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Veröffentlicht am 27.05.2024

Ihr letztes Spiel

Ihr letztes Spiel
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Mike Müller und seine Sekretärin Alice sind ein eingespieltes Team. Nicht nur in der Detektei, sondern auch als Liebes- und Lebenspartner.

Als Alice plötzlich spurlos verschwindet, glaubt Mike, ein Déjà-vu ...

Mike Müller und seine Sekretärin Alice sind ein eingespieltes Team. Nicht nur in der Detektei, sondern auch als Liebes- und Lebenspartner.

Als Alice plötzlich spurlos verschwindet, glaubt Mike, ein Déjà-vu zu erleben, hat er doch achtzehn Jahre zuvor den „Verlust“ seiner damaligen Freundin verkraften müssen. Während der Fußballweltmeisterschaft 2006 war Valerie entführt und nie wieder aufgefunden worden. Außerdem zerbrach zu diesem Zeitpunkt die Freundschaft zu seinem Mitbewohner Simon.

Nun steht wieder eine Meisterschaft im eigenen Land an, und es überschlagen sich die Ereignisse: Mike trifft zufällig Simon wieder, und fast parallel scheint es jemand seine Gefährtin ins Visier genommen zu haben.

Aber Mike ist nicht mehr der unbedarfte Student, der er einst war und begibt sich auf die Suche, auch in seinen Erinnerungen an das einstige Geschehen.

Wird er dieses Mal erfolgreich sein und Alice wiederfinden?


Der Privatdetektiv Mike Müller steht in seiner Heimatstadt Bochum vor seinem bislang größten Fall. Denn mit der Entführung seiner Lebensgefährtin Alice wird es sehr persönlich.

Arne Dessaul lässt seinen Protagonisten in „Ihr letztes Spiel“ eine harte Nuss knacken, die ihm einiges abverlangt. Vor allem weil ihn diese recht geheimnisvollen und keinen Sinn ergebenden Vorgänge, die er aus seiner Sicht schildert, in die eigene Vergangenheit führen. Nur so können er und wir Leser mit ihm die Zusammenhänge begreifen.

Arne Dessauls Krimi enthält eine mit Geschick ersonnene Handlung, die zwischen den Jahren 2024 und 2006 wechselt und die in Deutschland stattfindenden Fußballmeisterschaften einbindet. Sie wird unbeschwert, stellenweise mit einer gewissen Komik und in einem gefälligen Rhythmus erzählt, wozu die musikalische Benennung der Kapitel passend gewählt ist. Es gibt sogar ein Glossar für sämtliche Songs der Playlist.

Das Thema Fußball erhält naturgemäß einen hohen Stellenwert, ist indes für Nicht-Liebhaber zu keiner Zeit ausufernd oder eintönig. Genauso wie die Atmosphäre der Stadt Bochum, die Arne Dessaul dezent vermittelt.

In der Gestaltung gelungen sind ebenfalls die eingeschobenen Passagen, die Einblicke in die Situation der „Gangster“ und der Entführten bieten. Tatsächlich haben auch diese Abschnitte mein Gedankenkarussell angekurbelt und zusätzliche Spannungsmomente erzeugt.

Eindeutig gehören daneben sämtliche Überraschungseffekte zu den Höhepunkten der Geschichte, wobei – allerdings lediglich als kleiner Wermutstropfen - das Ende etwas zu knapp geraten ist.

Hiervon abgesehen ist "Ihr letztes Spiel" ein kurzweiliger Krimi, bei dem das Zusammenspiel aus Plot und Protagonisten sehr gut funktioniert.

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Veröffentlicht am 13.05.2024

Zerbrechliche Hoffnung

Die Porzellanmanufaktur – Zerbrechliche Hoffnung
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Keine acht Jahre nach einem verlorenen Krieg, zerstörten Städten, zerbombter Infrastruktur und Millionen von Toten normalisiert sich die Weltlage und Deutschland schickt sich an, zu neuem wirtschaftlichen ...

