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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.01.2024

Eiskalte Spannung

Tief im Schatten
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Durch Zufall wird an einem abgeschiedenem Ort eine männliche Leiche gefunden, der Tote ist gefesselt und wurde augenscheinlich gefoltert. Nach Identifizierung des Mannes ist das Erstaunen groß, denn der ...

Durch Zufall wird an einem abgeschiedenem Ort eine männliche Leiche gefunden, der Tote ist gefesselt und wurde augenscheinlich gefoltert. Nach Identifizierung des Mannes ist das Erstaunen groß, denn der ehemalige Weltklasse-Skifahrer Johan Andersson war ein umgänglicher, freundlicher und überall beliebter Mensch. Gleichzeitig verschwindet im Nachbardorf eine junge Frau; Rebecka wird von ihrer Kollegin vermisst gemeldet, von der jungen Frau fehlt jede Spur. Die Ermittler Hanna Ahlander und Daniel Lindskog haben alle Hände voll zu tun, als sich herausstellt, dass Rebecka schwanger und auf Medikamente angewiesen ist. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt.

Beim vorliegenden Buch handelt es sich um den zweiten Teil der Reihe um Hanna Ahlander. Es ist nicht zwingend notwendig, den ersten Teil gelesen zu haben, um der Geschichte folgen zu können; es gab genug Informationen und Hinweise, die das Gesamtbild abrunden, interessierte Leserinnen und Leser aber nicht spoilern, was den ersten Fall und deren Auflösung angeht. Auch in diesem Band erfolgten regelmäßige Perspektivwechsel, die es ermöglichten, die Ermittlung aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten zu können, durch fein platzierte Hinweise gab es zudem genug Raum für eigene Spekulationen, echte und falsche Fährten inklusive.

Obwohl die Story schon früh eine bestimmte Richtung nahm, waren meine Vermutungen nur zum Teil richtig, denn die Autorin verstand es meisterhaft, einige Wendungen einzubauen, die mich verblüffen konnten. Die Ereignisse steuerten auf einen Höhepunkt zu, der an Spannung kaum zu überbieten war, ich konnte kaum fassen, wie dramatisch sich die Geschichte entwickelte. Als ich bereits dachte, der Auflösung nahe zu sein, überraschte mich die kommende Wendung erneut. Dies hätte ich wirklich nicht erwartet und war entzückt über so viel Einfallsreichtum. Von einem Happy End ist das Ende eines Krimis zwar meistens weit entfernt, aber einen Lichtblick, den gab es. Großartige Fortsetzung der Reihe, die ich mit voller Punktzahl bewerte. Lesenswert!

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Veröffentlicht am 23.01.2024

Komplex und überraschend

Glutspur
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Die ehemalige Polizistin Liv Jensen ist kürzlich nach Kopenhagen gezogen und hat sich als Privatdetektivin selbstständig gemacht. Auf lange Sicht möchte sie jedoch zurück in den aktiven Polizeidienst, ...

Die ehemalige Polizistin Liv Jensen ist kürzlich nach Kopenhagen gezogen und hat sich als Privatdetektivin selbstständig gemacht. Auf lange Sicht möchte sie jedoch zurück in den aktiven Polizeidienst, sodass sie mit Freuden annimmt, als ein Kollege ihr einen abgeschlossenen Fall anbietet, den sie erneut untersuchen soll. Im Laufe ihrer Ermittlungen stößt sie auf weitere Verbrechen, allerdings liegen die Fälle viele Jahre auseinander und Berührungspunkte gibt es auf den ersten Blick nicht. Vieles weist allerdings darauf hin, dass die Gründe für die Taten weit in der Vergangenheit zu finden sind.

Mit dem vorliegenden Buch legt Katrine Engberg eine neue Krimireihe vor, die durch ihre Komplexität glänzt. Die Hauptfigur mochte Liv Jensen sein, allerdings bekamen zwei weitere Figuren großen Raum in der Geschichte, nämlich Hannah Leon, eine Krisenpsychologin, sowie Nima Ansari, ein iranischer Automechaniker. Nach dem Prolog, der alles und nichts verriet, durfte ich die Geschehnisse aus drei verschiedenen Perspektiven zwölf Tage lang verfolgen. Hierbei ging die Autorin ruhig und methodisch vor, lange Zeit war ich nicht sicher, ob die ganzen losen Fäden jemals zusammengeführt werden können. Jede Abzweigung war spannend, je näher die Lösung kam, desto aufgeregter wurde ich und fieberte der Auflösung entgegen. Erst kurz vor dem Ende kristallisierte sich heraus, welche perfiden Taten da aufgedeckt wurden, und ich war überrascht, wie perfekt alles ineinander griff.

