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Veröffentlicht am 18.09.2017

Verstörend und düster

... und morgen werde ich dich vermissen
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Thorkild Aske hat nach seinem Unfall mit Todesfolge und der damit verbundenen Haftstrafe psychische Probleme. Seinen Job bei der norwegischen Polizei ist er auch los. Sein Psychiater rät ihm, für ein befreundetes ...

Thorkild Aske hat nach seinem Unfall mit Todesfolge und der damit verbundenen Haftstrafe psychische Probleme. Seinen Job bei der norwegischen Polizei ist er auch los. Sein Psychiater rät ihm, für ein befreundetes Ehepaar dessen Sohn Rasmus zu suchen und so als Privatermittler tätig zu sein, denn Arbeit lenkt ab. Thorkild ist lustlos, antriebslos. Entsprechend gestaltet sich sein Engagement. Doch als er tatsächlich eine Leiche findet, wird sein Interesse geweckt – denn statt Rasmus findet er eine verstümmelte Frauenleiche …

Nordische Krimis und Thriller erfordern immer ein großes Durchhaltevermögen beim Leser oder Hörer. So ist es auch hier. Viel Neues bietet Heine Bakkeid nicht: ein verkorkster Ermittler mit massig eigenen Problemen wurstelt sich durchs Leben und löst mehr oder weniger erfolgreich einen Fall. Potenzial ist vorhanden, doch leider war mir nicht eine Figur des Buches wirklich sympathisch. Alle bleiben blass und konturlos, sodass man keine Nähe oder irgendeine Beziehung zu ihnen aufbauen möchte. Das ist sehr schade. Die Wendungen und Verwicklungen sind nämlich sehr interessant gestaltet. Doch ist die Lektüre sogar als Hörbuch etwas anstrengend. Man muss sich das Buch tatsächlich erarbeiten. Das ist an sich nicht schlimm, doch hatte ich mir einen spannenden Fall mit etwas mehr Schwung gewünscht, der mich regelrecht in seinen Bann zieht.

Da zu erwarten ist, dass es weitere Fälle für Thorkild geben wird, vermute ich einfach mal, dass eine enorme Steigerung folgen wird. In der Figur steckt jedenfalls eine Menge Potenzial. So ein klein wenig erinnert Aske an Sebastian Bergmann, dessen Fälle ich sehr gerne höre und die ebenfalls recht schwierig und düster sind, aber dennoch mitreißen. Bakkeid verstrickt sich und den Leser/Hörer hin und wieder in Details, die so ablenken, dass ich teils Passagen mehrfach gehört habe, um den Anschluss zu finden und Zusammenhänge zu erfassen.

Der fulminante Showdown entschädigt und macht tatsächlich Lust auf weitere Fälle, zumal man mehr über Aske, seine Vergangenheit, den Unfall und die Zeit im Gefängnis erfahren möchte. Frank Stieren hat seinen Job super gut gemacht. Seine Stimme ist sehr angenehm und er versteht es, Askes depressive Stimmung sehr authentisch zu transportieren.

Insgesamt gibt es von mir noch vier Sterne für den ersten Krimi des Jugendbuchautoren Heine Bakkeid.

Veröffentlicht am 03.09.2017

Schokolade macht glücklich

Zartbitter ist das Glück
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Fünf Frauen, Sina, Maya, Ingrid, Lisbeth und Kat, die in Ihrer Jugend eng befreundet waren und vom Leben in alle Winde zerstreut wurde, finden weit jenseits der 50, nämlich Mitte 60, wieder einen gemeinsamen ...

Fünf Frauen, Sina, Maya, Ingrid, Lisbeth und Kat, die in Ihrer Jugend eng befreundet waren und vom Leben in alle Winde zerstreut wurde, finden weit jenseits der 50, nämlich Mitte 60, wieder einen gemeinsamen Weg. Und das weit weg der eigentlichen Heimat – ein echter Neuanfang. Das wird nach 40 Jahren, in denen man mehr oder weniger lockeren Kontakt hatte, nicht ganz so einfach, wie gewünscht. Fünf Lebensgeschichten wollen kennengelernt werden, Schwierigkeiten überwunden, um ein harmonisches Miteinander zu erreichen und einen gemeinsamen neuen Traum verwirklichen zu können. Ob das funktioniert, so weit von Daheim und der eigenen Jugend?