Keine acht Jahre nach einem verlorenen Krieg, zerstörten Städten, zerbombter Infrastruktur und Millionen von Toten normalisiert sich die Weltlage und Deutschland schickt sich an, zu neuem wirtschaftlichen Aufschwung zu gelangen. Die Kriegsgegner Großbritannien und Frankreich hat es längst hinter sich gelassen, und hinsichtlich der Exporte liegt es im Vergleich zu den USA auf der Überholspur. Die Aussichten sind goldig.

Wenn auch nicht alle Schrecken der Vergangenheit überwunden sind, so widmen sich die Menschen im Jahr 1952 der Gestaltung der Zukunft. Auch die Thalmeyers stellen sich in ihrer Porzellanmanufaktur in Selb wichtigen Herausforderungen.

Zunächst beginnt das Jahr gut, die Auftragsbücher sind voll. Dann jedoch droht Konkurrenz aus der DDR: Meißner Porzellan, das viele Jahre nicht in den Westen gelangte, darf wieder importiert werden und erobert mit günstigeren Preisen den westdeutschen Markt. Die Thalmeyers verlieren Kunden, und plötzlich sieht die Zukunft der Manufaktur nicht unbedingt rosig aus.

Zumal sie sich außerdem noch mit ihrem diebischen Buchhalter Willemsen auseinandersetzen müssen, der die letzten zwei Jahre fast zehntausend Mark in die eigene Tasche gesteckt hat.

Zumindest eine Sorge ist Marie Thalmeyer los: Sie konnte ihre Tochter Jana, deren Sorgerecht ihr auf Grund eines alten Gesetzes entzogen worden war, innerhalb kürzester Zeit zurück in ihre Obhut nehmen.

Während Marie die Geschicke der Manufaktur lenkt, bereist ihre Schwester Sophie mit Porzellankollektionen die Kaufhäuser in ganz Bayern und macht dabei äußerst erfolgreich Reklame für die Produkte. Ihre Ehe mit Harry Kruskopp funktioniert zuverlässig, allerdings zeigen sich diesbezüglich ein paar Gewitterwolken am Himmel.

Joachim Thalmeyer verbringt viel Zeit mit seinem Jugendfreund Bernhard. Die beiden musizieren nicht nur gemeinsam, sondern halten dort, wo sie es dürfen, Händchen. Ein offizielles Paar sind sie indes nicht, das ist dann doch viel zu gefährlich im Jahr 1952. Daneben konzentriert sich Joachim darauf, sich als Manager von zukünftigen Stars zu etablieren.

Eine alte Feindschaft erhält zusätzliches Feuer, und es werden auch von anderer Seite Intrigen gesponnen ...


Mit „Zerbrechliche Hoffnung“ kehren wir 1952 in „Die Porzellanmanufaktur“ nach Selb zurück. Der zweite Band knüpft wenige Monate später an das Geschehen des Vorgängers an und bringt uns nunmehr die Hoffnungen der Menschen nahe, die sie mittlerweile nach der Überwindung der entbehrungsreichen Nachkriegsjahre immer mehr hegen. Stefan Maiwald eigener Schreibstil ist mir inzwischen sehr vertraut, so dass ich mich dieses Mal von Anfang über den zwischen den Zeilen erkennbaren untrüglichen feinen Humor freuen konnte.

Außerdem gelingt es dem Autor erneut, den historischen Hintergrund akkurat zu verarbeiten, so dass ein atmosphärisches aktives Bild der Anfänge der Fünfzigerjahre entsteht, das den damals herrschenden Zeitgeist in seiner detaillierten Farbigkeit ausgezeichnet wiedergibt. Die Menschen schauen nach vorn und hoffen auf eine bessere Zukunft, die Dank „Wirtschaftswunder“ auch durchaus aussichtsreich ist.

Die Geschichte profitiert von den Wechseln der Perspektiven in kurzen schnittigen Kapiteln, die zum einen Vergangenes aufgreifen, zum anderen die Gegenwart reflektieren, was die ständige Neugier auf den weiteren Verlauf der Ereignisse anheizt.

