der Roman völlig verblüfft, denn er hat viel mehr Tiefe, als ich erwartet habe. Er behandelt auch schwierige Themen und fordert den Leser, aber in einem positiven Sinne. Miranda Cowley Heller hat ein wunderbares Werk geschaffen, dem ich viele Leser wünsche.

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Veröffentlicht am 14.03.2023

Ein sehr ansprechendes Kochbuch

La Tradizione
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Auf Traditionen lege ich sehr großen Wert. Noch heute koche ich die Originalrezepte meiner Mutter nach. Im Kochbuch von Domenico Gentile findet man die traditionelle Küche der Norditaliener. Gentile ist ...

Auf Traditionen lege ich sehr großen Wert. Noch heute koche ich die Originalrezepte meiner Mutter nach. Im Kochbuch von Domenico Gentile findet man die traditionelle Küche der Norditaliener. Gentile ist dafür durch die sieben Regionen dieses Landstriches gereist, hat unzählige Hausfrauen, Familienbetriebe und Köche besucht und präsentiert uns hier die originalgetreuen Rezepte dieser Regionen. Ich koche schon immer sehr viel italiensich und hatte auch früher viel mit Italienern zu tun, so dass ich die meisten dieser Gerichte kenne und bereits in meinem Repertoire habe. Aber ich habe durchaus Neues gefunden, Verbesserungen entdeckt und auf jeden Fall meinen Horizont wieder einmal erweitert, von der Lust wieder einmal nach Italien zu reisen, die mich überkommen hat, mal ganz zu schweigen.

Die stimmungsvollen Fotos zu Beginn der einzelnen Kapitel zeigen typische Orte und Landschaften und stimmen den Leser auf das kommende ein. Jeweils 10 bis 11 Rezepte, von salzig bis süß, zeigen, wunderschön bebildert, wie und was man in der jeweiligen Gegend üblicherweise kocht. Die meisten dieser Gerichte sind gemacht aus dem, was die Region so hergibt, oft deftig und üppig und deshalb für mich eher im Herbst und Winter zu verorten. Typische leichte Sommergerichte findet man eher wenig. Erst, wenn man etwas weiter ans Meer kommt ist etwas dabei.

Das Buch ist für mich ein wahrer Schatz an Erinnerungen und ich werde sicher immer wieder darauf zu greifen. Aber wie bereits erwähnt eher in der kalten Jahreszeit, denn die meisten Gerichte sind mir jetzt im Sommer doch zu mächtig. Aber das macht dem Buch ja nichts. In der Zwischenzeit darf es mit seinem schönen Cover mein Regal schmücken.

Erwähnenswert ist noch die sehr schöne und hochwertige Bindung, die satten Farben und das umfangreiche Rezeptregister, das sowohl in Deutsch, als auch in Italienisch, nach Zutaten, alphabetisch und nach der Menüfolge gestaltet ist. Ein rundum gelungenes Kochbuch, das man sehr gerne in die Hand nimmt.

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Veröffentlicht am 14.03.2023

Eine Lieblingserklärung an meine Lieblingsstadt

Wien by NENI
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Das NENI am Naschmarkt ist mittlerweile schon eine Institution. Mein erster Besuch dort liegt nun schon einige Jahre zurück und immer, wenn ich nach Wien komme und über den Naschmarkt schlendere, muss ...

Das NENI am Naschmarkt ist mittlerweile schon eine Institution. Mein erster Besuch dort liegt nun schon einige Jahre zurück und immer, wenn ich nach Wien komme und über den Naschmarkt schlendere, muss ich auf einen Abstecher dorthin. Inzwischen hat die Familie ja sogar hier in München ein Restaurant eröffnet, ich muss also für den Genuss gar nicht mehr so weit fahren. Dennoch ist NENI für mich unzertrennlich mit Wien verbunden und ich habe mich über dieses Kochbuch sehr gefreut.

