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Veröffentlicht am 07.06.2024

Geliebte Wildnis

Wilde Blätter
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Einen gepflegten Garten hat jeder gern – vor allem Erwachsene. So ist es auch in der Familie Picobello. Der Gärtner muss jede Pflanze bis ins kleinste Detail akkurat und präzise schneiden und halten. Doch ...

Einen gepflegten Garten hat jeder gern – vor allem Erwachsene. So ist es auch in der Familie Picobello. Der Gärtner muss jede Pflanze bis ins kleinste Detail akkurat und präzise schneiden und halten. Doch eines Tages kündigt er entnervt. Was nun?

Dieses Bilderbuch erzählt eine kuriose und witzige Geschichte über eine Familie, die zwar die Natur liebte, aber nur in akkurat nach ihren Wünschen geregelter Form in ihrem Garten. Als der Gärtner kündigt, beginnen alle Pflanzen unkontrolliert zu wachsen, denn die Familie selber ist im Gärtnern sehr unerfahren. Die Pflanzen wachsen infolge dessen sogar in ihr Haus hinein und „umschlingen und verschlingen“ alles. Hier geht die Geschichte ins Fantastische über. Die Familie fängt plötzlich an, alles loszulassen, sie lassen sich durch die Natur treiben und von ihr verzaubern.

Nach dieser traumhaften Sommer- und Urlaubszeit muss aber leider etwas geschehen …

Diese fantastische Geschichte der Autorin wird fabelhaft von ihren eigenen Illustrationen begleitet. Gras und Blätter sind stets in tiefem Grün gehalten und Blüten in bunten Farben, die Familie Picobello, ihr Gärtner und ihr Haus dagegen in schwarz, weiß und grau, bis auf ihre (sichtbaren) Körperteile. Dabei tragen sie noch Kleidung mit sehr akkuraten, schwarz-weißen Mustern, die sich auch im Boden des Hauses fortsetzen. Der Gegensatz ist so perfekt.

Selbst als die Natur überhandnimmt - die Menschen sind hier meist viel kleiner als die Blumen gezeichnet - und die Familie sie zu genießen beginnt, bleiben sie in dieser Aufmachung. So bleibt auch der Kontrast.

Das Buch hat ein auffälliges, in die Länge gezogenes Format, was es auch optisch und haptisch zu etwas Besonderem macht. Auch die Personen sind langgestreckt gezeichnet. Alle Bilder sind doppelseitig und nehmen sehr viel mehr Platz als der Text ein.

Sehr schön ist das versöhnliche Ende! Ein wirklich lustiges Pflanzen-Bilderbuch mit Liebe zur Natur!

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Veröffentlicht am 05.06.2024

Superkräfte - superspannend!

Tiere und ihre Superkräfte
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Ein Sachbuch über Tiere der ganz besonderen Art: Die Tiere werden nicht in den gewohnten Kategorien, wie z. B. Größe, Farbe, Gewicht, Lebensraum, etc. vorgestellt, sondern mit ihren „Superkräften“, wie ...

Ein Sachbuch über Tiere der ganz besonderen Art: Die Tiere werden nicht in den gewohnten Kategorien, wie z. B. Größe, Farbe, Gewicht, Lebensraum, etc. vorgestellt, sondern mit ihren „Superkräften“, wie z. B. Geruchssinn, Tastsinn, aber auch mit z. B. Teamgeist, Substanzen, Bisskraft.
Ein neuer Blick auf (bekannte) Tiere!

Nach dem Vorwort und dem Inhaltsverzeichnis, in dem man jedes Tier schon einmal in einem kleinen runden Bildausschnitt sehen kann, was sehr schön zum schnellen Auffinden des Lieblingstieres ist, werden auf einer Doppelseite die verschiedenen „Superkräfte“ der Tiere mit Symbol dargestellt, insgesamt neunzehn. Darunter stehen in kleiner Schrift noch die jeweiligen Tiere, die diese besondere Eigenschaft besitzen, so dass die Lesenden z. B. zum Thema „Super-Imitation“ sofort sehen können, dass der gemeine Krake, der Prachtleierschwanz, die Ringelnatter, der Nachtfalter und der Kugelfisch diese besitzen. Dies alles zusammen gibt einen guten Überblick über das Buch und hilft beim Nachschlagen, denn dies ist durchaus ein Buch, das man „durcheinander“ lesen kann.