Wenngleich manchmal die Verbindung zu den Figuren etwas ausgebremst und damit die emotionale Nähe eingeschränkt wird, so hat mich dies weniger gestört als im ersten Band, weil für mich die Zurückhaltung in der Darstellung von Empfindungen ein Merkmal der Art und Weise des Erzählens ist.

Stefan Maiwald baut in seinem zweiten Band abermals auf seine uns bereits vertraute Figurenmannschaft mit alten Freunden und Feinden auf, wobei mancher Weg und ebenso die Entwicklung der unterschiedlichen Charaktere etwas intensiver beleuchtet werden. Daneben ergänzt er die Stammbesetzung mit ein paar interessanten Persönlichkeiten, die in besonderer Weise agieren und die Handlung in ihrer Mischung aus Tragödie und Komödie auffrischen.

Das alles trägt zur erfolgreichen Fortführung der Reihe um „Die Porzellanmanufaktur“ bei. „Zerbrechliche Hoffnung“ ist kurzweilige Unterhaltung im Gewand der Fünfzigerjahre, die anregende Lesestunden bereitet und darum empfehlenswert ist.

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Veröffentlicht am 23.04.2024

Venezianischer Fluch

Venezianischer Fluch
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„Die Krähe legte ihren Kopf schief und starrte die verängstigte und unterkühlte junge Frau neugierig an. Sie beobachtete alles, was in den nächsten Minuten geschah.“

Eine junge Frau ist von einer Brücke ...

„Die Krähe legte ihren Kopf schief und starrte die verängstigte und unterkühlte junge Frau neugierig an. Sie beobachtete alles, was in den nächsten Minuten geschah.“

Eine junge Frau ist von einer Brücke gestürzt. Und während Luca Brassoni, Commissario Capo bei der venezianischen Polizei, seinen freien Tag hat, liegt bei seiner Ehefrau Carla Sorrenti, der federführenden Gerichtsmedizinerin der Stadt, ein neuer Fall auf den Tisch. Schnell stellt sich heraus, dass Antonella Carracci, so der Name der Toten, entgegen der ersten Annahmen nicht selbst gesprungen oder versehentlich gefallen ist, sondern ihr Körper Kampfspuren aufweist. Folglich ist klar, dass sie gestoßen und ermordet wurde.

Insofern stellt sich nicht nur die Frage nach dem Täter, sondern auch, ob der Zettel, den das Opfer bei sich hatte und der von einem Fluch spricht, von Bedeutung ist.

Die Sache wird persönlich, als Carla in ihrer Tasche eine Fetischpuppe findet. Obwohl sie im wahrsten Sinne des Worte eine realistische und rational denkende Person ist, ihr Flüche und Aberglauben ein Graus sind, bekommt sie plötzlich schreckliche Angst.

Will jemand die Arbeit der Polizei blockieren? Möglicherweise die Familie Perroni?

Antonella Carracci hat nämlich als Rezeptionistin im Hotel der Familie gearbeitet und war mit deren Sohn Carlo verlobt. Die Begeisterung von Patriarchin Magda Perroni hielt sich diesbezüglich in Grenzen, um nicht zu sagen, sie war nicht vorhanden. Das rückt die Familie ins Zentrum der polizeilichen Ermittlungen, zumal auch das Hotel mit einem angeblichen Fluch belastet sein soll, was für erhebliche Verunsicherung der Menschen sorgt.

Auffällig ist zudem das Verhalten der einzelnen Familienmitglieder, die mit Distanz und Abwehr reagieren und die Geduld der Polizei herausfordern. Die Perronis sind alteingesessene Venezianer, genießen einen angesehenen Ruf und pflegen einflussreiche Beziehungen. Darum dauert es nicht lange, bis Silvia Bertuzzi, die Leiterin der Dienststelle, vom Bürgermeister bedrängt wird und von ihrem Team zügig Ergebnisse erwartet werden.

Die Situation erweist sich als kompliziert, als sich im Hotelbereich ein weiterer Mord ereignet und außerdem Carlo Perroni verschwindet ...


