Cover-Bild Miracle Creek
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22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: hanserblau in Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 512
  • Ersterscheinung: 09.03.2020
  • ISBN: 9783446266308
Angie Kim

Miracle Creek

Roman
Marieke Heimburger (Übersetzer)

Wie weit würden wir gehen, um unsere schamvollsten Geheimnisse zu bewahren? „Mit durchdringender Menschenkenntnis führt Angie Kim tief in das Innenleben ihrer Charaktere.“ (Los Angeles Times)

In der Kleinstadt Miracle Creek in Virginia geht ein Sauerstofftank in Flammen auf. Zwei Menschen sterben – Kitt, die eine Familie mit fünf Kindern zurücklässt, und Henry, ein achtjähriger Junge. Im Prozess wegen Brandstiftung und Mord sitzt Henrys Mutter Elizabeth auf der Anklagebank. Und die Beweise sind erdrückend. Hat sie ihren eigenen Sohn ermordet? Während ihre Freunde, Verwandten und Bekannten gegen sie aussagen, wird klar: In Miracle Creek hat jeder etwas zu verbergen.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.05.2020

Ein tragisches Buch über Wahrheit und Schuld!

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Nach Der Gesang der Flusskrebse und Der Hund durfte ich nun in den Genuss eines weiteren absoluten Buchhighlights aus dem noch jungen hanserblau-Verlag kommen (dieser Verlag bzw. seine Auswahl an Büchern ...

Nach Der Gesang der Flusskrebse und Der Hund durfte ich nun in den Genuss eines weiteren absoluten Buchhighlights aus dem noch jungen hanserblau-Verlag kommen (dieser Verlag bzw. seine Auswahl an Büchern überzeugt mich mehr und mehr). Das Debüt Miracle Creek von Angie Kim ist ein zauberhaftes Buch, das besonders durch seine stringente, aber doch so vielseitige Handlung besticht.

Das Buch beginnt und endet tragisch, dazwischen drängt sich eine wahre Gefühlsachterbahn. In manchen Momenten stand mir der Mund wegen so viel Dramatik offen und ich musste kurz innehalten, in anderen Momenten verschlang ich Seite um Seite ob der beeindruckenden Dialoge.

Die Handlung spielt bis auf den Vorfall selbst ein Jahr nach dem Vorfall, bei dem eine Frau und ein autistischer Junge durch einen mutmaßlich vorsätzlich verursachten Brand ums Leben gekommen sind. Angeklagt ist - grausames Schicksal - die Mutter selbst, wird sie doch verdächtigt, ihr Kind misshandelt zu haben und lieber ohne ihn leben zu wollen. Das Buch beschreibt das fällige Gerichtsverfahren, die Beweiserhebung und die Konsequenzen für die Beteiligten. Der Brand selbst geschah während einer revolutionären, aber umstrittenen, Behandlungsmethode. Die Anlage dazu wird von einer koreanischen Einwandererfamilie geführt, um die herum sich die Geschichte aufbaut. Schon im ersten Kapitel wurde ich mit einer Vielzahl an Namen konfrontiert, sodass ich es zuerst sehr unübersichtlich fand. Aber nachdem die Personen etwas detaillierter skizziert werden und durch die regelmäßigen Perspektivwechsel bekam ich schnell ein Bild, wer wie zu wem gehört.

Meiner Meinung nach besticht das Buch in zwei wesentlichen Punkten:
1. Angie Kim ist selbst als Teenager aus Korea in die USA emigriert. Sie konstruiert hier keine Einwanderergeschichte, sie weiß, was es heißt, die Neue zu sein und sich weder im einen noch im anderen Land zuhause zu fühlen. Vieles im Buch dreht sich um Wahrheit und Schuld. Dass dazu die traditionelle koreanische Familienhierarchie etwas beiträgt, wird ohne Ressentiments und erhobenen Zeigefinger dargestellt. Die Zerrissenheit von Young (der Frau des Betreiber der verhängnisvollen Anlage) ist greifbar und bis zum Ende ein schwelender Konfliktherd. Nur sehr, sehr selten fand ich es zu asiatisch-klischeebelastet.
2. Gerade in der ersten Hälfte des Buches fand ich mich praktisch in der Funktion eines Geschworenen wieder. Ständig wechselte die Vermutung, wer denn nun das Feuer gelegt haben könnte. Die großartige Verteidigerin Shannon zerpflückt die Zeugen der Staatsanwaltschaft regelrecht. Auch als ich mehr in das Innenleben der Protagonisten eintauchte, tauchte mit jeder neuen Erkenntnis ein neues fehlendes Puzzleteil auf, sodass es wirklich bis zu den letzten Kapiteln sehr spannend war. Ein grandioser Plot mit nicht nur einem Plottwist...

Ein kleiner Kritikpunkt, der aber neben der grandiosen Handlung, wirklich klein sein soll, ist mein Empfinden, dass manche Charaktere wie Pak, Teresa, Janine und vielleicht auch Staatsanwalt Abe zu blass waren. Zu ihnen hätte ich mir noch mehr Details gewünscht.