Es blieben keine Fragen offen, was die Fälle betraf, im privaten Bereich der drei Akteure sieht es allerdings anders aus. Dies macht mir große Lust auf die Fortsetzung, die ich kaum erwarten kann! Volle Punktzahl gibt es dafür von mir und eine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 21.01.2024

Ohne Makel

Meine langen Nächte
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Anna kommt aus gutem Hause, wächst behütet und privilegiert auf, und lässt sich, sehr zum Leidwesen ihrer Familie, von der nationalsozialistischen Ideologie blenden. Sie wird eine NS-Schwester und führt ...

Anna kommt aus gutem Hause, wächst behütet und privilegiert auf, und lässt sich, sehr zum Leidwesen ihrer Familie, von der nationalsozialistischen Ideologie blenden. Sie wird eine NS-Schwester und führt in der Universitätsklinik Göttingen aus, was Hitler angeordnet hat, nämlich die Zwangssterilisation von sogenannten erbkranken Frauen und Männern. Ihren Dienst verrichtet sie pflichtbewusst und dient treu dem Vaterland. Als sie dem französischen Medizinstudenten Thierry begegnet und sich verliebt, wird ihre Überzeugung auf den Prüfstand gestellt.

„Ich war noch keine dreißig Jahre alt, als ich starb, in einer Dezembernacht. Graupel fiel aus bleiernen Wolken in den Schneematsch am Boden. Und wenn ich mich jetzt, nach all den Jahren, umschaue, erkenne ich die Klinik, in der ich gearbeitet habe, kaum noch wieder.“ (Seite 8)

Die Autorin hat eine ungewöhnliche Weise gewählt, um die Geschichte von Anna, die stellvertretend für so viele andere Frauen der damaligen Zeit steht, zu erzählen, denn Anna ist tot, sie starb in einer kalten Dezembernacht des Jahres 1935, was sie uns Lesenden bereits am Anfang verrät. Körperlos schwebt sie über der Erde, besucht Stationen ihres kurzen Lebens und teilt diese Eindrücke mit uns. Anfangs tat ich mich schwer mit dem eher nüchternen Schreibstil, lernte diesen aber im Laufe der Geschichte mehr und mehr zu schätzen.

Anna war mir nicht sympathisch, aber sie war unglaublich authentisch. Besonders ihre Launen und ihre Wut als siebzehnjähriges Mädchen konnte ich fühlen und meistens nachvollziehen. Der Beginn ihres Lebens als junge Frau gestaltete sich holprig, was zum einen den Hormonen, zum anderen aber natürlich der schwierigen und turbulenten Zeit geschuldet war. Die äußeren Eindrücke drängten sie in eine Richtung, die sie als junger Mensch noch überhaupt nicht hätte einordnen, geschweige denn, die Konsequenzen auch nur annähernd einschätzen können. Manchmal war ich versucht, ihr zuzurufen, dieses oder jenes zu unterlassen, oder aber etwas unbedingt zu tun.

„Erwartung, Wut und Hoffnung liegen in der Luft: Haben wir wirklich geglaubt, dass dieser Mann uns würde retten können? Ja, das haben wir geglaubt. Ich wollte ihn sprechen hören, ihn mit eigenen Augen sehen.“ (Seite 104)

Langsam und schleichend kam der Nationalsozialismus in Annas leben, fast unmerklich schlich sich das Grauen in die Geschichte ein. Mit dem Wissen von heute schilderte Anna ihren Lebensweg, kommentierte und resümierte, verglich und suchte nach Gründen, die ihr Verhalten von damals erklären würden. Wenn es doch nur so einfach wäre!

„Muss man denn erst sterben, um den Strudel zu erkennen, der uns verschlang?“ (Seite 159)

Je mehr ich erfuhr, desto größer wurde mein Unbehagen, auch meine Sympathie schwand mehr und mehr, machte einer Abneigung Platz, die von Mitleid unterbrochen wurde. Mitgefühl aber war keines da, dieses war aufgebraucht. Aus Gründen. Je weiter die Erzählung voranschritt, desto mehr wühlte sie mich auf. Das letzte Drittel fand ich stellenweise unerträglich, meine Nerven wurden strapaziert und nun war doch großes Mitgefühl da. Keinen Ausweg zu haben ist schlimm, aber zu realisieren, dass man sich selbst in eine Situation gebracht hat, die katastrophale Folgen auch für andere hat, ist hart und entbehrt nicht einer gewissen Ironie, wenn man bedenkt, dass dies alles auf freiwilliger Basis geschah.

Das Ende traf mich mitten ins Herz, obwohl ich eigentlich wusste, was später geschah. Mir gefiel es, dass die Autorin alle offenen Fragen beantwortet hat, wodurch die letzten Seiten aufwühlend und sehr emotional für mich waren. Ich hätte zu Beginn nicht gedacht, wie erschüttert ich nach dem Zuklappen des Buches sein würde. Zuletzt war mir die verhasste Anna unglaublich nah. Ein dunkles Kapitel der deutschen Geschichte, ein Zeugnis der bestialischen Ereignisse der damaligen Zeit. Gegen das Vergessen und besonders wichtig, das ist hoffentlich jedem klar. Volle Punktzahl mit extra Sternchen und eine Leseempfehlung gibt es von mir.