"Venezianischer Fluch" ist mein erster Kriminalroman von Daniela Gesing, obwohl Luca Brassoni und seine Kollegen bereits das neunte Mal ermitteln. Die Geschichte bietet das, was ich von diesem Genre erwarte: ein differenziert konstruierter Plot mit Opfer(n), energischen Ermittlern, nachvollziehbarer Spurensuche, vielen Verdächtigen, falschen Fährten, interessanten Geheimnissen und nicht zu vergessen mit unterschiedlichen Emotionen.

Daniela Gesing hat eine angenehme Erzählweise, in der mich lediglich am Anfang die diversen italienischen Bezeichnungen irritiert und meinen Lesefluss beeinträchtigt haben. Ansonsten ist die Handlung nachvollziehbar dargestellt, und die Schilderung der Ereignisse und Ermittlungen erfolgt mit einen wirksamen Spannungsbogen. Daneben gelingt es der Autorin, die Neugier hinsichtlich einiger rätselhafter Wechsel in die Sichtweise des identitätslosen Täters hoch zu halten und ein paar Überraschungsmomente einzubauen.

Hervorzuheben ist außerdem die gekonnte Beschreibung die örtlichen Schauplätze. Hierdurch ist vor meinem geistigen Auge ein lebendiges Bild von Venedig entstanden, ohne dass ich die Lagunenstadt bislang in der Realität kennengelernt habe.

Der Roman punktet mit Figuren, die Daniela Gesing überzeugend gestaltet hat. Als besonders wohltuend empfinde ich es, dass sympathische Menschen mit einem normalen Familienleben, bei dem Organisationstalent gefragt ist, agieren sowie Kollegen ihre Arbeit ohne Konkurrenzdenken gemeinsam erledigen und auftretende Meinungsverschiedenheiten gleichberechtigt klären. Natürlich gibt es auch diejenigen Charaktere, bei denen auf eine Begegnung verzichtet werden könnte, weil ihre negativen Eigenschaften überwiegen. Doch in gewissen Maß habe ich auch bei diesen geringe positive Wesenszüge entdeckt, wenngleich das ohne Übertreibung sehr schwer gewesen ist.

Nach der Lektüre habe ich den Eindruck, dass neben dem Kriminalfall die Konflikte von Menschen, die in Verbrechen involviert werden, im Mittelpunkt stehen.

Luca Brassoni ist bald Vater von zwei Kindern. Meines Erachtens nach ist er aus diesem Grund darauf bedacht, dass die Ermittlungen seine Familie nicht beeinträchtigen, was allerdings nicht unbedingt funktioniert, weil seine Ehefrau Carla in den Fokus gerät.

Magda Perroni hingegen hält die Zügel straff in der Hand, von den Meinungen ihres Ehemannes Bernardo und ihrer Kinder Livia und Carlo lässt sie sich nicht beeinflussen. Sie gerät in den Strudel der Ereignisse, die alles verändern.

"Venezianischer Fluch" ist ein unterhaltsamer Kriminalroman, den ich gerne gelesen habe, so dass ich mich auf ein "Wiedersehen" mit der venezianischen Mannschaft samt Picco, dem tierischen Profiler, freue.

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Veröffentlicht am 21.04.2024

Schwere Entscheidungen

Blankenese - Zwei Familien
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„Schwere Entscheidungen“ werden im zweiten Band der Reihe „Blankenese – Zwei Familien“ getroffen, und alle Figuren darin sind von Michaela Grünig gefordert, die freiheitliche Weltordnung zu verteidigen, ...

„Schwere Entscheidungen“ werden im zweiten Band der Reihe „Blankenese – Zwei Familien“ getroffen, und alle Figuren darin sind von Michaela Grünig gefordert, die freiheitliche Weltordnung zu verteidigen, wenn sie sich nicht Hitler und seiner unsäglichen Partei unterwerfen und in einer menschenverachtenden Diktatur, in der die Rechte des Einzelnen mit Füßen getreten werden und in der es keine Gerechtigkeit, kein Mitgefühl und keinen Widerspruch mehr gibt, sondern nur Lügen und Willkür gibt, leben wollen.

