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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.05.2025

Ein schleichender Prozess

Ginsterburg
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Arno Frank nimmt uns Lesende mit in das fiktive Städtchen Ginsterburg. Ihm ist ein ausgesprochen gelungener und spannender Roman gelungen. Wobei man spannend nicht mit thrill oder action verwechseln darf.
Die ...

Arno Frank nimmt uns Lesende mit in das fiktive Städtchen Ginsterburg. Ihm ist ein ausgesprochen gelungener und spannender Roman gelungen. Wobei man spannend nicht mit thrill oder action verwechseln darf.
Die Geschichte mit zahlreichen Protagonisten ist in 3 Teile gegliedert, über die Jahre 1935, 1940 und 1945. Neben der Schilderung teils wirklich banaler Vorkommnisse finden sich immer wieder eingefügte "Dokumente" wie Zeitungsmeldungen, Gesetzesauszüge, Briefe etc. was durchaus auflockern und gleichzeitig informieren kann.
Spannend ist vor allem, wie sich die Gesellschaft und der Umgang miteinander ändert. Und diese Änderung betrifft auch die Protagonisten, die man anfangs durchaus als eher sympathisch empfand und ist eher ein schleichender Prozess. Es verdeutlicht, dass niemand wirklich gefeit ist gegen geschickte Manipulation. Gerade aktuell ist es wichtig, aufmerksam zu bleiben und diese Mechanismen zu durchschauen.
Nicht unerwähnt bleiben soll der wunderbare Schreibstil des Autors, der es einem ausgesprochen einfach macht dran zu bleiben, obwohl die Protagonisten einem nicht wirklich nahe kommen. Zum Glück, will man fast sagen.

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Veröffentlicht am 11.02.2025

Was für eine verrückte Idee!

Wackelkontakt
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Dies war mein erstes Haas-Buch, aber ganz sicher nicht mein letztes!
Franz Escher sitzt zuhause und wartet auf den Elektriker, denn seine Steckdose hat einen Wackelkontakt. Da dieser auf sich warten lässt, ...

Dies war mein erstes Haas-Buch, aber ganz sicher nicht mein letztes!
Franz Escher sitzt zuhause und wartet auf den Elektriker, denn seine Steckdose hat einen Wackelkontakt. Da dieser auf sich warten lässt, vertreibt er sich die Zeit mit einem Buch, das von einem abtrünnigen Mafioso handelt, der in ein Zeuschutzprogramm aufgenommen wird.
Elio sitzt in Italien im Knast und hat seine Kumpanen an die Polizei verkauft. Da er nachts lieber wach bleibt, liest auch er ein Buch. Es handelt von Franz Escher, der auf den Elektriker wartet.
In diesen beiden Ebenen spielt der Roman - und spielen trifft es hier am besten. Den Namen Escher hat Haas nicht von Ungefähr gewählt, denn wie bei den Bildern des Künstlers entsteht ein Vexierspiel dem man nur zu gerne folgt. Die Ebenen wechseln mitunter in atemberaubendem Tempo, wobei man an keiner Stelle orientierungslos in der Geschichte herum stolpert. Man weiß immer, wo man sich gerade befindet.
Die Ebenen nähern sich immer mehr an, bis sie letztlich auf ein temporeiches Finale zusteuern. Dass dieses Finale nicht wirklich realistisch und logisch ist - geschenkt! Dafür macht dieses Buch viel zu viel Spaß, um sich darüber den Kopf zu zerbrechen.
Der Schreibstil gefällt mir ausgesprochen gut. Eingängig und mit einer guten Portion Humor. Überhaupt zeugt das ganze Konzept dieses literarischen Meisterstücks von reichlich Sinn für Humor.
Für mich definitiv ein echtes Highlight!

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Veröffentlicht am 22.08.2024

Es war mir ein Vergnügen

Pi mal Daumen
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Oscar ist ein mathematischer Überflieger und sitzt bereits mit 16 im Hörsaal der mathematischen Fakultät. Er erzählt den Lesenden, wie er Moni kennen und schätzen lernte, die sich mit über 50 ihren lang ...

