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Veröffentlicht am 27.03.2018

über Menschen und ihre Gefühle - Gern zu empfehlen

Mein Herz ist eine Insel
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Während der vorherige Roman von Anne Sanders in Südengland, im wunderbaren St. Ives spielt, hat sich die Autorin im vorliegenden Roman in die unwirtlichen Gefilde Schottlands gewagt. Dafür hat sie sich ...

Während der vorherige Roman von Anne Sanders in Südengland, im wunderbaren St. Ives spielt, hat sich die Autorin im vorliegenden Roman in die unwirtlichen Gefilde Schottlands gewagt. Dafür hat sie sich die fiktive Insel Bailevar geschaffen, die viel von den Mythen, dem Aussehen und dem wilden Klima der realen Landschaft in sich vereint.

Isla stammt von der Insel Bailevar, sie ist hier aufgewachsen. Doch auf dem Weg zum Erwachsenwerden wurde ihr die Insel zu eng. Sie hatte das Gefühl, keine Luft zu bekommen. Besonders dann, wenn sie sich ihrer Heimatinsel an Jemanden fest bindet. Sie befürchtet, nie mehr von ihr fortzukommen, wenn sie es nicht sofort tun würde. Nun, einige Jahre später, kehrt sie in ihre Heimat zurück. Ihr Lebensgefährte hat sie betrogen und verlassen. Sie flieht erneut. Diesmal aus der Großstadt auf eine einsame, raue Insel, die mal ihre Heimat war. Doch hier werden alte Wunden aufgerissen. Das Verhältnis zu ihrem Vater, der ihr den Weggang damals immer noch übelnimmt, ist nicht besonders gut. Finn, ihr Spielgefährte und Freund aus Kindheit und Jugendzeit, ist nicht gerade über ihre Rückkehr erfreut und will ihr aus dem Weg gehen.

Anne Sanders hat erneut einen Roman über Menschen geschaffen. Die Figuren stehen in vorderster Linie, sind umfangreich, bildhaft und in vielen Details spürbar und erlebbar.

Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht der beiden Protagonisten Isla und Finn in abwechselnden Kapiteln. Eine weitere Ebene kommt mit der Sage um Eilean O'Sheen hinzu, in der symbolisch genau das passiert, was gegenwärtig auf der Insel vor sich geht. Auf den ersten Seiten war der Wechsel der beiden Ich-Erzähler etwas schwierig für mich, obwohl die Kapitel mit deren Namen überschrieben waren. Diesen Perspektivwechsel nachzuvollziehen war mühsam. Doch nach wenigen Seiten gewöhnte ich mich daran und es wurde immer problemloser, im Kopf umzuswitchen. Mit der Zeit lernt man, wer hinter dem jeweiligen „ich" steckt und gerade denkt. Die Überschriften scheint man nicht mehr zu benötigen.

Ein hinreißender Roman über Menschen und ihre Gefühle, über das Zusammenleben in einer Gemeinschaft, über eine Region die rau und unwirtlich erscheint. Gern zu empfehlen.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2018

Veröffentlicht am 13.03.2018

Ein Skandinavien-Krimi aus deutscher Feder.

Kalte Sonne
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Es ist Herbst. Über Jütland fliegen gigantische Vogelschwärme Richtung Süden. Die fünfjährige Emma macht ihre Mutter darauf aufmerksam, dass sie im Fernsehen ihren Vater gesehen hat. Maja ist erschrocken. ...

Es ist Herbst. Über Jütland fliegen gigantische Vogelschwärme Richtung Süden. Die fünfjährige Emma macht ihre Mutter darauf aufmerksam, dass sie im Fernsehen ihren Vater gesehen hat. Maja ist erschrocken. Das kann nicht möglich sein. Als Emma geboren wurde, war deren Vater längst tot und unter der Erde. Sie kennt ihren Vater nicht persönlich, höchstens von den Fotos auf der Vitrine. Es lässt Maja nicht zur Ruhe kommen. Ihre Tochter scheint sogar von dem Mann im Fernsehen, der wie ihr Vater aussieht, zu träumen. Maja stellt ihren Freunden und Bekannten Fragen. Nahezu alle beschwichtigen sie. Doch es passieren Dinge in ihrem Umfeld, die nicht passiert wären, wenn sie nicht in der Vergangenheit rumwühlen würde.

Eine ist ein spannender Psychothriller, den Sven Koch nun vorgelegt hat. Er erinnerte mich sofort an die Romane „Schwesterherz" und „Bruderlüge" von Kristina Ohlsson. Das Ende hätte allerdings noch spektakulärer ausfallen können als es ohnehin schon ist.

