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Veröffentlicht am 25.03.2024

Berlin statt Seniorenresidenz, Currywurst statt Rentnerteller

Was geht, Annegret?
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„Jedes Ende ist auch ein neuer Anfang.“ (S. 421) Nach dem Tod ihres Mannes kommt heraus, dass er Annegret jahrelang belogen und Schulden gemacht hat, jetzt muss sie ihr Haus verkaufen. Als ihre Tochter ...

„Jedes Ende ist auch ein neuer Anfang.“ (S. 421) Nach dem Tod ihres Mannes kommt heraus, dass er Annegret jahrelang belogen und Schulden gemacht hat, jetzt muss sie ihr Haus verkaufen. Als ihre Tochter und deren Mann sie danach in ein Altersheim abschieben wollen, nimmt sie das Angebot ihrer Enkelin Isi an und zieht in deren Studenten-WG in Berlin-Kreuzberg. Der Unterschied zu ihren bisherigen Nachbarn und dem beschaulichen Ostfriesland könnte kaum größer sein. Ihre neuen Mitbewohner Isi, Felix und Lea sind nicht nur Jahrzehnte jünger, sondern haben auch komplett andere Vorstellungen vom Leben. Annegret darf nur noch Putzen, wenn sie damit dran ist und nur Secondhand oder upgecycelte Möbel und Kleindung kaufen. Außerdem wird vegan gegessen und in einem Gemeinschaftsprojekt nur das gekocht, was vorher containert wurde. Zum Glück wohnt nebenan Siggi, die mit Mitte 70 ein bisschen aussieht wie Vivienne Westwood, jeden Tag vom guten Meißner Porzellan isst (sonst würde es ja doch nur im Schrank einstauben) und Annegret kurzerhand in Änni umbenennt.
Änni lebt sich nach ihrer anfänglichen Skepsis schnell in ihrem neuen Viertel ein, freundet sich mit dem türkischen Ladenbesitzer unten im Haus an, findet ein neues Lieblingscafé und lässt sich von Isi sogar zu einem Best-Ager-Studium an der Humboldt-Uni überreden, obwohl sie lieber Klöppeln an der VHS gelernt hätte. Und gerade, als alles gut läuft, wird das Haus an einen Investor verkauft, der es sanieren und damit gentrifizieren will – das lassen sich die Bewohner nicht gefallen. Granny Änni ruft zum Protest auf.

„Jetzt hockt sie angespannt und müde mitten in der Nacht auf einer dunklen Straße in Berlin am Steuer eines Autos, das ihr nicht gehört, und steht Schmiere beim illegalen Containern ihrer neuen WG.“ (S. 113) Zu Beginn ist Änni ein armes Hascherl, die sich ihr Leben lang nach ihrem Mann, der alles entschied, gerichtet hat. Mit ihrem Umzug bricht sie aus ihrem eingefahrenen Leben aus und emanzipiert sich. Die Studenten und Siggi öffnen ihr für vieles die Augen, was ihr bisher nicht aufgefallen ist. Siggi ist ein bodenständiger Ausgleich zu dem „jungen Gemüse“ und kann sie in vielen Situationen sehr gut verstehen – und tröstet dann mit Likörchen. „Die tun nix, die sind nur jung.“ (S. 50) So eine Freundin kann man immer gebrauchen.
Isi, Felix und Lea sind manchmal etwas übergriffig und dominant, wenn es darum geht, ihre Vorstellungen durch- oder umzusetzen, aber sie nehmen Änni ohne Vorbehalte mit offenen Armen auf und zeigen ihr, dass ihr Leben noch lange nicht vorbei ist.

Franka Blooms neuer Roman „Was geht, Annegret?“ ist eine sehr unterhaltsame Mischung aus Best-Ager-Geschichte und Plädoyer für Mehr-Generationen-Wohnprojekte, die zum Nachdenken anregt – wie gehen wir mit unseren Groß- / Eltern um? Wie nachhaltig leben wir und was hinterlassen wir nachfolgenden Generationen? Die dezente Gesellschaftskritik hat mir gut gefallen, auch wenn sie an manchen Stellen leicht überzogen wirkte.

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Veröffentlicht am 17.03.2024

Revolution!