In naturgetreuen Bildern mit kräftig-bunten, verschieden gemusterten Rahmungen wird jedes Tier von der Illustratorin auf dem rechten Teil einer Doppelseite dargestellt. Auf der linken steht dann der recht umfangreiche Text dazu: Der Name des Tieres als Überschrift am größten mit kurzem Vorstellungstext in kleinerer Schrift und dem lateinischen Namen, darunter links gehalten die „Superkräfte“ (zwei bis sieben, meist vier), rechts daneben in sehr kleiner Schrift die bekannten Angaben, wie Größe, Farbe, Nahrung, Verbreitung, etc.

Der Text soll für die fabelhaften Eigenschaften der Tiere begeistern. Schon in der kurzen Beschreibung unter der Überschrift werden die besonderen Beschaffenheiten der Tiere herausgehoben und mit kurzen Sätzen zusammengefasst, wie z. B. „Kein Tier ist so wagemutig wie er.“ (S. 12) oder „… machen ihn unbesiegbar.“ (S. 14). Die Besonderheiten der Tiere werden von der Illustratorin in den unterschiedlichen farbenfrohen Rahmungen in runden Vignetten als Symbol aufgegriffen. Ein Parfümflacon steht z. B. für den Geruchssinn, ein Mikrofon für Laute, usw. So kann die Leser*in die Superkräfte der Tiere auch gleich bildlich erfassen und ablesen. Text und Bild passen hier genau zusammen.

In einem gezackten, grauen Kreis mit weißer Schrift neben der Überschrift wird bei jedem Tier noch auf eine andere bemerkenswerte Besonderheit hingewiesen, beim Gepard z. B. darauf, dass er als Raubkatze weder brüllen noch auf Bäume klettern kann (S. 46).

Die Bilder des Buches sind ein wahrer Augenschmaus, aufgrund des umfangreichen Textes und der teilweise sehr kleinen Schrift ist es aber wohl erst für ältere Kinder (und Erwachsene) gut geeignet. Es eröffnet einen ganz neuen Blick auf die dargestellten Tiere und es macht Spaß sich über diese „Superkräfte“ zu informieren.

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Veröffentlicht am 04.06.2024

Historisch, spannend und intensiv

Der König und der Uhrmacher
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Der Autor legt hier mit seinem ersten historischen Roman eine sehr gut in die isländische und dänische Geschichte eingebettete und recherchierte Erzählung in zwei zeitlich und örtlich unterschiedlichen ...

Der Autor legt hier mit seinem ersten historischen Roman eine sehr gut in die isländische und dänische Geschichte eingebettete und recherchierte Erzählung in zwei zeitlich und örtlich unterschiedlichen Handlungssträngen vor. Der eine verläuft zurzeit König Christians VII. (1749 – 1808) in Kopenhagen im Schloss Christiansborg und der Stadt ab, der andere spielt einige Jahre zuvor auf Island in den Westfjorden.
Der isländische Uhrmacher Jón Sivertsen lebt seit seiner Lehre in Kopenhagen und betreibt dort ein Uhrmachergeschäft. Eines Tages bringt er eine für das Schloss reparierte Uhr zurück und geht auf dem Rückweg durch das Gebäude aus Neugierde in einen Lagerraum, in dem sich eine weltberühmte Uhr des Uhrmachermeisters Habrecht befinden soll, die aber schon lange nicht mehr läuft. Er findet sie und fängt an sie mit Duldung der Wachen zu reparieren.
Eines Tages entdeckt ihn König Christian VII. dabei und die beiden kommen vorsichtig ins Gespräch. Daraus entwickelt sich eine eher seltsam anmutende Art der Freundschaft, in deren Verlauf Jón dem König die Geschichte seines Vaters in den isländischen Westfjorden erzählt. Dieser wurde aufgrund eines Kuckuckskindes, das er als seines ausgegeben und angenommen hatte, wegen der dort damals herrschenden Gesetze zusammen mit seiner zweiten Frau hingerichtet, auf Geheiß des Vaters von König Christian VII. Auch der König erzählt Jón ein Stück seiner Geschichte.
Der Autor hat mich sofort durch seinen Schreibstil in seine Erzählung hineingezogen, obwohl alles sehr ruhig fließend ohne viel Action erzählt wird. Ich konnte nur schwer mit Lesen aufhören und wollte gerne wissen, wie es zu Jóns Vaters Zeiten in Island weitergeht, als auch mit der Uhr, dem Uhrmachermeister und dem König - was für eine traurige Gestalt!