Nach Tel Aviv also nun Wien. Die israelische Küche, durchmixt von den zahlreichen internationalen Einflüssen der Familienmitglieder, geht eine Allianz ein mit ihrer Wahlheimat. Das Ergebnis: Ein Reise- Koch- Sehnsuchtsbuch, das sicher nicht nur Wienliebhabern, wie mir, gefällt. Wie auch bei ihrem Tel Aviv Kochbuch schenkt uns Haya Molcho nicht nur zahlreiche Rezepte, sondern auch die interessantesten Geschichten über Wien und seine Bewohner. Untermalt von wunderschönen Fotos und einem mehr als gelungenem Layout, das uns mit satten Farben erfreut, weckt dieses Buch nicht nur die Lust, die Gerichte nachzukochen, sondern auch in großem Maße den Wunsch, endlich einmal wieder nach Wien zu fahren. Das farbenprächtige Kunstwerk ist in typischer Brandstätter-Manier hochwertig und ansprechend gestaltet und (JUHU) hat wieder ein farblich, passendes, nämlich ein grünes Lesebändchen.

Schön sind die die vielen Gemüserezepte, für die ich die israelische Küche so liebe, aber auch der Fleisch- Fisch- und Mehlspeisenfreund kommt hier auf seine Kosten. Die Mischung aus orientalischer und österreichischer Küche macht sich gut. Genauso empfinde ich Wien. Ein Schmelztiegel aller Nationen. Da wird jeder seine Nische finden. Ich hoffe sehr, bald wieder einmal vor Ort in den Genuss dieser leckeren Speisen zu kommen.

Die vielen Geschichten, die de Molchos erzählen, ergänzen das Bild, das man sich von Wien macht und zeigen, wie sich Österreichs Hauptstadt kulinarisch entwickelt hat. Ich habe zahlreiche neue Tipps bekommen und fiebere einem Besuch entgegen. Da dies sicher nicht so bald sein wird, bin ich froh, mit dem Buch meine Sehnsucht ein wenig zügeln zu können.


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Veröffentlicht am 01.10.2022

Die Meisterin des Psychothrillers hat wieder zugeschlagen

Blutvogel
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Blutvogel ist der neueste Thriller von Astrid Korten. Die kleine Aljona wächst in einer sehr religiösen Familie auf, die wenig Freiheiten lässt. Aljona glaubt nicht an Gott und liebt es im Wald zu tanzen. ...

Blutvogel ist der neueste Thriller von Astrid Korten. Die kleine Aljona wächst in einer sehr religiösen Familie auf, die wenig Freiheiten lässt. Aljona glaubt nicht an Gott und liebt es im Wald zu tanzen. Dafür wird sie von ihrem Vater und dem Ältestenrat der Glaubensgemeinschaft schwer bestraft. Zweiundzwanzig Jahre später ist der Vater dement und Aljona kümmert sich um ihn, aber ihr Hass wird immer größer.

Astrid Kortens Bücher muss man als Thrillerleser einfach kennen. Sie schreibt mit einer Leidenschaft, die man oft vergeblich sucht. Das Schlimmste aber ist, ihre Plots entstammen allesamt dem wahren Leben und das macht ihre Bücher noch um einiges grausamer und perfider. Ihre überaus gründliche Recherche lässt keine Fragen offen und lässt uns Leser oft sehr tief in die Abgründe der Menschen blicken. Es gibt darin Dinge zu sehen,die man sich so gar nicht vorstellen kann, nicht vorstellen mag. Wozu Menschen fähig sind, was sie den anderen Menschen antun, lässt sich kaum in Worte fassen. Aber Astrid Korten tut es. Sie benennt die unsäglichen Taten, sie zeigt die unfassbare Brutalität und schockiert in einer nervenaufreibenden Art und Weise, dass man, wie bei einem Unfall, einfach nur hinschauen muss. Das Besondere an den Büchern der Schriftstellerin ist, dass sie uns Leser immer im unklaren lässt, ständig neue Irrwege einbaut und man sich nie sicher sein kann, was als nächstes passiert. Darin ist sie eine wahre Meisterin ihres Genres und ihre Bücher absolut lesenswert.

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