Cover-Bild Miracle Creek
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22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: hanserblau in Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 512
  • Ersterscheinung: 09.03.2020
  • ISBN: 9783446266308
Angie Kim

Miracle Creek

Roman
Marieke Heimburger (Übersetzer)

Wie weit würden wir gehen, um unsere schamvollsten Geheimnisse zu bewahren? „Mit durchdringender Menschenkenntnis führt Angie Kim tief in das Innenleben ihrer Charaktere.“ (Los Angeles Times)

In der Kleinstadt Miracle Creek in Virginia geht ein Sauerstofftank in Flammen auf. Zwei Menschen sterben – Kitt, die eine Familie mit fünf Kindern zurücklässt, und Henry, ein achtjähriger Junge. Im Prozess wegen Brandstiftung und Mord sitzt Henrys Mutter Elizabeth auf der Anklagebank. Und die Beweise sind erdrückend. Hat sie ihren eigenen Sohn ermordet? Während ihre Freunde, Verwandten und Bekannten gegen sie aussagen, wird klar: In Miracle Creek hat jeder etwas zu verbergen.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.03.2020

Auf der Suche nach der Wahrheit

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August 2008 – In dem kleinen Ort Miracle Creek in Virginia betreibt Pak Yoo eine Art Druckluftkammer. Diese soll therapeuthische Wirkung auf Menschen, insbesondere Kinder mit Behinderungen oder Einschränkungen ...

August 2008 – In dem kleinen Ort Miracle Creek in Virginia betreibt Pak Yoo eine Art Druckluftkammer. Diese soll therapeuthische Wirkung auf Menschen, insbesondere Kinder mit Behinderungen oder Einschränkungen haben. An diesem einen Tag jedoch geschieht etwas furchtbares, denn es brennt und der Sauerstofftank explodiert. Zwei der Menschen, eine fünffache Mutter und ein kleiner, achtjähriger Junge kommen bei dem Unglück ums Leben. Ein Jahr später befindet sich Elisabeth, die Mutter des Jungen, vor Gericht, denn sie soll absichtlich das Feuer gelegt und somit den Tod der Frau und ihres eigenen Sohnes verschuldet haben. Doch während der Verhandlung wird klar, dass in Miracle Creek auch andere noch etwas zu verbergen haben.
Meine Meinung
Das Cover ist absolut großartig und machte mich sofort neugierig. Die Geschichte beginnt gleich sehr spannend und als Leser wird man Zeuge des Unglücks. Hier gelingt es Autorin Angie Kim den Leser umgehend in die Geschichte zu ziehen, denn man fragt sich unweigerlich, was hier geschehen ist. Dabei erzählt Angie Kim so flüssig und mitreißend, dass man in ihren Bann gerät.
Aufgebaut ist das Buch wie eine Art Gerichtsthriller und doch verbirgt sich hier noch so viel mehr dahinter. Angie Kim widmet sich hier neben der Suche nach dem Schuldigen auch noch anderen Themen, wie z. B. das Leben der Migranten, in diesem Fall Familie Yoo, aber auch die etwas andere Art der Therapie für Kinder mit Autismus.
Da man gleich zu Beginn Zeuge der Explosion wird, ist man danach der Zuschauer im Gerichtssaal. Man erfährt durch Zeugenvernehmungen durch den Staatsanwalt, aber auch durch die Verteidigerin immer mehr darüber, was geschehen ist, bzw. was geschehen sein könnte. Doch die Abgründe der unterschiedlichen Personen in Miracle Creek sind tief.
Zwischen diesen Vernehmungen erhält der Leser immer wieder Blickwinkel aus den Perspektiven der jeweiligen Person, die gerade angehört wird. Gerade dadurch erlebt man, wie unterschiedlich die Betrachtungen der einzelnen Personen auf ein und das selbe Ereignis ausfallen, aber auch, dass hier nicht gleich alles so klar ist, wie man auf den ersten Blick meint. Bis zum Ende war es für mich nur schwer durchschaubar, was hier wirklich alles dahintersteckt und wer schuldig und wer unschuldig ist. Fakt ist, dass hier so manch einer etwas zu verbergen hat und nicht alles so ist, wie es scheint.
Absolut gelungen fand ich die Zeichnung der Charaktere, denn Angie Kim macht hier nur zu gut deutlich, dass sich so manch eine sympathische Figur ganz anders entwickelt, als gedacht. Elizabeth, die angeklagte Mutter, scheint die “perfekte” Schuldige zu sein, denn auch wenn sie finanziell gut situiert ist, leidet sie unter dem Anders sein ihres Kindes und jagt diesen kleinen Jungen regelrecht durch die Therapien. Auf den ersten Eindruck scheint sie völlig überfordert, doch auch hier gilt, lieber besser zweimal hinschauen.
Auf den ersten Blick scheinen es recht viele Personen zu sein, dessen Geschichten man verfolgt, doch jeder einzelne bekommt den nötigen Tiefgang und die passende Darstellung.
Mein Fazit
Mit Miracle Creek ist es Angie Kim gelungen, einen sehr tiefgründigen Roman zu erzählen. Was auf den ersten Blick wie ein Gerichtsthriller wirkt, zeigt auf den zweiten Blick, dass hier so einiges im Verborgenen bleibt, dass beinahe jeder Geheimnisse, aber auch Schwächen, mal mehr mal weniger erschreckend, hat. Ein spannender und sehr glaubwürdig erzählter Roman, der mir gut gefallen hat und meine Leseempfehlung erhält.

