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Veröffentlicht am 30.03.2024

Unvergleichbar

Die Inkommensurablen
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Der siebzehnjährige Pferdeknecht Hans kommt am Tag vor Beginn des ersten Weltkriegs nach Wien. Er hofft dort auf die Psychoanalytikerin Helene Cheresch zu treffen. Auf der Suche nach ihrer Praxis begegnet ...

Der siebzehnjährige Pferdeknecht Hans kommt am Tag vor Beginn des ersten Weltkriegs nach Wien. Er hofft dort auf die Psychoanalytikerin Helene Cheresch zu treffen. Auf der Suche nach ihrer Praxis begegnet er Adam, einem jungen Offizier, der eigentlich lieber Musiker wäre und als Kompromiss bei einem Musikkorps ist. Und er lernt die ebenfalls junge Klara kennen, die es als eine der ersten Frauen geschafft an der Universität ein Mathematikstudium abzuschließen. Nunmehr steht sie kurz vor der Promotion. Dieses Trio bildet eine ungewöhnliche Gemeinschaft, die unter dem heuandrohenden Krieg die letzten friedlichen Stunden verbringt.

Ja, sie bilden wirklich ein ungewöhnliches Trio, der Landjunge aus Tirol, den man schon an seiner Sprache erkennt, die Intellektuelle, die in deser Zeit noch kaum gibt, und der Adlige, der eigentlich von der Musik träumt. Um Träume geht es teilweise auch bei der Analyse durch Helene Cheresch. Bei ihr möchte Hans Antworten auf seine Fragen finden. Er meint, er habe eine seltsame Gabe, für die es eine Erklärung geben müsste. Doch inzwischen durchleben die drei eine wilde Nacht, in der sie die bedrohliche Lage nie ganz vergessen können.

Sowohl für den deutschen Buchpreis 2023 als auch für den deutschen Horbuchpreis 2023 war dieser Roman nominiert. Und beim Hörbuchpreis gab es tatsächlich die Ehrung in der Kategorie bester Interpret. Das völlig zurecht, denn Cornelius Obonya vermag es ganz hervorragend den Vorabend des Krieges mit seinen unterschiedlichen Facetten in der Phantasie des Hörers lebendig werden zu lassen. Allerdings ist die eigentliche Handlung des Romans doch etwas fordernd. Ein wenig fühlt man sich an Ulysses erinnert, wo auch ein relativ kurzer Zeitraum ausführlich abgehandelt wird. Ein echter roter Faden, der von da nach dort führt, ist nicht wirklich zu finden. Dennoch fühlt man die knapper werdende Zeit, das herannahende Ende des Friedens. Wie werden die jungen Menschen sich entscheiden? Wie wird sich die Welt entscheiden? Zum Glück läuft heute kein Ultimatum ab, aber es entsteht schon der Eindruck als stehe die Welt am Scheideweg. Man hofft, sie wird sich für den Frieden entscheiden, aber sicher ist das nicht. Wollte man pessimistisch sein, müsste man sagen, die Zeichen stehen auf Sturm. Hat die Autorin unsere Zeit in die Vergangenheit geschrieben? Interessant ist im Übrigen die Bedeutung des Titels, der nicht einfach so diahingeschrieben ist.

Veröffentlicht am 29.03.2024

Göttervision

Das Land der verlorenen Götter
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Hauptkommissarin Yildiz Karasu und ihr Partner Kommissar Tobias Becker werden in Berlin zu einem Tatort gerufen. Der Tote ein IT-Spezialist, der auch malte, ist grausam zugerichtet. Sie sieht aus, als ...

Hauptkommissarin Yildiz Karasu und ihr Partner Kommissar Tobias Becker werden in Berlin zu einem Tatort gerufen. Der Tote ein IT-Spezialist, der auch malte, ist grausam zugerichtet. Sie sieht aus, als sei er auf einem Altar als Opfer dargeboten worden. Die Ermittler stehen vor einem Rätsel. Sollte der nachgebildete Pergamon-Altar etwas mit dem Mord zu tun haben? Oder hatte es ein Rechter auf den türkischstämmige Ermordeten abgesehen? Oder gab es Probleme in der Familie des Opfers, das sich zu seiner Homosexualität bekannte? Wie so häufig, fängt die Lösung eines Falles mit mähseliger Kleinarbeit an.

Kommissarin Yildiz ist in Berlin geboren, dennoch ist sie stolz auf ihre türkischen Wurzeln. Genauso stolz ist sie, es bei der Polizei geschafft zu haben. Sie leitet ihr kleines Team. Anfeindungen sind ihr nicht fremd, doch sie weiß sich zu wehren. Im laufenden Fall ist es von Vorteil, dass sie auch türkisch spricht. Ihr Kollege Tobias Becker ist noch relativ neu. Die beiden haben aber schon gelernt, sich zu vertrauen. Ihre Nachforschungen konzentrieren sie zunächst auf dem möglichen Zusammenhang mit der Zeus-Sage und dem Pergamon-Altar. Doch schnell ergeben sich auch Spuren ins ausländerfeindliche Milieu, wo sich ein Verdacht sofort aufdrängt.