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Veröffentlicht am 17.01.2024

Dystopisches Grauen

Ein Fluss so rot und schwarz
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Ein Mann erwacht auf einem Patrouillenboot der US-Marine, in der Nähe ein Toter, der sich augenscheinlich selbst erschossen hat. Weitere fünf Menschen befinden sich auf dem Boot, das weder gesteuert, noch ...

Ein Mann erwacht auf einem Patrouillenboot der US-Marine, in der Nähe ein Toter, der sich augenscheinlich selbst erschossen hat. Weitere fünf Menschen befinden sich auf dem Boot, das weder gesteuert, noch gestoppt werden kann, es nimmt Kurs auf ein postapokalyptisches London. Die sechs Personen haben keinerlei Erinnerung an ihr früheres Leben und kennen sich untereinander nicht, was es erschwert, eine Mission zu erfüllen, wenn man außerdem das Ziel nicht kennt.

Bereits nach den ersten Seiten klebte ich am Buch, wurde hineingezogen in eine Atmosphäre, die erschreckend sowie bedrückend war und dies auch blieb. Das Aufeinandertreffen der Figuren, das Raten über die Umstände, in denen sich die sechs Personen wiederfanden, und das langsame Realisieren der Situation, all dies erzeugte bereits von Anfang an eine unterschwellige Gefahr, die bis zuletzt im Hintergrund geschlummert hat. Diese Geschichte erzeugte in meinem Kopf ein solches Kopfkino, dass ich stellenweise das Gefühl hatte, mittendrin zu sein. Je mehr sich herauskristallisierte, welche Richtung die Story nehmen wird, desto sicherer war ich mir, die Lösung zu kennen. Glücklicherweise konnte mich Anthony Ryan allerdings in dieser Hinsicht überraschen und hat ein Ende präsentiert, das mir schlüssig und passend schien. Eine großartige und schaurige Dystopie, die ich mir sehr gut verfilmt vorstellen könnte. Volle Punktzahl gibt es dafür von mir und eine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 15.01.2024

Wert eines Lebens

Entzwei
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Die achtundsechzigjährige Helene hat gerade ihren Vater beerdigt, lebt mit ihrem Hund alleine auf dem väterlichen Hof und sieht die Unterlagen durch. Sie findet eine Zeichnung, auf der zwei Säuglinge abgebildet ...

Die achtundsechzigjährige Helene hat gerade ihren Vater beerdigt, lebt mit ihrem Hund alleine auf dem väterlichen Hof und sieht die Unterlagen durch. Sie findet eine Zeichnung, auf der zwei Säuglinge abgebildet sind, beschriftet mit Helene und Alma. Dies ist ein Schock für Helene, da sie im Glauben aufgewachsen ist, ein Einzelkind zu sein. Sie fängt an, nachzuforschen und findet unfassbares heraus; ein Zwilling blieb auf dem Hof, das andere Mädchen landete im Erziehungsheim.

„Hier ist nur Platz für ein Kind. Schlimm genug, dass es ein Mädchen ist.“ (Seite 64)

Die Gegenwart im Jahre 2018 zog mich fast sofort in ihren Bann, obwohl es bereits früh eine Rückblende gab. Der Sprung in die Vergangenheit begann im Jahr 1949 so harmlos, dass es mich kalt erwischte, als ich die Ungeheuerlichkeit erfasste, die bald darauf geschah. Ich konnte kaum glauben, welcher Plan da geschmiedet und in die Tat umgesetzt wurde, folgte fassungslos der Geschichte, war entsetzt, erschüttert und auch wütend. Die Geschehnisse in dem katholischen Erziehungsheim der Fünfziger- und Sechzigerjahre glichen einer Horrorgeschichte, was Alma dort erlebte, hat mich bestürzt und sprachlos gemacht. Die Kindheit von Helene war anders, vergleichen darf man da nichts, dennoch war auch dort nicht Friede, Freude, Eierkuchen, denn der teuflische Plan wurde schließlich dort gefasst und verwirklicht.

Ich war von Anfang an verliebt in den Schreibstil und blieb in dieser Hinsicht bis zum letzten Punkt entzückt. Was man aus der deutschen Sprache herausholen kann, durfte ich hautnah miterleben und hätte mir am liebsten auf jeder Seite viele Sätze markiert. Behutsam und einfühlsam führte mich Sabine Gelsing durch die Geschichte, fand richtige Worte zur richtigen Zeit. An einigen Stellen musste ich pausieren, zu schrecklich fand ich das Geschehene, musste mich sammeln und dennoch zog es mich schnellstmöglich wieder zum Buch. Die Auflösung war schrecklich, traurig und verstört ließ mich diese zurück, um mich mit dem Ende trotzdem zu trösten, mit der Hoffnung auf Glück. Volle Punktzahl mit einem extra Sternchen gibt es dafür von mir.

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