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Veröffentlicht am 30.09.2017

mehr als ein Durchschnittskrimi

In tiefen Schluchten
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Unter dem Namen Cora Stephan hat die Autorin mit „Ab heute heiße ich Margo“ einen großartigen Roman geschrieben, an dem sie sich bei künftigen messen lassen muss.
In tiefen Schluchten ist ein ganz anderer ...

Unter dem Namen Cora Stephan hat die Autorin mit „Ab heute heiße ich Margo“ einen großartigen Roman geschrieben, an dem sie sich bei künftigen messen lassen muss.
In tiefen Schluchten ist ein ganz anderer Stoff und wird zudem als Kriminalroman vermarktet, aber ich finde, auch dieser geschmeidig geschriebene Roman bietet wesentlich mehr als der Durchschnittskrimi und ist alles andere als eine Enttäuschung.

Mit großer Zuneigung zu der Gegend in Südfrankreich beschreibt Anne Chaplet die bizarre und überwältigende Landschaft. Auch ihre Protagonistin Tori Godon teilt diese Begeisterung, aber ihr Gemüt ist verdüstert aus Trauer um ihren Mann Carl, der vor ca. einem Jahr verstarb. Aber sie ist eine Person die sich nicht unterkriegen lässt. Ich mochte sie schon, als sie sich um den eingesperrten Hund gekümmert hat. Dieser Hund wird später noch eine große Rolle spielen, als sich die impulsive Tori in Gefahr bringt. Es gibt auch einen Mann, ein ehemaliger Polizist, der bei der Rettung mitwirkt.
Der Kriminalanteil bleibt relativ gering, doch spannende Momente gibt es dennoch.
Ich habe den Roman sehr gerne gelesen.

Veröffentlicht am 29.09.2017

Feinfühliger Stil

Drei Tage und ein Leben
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Drei Tage und ein Leben ist ein sehr interessanter und lesenswerter Roman, aber auch nicht ganz einfach zu verdauen. Pierre Lemaitre hat einen stark psychologischen Ansatz. Schon das Cover deutet an, dass ...

Drei Tage und ein Leben ist ein sehr interessanter und lesenswerter Roman, aber auch nicht ganz einfach zu verdauen. Pierre Lemaitre hat einen stark psychologischen Ansatz. Schon das Cover deutet an, dass es hier um die seelischen Qualen eines Kindes geht. Der Junge hat einen anderen getötet, aber eigentlich war es mehr ein Unfall. Aus Angst vertuschte Antoine die Tat. Das wird ihn ein Leben lang belasten.
Die Geschichte spielt sich in der französischen Provinz ab.
Da das Buch schmal und handlungsarm ist, möchte ich hier lieber nicht zu viel verraten.

Eine traurige Geschichte, nicht einfach zu ertragen, aber es ist doch gut, dass dieses schwierige Thema so ausgefeilt vorliegt.
Als reißerischer Thriller hätte das nicht funktioniert.
Der Roman wurde dank des feinfühligen Stils des Autors ebenso intensiv und interessant.

Veröffentlicht am 20.09.2017

Eigenwillig und Klug

Stille
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Wer denkt, dieses Buch würde einen sofort zur Stille führen, die ja auch innerlich gemeint sein kann, im Sinne von Ruhe und Ausgeglichenheit, sollte sich bewusst sein, dass das Eigeninitiative benötigt ...

Wer denkt, dieses Buch würde einen sofort zur Stille führen, die ja auch innerlich gemeint sein kann, im Sinne von Ruhe und Ausgeglichenheit, sollte sich bewusst sein, dass das Eigeninitiative benötigt und der norwegische Autor einem lediglich Möglichkeiten zeigen kann, die er selbst erlebt hat. Nicht jeder Leser wird sich gleich zum Südpol aufmachen können, New York hingegen habe ich schon besucht und die New York-Brücken-Passagen kann ich mir gedanklich vorstellen. Auch habe ich selbst die Stadt zu großen Teilen zu Fuß abgelaufen. So ergibt sich manchmal Nähe zum Autor, mehrfach natürlich auch Distanz.

Erling Kagge schreibt viel kluges, zum Beispiel über Langeweile oder Luxus, über Musik und Kunst sowie Lyrik.
Es erstaunt mich, dass Kagge sich öfter auf den deutschen Philosophen Martin Heidegger bezieht, zu dessen Werk er anscheinend eine Nähe hat. Er nennt noch ein paar andere, ganz unterschiedliche Denker, die Einfluss hatten, wie Oliver Sacks, Jon Fosse, Kierkegaard und Wittgenstein. Auch das macht Sinn.