Mit einem grausamen Mord beginnt dieser spannende Kriminalroman. Nicht direkt zwischen Berlin und Pergamon pendelt die Handlung, doch werden die Geschichte des Gottes Zeus, die Zeit der Ausgrabungen in Pergamon und die Familiengeschichte des Opfers sehr geschickt miteinander verwoben. Allerdings wirkt die verwendete Sprache etwas hölzern und nicht so authentisch. Besonders die übertriebene Beschreibungen der Augen fällt auf. Bedrückend ist dagegen die sehr glaubhafte Beschreibung, der rechtsradikalen Auswüchse, denen sich sie Migranten in Berlin ausgesetzt sehen. Hier regt das Buch sehr zum Nachdenken an. Gleichzeitig erweisen sich die sympathischen Kommissare als gewiefte Ermittler, die auch noch der kleinsten Spur nachgehen. Das überraschende Finale beschließt einen ungewöhnlichen Fall. Das auffällige Cover lässt einen mit freudiger Erwartung zum Buch im Ladenregal greifen. Auch wenn die Geschichte, den Erwartungen nicht ganz standhält, bietet dieser kluge Krimi doch gute Unterhaltung.

Veröffentlicht am 27.03.2024

Collegezeit

Mein letztes Jahr der Unschuld
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Isabels letztes Jahr im College bricht an. Sie ist unsicher, was sie mit ihrem Abschluss anfangen will. Ihre Mutter ist schon vor Jahren an Krebs gestorben. Ihr Vater führt einen kleinen Laden in New York. ...

Isabels letztes Jahr im College bricht an. Sie ist unsicher, was sie mit ihrem Abschluss anfangen will. Ihre Mutter ist schon vor Jahren an Krebs gestorben. Ihr Vater führt einen kleinen Laden in New York. Der große Traum von Isabel ist eine Karriere als Schriftstellerin. Doch noch will sie die folgenden Monate bis zum Abschluss genießen. Ihr Kommilitone Zev kommt ihr dabei eher aufdringlich vor. Ihre Freundinnen Debra und Kelsey gehen teilweise eigene Wege. Und schließlich lässt sich der Professor, der ihre Abschlussarbeit betreut, wegen Eheproblemen beurlauben. Es scheint keine einfache Zeit zu werden.

Ihre Studentenbude teilt Isabel mit ihren Freundinnen. Zum Glück hat sie ein Stipendium, denn ihr Vater ist nicht reich. Der Streß mit Zev gibt ihr schon einen Knacks, aber sie will sich davon nicht unterkriegen lassen. Wichtig ist, dass ihre Arbeit gut wird. Natürlich gibt es den nächsten Knacks als Professor Fisher sich ausklinkt. Müssen die Studenten unter seinen Problemen leiden? Auf der anderen Seite hat es ja keinen Zweck, wenn er sich nicht ordentlich kümmert und dann wohlmöglich die Note leidet. Das letzte Studienjahr verläuft nicht so sorglos, wie gewünscht. Oder ist es einfach so, dass irgendwann der Ernst des Lebens anklopft und es normal ist, dass nicht alles glatt läuft.

Wie gerne erinnert man sich an die Zeit der Jugend. An der Grenze zum Erwachsenenleben fängt es an, dass es auch Erlebnisse gibt, die man immer mit Leichtigkeit hinnehmen kann. So ist es auch bei Isabel, die bei sich selbst und auch ihren Freundinnen erfährt, dass das Leben nicht nur gute Tage bringt. Gleichzeitig muss man beim Studium am Ball bleiben. So ganz bis zum Letzten wird man nicht warm mit Isabel. Einige ihrer Gedanken kann man gut nachvollziehen, andere werden durch ihren Hintergrund verständlich. Doch in einem Punkt muss es wohl ihrer Jugend zugerechnet werden, wie sie sich verhält. Gut hervor kommt Isabels Liebe zur Literatur und ihrer eigenen Schreibtätigkeit. Man wünscht Isabels Traum würde in Erfüllung gehen. Das Cover spiegelt die Handlung in den späten 1990ern sehr gut wider.

Veröffentlicht am 26.03.2024

Sonderdezernat Q minus Rose

Selfies
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Carl Mørck könnte sich wirklich aufregen. Angeblich hat mit seinem Sonderdezernat im Keller nur eine Aufklärungsquote von fünfzehn Prozent und seine Abteilung soll aufgelöst werden, mindestens die Stelle ...

Carl Mørck könnte sich wirklich aufregen. Angeblich hat mit seinem Sonderdezernat im Keller nur eine Aufklärungsquote von fünfzehn Prozent und seine Abteilung soll aufgelöst werden, mindestens die Stelle von Rose eingespart werden. Und ausgerechnet Rose hat den letzten Bericht nicht abgegeben. Dabei ist die Quote über sechzig Prozent. Und ein paar richtige Fälle gibt es auch. Einem ehemaligen Kollegen ist aufgefallen, dass ein alter Fall einem aktuellen Mord sehr ähnelt. Und nun müssen sich Carl und Assad etwas einfallen lassen, weil sie eigentlich nicht in laufenden Fällen ermitteln dürfen.