Das Opernhaus: Rot das Feuer
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„Adam und sie lebten auf verschiedenen Sternen, die einander im unendlichen All niemals begegneten.“ (S. 74) 8 Jahre sind seit Elises Hochzeit mit dem viel älteren Komponisten Adam Jacobi vergangen, und ...

„Adam und sie lebten auf verschiedenen Sternen, die einander im unendlichen All niemals begegneten.“ (S. 74) 8 Jahre sind seit Elises Hochzeit mit dem viel älteren Komponisten Adam Jacobi vergangen, und obwohl sie sich als Künstler perfekt ergänzen, oft zusammen auftreten und sie sich dank ihm einen Namen als Violinistin machen durfte, ist sie nicht glücklich. Sie hat mit ihrer Ehe ihre Träume und Freiheit aufgegeben und bereut es. Jetzt ist sie an einen alten, kranken Mann gefesselt, der immer besitzergreifender und gemeiner wird und die totale Unterordnung von ihr fordert. Einzig, wenn es um ihre Adoptivtochter Netty geht, setzt sie ihre eigenen Ansichten und Vorstellungen durch. Außerdem konnte sie ihre erste Liebe, den Kulissenmaler Christian, nie vergessen. Als sie ihn jetzt wiedertrifft, muss sie sich entscheiden, was sie für ihre Liebe aufzugeben bereit ist.

Christian ist inzwischen der zweite königliche Dekorationsmaler am Theater und der Oper und hat die Meisterprüfung bestanden, gehört aber als ehemaliges Waisenkind keiner Schicht an, ist weder Arbeiter, Künstler noch Bürgerlicher, sondern wird als Emporkömmling angesehen. „Es würde für immer sein Schicksal sein, zwischen den Stühlen zu sitzen und nicht zu wissen, wohin er wirklich gehörte.“ (S. 29) Und auch sein Herz gehört immer noch Elise.

„Etwas liegt in der Luft, man kann den Brandgeruch darin schon schmecken.“ (S. 253) Die Stimmung in Dresden ist aufgeheizt. Vor allem die „kleinen Leute“ sind schon lange mit dem König und ihrer Lage unzufrieden, fordern mehr Löhne, Freiheiten und Rechte für alle – wobei auch sie voreingenommen sind, ihre Forderungen gelten nämlich nicht für Frauen oder Andersgläubige, wie z.B. Juden. Als der preußische König die Kaiserkrone ablehnt, nehmen das die aufgeheizten Einwohner zum Anlass, unterstützt von prominenten Persönlichkeiten wie Gottfried Semper und Richard Wagner, das Zeughaus zu stürmen, sich zu bewaffnen und Barrikaden in der Stadt aufzubauen.

„Rot das Feuer“ ist die Fortsetzung der Dresdner Romantrilogie von Anne Stern um die Semperoper und spielt vor dem Hintergrund der Dresdner Mairevolution.
Sie beschreibt eine Zeit der Um- und Aufbrüche, in der kaum jemand zufrieden zu sein scheint. Elise hadert mit ihrer Ehe, Christian mit seinem Leben im Allgemeinen, die Oberen mit dem Aufbegehren der Arbeiter, die kleinen Leute mit der der Politik des Königs und der Kapellmeister Richard Wagner mit den in der Semperoper aufgeführten Stücken – genau wie die alte Kostümmeisterin Bertha, der auffällt, dass selbst im „Fidelio“ Frauen von ihren Eltern einfach (wenn auch an einen Königssohn) verkauft werden, ohne sie nach ihrer Meinung zu fragen. An der Bedeutung und Rolle der Frauen hat sich nichts geändert. Das finden auch Frauenrechtlerinnen wie Louise Otto, Christians Schwester Ernestine und Luises Schwester Barbara, die das ändern und den Männern in nichts nachstehen wollen – auch nicht im Kampf gegen die preußischen Soldaten. „Freiheit besitzt man nicht einfach, man nimmt sie sich.“ (S. 45)

Im Gegensatz zum ersten Band liegt der Fokus hier mehr auf der politischen Entwicklung in Dresden, als auf Elise und Christian, obwohl deren Schicksal natürlich eng an das der Oper und damit auch der Stadt gebunden ist. Die Protagonisten sind wieder sehr fein gezeichnet, stammen aus allen Schichten und zeigen so einen interessanten Querschnitt der damaligen Bevölkerung. Frauen wie Elise stecken real und bildlich immer noch in den starren Korsetts, die ihnen die Gesellschaft und die Mode aufzwingen. Schon ein winziger Fehltritt kann ihr Leben zerstören (wie bei Elises Freundin Aurora, die nach einer kurzen Affäre von ihrer Familie verstoßen wurde). Aber auch die Männer können ihren Stand nur sehr selten verbessern, wie Christians Schicksal zeigt.

