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Veröffentlicht am 30.11.2023

Unterhaltsame Geschichte

Die Butterbrotbriefe
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Da nun Katis Mutter gestorben ist, hält sie nichts mehr in ihrer Heimatstadt und sie möchte anderswo neu anfangen. Davor schreibt Kati an jeden und jede Person, der bzw. die ihr Leben geprägt haben, egal ...

Da nun Katis Mutter gestorben ist, hält sie nichts mehr in ihrer Heimatstadt und sie möchte anderswo neu anfangen. Davor schreibt Kati an jeden und jede Person, der bzw. die ihr Leben geprägt haben, egal ob positiv oder negativ, einen Brief, den sie persönlich vorbeibringt und vorliest. Dabei eröffnet sich den Leser/innen immer mehr von Katis Leben, und man versteht, warum sie nun hier steht. Währenddessen taucht ein Obdachloser in der Stadt auf, der Kontakt zu Kati aufnimmt, weil er sich ihr verbunden fühlt. Doch auch Severin beschäftigen Dinge aus seiner Vergangenheit – Schicksal, sagt er, gibt es nicht, meint Kati.

Es sind insgesamt über 30 Briefe, aber hier im Buch erlebt man ca. fünf, was aber auch völlig reicht, weil es die wichtigsten sind. Dadurch erfährt man viel von Katis Kindheit, auch Geheimnisse kommen ans Licht, die mich schockiert haben. Das hört sich jetzt vielleicht philosophischer und härter an, als es ist. Denn „Die Butterbrotbriefe“ ist für mich eine angenehm zu lesende und schöne Geschichte. Es geht zwar um Vergangenheitsbewältigung und die Frage nach dem Schicksal, aber vielmehr ist es eine Geschichte über Kati und all die verschiedenen Charaktere. Zum einen eben Severin, der ehemalige Klavierstimmer, und auch Martin, Katis Onkel, der ein Arktismuseum mitten im deutschen Nirgendwo betreibt.

>>Viele Menschen versteckten negative Gefühle in abgelegenen Kammern ihres Herzens. [...] Doch all das drängte hinaus, verbog die Scharniere, verkantete die Zargen, bis es schließlich nicht nur die Kammern verformte, sondern das ganze Herz und irgendwann den ganzen Menschen.<< S. 144f

Die Geschichte hat mich gut unterhalten und ist sehr harmonisch, weshalb es mich gewundert hat, dass das Ende von einigen Charakteren so aufgebauscht wurde. Warum kommt hier plötzlich ein Konflikt? Und warum zwingt ein eigentlich sehr liebevoller Charakter eine andere Buchfigur dazu, sich zu verbiegen? Auch die Liebesgeschichte hat mich nicht von sich überzeugen können, denn die kam völlig aus dem Nichts und wurde nicht entwickelt. Da hätte auch ein Einhorn im Buch auftauchen können… wobei nein, bei dem Rentier und Elch im Arktismuseum hätte mich das auch nicht überrascht.


Fazit:
„Die Butterbrotbriefe“ ist ein unterhaltsamer und lockerer Roman, obwohl er die Themen Vergangenheitsbewältigung und Schicksal behandelt. Auch wenn mich zwei Kleinigkeiten gestört haben, ist dieser Roman für mich eine schöne Geschichte.

Veröffentlicht am 30.11.2023

Charakterorientierte Geschichte

Wilde Minze
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Das Buch beginnt als Sara und Emilie Jugendliche sind. Sara hat ihre Mutter an die Drogen verloren und kümmert sich um ihren kleinen Bruder, da der Vater oft nicht da ist. Als ihre beste und feste Freundin ...

Das Buch beginnt als Sara und Emilie Jugendliche sind. Sara hat ihre Mutter an die Drogen verloren und kümmert sich um ihren kleinen Bruder, da der Vater oft nicht da ist. Als ihre beste und feste Freundin unter unerklärlichen Umständen ums Leben kommt, flüchtet sie nach Los Angeles um alles hinter sich zu lassen. Währenddessen wächst Emilie zwar behütet auf, fühlt sich aber durch ihre drogenabhängige Schwester in der Familie zurückgesetzt. Später in ihrem Studium wechselt sie immer wieder die Richtung, kann nichts abschließen und auch in der Liebe lässt sie sich treiben. Man verfolgt die beiden lange Jahre während ihres Lebens und all den Kleinigkeiten oder großen Dingen, die sie beeinflussen, bis die Protagonistinnen aufeinander treffen.

Die Autorin erzählt die Geschichte aus beiden Perspektiven (personale EP) nicht kapitelweise, sondern oft in Blöcken, wodurch man beide junge Frauen etwas länger folgt und näher kommen kann. Nina LaCour hat einen wunderschönen und unaufgeregten Erzählstil. Sie vermittelt die Geschehnisse und Gefühle durch eine sehr einfühlsame Art, wodurch man Sara und Emilie beide sehr gut verstehen kann. In der Geschichte geht es auch hauptsächlich um die Erlebnisse der beiden und ihre Entwicklung. Wie es ihnen heute geht. Wobei ich finde, dass Emilie später im Leben einiges geschenkt bekommt, während sich Sara immer und immer wieder beweisen muss. Vieles in dem Buch hat mich berührt, aber leider nicht so tief beeindruckt wie bei anderen Büchern der Autorin, die sonst noch lange nachhallen. In der Geschichte gibt es manchmal auch Längen, aber obwohl Sara und Emilie viel erlebt haben, ist ihr Leben eben nicht sehr aufregend.


