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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.07.2017

Ein Meisterwerk an Fantasie und überraschenden Wendungen

Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt
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Jakub Procházkas glückliche Kindheit endet jäh mit dem Unfall seiner Eltern. Er erfährt, womit sein Vater die Familie ernährt hat, nämlich als Folterknecht des kommunistischen Regimes. Als der Vater nicht ...

Jakub Procházkas glückliche Kindheit endet jäh mit dem Unfall seiner Eltern. Er erfährt, womit sein Vater die Familie ernährt hat, nämlich als Folterknecht des kommunistischen Regimes. Als der Vater nicht mehr am Leben ist, beginnen sich Dorfbewohner und frühere Opfer am Sohn zu rächen, Jakub büßt sozusagen für die Sünden des Vaters.
Vielleicht ist auch dies ein Grund, weshalb er damit einverstanden ist, als ihm der Vorschlag unterbreitet wird, als erster tschechischer Raumfahrer Chopra, eine geheimnisvolle lila Wolke im All, zu erkunden. Er fühlt sich verpflichtet, seinem Land einen Dienst zu erweisen.
Die Raumfahrt verläuft nicht wie geplant, beispielsweise hätte sich Jakub nicht träumen lassen, dass ihn seine Frau währenddessen verlässt. Halb irre vor Einsamkeit und quälenden Gedanken beginnt er ein fremdes Wesen an Bord seines Raumschiffs wahrzunehmen, ein spinnenförmiges haariges Geschöpf, das in seine Gedanken eindringt.
Hier hatte ich zunächst große Probleme damit weiterzulesen. Die Leseprobe hatte mich fasziniert und amüsiert, aber die darauffolgenden Seiten sind ausgesprochen zäh. Das seltsame Wesen, von dem man nicht weiß, was es ist. Existiert es oder ist es eine Ausgeburt von Jakubs Fantasie?
Ich hatte mir vorgenommen, bis Seite 100 durchzuhalten und dann zu entscheiden, ob ich das Buch weglege. Das Durchhalten hat sich gelohnt. Die Geschichte ist äußerst unterhaltsam, ein Meisterwerk an Fantasie und überraschenden Wendungen. Gleichzeitig erfahren wir viel über Jakubs Vergangenheit. Der Schreibstil hat mir gut gefallen, abgesehen von manchen allzu bemüht originellen Metaphern („Albino-Giganten“ statt Alpen) und Vergleichen (sie küssen sich „mit der Begierde verendender Tiere“ oder so ähnlich). Auch die philosophischen Exkurse waren mit manchmal ein bisschen zu viel und zu lang.
Aber alles in allem habe ich dieses Feuerwerk an Fantasie sehr genossen. Es ist nicht einfach zu lesen, man muss sich darauf einlassen, aber es lohnt sich.

Veröffentlicht am 18.06.2017

Ein Dorf sucht einen Mörder

Dem Kroisleitner sein Vater
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Der Polizist Frassek aus Berlin verbringt einen Tag im beschaulichen St. Margarethen in der Steiermark. Just an diesem Tag kommt der 104-jährige Alois Kroisleitner auf seltsame Weise zu Tode. Da Fremde ...

Der Polizist Frassek aus Berlin verbringt einen Tag im beschaulichen St. Margarethen in der Steiermark. Just an diesem Tag kommt der 104-jährige Alois Kroisleitner auf seltsame Weise zu Tode. Da Fremde den Dorfbewohnern sowieso suspekt sind, liegt nichts näher, als dass Frassek der Mörder sein muss.
Der befindet sich längst zurück in Berlin, als er sein Konterfei auf einem Fahndungsfoto entdeckt. Natürlich kann er dies nicht so stehen lassen und fährt kurzerhand zurück in die Steiermark, um den dortigen Beamten bei den Ermittlungen zu helfen.
Dabei lernt er einiges über die Dorfbewohner und ihre Beziehungen zueinander und findet sogar einen Freund.
So verschroben und hinterwäldlerisch, wie der Autor die Dorfbewohner beschreibt, fürchte ich, kann er sich in St. Margarethen nur noch inkognito blicken lassen! Da ist zunächst die Wirtin Lissi, die nach dem Ableben des alten Kroisleitner als „Königin des Dorfes“ an dessen Stelle treten will und sich fortan Sissi nennen lässt. Dann treffen wir noch eine berühmte Sängerin, die nach ihrem vorgetäuschten Tod in ihrem Heimatort Unterschlupf sucht und einiges über ihre Herkunft erfährt. Deren Jugendliebe ist auch ein etwas seltsamer und einfältiger Kauz.
„Dem Kroisleitner sein Vater“ hat mir ein kurzweiliges Lesewochenende beschert. Der Stil ist humorvoll, und wäre nicht die eine oder andere Frage bei mir offen geblieben, zum Beispiel, warum „dem Kroisleitner seine Mutter“ Demenz vortäuscht – was hat sie davon? – dann hätte ich dem Buch 5 Sterne gegeben.