Veröffentlicht am 23.03.2020

Highlight

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Es ereignet sich ein schrecklicher Unfall - ein Brand, bei dem eine junge Frau und ein kleiner Junge ums Leben kommen und es mehrere Verletzte gibt. Wie die Polizei herausstellt, handelte es sich um Brandstiftung ...

Es ereignet sich ein schrecklicher Unfall - ein Brand, bei dem eine junge Frau und ein kleiner Junge ums Leben kommen und es mehrere Verletzte gibt. Wie die Polizei herausstellt, handelte es sich um Brandstiftung und vielleicht sogar um versuchten Mord. Die Gerichtsverhandlung beginnt und im Kreuzfeuer sitzt eine Mutter, die angeklagt wird, ihren eigenen Sohn getötet zu haben. Doch ist es wirklich Elisabeth, die das Feuer gelegt hat?

Ich bin wirklich begeistert von diesem Roman! Thematisch verfolgt er zum einen die Frage, wer hinter dem Brand steckt, aber gleichzeitig beleuchtet er auch das Leben der einzelnen Charaktere und wendet sich dabei dem Thema "authistische Kinder" zu. Das kam für mich sehr überraschend, aber die Art, wie in diesem Buch mit diesem Thema umgegangen wird, finde ich überzeugend und sehr bewegend. Man fühlt sich den Charakteren wirklich nahe, beginnt sie und ihre Handlungen zu verstehen und nachzuvollziehen. Dabei rätselt man immer mit, wer nun der Täter sein könnte und da die Autorin gekonnt mit Plottwists und Enthüllungsschnipseln arbeitet, bleibt es wirklich bis zum Schluss spannend. Während dem Lesen habe ich so gut wie fast jeden verdächtigt, den Verdacht wieder fallen gelesen, wieder aufgenommen und schließlich wurde ich doch noch überrascht. Das nenne ich einen gelungen Kriminalroman! Wobei das Buch abgesehen von der Spannung absolut nichts von einem Kriminalroman an sich hat, da die Themen sehr breit gefächert sind und die Charakterportraits fantastisch sind. Ich bin wirklich beeindruckt.

FAZIT:
Für mich zählt das Buch ohne Frage zu meinen Jahreshighlights! Der Schreibstil, die Charaktere, die Thematik und die Spannung - alles konnte mich überzeugen. Die Plottwists sind gezielt eingesetzt und selten habe ich so viel mitgerätselt bei einem Roman wie bei diesem und trotzdem wurde ich am Ende überrascht. Ich kann dieses Buch wirklich nur jedem empfehlen! Eine sehr bewegende Geschichte, die mich schwer beeindruckt hat!

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Veröffentlicht am 23.03.2020

Großartig

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Es wäre falsch zu behaupten, dass mich "Miracle Creek" von der ersten Seite an gefesselt hat. Tatsächlich brauchte ich erstmal ein kleines bisschen, um wirklich reinzukommen.

