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Veröffentlicht am 06.11.2023

Die charmante und intelligente Biografie einer herausragenden Schriftstellerin

Tove Ditlevsen
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„Zum ersten Mal in meinem Leben erlebte ich, wie tief Lyrik und Prosa einen Menschen ergreifen und Worte für etwas finden können, das sich mit der alltäglichen Sprache nur schwer ausdrücken lässt.“

So ...

„Zum ersten Mal in meinem Leben erlebte ich, wie tief Lyrik und Prosa einen Menschen ergreifen und Worte für etwas finden können, das sich mit der alltäglichen Sprache nur schwer ausdrücken lässt.“

So schreibt es Jens Andersen in seiner Biografie über Tove Ditlevsen. Die Autorin hat den Literaturwissenschaftler mit ihrem Werk sehr beeindruckt, seinen Werdegang mit geprägt.

Auch mich hat das Dilevsen-Fieber gepackt, nachdem ich ihren Kurzgeschichtenband „Böses Glück“ gelesen hatte. Sie schreibt so eindringlich, humorvoll und gleichzeitig bitter und grausam.
Zu schade, dass bisher erst fünf ihrer Bücher ins Deutsche übersetzt wurden.

So kann man leider, wenn man ihr Werk auf Dänisch nicht kennt, nicht über alle Bücher mitreden, die in der Biografie erwähnt werden. Störend war das allerdings nicht, denn Andersen liefert Kurzzusammenfassungen und wichtige Textauszüge direkt mit, um sie dann in den Kontext ihres Lebens und seiner Biografie einzuordnen.

Man kann am Rande mitbekommen haben, dass Ditlevsen ein turbulentes Leben geführt hat. Immer nah an einer Katastrophe. Wie sehr sie aber quasi täglich gekämpft hat, wie schwierig ihre Kindheit und das Verhältnis zu ihren Eltern war, wie schwer sie sich mit zwischenmenschlichen Beziehungen getan hat, das war mir vorher nicht bewusst. Andersen nimmt auch die Rezeptionsgeschichte ihres Werks und die Reaktion der Gesellschaft auf sie als Person kritisch unter die Lupe.

Heraus kommt am Ende eine sehr wohlgesonnene Biografie, die nichts zu verschleiern versucht, aber stets pietätvoll und charmant der großen Autorin gegenüber bleibt. Neben der Beschreibung Dilevsens Lebensweges, vermag es der Biograf sehr leichtfertig eine werkimmanente Analyse einiger Textauszüge anzubieten.

Der Name Jens Andersen ist übrigens kein unbekannter, denn er hat eine fantastische und sehr erfolgreiche Biografie über Astrid Lindgren geschrieben. (Etwas unbekannter ist hierzulande vermutlich seine Biografie über Hans Christian Andersen.)

Eine herausragende Biografie, die Fans von Tove Ditlevsen gefallen und auch Literaturwissenschaftler zufriedenstellen wird.

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Veröffentlicht am 13.10.2023

Lichtspiel

Lichtspiel
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„War es möglich, dass nichts davon geschehen war? Konnte man entscheiden, dass es nicht geschehen war?“

Viele von uns wissen vermutlich nicht sofort, wer das doch gleich noch war - G.W. Papst. Der Name ...


„War es möglich, dass nichts davon geschehen war? Konnte man entscheiden, dass es nicht geschehen war?“

Viele von uns wissen vermutlich nicht sofort, wer das doch gleich noch war - G.W. Papst. Der Name des seinerzeit sehr bekannten Regisseurs ist etwas in Vergessenheit geraten. Und vermutlich liegt es daran, dass er - anders als viele andere künstlerisch arbeitende Zeitgenossen - zur Zeit des Zweiten Weltkriegs Deutschland nicht den Rücken gekehrt hat.

Daniel Kehlmann hat nun einen Roman um das Leben G.W. Papsts geschrieben. Er versucht sich den Gründen Papsts für das Bleiben in Nazideutschland zu nähern.

Es ist wohl gar nicht so einfach, sich einer realen Person in einem Roman zu nähern ohne ihr zu nahe zu treten. Ihr keine Schuld anzulasten, sie zu verurteilen und ihr Unterstellungen zu machen. Und gleichzeitig aber doch einen spannenden Roman zu schreiben, den man kaum aus der Hand legen kann.

‚Lichtspiel‘ ist auch nicht frei von Unterstellungen. Papst und allen anderen realen Figuren wird ein Gesicht gegeben. Und doch ist es nicht pietätlos.

Vor allem ist der neue Roman von Kehlmann wieder ein Meisterwerk der Unterhaltung. Humorvoll, spannend und bildreich. Und es passt sehr in die Zeit: Das rechtsradikale Gedankengut, das sich schleichend verbreitet und moralische Eingeständnisse fordert und bekommt, die man für ausgeschlossen hielt.

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Veröffentlicht am 17.09.2023

Großartige Wiederentdeckung

Ein Mädchen mit Prokura
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„Er hat da einen verbohrten Mannesstolz, der ihm verbietet, sie anzuerkennen. Es kostet ihn täglich einen lächerlichen Aufwand an Nervenkraft, ihre Autorität zu umgehen.“

Berlin in den 30ern. Thea Iken ...