Fazit:
„Wilde Minze“ ist wieder ein tolles Buch von Nina LaCour, die sehr einfühlsam und verständnisvoll über einige Jahre aus dem Leben der beiden Protagonistinnen erzählt. Die Geschichte ist sehr charakterorientiert und beinhaltet dadurch auch viele ernste Themen, wie Drogen und Trauerbewältigung. „Wilde Minze“ ist vielmehr eine Lebensgeschichte, als eine Liebesgeschichte.

Veröffentlicht am 25.11.2023

Sprachgewaltig

Der Inselmann
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Hans‘ Vater beschließt aus dem einen Zimmer in der Großstadt auf eine Insel zu ziehen. Dort wohnt die Familie als Einsiedler und kümmert sich um die Schafe. Hans findet hier Zugang zur Natur und dadurch ...

Hans‘ Vater beschließt aus dem einen Zimmer in der Großstadt auf eine Insel zu ziehen. Dort wohnt die Familie als Einsiedler und kümmert sich um die Schafe. Hans findet hier Zugang zur Natur und dadurch quasi einen großen Spielplatz, den er mit dem Hund erforscht. Doch dann melden sich die Schulpflicht und Behörden, weshalb er die Insel wieder verlassen muss. Später kehrt er zurück zu seinen Eltern und der Abgeschiedenheit der Insel.

Der Klappentext endet mit der großen Frage, wie die Eltern auf seine Rückkehr reagieren werden. Doch dies ist nicht unbedingt das spannendste und wichtigste Detail der Geschichte, ist sie im Gegenteil doch recht ruhig. Das Buch spielt während der 60er und erzählt von Hans‘ armer Familie und von seinen Eltern, die kaum Freude am Leben haben und dann von der Gesellschaft in die Abgeschiedenheit der Insel fliehen. Das nächste große Detail ist die Abhängigkeit und Erziehung von Kindern, als Hans seine Freiheit auf der Insel verliert. Die Rückkehr Jahre später hat mich zum Teil verwirrt, da einige Charaktere nicht so gehandelt haben, wie ich erwartet hätte. Das endgültige Ende hat mich teilweise aber wieder versöhnt. Ich fand es schlussendlich interessant von Hans‘ Leben zu lesen, was und wer ihn beeinflusst hat. Eine sehr ruhige kurze Geschichte, die hauptsächlich von dem Schreibstil getragen wird.

>>Die Stille war ein Lied, das lange schon verklungen war.<< 8 %

Die Ausdrucksweise von Dirk Gieselmann hat mir unglaublich gut gefallen. Ich habe einige Sätze markiert. Er findet immer sehr treffende Worte und ungewöhnliche Vergleiche. Die Situation des Protagonisten wird dadurch sehr genau vermittelt, wobei der Autor nicht einmal viele Gefühle beschreibt, sondern stattdessen die Situation aus der sich diese heraus ergeben. Ich mag es, wenn Autor/innen so der Geschichte ihren eigenen Schliff geben, was Dirk Gieselmann hier definitiv gelungen ist. Ich möchte gerne mehr von ihm lesen.

>>Ein Jahr, das zurückliegt, ist kürzer als ein Tag, der niemals kommen wird.<< 64 %


Fazit:
„Der Inselmann“ Hans erhält hier seine Lebensgeschichte von seiner Kindheit bis weit ins Erwachsenenalter. Wir erfahren von Hans‘ Leben bei seinen armen Eltern, von seiner Jugend, die von Behörden gelenkt wurde, und daraus resultierend seine Charakterentwicklung und den Wunsch, wie er den Rest seines Lebens verbringen möchte. Eine ruhige Geschichte, die vor allem mit dem unfassbar guten Schreibstil und wunderbaren Worten punktet.

Veröffentlicht am 16.10.2023

Wo ist das Besondere?

Das Glück der Geschichtensammlerin
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Janice ist Putzfrau und deshalb für manche Menschen das unterste Glied in der Kette, für andere ein Kummerkasten oder sogar Freundin. Und so sammelt sie während all der vielen Jahre ihrer Tätigkeit die ...

Janice ist Putzfrau und deshalb für manche Menschen das unterste Glied in der Kette, für andere ein Kummerkasten oder sogar Freundin. Und so sammelt sie während all der vielen Jahre ihrer Tätigkeit die Geschichte der unterschiedlichsten Menschen. Das Buch setzt an, als sie beginnt für die 92-jährige Mrs B zu putzen. Herrisch und intelligent erzählt hingegen sie Janice eine Geschichte, die sich über das gesamte Buch erstreckt, bis Janices eigene Geschichte ans Licht kommt. Währenddessen lernt sie auch den Busfahrer Euan kennen, der ihr vier Geschichten seines Lebens erzählt.

