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silvery

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.11.2017

Zauberhaft

Herrn Haiduks Laden der Wünsche
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Eine wunderschöne Idee: eine scheue, junge Frau findet die Quittung eines Lottoscheins, die mehrere Millionen Euro wert ist. Doch sie möchte den Gewinn nicht selber einlösen, sondern den rechtmäßigen Gewinner ...

Eine wunderschöne Idee: eine scheue, junge Frau findet die Quittung eines Lottoscheins, die mehrere Millionen Euro wert ist. Doch sie möchte den Gewinn nicht selber einlösen, sondern den rechtmäßigen Gewinner ausfindig machen. Dabei geht sie ziemlich naiv vor und verlässt sich darauf, dass sie jemanden, der sie belügt, sofort erkennen kann. Und gleichzeitig macht sie sich viele Gedanken darüber, ob der wirkliche Gewinner einen so hohen Gewinn überhaupt vertragen könnte.

Das Buch spielt in Herrn Haiduks Laden. Er erzählt seine Geschichte dem Schriftsteller, der zufällig in den Laden kommt. Dieser ist zunächst skeptisch, kann sich dem Bann der Geschichte und vor allem auch der Faszination zu Alma aber nicht entziehen.

Ich finde die Idee besonders. Und auch die Charaktere sind ziemlich speziell. Herr Haiduk, der nette Kioskbesitzer, der Alma unbedingt dabei helfen möchte, den Gewinner zu finden. Der skeptische Schriftsteller, der sich dem Zauber der Geschichte nicht entziehen kann und zum Schluss noch eine ganz besondere Rolle spielt. Und natürlich Alma, die scheue junge Frau, die jeden Tag im Kiosk auftaucht, um Zeitschriften durchzublättern und Kaugummis zu kaufen, die aber kein Wort spricht und von der niemand so wirklich weiß, was sie überhaupt macht. Dabei treten noch allerlei teils verrückte Nebencharaktere auf, die sich alle als rechtmäßigen Gewinner des Lottogewinns sehen und alles dafür tun möchten, um sich den Gewinn zu sichern.

Im Laufe des Buchs taut Alma auf. Sie muss Gespräche mit den Menschen führen, um rauszufinden, wer der wahre Verlierer der Lottoquittung ist. Dadurch verändert sie nicht nur sich selber, durch ihre seltsame, erfrischende Art verändern sich auch die anderen. Sie werden angeregt, über ihr Leben nachzudenken und darüber, was ihnen wirklich wichtig ist.

Das Buch ist wirklich zauberhaft. Auch wenn Alma und Herr Haiduk etwas naiv wirken, als Leser taucht man in diese Welt ein, die ein wenig besser zu sein scheint als die Realität. So hat mir das Buch ein paar schöne Stunden Lesezeit beschert. Auch wenn ich von dem Ende ein wenig enttäuscht war. Doch letztendlich passt dieses Ende zu dem Buch, so dass ich davon gar nicht allzu enttäuscht sein kann, denn es ergibt einfach Sinn.
Ich finde, dieses Buch ist das Richtige für einen dunklen, kalten Herbstabend, um sich für ein paar Stunden in die Welt von Herrn Haiduk zu träumen.

Veröffentlicht am 18.08.2017

Der Traum vom Swing

Swing Time
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Auf "Swing Time" bin ich schon alleine durch das farbenkräftige Cover und Titel aufmerksam geworden. Ich mag es, wenn ein Buch anstatt eines aufwändigen Covers alleine durch Farbe und Wahl des Titels heraussticht. ...

Auf "Swing Time" bin ich schon alleine durch das farbenkräftige Cover und Titel aufmerksam geworden. Ich mag es, wenn ein Buch anstatt eines aufwändigen Covers alleine durch Farbe und Wahl des Titels heraussticht. Das weckt mein Interesse und so war es auch hier.

Zwei Mädchen, die aus ähnlichen Verhältnissen kommen, lernen sich beim Tanzunterricht kennen und werden Freundinnen. Der Traum selber einmal eine berühmte Tänzerin zu werden, verbindet die beiden zunächst, doch nur eine der beiden wird es später schaffen. Die beiden einmal so eng befreundeten Mädchen leben sich auseinander, der Kontakt bricht ab, doch aus den Gedanken der jeweils anderen können sie sich niemals ganz löschen.