Veröffentlicht am 18.04.2017

Netter Krimi mit ein paar Längen

Lost in Fuseta
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Leander Lost, Kriminalkommissar aus Hamburg, kommt im Rahmen eines europäischen Austauschprogramms für ein Jahr nach Portugal. Schnell wird klar, dass dies keine Auszeichnung seiner Abteilung war, sondern ...

Leander Lost, Kriminalkommissar aus Hamburg, kommt im Rahmen eines europäischen Austauschprogramms für ein Jahr nach Portugal. Schnell wird klar, dass dies keine Auszeichnung seiner Abteilung war, sondern die Kollegen ihn vielmehr für ein Jahr loswerden wollten. Denn Lost ist anders als andere Leute: er hat das Asperger Syndrom, wodurch er weder Ironie versteht noch lügen kann.
Gleich an seinem ersten Tag in Fuseta geschieht ein Mord und er wird sofort in sein neues Team integriert. Sein Verhalten stößt jedoch nicht gerade auf Begeisterung, auch wenn er es nur gut gemeint hat...
Lost in Fuseta ist ein Roman, der Spaß macht, vor allem wegen der Person des Leander Lost und dessen skurrilen Eigenheiten, die mich des öfteren zum Lachen gebracht haben.
Insgesamt hätte das Buch vielleicht ein bisschen kürzer sein dürfen. Zwischendurch gab es nämlich immer wieder Passagen, die mich ein wenig gelangweilt haben. Der Kriminalfall selbst ist ganz nett, allerdings nicht gerade atemberaubend spannend. Was mir gut gefallen hat, sind die Beschreibungen der portugiesischen Mentalität und Landschaft und natürlich der liebenswerte Kauz Leander Lost, der selbst in der Hitze Portugals im schwarzen Anzug rumläuft.

Veröffentlicht am 20.01.2024

Bauernopfer oder Mörder?

Die Spiele
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Der Titel von Stephan Schmidts Roman „Die Spiele“ bezieht sich auf die Olympischen Spiele und deren Vergabe, über die in Shanghai abgestimmt wird. Der deutsche Journalist Thomas Gärtner will sich dort ...