Bei diesem siebten Fall von Carl Mørck und seinem Team ist es wirklich schwierig für die Kollegen. Rose, die seit der Hypnose mit Problemen zu kämpfen hat, fällt aus. Trotz der Sorgen, die sich Carl, Assad und Gordon um sie machen, müssen die drei ihr Dasein rechtfertigen, indem sie gute Arbeit leisten. Zusätzlich müssen sie versuchen, an Informationen zu kommen, die sie eigentlich nicht haben sollen. Also haben sie alle Hände voll zu tun, um sich zwischen allen Hindernissen durchzuwinden und die Ermittlungen im Blick zu behalten. Nicht zu vergessen, dass sie Rose helfen wollen.

Am Anfang des Romans bekommt man es mit allerhand ausgesprochen unsympathischen Leuten zu tun. So sehr, dass die Lektüre schon beinahe schwierig wird. Natürlich werden die Menschen nicht auf einmal nett, aber irgendwann greifen die Informationen langsam ineinander und man wird doch gefesselt. Wenn sich herausstellt, dass dieser Krimi doch sehr geschickt konstruiert ist, macht das Lesen noch richtig Spaß. Allerdings dauert es bis dahin etwas lange, bis Carl und diesmal hauptsächlich seine Mannen mit ihren Qualitäten punkten können. Positiv ist hervorzuheben, dass sich Assad ein wenig emanzipiert und dass Hardy wieder ein ruhender Pol ist. Wie immer bilden die Mitglieder des Sonderdezernat Q ein tolles Team, das mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen hat und abgesehen von den Anlaufschwierigkeiten einen guten Job macht.

3,5 Sterne

Veröffentlicht am 17.03.2024

Zauberkerzen

Die geheime Gesellschaft
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Lenna Wickes glaubt nicht an Geisterbeschwörungen. Und dennoch ist sie im Jahr 1873 nach Paris gereist, um bei der bekannten Spiritualistin Vaudeline D’Allaire eben diese Kunst zu lernen. Lennas Schwester ...

Lenna Wickes glaubt nicht an Geisterbeschwörungen. Und dennoch ist sie im Jahr 1873 nach Paris gereist, um bei der bekannten Spiritualistin Vaudeline D’Allaire eben diese Kunst zu lernen. Lennas Schwester Evie wurde im Garten der Familie tot aufgefunden und Lenna hat Schuldgefühle der Schwester gegenüber, mit der sie im Streit auseinander gegangen ist. Und Vaudeline verwendet ihre Begabung auch dafür, die Seele von Toten zu beschwören, um die Todesumstände zu klären. Obwohl Lenna nicht glaubt, auch Evies Worten nicht geglaubt hat, will sie die Kunst durchdringen und herausfinden wie Evie gestorben ist.

Als relativ unabhängige junge Frau ist Lenna Wickes nach Paris gereist, um die Ausbildung bei Vaudeline aufzunehmen. Die Spieritualiistin ist ebenfalls unabhängig in einem der wenigen Berufe, die Frauen selbstständig ausüben dürfen und ihre Reputation häufig besser ist als die der männlichen Kollegen. In ihrem Zusammenwirken stehen Vaudeline und Lenna eng beieinander, doch nicht alle Séancen bringen ein bedeutsames Ergebnis. Als Vaudeline nach London zurückgerufen wird, um eine Séance für ein weiteres Mordopfer abzuhalten, begleitet Lenna sie nicht ahnend, dass sie damit auch Evies Spuren folgt.

Dieser historische Kriminalroman hat einen ungewöhnlichen Ansatz, auch wenn der Spiritualismus damals nicht so unüblich war. In der prüden Viktorianischen Zeit bot er ein Möglichkeit, sie mit außergewöhnlichen Dingen zu beschäftigen. Der Autorin ist es gelungen ein spannendes Bild der Zeit zu zeichnen und wenn nur für einen relativ kleinen Teil der Gesellschaft, da sich hier die eher begüterten Menschen bewegten. Allerdings ist die Erzählung besonders zu Beginn etwas ausufernd ausgeführt. Zwar ist Lennas innere Unsicherheit und ihre wachsende Stimmigkeit mit sich selbst gut dargestellt, nimmt für Krimiliebende ein wenig zu viel Raum in Anspruch. Sobald es jedoch mehr um das Rätsel um Evies Ableben geht, wird die Geschichte interessant und lesenswert. Auch wenn einem selbst der Glaube fehlt, hat man doch einen packenden Kriminalroman um zwei außergewöhnliche Frauen, die viel einsetzen, um verzwickte Mordfälle zu klären.

Das Cover lohn einen genaueren Blick. Die Verbindung von viktorianischer Zeit und dem spiritualistischen Einschlag ist sehr gut gelungen. Eins der Bücher, die man gerne quer ins Regal stellt.