Das Buch ist eigenwillig, vielleicht anders als erwartet. Der interessierte Leser sollte sich offen und neugierig zeigen.

Veröffentlicht am 17.09.2017

Tanz der Emotionen

Der letzte Tanz
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Man kann problemlos in diese Krimireihe einsteigen.
Am Anfang des Romans spürt man den Blues, den Eva Sturm nach einer Trennung und weitgehender Isoliertheit in der Langenooger-Inselgemeinschaft hat. Aber ...

Man kann problemlos in diese Krimireihe einsteigen.
Am Anfang des Romans spürt man den Blues, den Eva Sturm nach einer Trennung und weitgehender Isoliertheit in der Langenooger-Inselgemeinschaft hat. Aber als ein Fall mit einer abgetrennten Hand in einem Hotelbett auf sie zukommt, ist sie bei der Ermittlung voll dabei. Doch der Fall ist rätselhaft, das es zu der abgetrennten Hand keinen zugehörigen Mann zu geben scheint.
Hinzu kommt der Umstand, dass auch noch ein alleinerziehender Vater mit seinem kleinen Sohn aus dem Hotel spurlos verschwunden sind.

Moa Graven gelingt es, in kurzen Szenen die Gemütsverfassung, meist eine nicht besonders gute, ihrer Figuren zu portraitieren, und zwar so, dass man sie als Leser nachvollziehen kann. Etwa die von Annika, die arbeitslos und alleinerziehend ist, oder die von dem jung verwitweten Sebastian.

Moa Graven arbeit viel mit Atmosphäre, ohne sich dabei in lange Beschreibungen zu verlieren. Auch die Inselmotive werden nicht überbetont. Das finde ich gut, aber manche Leser würden sich hier vielleicht mehr wünschen.
Mit Eva Sturm hat die Autorin eine Protagonistin, die den Roman trägt. Eva versteht es zu genießen, hat aber aufgrund früherer Erlebnisse auch eine Hang zur Düsterheit und Misstrauen.

Der Kriminalfall überzeugt mich nicht ganz, aber in seiner Gesamtheit funktioniert der Roman.

Veröffentlicht am 14.09.2017

Im Milchozean fischen

Wer hier schlief
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Der Roman mit dem auffälligen Cover ist ein sprachlich fein gearbeiteter Text, der vor allen durch seinen Detailreichtum auffällt. Details in den Beschreibungen sind genau und so häufig, wie man es selten ...

Der Roman mit dem auffälligen Cover ist ein sprachlich fein gearbeiteter Text, der vor allen durch seinen Detailreichtum auffällt. Details in den Beschreibungen sind genau und so häufig, wie man es selten liest. Es ist somit ein Merkmal für den Stil der österreichischen Autorin Isabella Straub, die schon mit ihrem Debütroman Südbalkon aufgefallen war.

Ein Teil dieses Stil ist die Fähigkeit, Figuren mit wenigen Sätzen zu charakterisieren, als Beispiel mögen in Abschnitt 2 “Fischen im Milchozean” die Mutter des Protagonisten Philip Kuhn und deren Nachbarin Helene dienen.

So einige Sätze bleiben wirklich hängen und laden zum nachsinnieren ein, z.B. “Er sah das Gesicht der Ärztin vor sich, die nach Torf roch, als sie sich über ihn beugte.” Die Geste und diesen Geruch kann man sich sofort vorstellen.

Durch diese Mittel getragen wird der Bewusstseinszustand des Protagonisten verdeutlicht. Philipp Kuhn hat sich für Myriam von seiner Frau Vera getrennt, dabei Wohnung, Job und finanzielle Mittel verloren. Dann verschwindet auch Myriam und Philipp steht komplett neben sich. Er irrt durch die Stadt, die möglicherweise Wien ist. Ein wertvolles Gemälde trägt er bei sich, kann sich aber nicht mal für ein paar Stunden Schlaf ein Hotelzimmer leisten. Er fühlt sich krank, kämpft mit seiner überschäumenden Magensäure.
Sein Leben ist aus dem Ruder gelaufen.

“Wer hier schlief” sprüht vor Einfallsreichtum.
Was die Autorin hier fantasievoll zeigt ist nicht unrealistisch. Ein Abstieg aus dem gesicherten Leben kann jeden treffen! Vielleicht ergeben sich aber auch Chancen!