Aber dann!

Die Geschichte ...

Es wäre falsch zu behaupten, dass mich "Miracle Creek" von der ersten Seite an gefesselt hat. Tatsächlich brauchte ich erstmal ein kleines bisschen, um wirklich reinzukommen.

Aber dann!

Die Geschichte spielt in den späten 00er Jahren, hauptsächlich während und um einen Mordprozess. Angeklagt ist Elizabeth, die Opfer sind ihr Sohn Henry und ihre Bekannte Kitt. Die Beweise sind erdrückend, aber hat eine Mutter wirklich kaltblütig ihr Kind ermordet?

Das Buch beginnt mit dem verhängnisvollen Tag und springt dann ein Jahr in die Zukunft zur Hauptverhandlung. Erzählt wird alles aus der Sicht vieler verschiedener Charaktere (in der dritten Person), was mich anfangs etwas verwirrt hat. Es dauert ein bisschen, bis man begreift, was passiert ist und wer all diese Menschen sind. Dran bleiben lohnt sich aber sehr, denn es wird schnell spannend.

Angie Kim ist eine talentierte Autorin und schafft es, ihren Charakteren Leben einzuhauchen. Alle haben etwas zu verbergen, niemand ist perfekt. Im Wechsel hat man Verständnis, Mitleid und wird dann doch wütend. Ich wusste fast nie, ob ich eine Person nun mag oder eben doch nicht.

Es gibt die Yoons, eine Familie, die aus Korea eingewandert ist. Young und ihre Teenie-Tochter Mary sind für deren Ausbildung zuerst in die USA gezogen, Vater Pak kam später nach. Der bietet nun eine Sauerstofftherapie an, die z.B. Kindern mit Autismus helfen soll. Elizabeth und ihr Sohn nehmen die Therapie in Anspruch, genauso wie Kitt mit ihrem Sohn TJ, Teresa mit ihrer schwerbehinderten Tochter Rosa und Matt, dessen Frau schwanger werden will und der sich eine Verbesserung der Leistung seiner Spermien erhofft. Durch Brandstiftung explodiert einer der Tanks und das kostet zwei Menschenleben.

Es werden im Laufe der Handlung viele Themen angesprochen, neben Autismus z.B. der Sexismus der koreanischen Gesellschaft und innerhalb der Familie, die Probleme, die das Auswandern und das Lernen einer neuen Sprache mit sich bringen, Rassismus und Fetischisierung etc. Die Autorin schafft das sensibel und glaubwürdig.

Sie fängt die Anspannung der Mütter von autistischen Kindern perfekt ein, ihren Kampf, ihre Aufopferung, aber auch ihre Verzweiflung und Überforderung, den Wunsch, dass alles ganz anders wäre, gefolgt vom schlechten Gewissen. Ich konnte Elizabeth, die ja eigentlich als Mörderin im Gerichtssal sitzt, von Anfang an verstehen und am Ende habe ich bei ihrem Part sogar Tränen verdrückt. Ich! Das passiert mit wirklich nicht oft. Mein Herz verloren habe ich an Henry, der zu Beginn stirbt und somit gar nicht mehr richtig auftaucht. Aber allein die kleinen Erzählungen und Rückblenden habe ausgereicht, um ihn mir näherzubringen.

Ebenso realistisch zeichnet Kim die koreanischen Familienverhältnisse, z.B. den Vater, der eigentlich das Oberhaupt sein sollte, aber Probleme mit der neuen Sprache hat und sich deshalb wie ein Idiot fühlt. Auch wenn mir Pak ansonsten nicht der Sympathischste war, konnte ich das doch nachvollziehen. Young hadert mit den Rollenbildern in ihrer Familie und mit ihrem nicht sehr liebevollen Ehemann, bringt aber lange nicht den Mut auf, mal laut zu werden und für sich einzustehen. Damit verliert sie ein bisschen die Achtung ihrer Tochter.