Das Buch begleitet beide Mädchen durch ihre Kindheit bishin ins Erwachsenenalter. Mir gefällt es sehr, wie Zadie Smith die Entwicklung der beiden Charaktere so bildhaft in treffenden, kurzen Szenen darstellt. Es fühlt sich an, als würde man als Leser wirklich am Leben der Protagonistin teilhaben, und das über Jahre hinweg.

Die (meist weiblichen) Charaktere sind interessant, einzigartig und tiefgründig. Jede hat ihre eigene Geschichte, die sie zu dem Menschen gemacht hat, die sie heute ist. Das ist interessant nachzuvollziehen und spannend, wenn die Charaktere, die teils extrem unterschiedlich sind, aufeinander treffen und lernen müssen, miteinander zurecht zu kommen. Der Autorin gelingt es wirklich gut, die Charaktere vor dem inneren Auge lebendig zu machen.

Insgesamt ein sehr interessantes Buch, das durch tiefgründige Charaktere besticht und gesellschaftskritische Fragen aufwirft. Im Hintergrund steht immer die besondere Beziehung der beiden Mädchen, die trotz der unterschiedlich eingeschlagenen Lebenswege doch immer bestehen bleibt.

Veröffentlicht am 04.06.2017

Sehr unterhaltsam geschrieben

So, und jetzt kommst du
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Familie Frank hat das große Geld gemacht. Jedenfalls wird das so den Kindern gesagt, als sie Hals über Kopf mitten in der Nacht nach Südfrankreich zu ihrem "neuen Leben" aufbrechen. Angeblich ...

Familie Frank hat das große Geld gemacht. Jedenfalls wird das so den Kindern gesagt, als sie Hals über Kopf mitten in der Nacht nach Südfrankreich zu ihrem "neuen Leben" aufbrechen. Angeblich steinreich braucht der Vater nicht mehr zu arbeiten, die Familie lebt in Luxus und die Kinder sind glücklich. Doch schon bald müssen sie wieder weiterziehen und weiter und weiter und besitzen bald nicht mehr als das, was sie am eigenen Körper tragen. Die Wahrheit wird vor den Kindern so lange geheim gehalten bis es nicht mehr geht.

Ich finde das Buch hervorragend geschrieben. Mir hat dieser unterschwellige Humor, der sich durch das gesamte Buch zieht, sehr gut gefallen. Die Lektüre war daher sehr unterhaltsam, auch wenn es im Buch selber gerade nicht lustig zuging.

Was ich auch sehr gut gelungen fand, ist die Charakterentwicklung, besonders vom Jungen. Als Leser lernen wir ihn schon sehr jung kennen. Im Laufe des Buches wächst er heran und wird zum Teenager. Da aus seiner Sichtweise geschrieben wird, weiß der Leser immer nur so viel, wie der Junge mitbekommt und verstehen kann. Er ist ein sehr guter Beobachter und so versteht der Leser oft mehr als der kleine Junge, der beschreibt und Dinge noch nicht richtig einzuordnen weiß. Doch während er heranwächst, ändert sich auch der Schreibstil passend dazu und wird erwachsener. Er vertraut nicht mehr blind seinen Eltern, sondern beginnt Zusammenhänge zu erkennen und seine eigenen Schlüsse zu ziehen bis er sich schließlich sogar gegen seine Eltern stellt.

Die Charaktere sind überhaupt durchgehend gut entwickelt mit vielen Facetten und Eigenheiten, die auch konsequent durchgezogen werden. Ich habe selten ein Buch gelesen, bei dem ich alle Charaktere so klar vor Augen sehen konnte wie hier.

Einen Punkt muss ich leider abziehen, da die Handlung im Mittelteil teilweise etwas langatmig wurde. Doch das war wirklich nur stellenweise und dank des ausgeprägten Humors, der immer wieder eingeflochten wird, war das auch kein großer Störfaktor.

Mir hat das Buch insgesamt sehr gut gefallen. Es war eine amüsante Lektüre mit sehr interessanten Charakteren. Ich würde es definitiv weiterempfehlen.

Veröffentlicht am 27.05.2017

Ungeahnte Entwicklungen

Die Zeit der Ruhelosen
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"Die Zeit der Ruhelosen" wird aus drei Perspektiven geschrieben: der Offizier Romain Roller, der gerade zutiefst traumatisiert aus Afghanistan zurückgekommen ist, der erfolgreiche Unternehmer ...

