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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.09.2021

Kunterbunt und klug

Mein Sternzeichen ist der Regenbogen
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Rafik Shami erzählt Geschichten und zeigt uns, dass er erzählen kann (Ok, wir wussten das schon )


In diesem Buch veröffentlicht er eine Sammlung an Geschichten, die sich anfangs mit Geburtstagen beschäftigen. ...

Rafik Shami erzählt Geschichten und zeigt uns, dass er erzählen kann (Ok, wir wussten das schon )


In diesem Buch veröffentlicht er eine Sammlung an Geschichten, die sich anfangs mit Geburtstagen beschäftigen. Es ist wirklich witzig, wie ein jüngerer Rafik vergeblich versucht, seinen Geburtstag herauszufinden, der in der syrischen Kultur keinen großen Stellenwert hat. „Mein Sternzeichen ist der Regenbogen“ ist das diplomatische Fazit dieser Suche.

Dann geht es weiter, kunterbunt, quer durch alle Themen dieser Erde. Es gibt Spitzfindiges, Satirisches, Kluges, Albernes, sogar Absurdes oder auch Märchenhaftes.
Wir reisen nach Italien, Syrien, Deutschland, in den Libanon – „aber das ist eine andere Geschichte“.

Wir sinnieren über den Bezug verschiedener Religionen zum Lachen, besuchen ein Festival für Kunstpfurzer, leben, lieben und betrügen und stellen fest: Überleg dir gut, was du dir wünschst, du könntest es bekommen.

Das ist alles fein, klug, unterhaltsam und wunderbar erzählt, es fehlt nur ein wenig der rote Faden, der diese Geschichten verbindet. Sie wirken etwas wahllos zusammengewürfelt.

Das Hörbuch liest Wolfgang Berger souverän 8 Stunden, 39 Minuten lang. Ich hätte mir etwas längere Pausen zwischen den einzelnen Geschichten gewünscht. Man muss sehr aufpassen, wo die eine aufhört und die andere anfängt. Ein musikalisches Zwischenspiel hätte sich da vielleicht gut gemacht – haben wir nicht, schade.

Dieses Buch ist kluge Unterhaltung für Zwischendurch. Ich habe es gerne gehört.

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Veröffentlicht am 19.02.2024

TRAURIG

Himmelwärts
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Dieses Buch sollte man unbedingt mit einem Warnhinweis versehen: Achtung, TRAURIG!!!

„Es war einmal, da war die Schwerkraft noch nicht so schwer. Da war unser Lachen noch ohne das Summen zwischen den ...

Dieses Buch sollte man unbedingt mit einem Warnhinweis versehen: Achtung, TRAURIG!!!

„Es war einmal, da war die Schwerkraft noch nicht so schwer. Da war unser Lachen noch ohne das Summen zwischen den Atomen.“

Toni-Pepperoni ist 10 Jahre alt und ihre Mutter ist gestorben. Sie ist traumatisiert und tieftraurig und erzählt sie uns hier höchst persönlich, was sie so denkt, während sie mit ihrer Freundin Yum Yum im Garten zeltet. Mit ihrem selbstgebauten kosmischen Radio wollen sie versuchen, mit Mama im Himmel zu reden.

Es ist toll erzählt, warmherzig, poetisch und durchweg herzzerreißend. Spätestens wenn Toni die wichtigen Momente mit Mama notiert, damit sie sie nicht vergisst, bleibt kein Auge trocken. Das wirft aber auch die Frage auf: Für wen ist dieses Buch geeignet? Es ist als Kinderbuch ab 10 Jahren ausgewiesen. Ich würde aber unbedingt empfehlen, dieses Buch mit einem Kind gemeinsam zu lesen. Das Thema „Mama ist tot und ich bin traurig“ wird hier höchst plastisch behandelt. Möglicherweise kann das Kindern, die in dieser Situation sind, ein wenig helfen, alle anderen triggert es maximal.

Dies ist ein wunderschönes Buch mit einer originellen Idee, wunderbarer Sprache und kunstvollen Illustrationen, das ich meinem Kind eher nicht kaufen würde. Erstaunlich, oder?

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Veröffentlicht am 13.01.2022

Ein leidvolles Durcheinander mit genialer Auflösung

Hundepark
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Ich habe inzwischen schon mehrere Bücher dieser genialen Autorin gelesen und stelle fest, jedes ist ganz und gar anders, thematisch, aber auch stilistisch. Dieses hier ist emotional, wütend und verzweifelt, ...

Ich habe inzwischen schon mehrere Bücher dieser genialen Autorin gelesen und stelle fest, jedes ist ganz und gar anders, thematisch, aber auch stilistisch. Dieses hier ist emotional, wütend und verzweifelt, direkt. Ihre geschliffene Sprache und der wunderbare Humor blitzen auf, kommen aber nicht so zum Tragen wie z. B. in „Fegefeuer“.

Hier geht es um das Leben in der Ukraine nach dem Zusammenbruch des Sowjetsystems. Die plötzlich gewonnene Freiheit bietet Raum für kreative Geschäftsmodelle. Während Babuschka Galina in ihrem Garten Mohn zur Opiumgewinnung züchtet, entsteht anderswo ein Kinderwunschzentrum, das junge, attraktive Eizellenspenderinnen vermittelt, gerne mit Stammbaum. Damit hatte auch Olenka zu tun, die inzwischen in Helsinki lebt und Angst hat. Täglich beobachtet sie im Hundepark die spielenden Kinder.

Der Aufbau des Buches ist anspruchsvoll und fordernd. Erst weiß man nur, dass Olenka verzweifelt ist und nicht mehr leben will. Wie es dazu kam, wird nach und nach geklärt. Ihre Geschichte umfasst gut 30 Jahre. In zahlreichen Zeitsprüngen wird das Geschehen eingekreist.