Anne Østbys Sprache ist wunderschön, dennoch ist unverkennbar, dass die Autorin aus Norwegen stammt. Die für skandinavische Bücher typische etwas düstere, melancholische Grundstimmung ist deutlich sichtbar. Einerseits passt dies zu unseren fünf Protagonistinnen, andererseits erschwert sie das Lesen doch spürbar. Wer einen fröhlichen „Alte-Frauen-Roman“ erwartet, liegt hier völlig falsch. Auch bekommt man kein „50 ist das neue 40“-Buch serviert. Dieses Buch widmet sich dem letzten Viertel des Lebens, mit Rückblicken und gewissermaßen auch Abrechnungen.

Verbunden werden die Lebensgeschichten durch Ateca, dem Hausmädchen, das in ihren Gebeten die westliche mit der einheimischen Sicht quasi verbindet und so dem Leser neue Perspektiven eröffnet. Es wird deutlich, wie anders ein Sachverhalt in einer anderen Kultur gehandhabt und erlebt wird. Das führt zur Frage, wie wichtig und vor allem gewichtig ein einzelnes Schicksal im Gesamtbild ist.

Einen Spannungsbogen im üblichen Sinne gibt es nicht, dennoch ist die Geschichte nicht langweilig. Immerhin geht es um fünf völlig unterschiedliche Leben und eine lebenslange Freundschaft. Dazu kommt die herrliche Gegend der Fidschi-Inseln, die für alle eine völlig neue Umgebung bedeutet und damit einen neuen Anfang – oder ein schönes Ende – bedeuten kann.

Das Buch ist rein optisch etwas ganz besonderes. Der Wunderraumverlag ist neu gegründet worden und möchte den Lesern durchweg solche Bücher präsentieren. Es ist ein wenig Nostalgie: weg vom inzwischen üblichen Taschenbuch, aber auch weg vom herkömmlichen gebundenen Buch – hin zu einer Ausgabe, die man automatisch anders hält und schätzt, als TB und HC. Wenn dann noch der Inhalt passt, ist das eine gelungene Sache!

Dieses Buch braucht den richtigen Leser (klar, welches Buch braucht den nicht?). Wer ein ruhiges, aber aussagestarkes Buch sucht, wird hier fündig. Von mir bekommt es vier von fünf Sternen.

Veröffentlicht am 03.09.2017

Den Spiegel vorhalten

Und du kommst auch drin vor
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Kim, 15 und Scheidungskind, hat mit Lesen nichts am Hut. Da muss die Klasse auf eine Lesung und Kim fällt aus allen Wolken: in dem Buch geht es eindeutig um sie! Sie muss das Buch haben, auch wenn sie ...

Kim, 15 und Scheidungskind, hat mit Lesen nichts am Hut. Da muss die Klasse auf eine Lesung und Kim fällt aus allen Wolken: in dem Buch geht es eindeutig um sie! Sie muss das Buch haben, auch wenn sie sonst niemanden kennt, der liest. Jasper, Kims Klassenkamerad, kommt in dem Buch gar nicht gut weg und Kim versucht mit Hilfe ihrer besten Freundin Petrowna, die Autorin dazu zu überreden, alles zu ändern. Doch die denkt gar nicht daran – wie sollte sie das auch tun? Die Bücher sind doch längst auf dem Markt. Also lassen sich die beiden etwas anderes einfallen …

Das Buch liest sich recht flott und locker, auch wenn schon beim Lesen klar wird, dass Kim ein sehr anstrengendes 15jähriges, pubertierendes Mädchen ist. Sie sieht nur sich und ihre „Probleme“, allen anderen geht es ja immer so viel besser als ihr und niemand denkt an sie, alle nur an sich selbst. Und überhaupt sind alle anderen ja immer und ohne Unterlass auf dem falschen Dampfer … Ja, Kim geht – zumindest Erwachsenen – beim Lesen gewaltig auf die Nerven.