Oscar ist ein mathematischer Überflieger und sitzt bereits mit 16 im Hörsaal der mathematischen Fakultät. Er erzählt den Lesenden, wie er Moni kennen und schätzen lernte, die sich mit über 50 ihren lang gehegten Herzenswunsch erfüllen und Mathematik studieren möchte. Was sich erst einmal ganz einfach liest, erweist sich als wahre Herausforderung, denn unterschiedlicher können 2 Menschen kaum sein. Während Oscar zumindest eine milde Form des Asperger-Syndroms kennzeichnet, steht Moni ihre Frau und kümmert sich nicht nur um ihre vom Leben überforderte Tochter, sondern kümmert sich nebenbei auch immer wieder um ihre 3 Enkel und ihren Lebensabschnittsgefährten, der eher eine zusätzliche Belastung statt Entlastung darstellt. Sie hat mehrere Nebenjobs und eigentlich kaum Zeit für ein Studium, das sie vor ihrer Familie geheim hält.
Obendrein ist sie recht auffallend gekleidet und eher extrovertiert, weshalb sie für Oscar wie ein kleines Wunder daher kommt. Und nicht gerade ein wunderbares Wunder, sondern eher ein wunderliches. Es wird einiges passieren, ehe die beiden in Freundschaft zueinander finden.

Pi mal Daumen ist das bisher dritte Buch, das ich von Alina Bronsky gelesen habe und es gefiel mir ausgezeichnet! Gerade durch die etwas skurrilen Figuren entwickelt sich ein sehr humorvoller Ton. Dass Oscar die Geschichte erzählt ist m. E. besonders gelungen, denn so erfährt man, wie verwirrend soziale Kontakte für Menschen mit Asperger-Autismus sein können.
Definitiv gibt es auch Einblicke in dieses schwierige Studienfach, wobei es nicht erheblich ist, ob man diese Passagen nachvollziehen kann oder nicht. Man muss also kein Mathematiker sein, um dem Buch folgen zu können. Worauf es eher ankommt ist die Entwicklung, die beide Protagonisten durchmachen, wenn sie sich einander immer mehr annähern und schätzen lernen. Manche klischeehaften Vorurteile - die aus Oscars Sicht ja durchaus erlaubt sein sollten, machen die Leserschaft darauf aufmerksam, dass Vorurteile oft den Blick trüben und verstellen.
Mir gefiel jedenfalls das eigenwillige Spiel der Mitwirkenden und ausnahmslos alle Charaktere sind wirklich gut angelegt und erwachten in meiner Vorstellung zum Leben. So muss Literatur sein, die Spaß beim lesen macht!

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Veröffentlicht am 21.08.2024

Frauen-Dystopie

Vox
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Wie sieht eine Gesellschaft aus, in der eine große Gruppe nichts mehr sagen darf? Wie fühlt ein Mensch sich, der seine Stimme nur für 100 Wörter am Tag klingen lassen darf?
Christina Dalcher gelingt es ...

Wie sieht eine Gesellschaft aus, in der eine große Gruppe nichts mehr sagen darf? Wie fühlt ein Mensch sich, der seine Stimme nur für 100 Wörter am Tag klingen lassen darf?
Christina Dalcher gelingt es in ihrem utopischen Roman ganz hervorragend, dieses erschreckende Szenario darzustellen. Ganz eindeutig ein dystopischer Roman, zumindest aus Frauensicht, denn um die Unterdrückung aller Frauen in Amerika geht es in diesem Buch, das allenfalls wenige Jahre in der Zukunft spielt, wenn überhaupt.

Die neue amerikanische Regierung beschließt, dass Frauen wieder die Rolle einzunehmen haben, die ihnen von Natur aus - und erst recht aus Sicht religiöser Fanatiker die in der Regierung vornehmlich vertreten sind - zusteht: Den Mann als Herrn betrachten und sich ausschließlich um Familie und Heim kümmern. Keine darf mehr berufstätig sein und sämtliche akademischen Titel werden ihnen aberkannt. Der grausamste Schritt ist jedoch die Limitierung ihrer Sprache, denn sie dürfen lediglich 100 Wörter am Tag sprechen. Um das zu kontrollieren trägt jedes weibliche Wesen einen Wortzähler am Handgelenk (nein... ich werde sie nicht Armband nennen), der ihnen notfalls schmerzhaft zu verstehen gibt, wenn sie über diese Erlaubnis hinaus gesprochen haben. Jean ist 4fache Mutter und war Wissenschaftlerin. Sie leidet stark unter dieser Entrechtung, zumal sie u. a. eine kleine Tochter hat.