Spannende Fortsetzung der dramatischen Liebesgeschichte, die mir auch ein Stück bisher unbekannte Geschichte meiner Heimatstadt näher gebracht hat.

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Veröffentlicht am 24.02.2024

Tanz auf dem Vulkan

Die Bilder der Madame Allard
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Paris 2017: Aurelia ist überrascht, als ihre Großmutter Estelle, die immer in Marseille gelebt hat, ihr ein Appartement in Paris vererbt. Ihr Erstaunen ist noch größer, als sie von den Nachbarn erfährt, ...

Paris 2017: Aurelia ist überrascht, als ihre Großmutter Estelle, die immer in Marseille gelebt hat, ihr ein Appartement in Paris vererbt. Ihr Erstaunen ist noch größer, als sie von den Nachbarn erfährt, dass es seit 1943 unbewohnt ist („… in dieser Zeit hat nie jemand die Wohnung betreten oder verlassen.“ (S. 9)) und sie darin eine wertvolle Gemäldesammlung, Couturekleider, Schuhe, Hüte, Pelze und Schmuck findet – und deutsche Zeitschriften aus der Besatzungszeit. Hat ihre Großmutter mit den Nazis kollaboriert und die Bilder sind Raubkunst? Aurelia beauftragt den Kunsthistoriker Gabriel mit der Restauration und Ermittlung der Provenienz der Bilder, da sie sie ihren ursprünglichen Besitzern bzw. deren Erben zurückgeben will, falls Estelle sie sich zu Unrecht angeeignet hat.

„Ich bin nur eine Frau mit schönen Kleidern, eine reiche Erbin, der alle Türen der Gesellschaft offenstehen, mit einem mühsam erlangten guten Ruf, der andere davon ausgehen lässt, dass ich mir diesen Krieg gut gelaunt schöntrinken will. Das sind die einzigen Waffen, die ich habe.“ (S. 105)
Paris 1940: Estelles Tarnung ist perfekt. Die schöne, reiche, junge Frau verbringt ihre Abende oft im Ritz, wo sie die deutschen Besatzer unterhält und aushorcht. Dass sie in ihrer Wohnung die Gemälde jüdischer Freunde und immer wieder auch Verfolgte versteckt, ahnt niemand.

„Die Bilder der Madame Allard“ erzählt die fiktive Geschichte mutiger junger Frauen, die im 2. in Paris gegen die Nazis kämpfen. Estelle spioniert hochrangige Besatzer aus und gibt die Informationen an die Résistance weiter. Außerdem hilft sie, abgeschossenen Piloten zurück in die Heimat zu bringen. Bei einem ihrer Einsätze lernt sie Sophie kennen. Die Engländerin ist ein Sprachgenie und wurde für einen Spezialauftrag nach Paris geschickt, der ihr und Estelle alles abverlangt, was sie an Verstellungskunst und Improvisation drauf haben.
Natürlich ist die Geschichte, die Kelly Bowen erzählt, an sich nicht neu, aber die Gemälde und deren unklare Herkunft geben ihr einen besonderen Twist. Zudem halten die häufigen Wechsel zwischen den verschiedenen Erzählsträngen, Personen und Zeitebenen die Spannung aufrecht.
Was Estelle, Sophie und die Anderen leisten und wie flexibel sie auf Situationen reagieren, gleicht einem Tanz auf dem Vulkan. Die Autorin beschreibt die Szenen in der Vergangenheit und die Charaktere sehr anschaulich und extrem fesselnd. Die Ängste, Zweifel und auch Schuldgefühle der Protagonisten sind gut nachvollziehbar.
Leider hat sie es nicht geschafft, das auch auf den Strang in der Gegenwart zu übertragen. Aurelia und Gabriel bleiben recht blass, vieles aus ihrem Leben wird nur angedeutet und die Romanze fand ich zu konstruiert. Dafür hätte ich mir das Ende ausführlicher gewünscht.

