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Veröffentlicht am 28.03.2018

Gesellschaftskritik auf hohem Niveau

Der Lügenpresser
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Der Roman „Der Lügenpresser“ von Livia Klingl ist 2018 im Verlag Kremayr & Scheriau in Wien erschienen und kann als aktuelle Gesellschaftskritik verstanden werden.
Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht ...

Der Roman „Der Lügenpresser“ von Livia Klingl ist 2018 im Verlag Kremayr & Scheriau in Wien erschienen und kann als aktuelle Gesellschaftskritik verstanden werden.
Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht des Hauptprotagonisten Dr. Karl Schmied. Der 62-jährige Boulevard-Journalist lässt die LeserInnen teilhaben an einer Woche voller innerer Monologe seiner selbst. Beginnend mit Montag in der früh, zuhause im Bett begleiten die LeserInnen Karl bis Freitag im Büro des Online-Chefs seiner Zeitung.
Nach „Lauter Fremde!“ war es bereits mein zweites Buch der Autorin, die ganz nebenbei auch noch Journalistin der österreichischen Qualitätszeitung „Kurier“ ist. Aus der Sicht eines Konkurrenzjournalisten erzählt Livia Klingl ein Sittenbild unserer Zeit. Themen wie EU, Migranten, Flüchtlinge, Roboterisierung, Social Media, die Krise der Politik und der Zeitungen behandelt sie ganz nebenbei und doch eindringlich.
Dr. Karl Schmied findet die Zukunft verheißungsvoll und schaut deshalb gerne in die Vergangenheit zurück. Da besingt er die Urlaube mit seiner Mutter in Grado und würde zu gerne auch mit seiner Geliebten Sonja aus Moldawien einen Urlaub im italienischen Küstenort verbringen. Nur schade, dass sich im Hotel seiner Kindheit mittlerweile ein Bankinstitut befindet. Dass die „Jungen“ die typisch wienerische Sprache mit den vielen Synonymen fürs Sterben nicht mehr schätzen können, findet er schade: „Mittlerweile kenne ich diese Englisch-Schmähs, aber am Anfang war das eine Fremdsprache für mich. Nicht das Englische, mein Englisch ist ganz passabel, sondern seine vertrottelte Invasion ins Deutsche.“, aber auch die deutsche Sprache findet er gewöhnungsbedürftig: „Diese deutsche Sprache mit ihren Zehntausenden Wörtern, hat schon seltsame Eigenheiten!“. In seinen inneren Monologen kann sich Dr. Karl Schmied auch nicht entscheiden, ob früher wirklich alles besser war und ob die Stammtischparolen nun stimmen oder nicht, denn zu gerne verfällt auch er in diese Denkmuster. An anderer Stelle kritisiert er dann aber auch wieder die Vorgängergenerationen und zeigt eine Denkweise, die so an Stammtischen sicher nicht zu finden ist: „Hätten’s es nicht zusammengehauen, hätten`s es nicht wieder aufbauen müssen, unsere Eltern und Großeltern!“
Dr. Karl Schmied sieht aber auch die Rolle seines Berufsstands im Weltgeschehen kritisch. So gibt er sehr wohl den amtierenden PolitikerInnen Schuld an der Flüchtlingswelle, die sie ja nicht kommen sehen wollten. Beschwört auch Klimaflüchtlinge durch den Klimawandel, der wie ein Damokles Schwert über unseren Köpfen schwebt, aber im Boulevard keine Erwähnung findet, weil die LeserInnen wissenschaftliche Berichte nicht verstehen würden und die Zeitungen „Klicks!“ brauchen und deshalb die Wahrheit überspitzen oder nur die Sichtweise der Mehrheit wiedergeben immer mit dem Anhimmeln eines Politikers bzw. dessen Verteufelung.
„Der Lügenpresser“ ist ein wirklich lesenswertes Zeit- und Sittenbild, das mich nicht nur einmal den Kopf schütteln lies. Alle handelnden Personen sind frei erfunden, könnten aber genauso gut in der Realität existieren. Dr. Karl Schmied zeigt die typische Mitte-Rechts Stimmung in unserem Land wieder und spielt auch mit einigen Klischees. So trinkt er beispielsweise ohne natürlich ein Alkoholproblem zu haben und seine Freundin Sonja aus Moldawien arbeitet in einem ganz besonderen Milieu. Einmal werden sogar Boulevard-Zeitungen (und österreichische LeserInnen wissen, von welcher Zeitung gesprochen wird) als „seriös“ bezeichnet, welch blanker Hohn, der dann doch Satire ist.
„Von mir aus könnte einfach wieder Vernunft einkehren, besser heute als morgen, von mir aus könnte die Welt einfach wieder geordnet sein und die Leute friedlich und zufrieden.“