Janine, die Ehefrau von Matt, fragt sich an einer Stelle, ob ihr Mann einen Fetisch für asiatische Frauen hat, bemerkt aber gleichzeitig auch, dass man Männern, die auf Blondinen stehen, niemals einen Fetisch vorwerfen würde – oder ihr, die auch eher auf weiße Männer steht. Sie fühlt sich unwohl damit, als "exotisch" oder sogar als "perverse Fantasie" wahrgenommen zuwerden. Ich war total positiv überrascht, dass so etwas im Buch Erwähnung findet, weil ich da auch schon mit Bekannten drüber gesprochen habe (dabei ging es darum, dass "asiatisch" ja sogar eine eigene Pornokategorie ist, "europäisch" aber eher nicht... ebenso wie "lesbisch" häufig auf der regulären Hetero-Seite zu finden ist, "schwul" aber eine ganz eigene Seite inklusive Regenbogenbanner bekommt).

Matt selbst war der Einzige, mit dem ich meine Schwierigkeiten hatte und mit dem ich einfach so gar nicht warm wurde. Dafür gibt es einen bestimmten Grund, der aber leider ein ziemlicher Spoiler wäre... auch wenn es mich in den Fingern juckt, dazu ausführlicher zu werden. :P

Es gibt noch eine Gruppe Therapie-Gegnerinnen, die auch kurz im Verdacht stehen, da etwas gedreht zu haben, da sie häufig ziemlich aggressiv auftreten. Als Demonstrantinnen stehen sie mit Schildern vor jeder Sitzung draußen und belästigen die Patient:innen. Sie behaupten, all diese Behandlungen seien Kindesmisshandlung und man solle die Kinder so sein lassen, wie sei eben sind. Bei diesen Frauen hatte ich sofort die Assoziation zu den fanatischen Abtreibungsgegner:innen im Kopf und tatsächlich wird diese Brücke im Buch selbst auch geschlagen.

Generell wusste ich bisher erschreckend wenig über Autismus und Therapiemöglichkeiten, deshalb war das alles für mich hochinteressant. Das Buch wirft Fragen auf: Wie "normal" soll ein Kind sein? Welche Therapien sind sinnvoll und was ist zu viel? Wann verlieren Eltern die Kontrolle und sehen nicht mehr, dass ihr Kind doch schon großartig ist - und wann braucht es eben doch Behandlungen, weil es sonst leidet?

"Miracle Creek" ist wirklich ein wundervollen Buch, spannend, aufschlussreich, mit vielen Denkanstößen und Twist am Ende... und noch dazu absolut großartig geschrieben! Dicke Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 22.03.2020

Ein Buch, das man nicht mehr aus der Hand legen kann

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„Das hier war mal ein Unfall, aber durch das ständige Vertuschen sind wir alle zu Mördern geworden.“

Pak, Young und Mary Yoo, eine Immigrantenfamilie aus Südkorea, betreiben in Miracle Creek, einem kleinen ...

„Das hier war mal ein Unfall, aber durch das ständige Vertuschen sind wir alle zu Mördern geworden.“

Pak, Young und Mary Yoo, eine Immigrantenfamilie aus Südkorea, betreiben in Miracle Creek, einem kleinen Städtchen im Staat Virginia, die so genannte „Miracle Submarine“ – eine spezielle Druckkammer zur hyperbaren Sauerstofftherapie, der man gute Resultate bei der Behandlung von Autismus, Nervenleiden, Unfruchtbarkeit und vielen anderen Krankheiten nachsagt. Am 26. August 2008 ereignet sich dort ein schreckliches Unglück. Während einer Behandlungssitzung bricht an einem der Sauerstofftanks Feuer aus und fordert zwei Todesopfer – Kitt, Mutter von fünf Kindern, und Henry, einen achtjährigen autistischen Jungen – sowie mehrere Verletzte – Matt, der beim Versuch Henry zu helfen, seine Hände verliert, Pak erleidet eine Lähmung, Mary liegt im Koma, die restlichen Patienten tragen wie durch ein Wunder lediglich eine Lungenvergiftung davon. Als ein Jahr später der Prozess wegen Brandstiftung und Mord gegen Henrys Mutter, Elizabeth Ward, geführt wird, sollen auch die Youngs gegen sie aussagen. Doch je weiter der Prozess voranschreitet, desto dünner wird die Beweislage gegen Elizabeth und das Netz aus Lügen und Verheimlichungen zieht sich zu einer immer engeren Schlinge zusammen, die nicht nur den Anklägern und Zeugen, sondern auch dem Leser die Luft abschnürt ...

