Ein Leben, zwei Wege
Im Leben nebenanWas wäre, wenn man eines Morgens in einem völlig anderen Leben aufwacht – in einem, das man sich irgendwann vielleicht einmal ausgemalt hat, aber nie gewählt hat? Genau mit dieser Frage spielt Anne Sauer ...
Was wäre, wenn man eines Morgens in einem völlig anderen Leben aufwacht – in einem, das man sich irgendwann vielleicht einmal ausgemalt hat, aber nie gewählt hat? Genau mit dieser Frage spielt Anne Sauer in ihrem Debütroman, und sie tut das auf eine überraschend zugängliche und ehrliche Weise.
Im Mittelpunkt steht Toni, die eigentlich ein unabhängiges Leben in der Stadt führt. Doch plötzlich findet sie sich in einem Leben wieder, in dem sie in ihrem Heimatdorf wohnt – verheiratet, Mutter, mit Garten und einem ganz anderen Alltag. Es ist, als hätte sie an einer entscheidenden Kreuzung im Leben anders abgebogen. Was zunächst wie ein leicht fantastisches Gedankenexperiment klingt, entwickelt sich schnell zu einer sehr realen Auseinandersetzung mit Fragen, die viele Menschen kennen: Was macht ein erfülltes Leben aus? Welche Entscheidungen formen uns? Und gibt es den einen richtigen Weg überhaupt?
Der Ton des Buches ist angenehm leicht, ohne oberflächlich zu wirken. Anne Sauer schreibt nahbar, mit trockenem Humor und einem guten Gespür für leise Zwischentöne. Die Dialoge wirken authentisch, die Figuren glaubwürdig, und obwohl man recht schnell die Grundidee durchschaut, bleibt die Geschichte durch ihre Emotionen und Beobachtungen spannend.
Besonders gut gelungen ist die Darstellung der inneren Zerrissenheit: zwischen Unabhängigkeit und Zugehörigkeit, zwischen dem Wunsch nach Selbstverwirklichung und dem Bedürfnis nach Nähe und Familie. Dabei verzichtet das Buch erfreulicherweise auf große moralische Urteile – es geht eher darum, verschiedene Lebensentwürfe nebeneinander zu denken und auszuhalten.
Fazit:
Im Leben nebenan ist ein stilles, kluges Buch über Entscheidungen, verpasste Chancen und den Mut, das eigene Leben mit allen Widersprüchen anzunehmen. Es liest sich leicht, bleibt aber lange nach dem letzten Kapitel im Kopf. Besonders für Leserinnen und Leser, die sich gerade selbst mit Lebenswegen, Umbrüchen oder Identitätsfragen beschäftigen, ist dieses Buch ein echter Gewinn.