Veröffentlicht am 24.02.2018

Ein kleiner Held außerhalb der gesellschaftlichen Norm

Das Leben ist manchmal woanders
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Der Roman „Das Leben ist manchmal woanders“ von Ulrike Herwig ist 2018 als dtv premium Taschenbuch erschienen.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht der vierzehnjährige Gregor, der als liebenswerter Außenseiter ...

Der Roman „Das Leben ist manchmal woanders“ von Ulrike Herwig ist 2018 als dtv premium Taschenbuch erschienen.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht der vierzehnjährige Gregor, der als liebenswerter Außenseiter seine Mitmenschen berührt und einen großen Einfluss auf deren Leben ausübt. Ehemals Fremde werden zu hilfsbereiten Nachbarn und mit jeder Tat von Gregor werden Probleme auf ganz besondere Art und Weise aus der Welt geschafft und der Egoismus der Einzelnen ein wenig vermindert.
Ein wirklich lesenswertes Buch, das mich sehr berührt hat. Schade fand ich nur, dass Gregors Geschichte für mich als Leserin zu Ende ist. Gregor ist mir wirklich ans Herz gewachsen und ich würde uns allen einen Gregor wünschen, der uns auf ehrliche Art und Weise, die Augen öffnet.

Veröffentlicht am 09.02.2018

Wenn Unrecht zu Recht wird

Der Reisende
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Das Buch „Der Reisende“ von Ulrich Alexander erzählt die Geschichte eines Juden im Dritten Reich.
Deutschland im November 1938: Nach den Novemberpogromen reist Otto Silbermann mit Zügen quer durchs Land, ...

Das Buch „Der Reisende“ von Ulrich Alexander erzählt die Geschichte eines Juden im Dritten Reich.
Deutschland im November 1938: Nach den Novemberpogromen reist Otto Silbermann mit Zügen quer durchs Land, um unsichtbar zu bleiben. Seine Verwandten und Freunde sind größtenteils verschwunden, sein Geschäft längst von den Nazis in Besitz genommen worden. Mit einer Aktentasche voll Geld trifft er auf Flüchtlinge und Hitler-Sympathisanten. Inmitten des Ausnahmezustands beobachtet er die Gleichgültigkeit der Masse. Er erfährt das Mitleid einiger weniger Mitreisenden und spürt die eigene Angst.
Ulrich Alexander hat es mit der Geschichte Otto Silbermanns geschafft, mich in die Atmosphäre der Nazizeit zu versetzen. Mit Otto Silbermann bin ich nicht nur mit der Reichsbahn gefahren. Nein auch ich habe gute und schlechte Menschen in den Zügen, auf den Bahnsteigen und in den Bahnhofsrestaurants getroffen. Silbermanns Gespräche haben die Lebenswirklichkeit dieser Zeit wirklich widergespiegelt und mir ist beim Lesen nicht nur einmal ein kalter Schauer über den Rücken gekommen. „Der Reisende“ ist vor allem heuer im Gedenkjahr 2018 ein mehr als wichtiges Buch. Denn die Geschichten der Vertriebenen, der Toten, die Geschichten der Opfer dürfen niemals vergessen werden, damit Unrecht nie wieder zu Recht gemacht werden kann.