In diesem Buch geht es viel um Geschichten, um Lebensgeschichten unterschiedlichster Menschen, die das Leben der Protagonistin nur gestreift haben, aber hier durch Erzählungen auftauchen. Viele sind herzlich oder gar berührend, aber mit der Zeit werden sie zu knapp hingeworfen, weil sie eben große Gefühle bewirken, dir wir Leser/innen gar nicht fühlen dürfen, weil die jeweilige Geschichte schon auserzählt ist. Insbesondere zum Ende hin nimmt das Buch eine tiefgründigere und trocknere Atmosphäre ein, wo kein Platz mehr für angedeutetes bleibt. Mrs B Geschichte ist nicht langweilig, aber ich habe mich mit jeder Seite gefragt, was an ihrer Geschichte, die nicht mal ihre eigene ist, so besonders sein soll. Auch wenn diese Erzählung etwas Geduld erfordert, wird der Grund am Ende deutlich.

Der Schreibstil ist angenehm trägt durch die Geschichte. Die Autorin bringt uns Janice und die anderen Protagonisten nahe, ist aber nie zu intensiv oder emotional, anfangs oft auch noch amüsant. Besonders der Hund Decius und seine Bemerkungen sind ein sehr schönes Detail des Buches.

Als Janice zum Schluss endlich ihre eigene Geschichte erzählt, war es eine Überraschung und hat ebenfalls Emotionen bei mir hervorgerufen. Denn sie hat früher noch so viel mehr erlebt, als uns das jetzige Abbild ihres Lebens verrät. Sie ist nicht nur Putzfrau und mit einem nervigen Mann verheiratet – sie ist mehr. Apropos nerviger Mann: Sein Verhalten bezüglich seines Berufs und ihrer Ehe wurde von Anfang an immer wieder aufgegriffen, was mich mit der Zeit sehr gestört hat, da es einfach unglaublich nervig und teilweise bedrückend ist, so nervig! Doch so einzigartig Janices Geschichte, so wie jede fiktive im Buch und jede einzelne von uns realen Menschen, auch ist, so wenig besonders empfand ich nach den vielen anderen Schicksalen das von Janice.


Fazit:
„Das Glück der Geschichtensammlerin“ erzählt so viele unterschiedliche, oft zu kurz angerissene Geschichten. Das Buch punktet definitiv mit den besonderen Charakteren auf die Janice trifft, insbesondere der Hund Decius ist eine lustige Konstante. Manchmal ist die Geschichte aber auch nervig (Janices Mann) oder düster (durch einzelne Lebensgeschichten). „Das Glück der Geschichtensammlerin“ ist eine berührende und tragische Geschichte über so viele Lebensgeschichten, die jemanden von uns gehören könnte.

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Veröffentlicht am 18.09.2023

Lesenswerte Biografie über drei beeindruckende Frauen

Marie Curie und ihre Töchter
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Über Marie Curie habe ich schon vor einigen Jahren eine Biografie gelesen und bin seitdem von ihr beeindruckt. Dass ihre Töchter ebenfalls eine große Wissenschaftlerin und Diplomatin waren, wusste ich ...

Über Marie Curie habe ich schon vor einigen Jahren eine Biografie gelesen und bin seitdem von ihr beeindruckt. Dass ihre Töchter ebenfalls eine große Wissenschaftlerin und Diplomatin waren, wusste ich allerdings nicht und war deshalb sehr gespannt darauf, mehr über Marie als Mutter und den Lebensweg ihrer Kinder zu erfahren. Wir begleiten die jugendliche Marie und ihre Töchter bis an deren Lebensende. Ihre Leben sind geprägt von Wissenschaft, Politik, Familie, Feminismus und Kampfgeist.

Die Geschichte wird mittels der auktorialen Erzählweise geschildert, denn die Autorin berichtet oft im Stile von „was sie da noch nicht weiß“ und erzählt beispielsweise, was die Bekanntschaften der drei Curie-Frauen später bedeutendes erleben oder tun. Somit ergibt sich ein umfassendes Bild, mit welchen Persönlichkeiten Marie Curie Kontakt hatte und wie alles zusammenhängt. Trotzdem hätte ich mir mehr Lebendigkeit und hautnah miterlebte Momente in diesem Buch gewünscht. Claudine Monteil erzählt eher trocken und faktisch, von Maries, Irènes und Èves Leben, sodass ich dieses Buch weniger als Roman, sondern eher als Biografie bezeichnen würde. Später haben die Sätze auch oft einen seltsamen Aufbau und die Fülle an Informationen hat mich besonders während des 2. Weltkriegs einfach erschlagen.



Fazit:
„Marie Curie und ihre Töchter“ waren alle drei beeindruckende Persönlichkeiten, die viel in der Wissenschaft, Gesellschaft und Politik bewirkt haben. Dieses Buch ist überaus informativ und lesenswert, auch wenn es manchmal zu trocken und somit nicht immer leicht zu lesen ist.

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