Doch ich bin der Überzeugung, dass die Zielgruppe der 10-13Jährigen den kleinen Wink verstehen wird: nimm Dich selbst nicht wichtiger als andere, sieh genauer hin! Denn auch wenn Teenager gern egozentrisch sind, ist Kim die Königin unter den Egozentrikern! Entsprechend lässt Alina Bronsky Kim auch oberflächlich erzählen. Nur zwischen den Zeilen kann der Leser sehen, was um Kim herum wirklich geschieht, das sie selbst gar nicht wahrnimmt. So kommt es auch, dass sie gar nicht auf die Idee kommt, dass im Buch gar nicht sie gemeint ist, sondern sehr viele Kinder getrennte Eltern haben, in der Schule Probleme haben, die erste Liebe erleben usw. Selbst die Hinweise der anderen, Familienmitglieder wie auch Freunde und Klassenkameraden, nimmt sie in ihrer Eigenliebe gar nicht wahr.

Soziales Gefälle, Vorurteile, Migrationshintergrund, Pubertät, Trennung der Eltern, Eifersucht, beschränkte Sichtweisen – all das nimmt die Autorin in diesem Buch aufs Korn und versucht, den Kids zu zeigen, wie leicht man in diese Falle tappt. Dabei stopft sie, auch wenn das jetzt fast so klingen könnte, nicht zu viel in die 190 Seiten. Alles ist rund, passt ineinander und zusammen und ergibt ein stimmiges Gesamtbild.

Cover sind nicht wirklich wichtig, doch hier deutet es schon darauf hin, um was es geht: es ist wie ein trüber Spiegel, der dem Leser vor Augen gehalten wird. Man muss genau hinsehen, um sich selbst klar sehen zu können!

Ein Buch, das zu denken gibt, ohne allzu moralisch rüberzukommen. Gefällt mir gut! Von mir gibt es vier Sterne, da die Wendungen zwar schön und stimmig sind, die Kernaussage aber nicht deutlich genug herüberkommt.

Veröffentlicht am 27.08.2017

Eine ganz besondere Familie

Sonntags in Trondheim
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In drei Erzählsträngen um die Neshovs Erlend, Margido und Torunn erfährt der Leser witziges, bewegendes, trauriges – kurz: das Leben eben – aus Trondheim. Die drei Charaktere könnten unterschiedlicher ...

In drei Erzählsträngen um die Neshovs Erlend, Margido und Torunn erfährt der Leser witziges, bewegendes, trauriges – kurz: das Leben eben – aus Trondheim. Die drei Charaktere könnten unterschiedlicher kaum sein und so wird das Lesen keinesfalls langweilig, obwohl es keinen echten Spannungsbogen und irgendwie sogar keine Handlung gibt. Doch so ist nun mal das Leben: es macht, was es will und führt uns auf Wege, die wir so nicht geplant hätten.

Ich habe die drei vorherigen Bücher nicht gelesen, habe aber auch nicht den Eindruck, dass dies groß geschadet hätte. Auch ohne Vorwissen sind die Neshovs eine tolle, außergewöhnliche und trotz allem liebenswürdige Familie. Jeder von ihnen muss in diesem Buch mit lebensveränderten Ereignissen umgehen und entwickelt sich entsprechend weiter. Das könnte eine gute Grundlage für weitere Bände geben, ergibt aber auch ebenso gut eine Art krönenden Abschluss. Auf alle Fälle ist das Buch in sich rund und in sich abgeschlossen.