Das alljährlich stattfindende Schauspiel der Vogelschwärme ist mit viel Details und Kenntnis dargestellt und bietet dem Leser ein bildhaftes Erleben. Die Figur der 35-Jährigen Maja ist sehr gut herausgearbeitet, ihre Kindheit, ihre Denkweise, ihre Nöte und Sorgen sind durchaus verständlich und nachvollziehbar. Die Spannung dreht sich zunächst darum, ob es sich bei dem Mann im TV um Mayas Mann handelt, der vor einigen Jahren aus dem Meer gefischt worden war. Danach geht es um den weiteren Verlauf, wobei diese Ebene bereits als Strang von Anbeginn des Romans in einzelnen Kapiteln vorbereitet worden war. Es gibt Leute, die nicht wollen dass Maja etwas herausfindet. Der Leser erfährt deren Sicht auf die Dinge, ohne gleich zu wissen, wie alles zusammenhängt.
Das ist gut gemachte Spannung. Lesern kann ich diesen Thriller ohne schlechtes Gewissen empfehlen.


© Detlef Knut, Düsseldorf 2018

Veröffentlicht am 04.02.2018

Liebhaber von Stephen King aufgepasst!

Totenrache
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Liebhaber von Stephen King werden sich bestimmt auch mit den Romanen von Amanda Stevens anfreunden können. Paranormale Ereignisse, wie sie aus Serien wie „X-Akten" oder „Supernatural" bekannt sind, bilden ...

Liebhaber von Stephen King werden sich bestimmt auch mit den Romanen von Amanda Stevens anfreunden können. Paranormale Ereignisse, wie sie aus Serien wie „X-Akten" oder „Supernatural" bekannt sind, bilden das Fundament ihrer Roman. So auch der hier vorgestellte.

Die Friedhofsrestauratorin Amelia Gray lebt in Charleston und besitzt eine besondere Gabe: Sie kann Geister sehen. An ihrer Seite ist Detective John Devlin. (Warum denke ich bei Devlin sofort an Devil?) Im Haus findet Amelia ein Stereoskop, durch welches Stereofotos in 3D betrachtet werden können. Es ist ein uraltes Teil. Sie kann sich nicht erklären, wie dieses Gerät in ihr Haus gekommen ist, macht sich auf den Weg in einen Kuriositätenladen, um mehr darüber zu erfahren. In dem Laden ist sie offenbar bei dem Chef an der richtigen Stelle. Ihre Recherchen führen Sie auf einen verlassenen Friedhof, sie erfährt von Rose Gray, die schon viele Jahre tot ist. Amelia glaubt nicht, dass sie etwas mit Rose zu tun hat. Nachnamen sind durchaus mehrfach vertreten, ohne verwandtschaftlich verbunden sein zu müssen. Wenn da nicht der Umstand wäre, dass Amelia mit ihrem zweiten Vornamen auch Rose heißt. Außerdem ist sie der Rose von damals wie aus dem Gesicht geschnitten. Wie eine Zwillingsschwester sieht sie nach Meinung der Bekannten aus.

Stevens macht hat einen spannenden Mysterie-Roman geschrieben. Mit sommerlichen Temperaturen liest man sich durch South Carolina, eine besondere Atmosphäre des amerikanischen Hinterlandes umfängt den Leser. Die Recherche zunächst um das Stereoskop, dann um Rose, später um die Familienverhältnisse und das eigenartige Geschehen in der Vergangenheit führt von einem Spannungspunkt zum nächsten.

Kritikpunkte gibt es dennoch, die den Spaß mindern: Mehr als in anderen Büchern ist dieses mit Tippfehlern gepflastert. Fehlende oder zu viele Buchstaben oder Wörter sind an der Tagesordnung. Und die Übersetzerin und/oder Lektorin müssen noch viel über Verwandtschaftsverhältnisse lernen. Denn bei Sätzen wie »Sie war Papas Mutter. Meine Urgroßmutter.« oder »„Sie wird Calebs Enkelin sein" – „Sie kannten Papa?"« frag ich mich, wo denn die Großmutter geblieben ist. Dies ist störend, weil man als Leser das Gefühl bekommt, etwas überlesen zu haben. Man recherchiert, liest erneut und wird einfach nur aufgehalten.

Veröffentlicht am 18.01.2018

solide gemachter, kurzweiliger Ratekrimi

Hohes Tier
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Bei dem auf Rügen spielenden Kriminalromanen geht es um Tierliebe und Tierleid, wobei Leichen in vielfältiger Form eine Rolle spielen.

Seit einem Jahr erhöht sich die Anzahl an Katzen auf dem Anwesen ...

Bei dem auf Rügen spielenden Kriminalromanen geht es um Tierliebe und Tierleid, wobei Leichen in vielfältiger Form eine Rolle spielen.