Schnell entwickelt sich ein sehr bedrückendes Klima in dieser Geschichte. Es packt einen das Grauen und zugleich auch Unverständnis, dass der männliche Teil der Bevölkerung so still bleibt und dies alles geschehen lässt, bis es zu spät ist, einfach die Uhr zurück zu drehen. Schließlich ist ein großer Teil der Männer verheiratet, hat Töchter und jeder hat eine Mutter.
Alles erinnert mich unweigerlich an die Machtübernahme der Nazis in den 30er Jahren. Auch da begann alles langsam und allmählich und als das Feindbild erkannt und die Hemmungen erst einmal gefallen waren, empfand der größte Teil der Bevölkerung sämtliche rassistischen Übergriffe und Einschränkungen nahezu als normal oder sogar begründet.
Der Roman entwickelt sich immer mehr zu einem packenden Gesellschafts-Thriller, der langsam aber stetig Fahrt aufnimmt. Mich hat er von der ersten Seite an mitgenommen und mitgerissen. Der Schreibstil ist hervorragend zu lesen und ich hoffe, dass von dieser Autorin noch viele Romane erscheinen werden. Ich bin überhaupt keine SiFi-Leserin und erst recht keine von Dystopien - dieses Buch jedoch hat mich absolut überzeugt!

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Veröffentlicht am 21.08.2024

Was für ein toller Roman!

Eine ganz dumme Idee
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...und was für verrückte Verwicklungen...

Der 30. Dezember - ein Bankräuber flüchtet nach missglücktem Banküberfall ausgerechnet in eine gegenüber liegende Wohnung, in der gerade eine Wohnungsbesichtigung ...

...und was für verrückte Verwicklungen...

Der 30. Dezember - ein Bankräuber flüchtet nach missglücktem Banküberfall ausgerechnet in eine gegenüber liegende Wohnung, in der gerade eine Wohnungsbesichtigung stattfindet. Es entsteht eine nahezu haarsträubende Geschichte um den wohl miesesten Bankräuber, aber auch die miesesten Geiseln aller Zeiten.
Wie soll man dieses Buch beschreiben, ohne zu viel vom Inhalt preiszugeben? Der Einstieg ist schon etwas verwirrend, Wie Backman selbst schreibt, geht es in diesem Roman hauptsächlich um Idioten - was ich nach der Lektüre nicht unbedingt unterschreiben möchte.
Definitiv geht es nicht um irgendeine Kriminalgeschichte - sie bildet lediglich eine Art Rahmen, in dem sich sämtliche Protagonisten bewegen. Und derer gibt es eine ganze Menge: 2 Paare, eine alleinstehende und eine ältere Dame, die sich neben der Maklerin an der Wohnungsbesichtigung beteiligen, 2 überforderte Polizisten, eine ebenfalls überforderte Psychologin sowie eben den miesen Bankräuber. Nicht zu vergessen: das Kaninchen...

Obwohl der Einstieg zunächst zusammenhanglos erscheint, fügt sich im Laufe der Story Eins zum Anderen und man ahnt immer wieder kurz, wie alles miteinander verwoben ist. Um durchaus später erneut überrascht zu werden, weil es dann doch nicht ganz so war, wie man 50 Seiten zuvor noch dachte. Teilweise klären Rückblicke die Sicht aufs Geschehen, wenngleich sie einen manchmal auch in die Irre führen (sollen).
Backmans Schreibstil sprüht vor Humor. Ich habe wirklich oft lachen müssen - vor allem manche Dialoge und die Verhöre sind einfach grandios und ich hoffe stark auf eine Verfilmung. Trotzdem schafft er wieder einmal den Spagat zwischen gehobener Albernheit und nötiger Ernsthaftigkeit. Und damit ist dieses Buch reich gesegnet! Nie mit erhobenem Zeigefinger, aber dennoch teilweise erschütternd. Schon bei Ove ist ihm dies trefflich gelungen und er bleibt sich diesbezüglich treu.
Außergewöhnlich finde ich bei Backmans Büchern, dass sie nie bei mir den Wunsch wecken, mich in irgendwelche Protagonisten einzufühlen. Und das ist auch besser so! Stattdessen erreichen sie stets, dass sich starkes Mitgefühl und Verständnis für auch noch so unsympathisch erscheinende Figuren in mir entwickeln. Und manchmal überrollt mich beides gnadenlos an den unvorhersehbarsten Stellen, sodass ich das ein oder andere Mal tatsächlich ein Tränchen verdrücken muss.
Fazit: Was soll ich sagen... Sich drauf einlassen und lesen!

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