„Er hat da einen verbohrten Mannesstolz, der ihm verbietet, sie anzuerkennen. Es kostet ihn täglich einen lächerlichen Aufwand an Nervenkraft, ihre Autorität zu umgehen.“

Berlin in den 30ern. Thea Iken ist Bankangestellte. Sie ist fleißig, intelligent und verhandlungsstark. Und sie hat es recht weit gebracht in ihrem Job. Ihr Chef vertraut ihr und protegiert sie und sie weiß die wenigen Chancen, die sich ihr als Frau eröffnen, zu ergreifen. Dass ausgerechnet sie die neue Prokuristin wird, stößt auf Irritation und Missfallen. Eine Frau in dieser Position - das kann nicht mit rechten Dingen zugehen.
Als dann ein Mord geschieht, findet jeder im Kreis der möglichen Täter direkt die Hauptverdächtige: Thea. Denn als Frau in ihrer Position und mit ihrem Auftreten ist sie per se verdächtig.

„Ein Mädchen mit Prokura“ ist ein berauschendes Buch: Die Geschichte ist so spannend geschrieben und geschickt aufgebaut, das man es nicht zur Seite legen kann. Es ist außerdem ein weitsichtiges und blitzgescheites Buch, das die Rolle der Frau zur damaligen Zeit genau zu analysieren weiß. - Und dann erschrickt man, weil man erkennen muss, dass viele Dinge sich heutzutage nicht grundlegend anders verhalten würden.

Ich freue mich, dass Nicole Seifert und Magda Birkmann sich vergessener Werke von Autorinnen annehmen und in einer eigenen Reihe im Rowohlt Verlag „wiederendeckte Schätze des 20. Jahrhunderts“ präsentieren. Dieses Buch ist ein großartiger Auftakt für die Reihe und verdient es wiederentdeckt zu werden.

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Veröffentlicht am 10.06.2023

Neuinterpretation eines Klassikers

Anne auf Green Gables
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„Durch das Fenster von Green Gables konnte Anne ihr Leben sehen - eine Zukunft erfüllt von ehrenwerter Arbeit, aufrichtigen Freundschaften und ungeahnten Abenteuern und ihr wurde bewusst, dass ihre Welt ...



„Durch das Fenster von Green Gables konnte Anne ihr Leben sehen - eine Zukunft erfüllt von ehrenwerter Arbeit, aufrichtigen Freundschaften und ungeahnten Abenteuern und ihr wurde bewusst, dass ihre Welt größer war, als sie es sich jemals ausgemalt hatte.“

Anne ist eine der Jugendbuchfiguren, die mich am stärksten geprägt hat. Bis ins Erwachsenenalter hinein. Und da mich die Originalbücher von Lucy Maud Montgomery so sehr begeistern, freue ich mich auch immer auf Adaptionen und Neuinterpretationen.

Diese Graphic Novel habe ich also mit hohen Erwartungen in die Hand genommen und wurde nicht enttäuscht. Die Illustrationen sind nicht besonders lieblich, eher charakterstark. Irgendwo zwischen rau und romantisch. Die Gesichtsausdrücke der Figuren sind ausdrucksstark und haben besonders mein siebjähriges Kind beim Lesen in ihren Bann gezogen.

Faszinierend finde ich, dass die Geschichte trotz der Kürze und besonderen Ausdrucksform sehr nah am Original erzählt wird.
Ein wirklich schönes Buch, das besonders Fans von Anne begeistern wird.

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Veröffentlicht am 09.06.2023

Freude am Lesen und Lernen

Wieso? Weshalb? Warum? Erstleser, Band 11: Detektive und Ermittler
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Nachdem mein Sohn als Kindergartenkind (und auch heute noch) die „Wieso? Weshalb? Warum?“ Klappenbücher für Kinder von 4 - 7 Jahren verschlungen hat, ist er nun begeisterter Leser der Erstleserreihe. Inzwischen ...

Nachdem mein Sohn als Kindergartenkind (und auch heute noch) die „Wieso? Weshalb? Warum?“ Klappenbücher für Kinder von 4 - 7 Jahren verschlungen hat, ist er nun begeisterter Leser der Erstleserreihe. Inzwischen ist er seit etwa einem Jahr in der Schule und kann sich alleine mit einem Buch aus dieser Reihe befassen. Die meisten Worte kann er selbstständig erlesen. Bei diesem sehr spezifischen Thema hatte er allerdings an den fremdsprachigen Lehnworten und Namen sehr zu raten. Er konnte sich das Buch also nicht hundertprozentig allein erarbeiten. Das ist nicht weiter schlimm und bei einem Fachthema auch nicht anders möglich, bremst aber manch motivierten Leseanfänger etwas in seiner Euphorie.
Erschwerend kommt hinzu, dass auch in den Rätseln diese Worte vorkommen. So sind die Rätsel sprachlich sehr niveauvoll, können aber für Frust beim ‚Ich-kann-das-jetzt-selbst“-Leseanfänger auslösen.

Inhaltlich sind wir auch in diesem Sachbuch wieder voll auf unsere Kosten gekommen. Es gibt viele spannende Fakten zu lernen; der Arbeitsalltag und das Anforderungsprofil eines Detektivs werden dargestellt, psychologische Tricks verraten und berühmte Detektive und Detektivgeschichten vorgestellt.

Wir sind begeistert von der „Wieso? Weshalb? Warum?“ - Erstleserreihe. Die Kinder werden auf ihrem Entwicklungsstand abgeholt, aber auch herausgefordert. Sie können sich ein Sachthema selbst erarbeiten. Dieses Buch macht einfach Freude: Freude am Lesen und Lernen.

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