Mein Fazit: Eine bewegende (und geheimnisvolle Familien-)Geschichte über den französischen Widerstand und Gemälde mit unklarer Provenienz, nur das Geschehen in der Gegenwart passte für mich nicht so ganz.

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Veröffentlicht am 30.01.2024

Gemeinsam einsam

So was wie Freunde
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„Es ist schrecklich, wenn man jemanden verliert, den man liebt. Der Schmerz ist immer derselbe, egal, wie es passiert und wer die Schuld daran trägt.“ (S. 321) Vor sieben Jahren ist Toms Mutter gestorben, ...

„Es ist schrecklich, wenn man jemanden verliert, den man liebt. Der Schmerz ist immer derselbe, egal, wie es passiert und wer die Schuld daran trägt.“ (S. 321) Vor sieben Jahren ist Toms Mutter gestorben, seitdem flüchtet sich sein Vater in den Alkohol und überlässt ihn sich selbst, wenn er nicht gerade wieder mit ihm streitet. Um sich die Wochenenden zu verkürzen und seinen Vater so wenig wie möglich zu sehen, geht Tom samstags in die örtliche Bibliothek. Das erinnert ihn an die früheren gemeinsamen Besuche mit seiner Mutter Er leiht sich Liebesromane aus, die ihr gefallen würden. Und obwohl es eigentlich nicht geplant war, liest er sie auch und findet er schnell Gefallen daran, denn er lernt aus ihnen, wie man sich Mädchen nähert.

„Ihr Kleinbauernhof war ihre Insel der Ablenkung in einem Meer von Langeweile.“ (S. 43) Auch Maggie kommt jeden Samstag in die Bibliothek, um am örtlichen Buchclub teilzunehmen. Die 72jährige betreibt seit dem Tod ihres Mannes vor 10 Jahren allein eine kleine Farm, züchtet Schafe und Hühner. Als sie eines Abends nach den Buchclub überfallen wird, kommt ihr Tom zu Hilfe. Die beiden freunden sich an und als es Tom zu Hause nicht mehr aushält, flüchtet er sich zu ihr.
Tom ist in der Schule ein Außenseiter und wird gemobbt, hat kein Selbstbewusstsein und mogelt sich so durch den Alltag. Erst als ihm sein Vater eröffnet, dass er nach dem Sommer in der gleichen Fabrik wie er arbeiten soll, wird Tom klar, dass er mehr will, sein Abitur machen und studieren.
Bei Maggie wird ihm klar, wie verfahren sein Leben bei seinem Vater ist, ohne jemanden, der sich für ihn interessiert, ihm einen geregelten Alltag und gesunde Mahlzeiten bietet. Außerdem findet er das Leben auf der Farm mit den ganzen Tieren und im Einklang mit der Natur spannend. Maggie wird zu der Großmutter, die er nie hatte.

„Bücher boten stets eine geheime Tür, durch die man in andere Welten flüchten konnte, wofür sie in ihrem Leben häufig dankbar gewesen war. Auch für die Bücherei war sie dankbar. Sie hatte oft einen sicheren, ruhigen Ort gebraucht, an denen sie fliehen konnte, und die Bücherei hatte sie nie enttäuscht.“ (S. 22)
Maggie war früher ein Blumenkind und hatte eine sehr bewegte Jugend, jetzt lebt sie schon lange allein. Der Buchclub und die Bibliothek sind fast ihre einzigen Kontakte zu anderen. Als sie sieht, dass Tom Hilfe braucht, handelt sie ohne nachzudenken und gibt ihm ein Zuhause. Und als sie erfahren, dass die Bibliothek geschlossen werden soll, schweißt der Kampf dagegen sie noch mehr zusammen.