Der Titel von Stephan Schmidts Roman „Die Spiele“ bezieht sich auf die Olympischen Spiele und deren Vergabe, über die in Shanghai abgestimmt wird. Der deutsche Journalist Thomas Gärtner will sich dort mit dem IOC-Funktionär Charles Murandi aus Mosambik treffen, weil dieser ihm angeblich brisante Dokumente übergeben will. Um ein Visum zu erhalten, macht Gärtner falsche Angaben, was in China keine gute Idee ist. Gärtner und Murandi kennen sich seit 1994, als sich Gärtner als Korrespondent in Mosambik aufhielt. Er lernt dort Murandi als Anführer der sogenannten Madgermanes kennen, mosambikische Staatsangehörige, die als Leiharbeiter in der DDR tätig waren und um einen Großteil ihres Lohns geprellt wurden. Nach der Wiedervereinigung mussten sie die DDR verlassen und seitdem demonstrieren sie in Maputo dafür, den von ihrer Regierung unrechtmäßig einbehaltenen Teil ihres Lohns zurückzubekommen. Es handelt sich hierbei im Übrigen um eine wahre Begebenheit.
Das Treffen mit Murandi erweist sich als ziemlich frustrierend, weshalb Gärtner beschließt, ihn erneut aufzusuchen. Pech nur, dass die Hotelkameras aufzeichnen, wie er Murandis Hotelzimmer verlässt, zumal dieser am nächsten Tag tot aufgefunden wird. Eine Schlüsselrolle spielt auch die Konsularbeamtin Lena Hechfellner, die sowohl Gärtner als auch Murandi von früher kennt.
Die Geschichte ist interessant, aber trotzdem kam über viele Seiten hinweg, vor allem in der Mitte des Buchs, keine Spannung auf. Was mich außerdem irritiert hat, ist die Mischung aus Fakten, Halbwahrheiten und Fiktivem, wobei man sich nie sicher sein kann, was was ist. Manche Personen werden namentlich genannt, beispielsweise Regierungssprecher Seibert oder Horst Seehofer. Heißt das, die beschriebenen Anekdoten und Situationen entsprechen der Wahrheit? Was „die Kanzlerin“ anbelangt, so versichert der Autor, dass es sich um eine fiktive Person handelt. Seltsam nur, dass sie sich Gedanken über das Ende ihrer Amtszeit macht.
Vieles in diesem Kriminalroman wird nur angedeutet und ich habe mich oft gefragt, was denn nun wirklich passiert ist. Nicht nur Gärtner gerät ins Visier der chinesischen Behörden, ein zweiter Journalist wird an der Ausreise aus China gehindert. Über sein weiteres Schicksal erfährt man allerdings nichts, es sei denn ich habe es überlesen, denn zugegebenermaßen wollte ich die letzten Seiten einfach nur hinter mich bringen.
Alles in allem finde ich den Roman durchaus lesenswert, zumal er eine Vielzahl an brisanten Themen anspricht. Aber vielleicht ist genau das auch der Grund, weshalb mir der Roman ziemlich überfrachtet und stellenweise zu langatmig erschien.

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Veröffentlicht am 30.10.2023

Im Norden nichts Neues

Beuteherz
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Annie kehrt nach einem schlimmen Erlebnis in ihrer Jugend ihrem Heimatort Lockne den Rücken und zieht nach Stockholm, wo sie ziemlich zurückgezogen als Sozialarbeiterin arbeitet. Ihr Vater ist gestorben, ...

Annie kehrt nach einem schlimmen Erlebnis in ihrer Jugend ihrem Heimatort Lockne den Rücken und zieht nach Stockholm, wo sie ziemlich zurückgezogen als Sozialarbeiterin arbeitet. Ihr Vater ist gestorben, die Mutter lebt dement im Pflegeheim, von wo sie eines Tages mitten im Winter verschwindet und halb erfroren vor der Tür eines Verwandten steht. Annie hat es lange genug vor sich hergeschoben, jetzt muss sie ihre Mutter besuchen und nach dem Rechten sehen. Zuhause trifft sie auf ihre erste große Liebe, Johan, der zwischenzeitlich geheiratet hat. Eigentlich will Annie nichts lieber, als schnell wieder nach Stockholm zurückzufahren, doch dann verschwindet Saga, die siebzehnjährige Tochter ihres Cousins. Annie beteiligt sich an der Suche nach dem Mädchen und beschließt, ihren Job in Stockholm zu kündigen und vorerst in Nordschweden zu bleiben.
Beuteherz ist ein typisch schwedischer Krimi. Das fängt schon bei der nicht sonderlich originellen Covergestaltung an: ein rotes Holzhaus im Wald, die Atmosphäre etwas gruselig. Auch Annies Geschichte liest sich wie schon viele andere zuvor: ein traumatisches Erlebnis in der Jugend, Flucht nach Stockholm, die Umstände führen die Protagonistin zurück an den Ort ihrer Kindheit und die damit verbundenen Erinnerungen.
Das in kurzen Kapiteln verfasste Buch lässt sich gut und flüssig lesen, aber die Story ist nichts Neues. Über Annies Trauma erfahren wir scheibchenweise immer mehr, das meiste kann man sich sowieso zusammenreimen. Die Bedeutung des Romantitels hat sich mir bis zuletzt nicht erschlossen. Und die Frage im Klappentext, „Wiederholt sich die Vergangenheit?“, ergibt für mich auch keinen Sinn, denn Sagas Verschwinden hat rein gar nichts mit Annies eigener Geschichte gemeinsam. Manchmal frage ich mich, ob die Leute, die solche Teasertexte verfassen, das Buch überhaupt kennen.
„Beuteherz“ ist ein durchschnittlicher Krimi, ganz unterhaltsam, aber er hebt sich nicht aus der großen Masse hervor.

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