Das allein wäre schon verzwickt genug, die Autorin legt aber noch nach. Kaum meint man, der Handlung folgen zu können, bekommt man unvermittelt ein paar Erinnerungen, Anekdoten oder ausführliche Beobachtungen geliefert, bis man kaum noch weiß, wo man sich befindet. Man bekommt immer nur kleine Zipfel zu fassen und schwimmt durchs Geschehen. Auf dem Weg zur Auflösung hat man Mühe, sich die Probleme zu merken, ein schrecklich leidvolles Durcheinander. Das Lesen ist fordernd und sehr anstrengend. Dieses Buch bringt einen an seine Grenzen. Wenn ich nicht in der Rezensionspflicht gewesen wäre, hätte ich es abgebrochen.


Allerdings lohnt sich das Durchhalten dann doch. Zum Ende hin mausert sich der Wirrwarr tatsächlich zu einem handfesten Thriller mit genialem Plot. Ich bin ein bisschen ratlos, wie ich das bewerten soll. Grundsätzlich empfand ich das Buch als sehr ärgerlich, habe aber doch viel ukrainische Atmosphäre und Geschichte mitbekommen und die Auflösung ist großartig. Ich vergebe vier freundliche Sterne, aber der Vierte wackelt ein bisschen.

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Veröffentlicht am 18.04.2024

Ein bisschen schnell gestrickt

Und Großvater atmete mit den Wellen
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Dieses Buch zeigt einen eher unbekannten Aspekt des Zweiten Weltkriegs. Während die Nazis in Russland einfallen, nehmen Japaner die Insel Java ein und internieren alle potenziellen Feinde. Das trifft die ...

Dieses Buch zeigt einen eher unbekannten Aspekt des Zweiten Weltkriegs. Während die Nazis in Russland einfallen, nehmen Japaner die Insel Java ein und internieren alle potenziellen Feinde. Das trifft die junge Sigrid, die als Norwegerin dort aufgewachsen ist. Ihre ganze Familie landet in einem Straflager, wo schlimme Zustände herrschen.

Auch Konrad, der titelgebende Großvater und Seemann, wird gefangengenommen, nachdem sein Schiff zerstört wurde. Im Lazarett lernt er die Krankenschwester Sigrid kennen.

Wir bekommen hier eine bedrückende Geschichte voller Kriegsgräuel, mit Hunger, Brutalität, Folter und allem Drum und Dran. Das ist natürlich schrecklich, es ist aber auch eine wirklich schreckliche Lektüre. Man steht hier knietief im Leid. Da nimmt sich die Triggerwarnung am Ende des Buches aus wie ein Witz.

Ich fand das Thema des Buches grundsätzlich sehr interessant, aber das Geschehen konzentriert sich sehr auf das entbehrungsreiche Lagerleben. Zum politischen Rahmen bekommt man allenfalls Häppchen gereicht. Wir sind auf Java, aber Javaner scheint es da gar nicht zu geben.

Geradezu lächerlich nimmt sich die Rahmenhandlung aus, die aus einem kurzen Vorwort besteht, das sagt, dass ihr Großvater der jungen Juni das Folgende erzählt hat. Danach bekommt Juni keinen Auftritt mehr und jeder, der nicht mit Großmutter im Regen tanzte, wundert sich. Das ist ein wirklich müder Versuch, den Bezug zum ersten Teil herzustellen.

Insgesamt ist das Buch schön erzählt, es wirkt nur leider mehr wie eine schnell gestrickte Fortsetzung eines Erfolgstitels. Schade. Konrads Geschichte wäre es wert gewesen, mit mehr Fürsorge behandelt zu werden.

Das Hörbuch liest Yara Blümel sehr schön, es dauert 8 Stunden und 11 Minuten.

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Veröffentlicht am 18.04.2024

Interessantes Thema, sehr blumig präsentiert

Das unsichtbare Band
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Am Anfang fand ich dieses Buch durchaus fesselnd. Die 15jährige Amal wird verheiratet, dabei möchte sie eigentlich nur zur Schule gehen und später studieren und kennt ihren Bräutigam gar nicht. Sie ist ...

Am Anfang fand ich dieses Buch durchaus fesselnd. Die 15jährige Amal wird verheiratet, dabei möchte sie eigentlich nur zur Schule gehen und später studieren und kennt ihren Bräutigam gar nicht. Sie ist Drusin, ein Mädchen aus einem libanesischem Dorf, das gelernt hat, dass Männer das Sagen haben.

Hier lernt man einiges über diese Religionsgemeinschaft, die selbst für muslimische Maßstäbe streng ist und durch ein irrwitziges Gerüst funktioniert, das Ängste schürt und in dem Frauen das letzte Glied sind.

Amal schafft es mit der Zeit, sich zu lösen, fängt an, ihre Situation zu hinterfragen, auch wenn da immer ein unsichtbares Band ist, dass sie mit ihrem alten Leben verbindet. Die tief verinnerlichten Gedankenstrukturen, lassen sich nur schwer ablegen.

Das ist der Kern des Themas, der interessant sein könnte. Leider verfällt Amal in eine schlimme Depression und vermittelt uns in erster Linie das. Der Großteil des Textes ist ein mehr oder weniger philosophisches Ringen, Hadern und Verzweifeln in äußerst blumiger Sprache. Amal hat natürlich jeden Grund dazu und studiert auch noch Literatur, nur ist es wirklich anstrengend, das zu lesen, wenn man keinen Sinn für eine Art Poesie hat, die nüchterne Gemüter Kitsch nennen würden.

Das Hörbuch liest Alexandra Sagurna schön und mit angemessener Betroffenheit. Es dauert 9 Stunden und 53 Minuten.

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