Vor dem Hintergrund einer menschlichen Tragödie und eines spannungsreichen Gerichtsprozesses tauchen wir in das Innenleben von sieben Figuren ein. Wir tauchen in die Innensicht von Elizabeth Ward ein, die ihren Sohn von morgens bis abends zu verschiedenen Spezialisten und Therapieformen fährt, die keiner Mühen und Kosten scheut, um den Gesundheitszustand ihres Sohnes zu verbessern. Die aber auch oft die Geduld mit ihm verliert, die sogar Hass und Scham empfindet...

Da ist Teresa Santiago, die von allen Mutter Teresa aufgrund ihrer selbstlosen Aufopferung, mit der sie ihre im Rollstuhl sitzende Tochter Rosa pflegt, genannt wird. Trotz ihrer aalglatten Reputation ist auch sie nicht frei von dunklen Gedanken, die so dunkel sind, dass sie eigentlich nicht gedacht, geschweige denn ausgesprochen werden sollten – und die doch nur menschlich sind...

Wir tauchen in Janine Chos Innenleben ein, die mit Matt verheiratet ist. Sie ist eine strebsame Ärztin, die ihr Leben lang alle Ziele, die sie sich gesetzt hat, erreicht und stets auf der Suche nach neuen Herausforderungen ist. Mit derselben Beharrlichkeit, um nicht zu sagen Fanatismus, verschreibt sie sich dem Ziel schwanger zu werden. Da es nicht gelingt, sieht sich Matt gezwungen zweimal täglich an Sitzungen in der Luftdruckkammer teilzunehmen...

Matt, der 33-jährige Arzt, verbittert und von jeglichem sexuellen Verlangen gegenüber seiner Ehefrau beraubt, rebelliert gegen Janines verkrampfte und sterile Umgangsweise mit dem Problem, indem er sich mit Mary Yoo trifft und die beiden zusammen heimlich rauchen. Mit Mary kann Matt sich nicht nur wunderbar unterhalten, sie ist auch schön und voller jugendlichem Reiz. Und so merkt Matt selbst nicht, wie er immer stärkere Gefühle für Mary entwickelt...

Die siebzehnjährige Mary, die vor fünf Jahren mit ihrer Mutter nach Baltimore kam, findet sich weiterhin in ihrer neuen Heimat nicht zurecht. Sie rebelliert gegen ihre Eltern und das ihr von den beiden aufgezwungene Leben und bringt sich selbst damit in Schwierigkeiten...

Auch Pak findet sich in Amerika nicht zurecht: „Pak auf Englisch war ein anderer Mensch als Pak auf Koreanisch. Wahrscheinlich konnten Einwanderer überhaupt nicht anders, als sich in eine neue kindliche Ausgabe ihrer selbst zu verwandeln – ihres Redeflusses beraubt und damit automatisch teilweise ihrer Kompetenz und Reife. [...] Auf Koreanisch war er ein selbstbewusster Mann, angesehen und gebildet. Auf Englisch war er ein taubstummer Trottel, nervös und ungebildet.“

Und schließlich Young – die wohl stärkste Person in diesem Roman, die sich ihrer eigenen Stärke nicht bewusst ist. Sie ist klug und bewundernswert aufopferungsvoll. Ihr einziger Fehler besteht darin, in den falschen Momenten nachgegeben zu haben. Und doch ist sie es, die im entscheidenden Moment nicht schwankt: „Wir haben alle irgendwelche Erklärungen für unser Verhalten. [...] Ein ganzes Jahr lang haben wir in Bezug auf so viele Dinge gelogen, haben eigenmächtig entschieden, was richtig ist und was nicht, was wichtig ist und was nicht. Wir alle tragen Schuld.“

Angie Kim stellt sich als Meisterin darin heraus, uns die Handlungen verschiedenster Menschen begreiflich zu machen. Sie verfolgt die Ursprünge bis zu ihren Wurzeln zurück. Hadert man auch hin und wieder mit einer der Figuren, komplett ablehnen kann man sie nicht, denn es wird deutlich, dass sie alle in ihren Handlungen von zutiefst menschlichen Gefühlen getrieben werden.