In diesem politisch aufgeladenen Konflikt befinden sich auch die zwei unterschiedlichen Familien, in der sich Anhänger und Gegner des Naziregimes gegenüberstehen.

Michaela Grünig erzählt die Familiengeschichte mit Leidenschaft und viel Herzblut. Dabei bindet sie in die erdachte, authentisch wirkende Handlung unaufdringlich, punktgenau und mit nuanciertem Blick für Details den historischen Hintergrund ein, welcher im Verbund mit der Darstellung der Familienmitglieder an Präsenz gewinnt. Nur kurze Zeit dauert es, und der Leser ist ins Geschehen involviert.

Im nun vorliegenden zweiten Band der Reihe wechseln die im Mittelpunkt stehenden Personen und damit Perspektiven, ohne dass die bereits aus dem ersten Band bekannten Persönlichkeiten, die dieses Mal verständlicherweise zurückgenommener, jedoch nicht weniger wichtig agieren, ihre Bedeutung verlieren. Alle zeichnet aus, dass sie nicht aus einem Guss sind, sondern Ecken und Kanten aufweisen. Dadurch bieten sich Reibungspunkte in der Wahl von Sympathie und Antipathie und die Gelegenheit, eigene Standpunkte zu hinterfragen und hinsichtlich der Ereignisse Vergleiche zur Gegenwart zu ziehen.

„Wir können uns nicht mit irgendwelchen Empfindlichkeiten herausreden, wenn die Angreifer uns eine Ideologie aufzuzwingen versuchen, durch die die Verrohung unserer Gesellschaft und die Aushöhlung unserer Werte droht. Wir tragen gemeinsam Verantwortung für unsere Zukunft. Jeder einzelne ... egal, welcher Nationalität, muss sich mit allem, was er hat, gegen diesen Feind stemmen, sonst werden wir niemals in Frieden und Freiheit leben.“

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Veröffentlicht am 08.03.2024

Helle Tage, dunkle Schuld

Helle Tage, dunkle Schuld
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1948 leiden die Deutschen nach wie vor unter den drastischen Folgen, die ihr Weltkrieg über die Menschen gebracht hat. Die Entnazifizierung durch die Alliierten ist noch nicht abgeschlossen und erweist ...

1948 leiden die Deutschen nach wie vor unter den drastischen Folgen, die ihr Weltkrieg über die Menschen gebracht hat. Die Entnazifizierung durch die Alliierten ist noch nicht abgeschlossen und erweist sich bereits jetzt als lückenhaft und inkonsequent. Ehemalige NS-Diener drängen zurück auf ihre alten Posten.

Damit muss sich auch Kriminalinspektor Carl Bruns auseinandersetzen, der wegen eines jüdischen Großvaters und des verbundenen (fehlenden) Arier-Nachweises für elf Jahre aus dem Polizeidienst entlassen worden war, stattdessen als Bergmann gearbeitet hat und erst nach Kriegsende wieder eingestellt wurde. In der Essener Polizeibehörde steht er tatsächlich eines Tages seinem ehemaligen Ausbilder gegenüber, der sich rehabilitieren möchte.

Doch nicht nur das beschäftigt Carl.

Er wird zu einem Tatort gerufen, dessen Opfer ihn mit der Vergangenheit verbindet. Bei der Toten handelt es sich um die Mutter eines gesuchten Naziverbrechers, der für eine Massenerschießung von Zwangsarbeitern verantwortlich zeichnet und sich auf der Flucht befindet. Außerdem ist der gesuchte Hoffmann mit Frieda, der Schwester von Carl erster großer Liebe Anna verheiratet. Die Frauen waren einst aus Angst vor den Grausamkeiten und Peinigungen des Mannes nach Köln geflohen. Nachdem das Testament der Toten ihren Enkel Emil als Haupterben bedenkt, kehrt die Familie nach Essen zurück.