Seit einem Jahr erhöht sich die Anzahl an Katzen auf dem Anwesen von Segert drastisch. Kein Mensch im Dorf weiß, warum es bei dem Kochbuch schreibenden Ex-Landwirtschaftsminister zu dieser extremen Katzenliebe gekommen ist. Sein Nachbar ist jedenfalls empört. Der betreibt eine Pension und hat sich stets Gäste aus dem ganzen Deutschland. Doch nicht nur die beschweren sich über den bestialischen Gestank, den die unzähligen Katzen auf dem Nachbargrundstück machen. Pensionsinhaber Rabe macht Anzeige bei der Polizei wegen Tierquälerei. Die reist zu einer Razzia mit einigen Kollegen aus dem Tierheim und von einer Tierschutzorganisation an. Doch bei der Jagd nach den Katzen stoßen sie auf eine weibliche Leiche im Garten Segerts. Sie ist dort unter einer Plane versteckt. Segert wird in Untersuchungshaft genommen.

Quint hat sich an ein teils mit Tabu behandeltes Thema herangewagt und dafür eine interessantes Ensemble an Figuren geschaffen. Die bereits im Untertitel des Romans genannte Lilo Gondorf ist die Hauptermittlerin, Ex-Kommissarin, jetzige Pensionswirtin. An ihrer Seite ein guter Freund, Oskar. Und damit sie immer mal schnell an Informationen gelangt, die es eigentlich nur polizeiintern gibt, hat sie eine Tochter, Vanessa, die ebenfalls bei der Kripo arbeitet. Das sorgt aber auch immer wieder für Zündstoff innerhalb der Familie. Ansonsten wird urgemütlich miteinander umgegangen. Die Mecklenburger erscheinen gar nicht spröde, sondern liebenswert und besuchenswert. Obwohl nicht alles Gold ist, was da glänzt.

An manchen Stellen hätte ich mir eine Straffung gewünscht. Quint erzählt gerne Nebensächliches, was nicht auf eine falsche Fährte führt und deshalb auch nicht die Handlung vorantreibt. Dennoch ist der Roman ein solide gemachter, kurzweiliger Ratekrimi, der unterhaltsam eine Region im Nordosten Deutschlands einbezieht.


© Detlef Knut, Düsseldorf 2018

Veröffentlicht am 01.12.2017

tief in das damalige Geschehen eintauchen

Der Thron der Wölfe
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Der zweite Band der großen Irland-Saga von Kiera Brennan (Der erste Band „Die Herren der grünen Insel" gelangte Anfang 2016 in den Handel.) ist erschienen. Ähnlich umfangreich und mit vielen historischen ...

Der zweite Band der großen Irland-Saga von Kiera Brennan (Der erste Band „Die Herren der grünen Insel" gelangte Anfang 2016 in den Handel.) ist erschienen. Ähnlich umfangreich und mit vielen historischen Details bestückt. Thema des Romans sind die Machtkämpfe in und um Irland im 12. Jahrhundert.

Begonnen wird mit einer Szene, bei der der kleine John „Ohneland", vierter Sohn des englischen Königs Henry, einer Folterung beiwohnen muss, um kennenzulernen, was Härte ist. Erst später erfährt er, dass der Gefolterte, Amaury de Saint-Turin, gar keinen Schmerz spürt und ihm diesen der Wirkung wegen nur vorgespielt hat.

Wie auch im ersten Band sind die Kapitel nach den Figuren benannt, um die es sich in dem jeweiligen Kapitel dreht. So folgen insbesondere nach dem ersten Kapitel viele Szenen, die der Leser zunächst nicht in Zusammenhang bringen kann, ähnlich den Parallelsträngen in Romanen. Es werden viele Figuren und ihre Ansichten zum Leben in Irland und zur Freiheit und Macht auf dieser grünen Insel bildreich dargestellt. Doch dann platzt bald der Knoten und man weiß, wer mit wem verwandt ist, warum sie verfeindet sind, warum sie andere Namen als im ersten Band tragen. Die Figuren sind sehr vielschichtig herausgearbeitet. Neben den liebenswerten und hassenswerten gibt es viele dazwischen, die zwar Sympathie wecken, aber solche ekelhafte Taten begehen, dass sie dem Leser zuwider werden. Umgekehrt genauso: So mancher „Bösewicht" zeigt auch seine sanften Seiten. Das betrifft weibliche wie männliche Figuren gleichermaßen.

Besonders hilfreich und Indiz für umfangreiche Recherchen sind die detaillierten Abschnitte am Ende des Romans: die Figurenliste, die Zeitleiste und die historischen Anmerkungen. Sie unterstützen den Leseprozess, weil dort in komprimierter Form das Geschehen zum Ende des 12. Jahrhunderts übersichtlich ist.

Alles in allem ein spannender Roman, bei dem allerdings der lange Anfang zu überwältigen ist. Die Fülle an Handlungssträngen, die die Komplexität der Eroberung Irlands unterstreicht, lässt den Leser tief in das damalige Geschehen eintauchen.


© Detlef Knut, Düsseldorf 2017