Die Autorin hat einiges aus ihrem eigenen Leben in den Roman einfließen lassen. So wie die Yoos stammt sie aus Südkorea und ist im Alter von elf Jahren mit ihren Eltern nach Baltimore gezogen, wo ihre Eltern ein Lebensmittelgeschäft eröffneten. Aus ihrem späteren Leben als Anwältin sollte sie ihr juristisches Wissen in diejenigen Romanpassagen, die im Gerichtsaal spielen, einfließen lassen. Die wichtigste Inspirationsquelle für „Miracle Creek“ sollte aber sicherlich die einmonatige HBO-Therapie sein, der sich ihr damals zweijähriger Sohn, der an einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung litt, unterzog und den sie zu den Behandlungssitzungen begleitete. In dieser Zeit hatte Angie Kim Einblick in das Leben von Müttern autistischer und behinderter Kinder. Auf diesem Wege, so die Autorin, änderte sich ihre Sichtweise auf das Leben selbst und die Relativität des Glücks. Diese Relativität des Glücks versucht die Autorin in ihrem Roman zu ergründen, was ihr auch wunderbar gelingt.

Angie Kim legt uns mit „Miracle Creek“ nicht nur sieben psychologische Persönlichkeitsstudien dar, die uns in menschliche Abgründe eintauchen lassen. Sie bietet uns nicht nur ein spannungsreiches und bewegendes Justizdrama. Sie konfrontiert uns nicht nur mit der Problematik der Identitätskrise von Immigranten und wie Sprache eine Identität mitbegründen kann. Sie führt uns auch behutsam und doch so frappierend intensiv in die Realität eines Lebens mit einem autistischen Kind und in die Extreme von mütterlicher Aufopferung ein.

Es ist nicht nur ein Roman, den man nicht aus der Hand legen kann, nicht nur ein Roman, der bewegt und erschüttert, und auch nicht nur ein Roman, der nachhallt. Es ist ein Roman, der uns durchdringt und verändert, ein Roman „über die Wahrheiten, die jeder von uns verbirgt.“

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Veröffentlicht am 18.03.2020

Gibt es nur eine Wahrheit?

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Der Roman „Miracle Creek“ ist das Debüt der US-amerikanischen Autorin Angie Kim, die koreanischen Wurzeln hat. Und vielleicht deswegen ezählt sie in ihrem Roman die Geschichte einer koreanischen Einwandererfamilie ...

Der Roman „Miracle Creek“ ist das Debüt der US-amerikanischen Autorin Angie Kim, die koreanischen Wurzeln hat. Und vielleicht deswegen ezählt sie in ihrem Roman die Geschichte einer koreanischen Einwandererfamilie in den Usa, die versucht ein besseres Leben zu gestalten. Deshalb betreibt sie auf dem Land ein kleines Unternehmen, in dem sie mithilfe einer Druckkammer, der Miracle Submarine, versucht autistischen Kindern zu helfen, da laut einer Studie der Autismus sehr gut mit einer Unterdruckbehandlung und reinem Sauerstoff behandeln lässt. Doch es kommt anders. Bei einem Versuch gibt es einen Brand, die Sicherheitsmaßnahmen fallen aus und eine Mutter und ein achtjähriger Junge sterben. Die Mutter der Familie wird angeklagt und das Gerichtsverfahren soll Klärung bringen, doch das ist einfacher gesagt als getan. Die Angeklagte ist eine alleinerziehende Mutter eines autistischen Kindes und man geht davon aus, dass sie den Druck im Endeffekt nicht standhalten konnte, doch ist es so? Wir beobachten als Leser das ganze Verfahren und werden am Ende nicht minder überrascht.
Das Buch ist fesselnd geschrieben und beschäftigt sich mit einem ungewöhnlichem Thema. Autismus, Rassismus, Vorurteile sowie Freundschaft werden in den Gerichtsstand in den Vordergrund gestellt. Ein vielversprechender Roman und eine Autorin von der man sicherlich mehr lesen möchte.