"Die Zeit der Ruhelosen" wird aus drei Perspektiven geschrieben: der Offizier Romain Roller, der gerade zutiefst traumatisiert aus Afghanistan zurückgekommen ist, der erfolgreiche Unternehmer Francois Vely, dessen gesamtes Leben durch einen Faux-Pas vor dem Aus steht und Osman Diboula, der sich aus dem Pariser Problemviertel Banlieue hochgearbeitet hat und mittlerweile zum engsten Stab um den Präsidenten gehört. Doch auch seine Karriere ist gefährdet.
Jede dieser drei Figuren hat eine Vergangenheit, die sie stark geprägt hat. Und jede dieser Figuren muss sich nun durch Schicksalsschläge oder eigenem Unvermögen zurück in die Gesellschaft kämpfen und ihren Platz behaupten.

Mir hat das Buch sehr gut gefallen, da ich die Charaktere gut ausgearbeitet fand und sie mir auch alle in ihrer eigenen Art und Weise sympathisch waren, so dass ich wirklich mit ihnen mitleiden konnte. Es war interessant zu sehen, wie sich die Geschichten der drei sich anfangs völlig fremden Charaktere im Laufe der Zeit immer weiter ineinander verwoben haben. Die Charaktere haben eine Entwicklung durchgemacht, die nachvollziehbar, aber dennoch nicht von Anfang an zu erwarten war. Diese Entwicklung erklärt auch die Länge des Buches. Für Leser, die viel Spannung und Handlung in einem Buch erwarten, könnten manche Passagen vielleicht langatmig sein, doch mir kam es nicht so vor, da mich so vielschichtige Charaktere, die sich stetig weiter entwickeln, interessieren.

Ich würde das Buch auf jeden Fall weiter empfehlen, aber nur an Leser, denen auch die Charaktere und nicht nur die Spannung in einem Buch wichtig sind.

Veröffentlicht am 15.05.2017

Einfühlsam und doch humorvoll

Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster
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Anhand des Klappentextes hätte ich erwartet, dass dies ein Buch ist, in dem der Tod im Mittelpunkt steht. Fred Wiener hat erst vor kurzem seine Ausbildung zum ehrenamtlichen Sterbebegleiter abgeschlossen ...

Anhand des Klappentextes hätte ich erwartet, dass dies ein Buch ist, in dem der Tod im Mittelpunkt steht. Fred Wiener hat erst vor kurzem seine Ausbildung zum ehrenamtlichen Sterbebegleiter abgeschlossen und wird nun mit seinem ersten Fall beauftragt: Karla. Sie hat nur noch wenige Monate zu leben und möchte diese nicht in einem Krankenhaus verbringen. Sie ist sich selber unsicher, ob sie einen Sterbebegleiter überhaupt braucht und verhält sich daher Fred Wiener auch erst mal distanziert. Ich kann mir vorstellen, dass diese Beziehung zwischen den beiden ziemlich realistisch geschrieben ist.

Doch eigentlich steht Karla nicht im Mittelpunkt des Buches. Es ist Fred und seine Beziehung zu seinem Sohn Phil, die durch diesen intensiven Lebensabschnitt, den sie gemeinsam durchleben, wieder mehr zusammenwächst. Durch seinen Job, den Phil bei Karla übernimmt, nämlich die Archivierung ihrer riesigen Fotosammlung, bekommt er zum ersten Mal einen Eindruck darüber, was es bedeutet, Verantwortung zu übernehmen. Nicht nur für die Ausübung des Jobs, sondern auch für Karla, zu der er ein inniges Verhältnis aufbaut. Und man kann sehen, wie gut ihm das tut und wie er an dieser Erfahrung wächst.

Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Es ist sehr gefühlvoll geschrieben und doch möchte man an einigen Stellen loslachen aufgrund Karlas schrägen Sinn für Humor oder Freds zeitweise hilfloser tollpatschiger Art. Ich finde, der Autor hat hier eine sehr gute Mischung gefunden. Es wirkt alles sehr realistisch, ist nicht überzogen oder überdramatisch.

Einen Stern muss ich leider abziehen, weil ich das Buch insgesamt nicht ganz rund fand. Es wurden ein paar Sachen aus Karlas Leben aufgeworfen, die nicht wirklich zu Ende erzählt wurden. Über manche Dinge hätte ich gerne noch mehr erfahren. Doch wahrscheinlich hätte dies auch nicht anders zu Karla gepasst.

Insgesamt ist es ein sehr schönes, gefühlvolles Buch, das ich auf jeden Fall weiterempfehlen würde.