Carl bezieht besonders Anna in die Ermittlungen mit ein. Zugleich flammen „alte“ Gefühle auf. Die verwitwete Krankenschwester scheint diese zu erwidern, so dass sowohl Carl als auch Anna Hoffnung schöpfen, dass ihnen nach all den Jahren etwas Glück zuteil werden wird. Wären da nicht weitere Tote und die Tatsache, dass sowohl Spuren zu den im Haus von Frau Hoffmann einquartierten Flüchtlingen und Ausgebombten sowie zu Frieda führen. Allesamt sind durchweg nicht gut auf die Ermordete zu sprechen und verhehlen ihre Abneigung nicht.

Wäre das nicht bereits schlimm genug, könnte Anna selbst in Gefahr sein ...


Eva Völler schreibt ohne Schnörkel und mit Intensität. Sie ist klar im Ausdruck der Schilderung der Verhältnisse und misslichen Lage in diesem Nachkriegsjahr und integriert in ihrem Roman „Helle Tage, dunkle Schuld“ gekonnt einen Kriminalfall mit dramatischen Handlungsablauf. In deutlicher Bildsprache beschreibt die Autorin eine Stadt, in der ganze Teile von Bomben zerstört wurden, so dass drei Jahre noch nicht genug Zeit waren, alle Trümmer und die gewaltige Menge des gesamten Schutts zu beseitigen. Aus diesem Grund sind die vorherrschenden Wohnsituationen mehr als beengt.

Deshalb leben die Bewohner des Mehrparteienhauses der toten Frau Hoffmann dicht an dicht zusammen, sie eint das jeweilige unterschiedliche Schicksal, jedoch auch die Antipathie gegenüber der Hausbesitzerin.

Die Deutschen befinden an einem Wendepunkt. Nach langen Jahren im Banne der Nazi-Herrschaft müssen sie erkennen, dass ihre Nation eine von Eva Völler betitelte „dunkle Schuld“ zu tragen und aufzuarbeiten hat, die für die meisten Menschen zwar unbegreiflich, hingegen unerlässlich im Verständnis ist, damit ein Wiederaufstehen möglich wird.

Es sind nicht ausschließlich die Vorgänge im Privaten, sondern daneben die gegenwärtigen politischen Gegebenheiten, beispielsweise in den Behörden wie der Polizei, die die Bemühungen erschweren, den Aufbau einer gerechten Gesellschaft voranzutreiben. Noch immer und bereits wieder gibt es all jene, die auf der Suche nach dem eigenen Vorteil sind und aus der Vergangenheit nichts gelernt haben und dies auch nicht wollen.

Hierdurch wirkt das Geschehen authentisch, in jeder Hinsicht nachvollziehbar und hat mir eine enge Teilhabe am Geschehen gestattet.

Eva Völler scheut sich nicht, Grautöne zu verwenden. Ihre Protagonisten sind nicht nur schwarz oder weiß gezeichnet. Sensibel beleuchtet die Autorin das Zusammensein der Menschen, die auf unterschiedliche Arten miteinander verbunden sind: Liebe, Freundschaft und Mitgefühl stehen Wut, Ablehnung und Hass gegenüber.

Carl wagt viel für seine erste Liebe Anna. Darüber hinaus muss er abwägen, wie er Wahrheit und Lüge voneinander abgrenzt, und vor allem, ob er das überhaupt will.

Anna stellt ihr Kraft völlig in den Dienst der Familie, zu der außer Frieda und Emil noch die jüngere Schwester Lotti gehört, und versucht, diese mit aller Macht zu schützen. Dabei trägt sie selbst schwer an vergangenen Ereignissen, geht indes mit ihrem Kummer nicht hausieren. Die echten Probleme behält sie für sich, sie funktioniert und will niemand anderen belasten.

Vorsichtig, aber stetig entwickeln Anna und Carl Empfindungen (neu), das selten gewordene Gefühl von Zusammengehörigkeit, so dass Sorgen und Ängste nebensächlich erscheinen – eine in meinen Augen sehr glaubwürdige Darstellung.

Eva Völler verdeutlicht, wie wichtig es ist, „aus der Vergangenheit zu lernen und es dann besser zu machen.“ Ihr Roman „Helle Tage, dunkle Schuld" ist ein hervorragendes Beispiel dafür.

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