Veröffentlicht am 26.10.2017

Auf der Suche nach der Wahrheit

Im Traum kannst du nicht lügen
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Der Roman „Im Traum kannst du nicht lügen“ von Malin Persson Giolito ist 2017 im Verlag Bastei Lübbe erschienen und betrachtet einen Kriminalfall in einem völlig anderen Blickwinkel.

Nach einem Blutbad ...

Der Roman „Im Traum kannst du nicht lügen“ von Malin Persson Giolito ist 2017 im Verlag Bastei Lübbe erschienen und betrachtet einen Kriminalfall in einem völlig anderen Blickwinkel.

Nach einem Blutbad in einem Gymnasium steht die 18-jährige Schwedin Maja als Tatverdächtige vor Gericht. Majas beste Freundin Amanda, Majas Freund Sebastian und der Lehrer Christer sind tot. Was ist passiert und ist Maja wirklich die Täterin?

Die Autorin schafft es, nicht nur die Tat an sich in den Vordergrund zu rücken, sondern beschäftigt sich mit der Frage nach dem „Warum“, aber auch mit dem Leben „nach der Tat“. Durch Rückblenden und Aussagen in den Gerichtsverhandlungen stellt sie die vermeintliche Täterin und deren Gedankenwelt in den Vordergrund.

Anfänglich war ich schockiert von der kalten und fast unnahbaren Sichtweise der Protagonistin, aber von Seite zu Seite wurde mir ihre Gedankenwelt immer vertrauter und ich habe mich dabei ertappt, mit einer vermeintlichen Mörderin zu sympathisieren.

Malin Persson Giolito hat es mit ihrem Debüt nicht nur geschafft einen spannenden Kriminalfall zu durchleuchten, sondern hat auch sehr viel Gesellschaftskritik in ihr Buch gesteckt: Von der Sensationsgier der Medien und dem Vorverurteilen des Volks, aber auch die Flüchtlingskrise findet ihren Platz in Majas Geschichte.

„Im Traum kannst du nicht lügen“ wurde zum Besten Kriminalroman Schwedens 2016 gekürt und ich kann mich hier nur voll und ganz anschließen. Bis zur letzten Seite war mir nicht bewusst, ob Maja nun schuldig ist oder nicht. Malin Persson Giolito hat mit ihrer klaren und prägnanten Sprache einen Spannungsbogen geschaffen, der niemals abgeflacht ist. Ein wirklich wunderbares Buch, das gelesen werden muss!

Veröffentlicht am 01.04.2024

Rettet die Dorfschule!

Bella und die Böllersum-Bande
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Das Buch "Bella und die Böllersum-Bande" von Karin Grothe wird für Kinder ab acht Jahren empfohlen. Das Buch handelt von einer Gruppe Jungen und Mädchen, die einfach ihren Alltag im Dorf Böllersum leben, ...

Das Buch "Bella und die Böllersum-Bande" von Karin Grothe wird für Kinder ab acht Jahren empfohlen. Das Buch handelt von einer Gruppe Jungen und Mädchen, die einfach ihren Alltag im Dorf Böllersum leben, bis die örtliche Schule geschlossen werden soll. Gemeinsam kämpfen die Kinder gegen die Entscheidung der Erwachsenen.

Das Buch gefällt uns sehr gut, da wir selbst in einem Dorf am Land leben und sich meine Kinder beim Vorlesen immer wieder selbst darin gesehen haben oder zumindest die Geschichten nachvollziehen konnten. Von den Kindern, über die Erwachsenen bis hin zum Bürgermeister war alles dabei, was auch unser Dorfleben bestimmt.

Das Buch zeigt auf liebevolle Weise, dass man durch Freundschaft und Zusammenhalt alles erreichen kann. Wir würden uns freuen noch mehr von Bella und der Böllersum-Bande lesen zu dürfen und hoffen auf eine ganze Böllersum-Reihe.

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