Der Autor hat sich intensiv mit der Geschichte seines Heimatlandes zu dieser Zeit als auch der Dänemarks, das Island besetzt hielt, auseinandergesetzt. Die historischen Personen und Abläufe als auch die Uhr, die man heutzutage auf Schloss Rosenborg bewundern kann, sind sehr gut in die Erzählung um Jón herum eingepasst. Fast wirkt er selbst wie eine historische Figur dieser Epoche. Den isländischen Namen Jón Sigurdsson trug aber etliche Jahre später ein isländischer Politiker, Historiker und Philologe, der ein Vorkämpfer für die Selbstständigkeit Islands war. Vielleicht hat der Autor den Namen von ihm entlehnt, denn auch Jón und sein Vater vertraten für die damalige Zeit moderne (politische) Ansichten. Gut gefallen hat mir auch, dass der Autor philosophische Fragen in seine Handlung, in die Gespräche von Jon und dem König einbaut.
Sprachlich und geschichtlich ist dieses Buch ein Genuss! Auch das passende Bild des Schlosses auf dem Cover, das zeitgenössische Innenbild aus Island und das Lesebändchen machen dieses Buch auch optisch sehr ansprechend. Wer den Autoren von seinen Kriminalromanen her kennt, weiß nun: Indridason kann auch historische Romane wunderbar schreiben!

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Veröffentlicht am 25.05.2024

Spannend, spannend!

Enola Holmes: Der Fall des verschwundenen Lords
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Allein als Frau in den dunklen Gassen Londons Ende des 19. Jh. In der Nacht herumzulaufen ist keine gute Idee, denn zu viel Schlimmes kann passieren, doch Enola Holmes hat keine andere Wahl, wenn sie ihre ...

Allein als Frau in den dunklen Gassen Londons Ende des 19. Jh. In der Nacht herumzulaufen ist keine gute Idee, denn zu viel Schlimmes kann passieren, doch Enola Holmes hat keine andere Wahl, wenn sie ihre Mutter finden und ihren Brüdern entkommen will …

Die Geschichte und Fälle der kleinen Schwester des großen Sherlock Holmes und seines Bruders Mycroft hat die Autorin ganz im Stil der „alten“ Kriminalromane geschrieben und sie dennoch gekonnt – schon allein durch das Alter der Protagonistin - an ein jüngeres Lesepublikum angepasst.
Dass diese Bücher nun auch in Deutschland durch die Netflix-Verfilmungen eine (Taschenbuch-) Neuauflage bekommen, ist nur gerecht, denn es macht wirklich Spaß, sie zu lesen (und zu sehen) und mit der sympathischen Enola mit zu rätseln und mit zu fiebern. Die Erzählperspektive ist stets die der Ich-Erzählerin, also Enola selbst, aus deren Sicht die Lesenden alles miterleben. Stets denkt sie, bei allem, was geschieht, - auch in Rückblenden - über die Handlungsweisen ihren Mutter nach.
Gekonnt baut die Autorin den bekannten Detektiv Sherlock Holmes und seine Arbeitsweise, Geheimcodes, andere knifflige Fragen, Entführungen und Scotland Yard in ihren Roman ein. Auch das beschriebene Zeitkolorit passt genau, so dass man sich die Lebensumstände von Enola und ihrer Mutter gut vorstellen kann. Klar wird so auch, warum ihre Mutter nach dem Tod ihres Mannes so handelte, um als Frau noch so weit es ging eigenständig leben zu können.
Wer gerne Kriminalromane im „alten“ Stil liest und das England und London dieser Epoche liebt, ist mit den Fällen der Enola Holmes bestens bedient.