Ich muss zugeben, dass ich mir von dem Buch ausgehend vom Klappentext etwas anderes erwartet hatte. Ich war nicht auf Toms trost- und liebloses Leben bei seinem Vater vorbereitet, der sich so überhaupt nicht für seinen Sohn interessiert. Maggie wird da schnell zum Lichtblick und Rettungsanker, eine etwas exzentrische alte Dame, die Quad fährt und Yoga macht. Die Liebe zu Büchern bringt sie zusammen, aber der erwähnte Kampf um den Erhalt der Bibliothek kam mir persönlich viel zu kurz und nur am Rand vor.
Trotzdem ist „So was wie Freunde“ von Bella Osborne eine sehr berührende Geschichte, die zeigt, wie Freundschaft und Mitgefühl ein Leben ändern können und dass es nie zu spät ist, sein Leben zu ändern.

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Veröffentlicht am 29.01.2024

Hochpotenzierte Liebe

Die Elemente des Lebens
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„Sie hatte nicht erwartet, dass er sie auch als Mann faszinieren würde. Er strahlte Ruhe und Weisheit aus; Eigenschaften, die sie bei anderen Männern viel zu oft vermisst hatte.“ (S. 49)
Paris 1834: Die ...

„Sie hatte nicht erwartet, dass er sie auch als Mann faszinieren würde. Er strahlte Ruhe und Weisheit aus; Eigenschaften, die sie bei anderen Männern viel zu oft vermisst hatte.“ (S. 49)
Paris 1834: Die Marquise Mélanie d’Hervilly ist 34 und unverheiratet, eine vielseitig interessierte, geachtete Dichterin und Malerin. Ihrem Vater hat sie eine umfassende Ausbildung zu verdanken, zu der auch Reiten und Jagen gehören. Und auch sonst ist sie keine typische Frau, trägt beim Reiten und auf Reisen Männerkleidung und ist nicht auf der Suche nach einem Ehemann. Weil sie schon länger unter undefinier-baren Krämpfen leidet und bei den Ärzten als austherapiert gilt, reist sie nach Köthen zu dem berühmten Homöopathen Dr. Samuel Hahnemann. Der heilt ganzheitlich und bezieht auch die psychischen Probleme seiner Patienten ein, weswegen er sie ganz genau nach ihrem Leben befragt. Schon beim ersten Gespräch fühlen sie sich zueinander hingezogen und nach 3 Tagen macht er ihr einen Heiratsantrag, den sie annimmt – obwohl der Witwer bereits 79 ist und seine Kinder älter sind als sie.

Susanne Lieder beleuchtet in ihrem neuesten Buch „Die Elemente des Lebens“ das Leben und Wirken von Hahnemanns zweiter Ehefrau Mélanie, das ganz eng an das ihres Mannes gebunden war. Hahnemann wollte sich eigentlich zur Ruhe setzen, als sie in sein Leben trat, aber ihre Wissbegierde und Intelligenz haben ihn animiert, weiter zu forschen und sie zu seiner Nachfolgerin auszubilden.

„Man kann die Selbstheilungskräfte des Körpers in Gang setzen, es braucht nur die richtige Substanz und die richtige Dynamisierung. Ich nenne es auch Potenzierung. … je stärker die Verdünnung, desto intensiver die Heilungsreaktion des Körpers.“ (S. 64) Ich habe schon einige Bücher gelesen, in denen es um Hahnemann und die von ihm entwickelte Homöopathie geht und fand es interessant, etwas über seinen letzten Lebensabschnitt aus Sicht seiner jungen Frau zu erfahren. Denn hier steht vor allem ihr gemeinsames Leben im Vordergrund, ihre Arbeit bildet nur den Rahmen.

„Ich fühle mich dir ebenbürtig, Samuel. Wir sind uns so ähnlich. … wir sind verwandte Seelen.“ (S. 76) Obwohl Mélanie so viel jünger ist als Samuel, scheinen sie eine extrem liebevolle, zärtlichen und einander zugewandte Beziehung gehabt zu haben. Sie ergänzen sich perfekt – er führt sie in die Homöopathie ein, sie zeigt ihm, was Paris in Sachen Kunst und Kultur zu bieten hat. Ihr war von Anfang an klar, was der Altersunterschied bedeutet, sie geht sehr rücksichtsvoll mit ihm um. Sie werden bewundert und angefeindet, erst wegen des Altersunterschiedes, später wegen ihres Erfolges, aber das schweißt sie nur noch mehr zusammen. Mélanie ist eine mutige, furchtlose Frau, die für ihre Liebe und ihren Erfolg zu kämpfen bereit ist.

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