Die Sätze variieren sehr schön von kurz und prägnant bis hin zu lang und sehr verschachtelt. Hier lassen sich die Stimmungen der Figuren sehr schön erkennen: verwirrt, einsam, traurig, überdreht, fröhlich, resigniert usw. Dieser Stil liest sich gut und zieht den Leser näher ins Geschehen. So geschieht vielleicht nicht wirklich viel, doch insgesamt hat sich dann am Ende doch recht viel getan. Man begleitet diese Familienmitglieder auf ihrer Reise zu sich selbst und das liest sich sehr schön. Es ist ein Buch, das nicht zu sehr anstrengt, aber auch nicht „nebenher“ gelesen werden kann.

Mein persönliches Highlight ist das Buch nicht, dennoch habe ich es sehr gern gelesen. Deshalb bekommt es von mir vier Sterne.

Veröffentlicht am 19.08.2017

Wenn die Hoffnung endet, beginnt der Mut

Alles dreht sich - E-Book inklusive
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Linda hat Kopfschmerzen und ihre Mutter schleppt sie zum Arzt. Was sie dort erfahren, verändert einfach alles. Linda hat einen Gehirntumor. Im Park lernt sie Max, der kaum noch Haare hat und ebenfalls ...

Linda hat Kopfschmerzen und ihre Mutter schleppt sie zum Arzt. Was sie dort erfahren, verändert einfach alles. Linda hat einen Gehirntumor. Im Park lernt sie Max, der kaum noch Haare hat und ebenfalls sterbenskrank ist, kennen und der bringt sie dazu, eine Liste zu schreiben: was sie noch alles tun will, bevor sie stirbt. Linda jedoch steht der Sache völlig anders gegenüber und lernt erst nach und nach, dass sich die Welt anders dreht, als sie dachte …

Nein, ein Gehirntumor ist kein Grund zum Lachen. Krankheiten allgemein sind das nicht. Besonders nicht Max‘ Krankheit. Doch zeigt das Hörbuch wunderschön, dass mit Humor und aktiv alles besser geht, alles leichter zu ertragen ist, als mit Aufgabe und Kopf-in-den-Sand-stecken. Nichts ist leicht, nichts wird beschönigt, aber es wird gezeigt, was jeder Einzelne – ob krank oder gesund – bewirken kann. Dass nichts immer genau so ist, wie es ein Einzelner sieht, sondern von anderen eben völlig anders wahrgenommen werden kann und dass eine Lawine durch nur einen kleinen Auslöser eine enorme Größe annehmen kann.

Mir gefällt, dass Linda nicht auf übliche Weise reagiert, lauter schöne Dinge unternimmt und dem Tode entgegentaumelt, sondern in ihrer letzten Zeit, die ihr wohl bleiben wird, die Welt verbessern möchte. Gar nicht teenagertypisch, aber sehr erwachsen – auch wenn ihr Weg kein bisschen erwachsen ist! Sie lebt in vollen Zügen, dennoch nicht in den Tag hinein. Sie und Max stützen sich gegenseitig, ziehen sich hoch, statt runter. Mittendrin die gesunde Pia wird ins Boot geholt und kann von den beiden lernen. Ihre Aktionen sind toll. Sie sind nicht aus der Luft gegriffen, sondern erwachsen quasi aus der Story heraus. Aus der Liste wird das Umsetzen der Punkte und dies führt von einem zum anderen, begonnen mit Max‘ Geständnis einer Lüge.

Das Hörbuch hat mich an vielen Stellen erstaunt, aber auch sehr berührt. Anfangs hatte ich leichte Schwierigkeiten, weil alle drei – Linda, Max und Pia – abwechselnd erzählen, dies aber Ulrike C. Tscharre ließ das nicht so deutlich erkennen beim Lesen. Dennoch mochte ich ihre Stimme, ihre Betonungen und die Art, wie sie gelesen hat.

Das Ende ist ein wenig sprunghaft und sehr offen. So ganz ist das nicht mein Geschmack und es wirkt, als hätte es Rosemarie Eichinger urplötzlich sehr eilig gehabt.

Insgesamt hat mir das Hörbuch sehr gut gefallen. Ich kann es empfehlen und bewerte es mit vier Sternen.