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Veröffentlicht am 18.05.2024

Faszinierend und düster

Die Fürstin der Raben
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Das Leben der beiden Geschwister Josua und Margarete, die auf einem abgelegenen Hof nahe am Wald mit ihren Eltern und ihrem Großvater leben, wird jäh durch das Auftauchen der geheimnisvollen Sarah mit ...

Das Leben der beiden Geschwister Josua und Margarete, die auf einem abgelegenen Hof nahe am Wald mit ihren Eltern und ihrem Großvater leben, wird jäh durch das Auftauchen der geheimnisvollen Sarah mit ihren beiden Raben verändert.

Die Geschwister freunden sich beide mit ihr an, Josua verliebt sich sogar in sie. Margarete, die hochsensibel ist und deshalb auf viel Spott und Ablehnung stößt, wünscht sich schon lange eine beste Freundin. So teilt sich Sarah ihre Zeit mit den beiden auf und Eifersüchteleien und Unverständnis bleiben nicht aus. Doch es wird nie richtig darüber gesprochen, obwohl sich die Geschwister nahestehen. Auch mit den Eltern haben die beiden Geschwister wenig innigen Kontakt, sind eher auf Abstand. Dass Sarah anders ist als andere Menschen erspüren, die beiden schon von Anfang an - sie treffen sie immer nur im Wald und oft in der Nacht - können diese Andersartigkeit aber nicht recht fassen. Erst als Sarah Margarete sagt, warum sie gekommen ist, wird noch einmal alles anders.
Der Autor schafft mit seinem Schreibstil eine beklemmende Atmosphäre, die noch durch die dunklen Schwarz-Weiß-Zeichnungen der Illustratorin am Anfang jeden Kapitels verstärkt wird. Diese ist teilweise nur schwer auszuhalten, zumal die Dinge im Buch zwischen den Protagonisten oft nicht angesprochen, sondern weggelächelt oder verschwiegen werden. Beim Lesen entsteht eine Ahnung davon, was es mit Sarah auf sich haben könnte. Hierbei wird eine wachsende Spannung durch immer wieder neue Wendungen um ihre Person herum erzeugt, z. B. durch das Auftauchen ihrer Geschwister, die Erwähnungen ihres Vaters, die stets nebulös bleiben, und die Raben. Auch der Wechsel der Geschwister von ihrer „normalen“ Welt, wie sie jeder Teenager kennt (Schule, Freunde, Handy, etc.), in die „märchenhafte“ Welt ihres Zuhauses dort am Wald, in dem sie auch vor Sarahs Besuch alleine umherstreifen, und deren Atmosphäre durch Sarah noch verstärkt wird, erzeugen beim Lesen eine eigene Spannung zu wissen, um was es geht und was geschehen wird.

Die Geschichte wird aus der Ich-Perspektive von Josua aus erzählt, so dass die Lesenden auch hauptsächlich seine Sicht der Abläufe wahrnehmen und Margaretes Gefühle und Gedanken nur erahnen können. Josua liest heimlich in Margaretes Tagebüchern, um zu erfahren, was sie beschäftigt und was sie mit Sarah unternimmt. So erfahren auch die Lesenden mehr von ihr.

Wie schon erwähnt, verstärken und unterstreichen die Zeichnungen der Künstlerin die düstere Stimmung des Buches, das der Autor aus seiner Lebenssituation heraus geschrieben hat (s. Danksagung S. 237). Treffsicher nimmt sie den Kapitelinhalt in ihren teils verwaschenen stets in Schwarz und Weiß gehaltenen Zeichnungen auf. Dabei wirken manche wie Collagen, manche auch, als ob noch andere Materialien (z. B. zerknittertes Papier für den Untergrund) verwendet wurden oder wie Aquarellzeichnungen. Die Kapitelzahlen sind stets von einer anderen kleinen Vignette umrahmt.

Durch die Bilder und die von außen rot gefärbten Seiten wirkt das Werk edel, fast wie ein Künstlerbuch. Man möchte es in die Hand nehmen und lesen. Allerdings fehlt vorne auf der ersten Seite meiner Meinung nach eine Triggerwarnung für psychisch beeinträchtige Menschen.

Ein sehr schönes Jugendbuch mit einer interessanten, mal ganz anderen Geschichte, für das die Leser*innen aber in guter Stimmung sein müssen.


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