Dafür werden die wirklich wichtigen Protagonisten (bis auf Pak) aber in einer Weise geschildert, die sehr emotional ist und dafür sorgt, dass das Buch mich tief berührt hat. Insbesondere wenn es um den kleinen Henry geht, der dem Brand zum Opfer gefallen ist.

Das Buch mit dem wunderschönen Cover ist ein echtes Highlight und wirklich ein leuchtendes Buch (Time Magazine).

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Veröffentlicht am 26.04.2020

Unerwartet gut

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In dem kleinen Örtchen Miracle Creek, geschieht ein trauriges Unglück . In einer Scheune entsteht ein Brand , bei der zwei Menschen ums Leben kommen . Doch wie ist der Brand entstanden? Während eines Gerichtsverfahren ...

In dem kleinen Örtchen Miracle Creek, geschieht ein trauriges Unglück . In einer Scheune entsteht ein Brand , bei der zwei Menschen ums Leben kommen . Doch wie ist der Brand entstanden? Während eines Gerichtsverfahren lüften sich etliche Geheimnisse, denn die Bewohner des Örtchens haben einiges zu verstecken .

Meinung :

Ich war mir anfangs nichts ganz sicher ob das mir das Buch gefallen wird , doch ich wurde positiv überrascht. Miracale Creek wirkt wie eine nettes Örtchen , man versteht sich und respektiert sich untereinander . Doch der äußere Schein trügt wie so oft . Young war beinahe die einzige Person mit einem reinen Gewissen , der es auch sichtlich schwer fiel ihren Mann Pack zu decken .

Auch die anderen Bewohner des Örtchen lassen die Geschichte nicht langweilig werden , mir halten solche Geschichten immer direkt vor Augen wie unterschiedlich die Menschen sind und das wirklich jeder sein Päckchen zu tragen hat , es ist nicht immer alles so perfekt wie es den äußeren Schein hat .

Der Schreibstil hat mir sehr gut gefallen , aufgebaut ist die Geschichte als Prozess in der Elizabeth angeklagt ist das Feuer gelegt zu haben um ihren authentischen Sohn Henry los zu werden . In drei Prozesstagen erfährt der Leser zu einiges über die Zeugen .

Das Cover finde ich sehr gelungen .

Fazit : unerwartet gut

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Veröffentlicht am 16.04.2020

Eindringlicher, intensiver Roman über menschliche Fehler, Schwächen und Schuld

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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

In der Kleinstadt Miracle Creek in Virginia geht bei einer HBO-Therapiesitzung, bei der die PatientInnen mit purem Sauerstoff versorgt werden, um damit unter anderem ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

In der Kleinstadt Miracle Creek in Virginia geht bei einer HBO-Therapiesitzung, bei der die PatientInnen mit purem Sauerstoff versorgt werden, um damit unter anderem Autismus zu heilen, ein Sauerstofftank in Flammen auf. Es war Brandstiftung. Kitt, Mutter von fünf Kindern, und Henry, ein achtjähriges Kind, sterben, drei weitere Menschen werden schwer verletzt. In einem Gerichtsprozess soll nun geklärt werden, wer das Feuer gelegt hat. Auf der Anklagebank sitzt Elizabeth, Henrys Mutter. Doch sie ist nicht die Einzige in Miracle Creek, die Geheimnisse hat…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Figuraler Erzähler, Präteritum
Perspektive: weibliche und männliche Perspektive (im Wechsel)
Kapitellänge: mittel bis lang
Tiere im Buch: + Eine Mücke wird getötet, ein Hund stirbt (wird nur kurz erwähnt) und Tierversuche werden angesprochen. Ansonsten werden keine Tiere verletzt, gequält oder getötet.
Triggerwarnung: sexualisierte Gewalt, Suizid, Tod von Menschen (Erwachsene und Kind) und schwere Verletzungen durch Feuer, Rassismus, Misogynie

Warum dieses Buch?

„Miracle Creek“ hat mich sofort angesprochen. Der Klappentext klang nämlich so vielversprechend! Die Geschichte erinnerte mich an "Kleine Feuer überall" von Celeste Ng, das ich auch sehr mochte. Das Buch hat außerdem schon sehr viel Lob erhalten und wurde von einigen Magazinen zu einem der besten Bücher des Jahres gewählt - das machte mich zusätzlich neugierig!

Meine Meinung

Einstieg (4 Sterne)

Obwohl die Geschichte am Anfang nur langsam ins Rollen kommt, dauerte es nicht lange, bis ich ins Buch fand. Das Buch konnte mich aufgrund des eindringlichen, unaufgeregten Schreibstils sofort in seinen Bann ziehen. Ich wollte unbedingt weiterlesen.

Schreibstil (4 Lilien)

"Eine Tragödie macht einen nicht immun gegen weitere Tragödien, und Schicksalsschläge werden nicht gerecht hier und da verteilt - mit Unglück wird klumpenweise, gebündelt nach einem geworfen, unkontrollierbar und chaotisch." Seite 10

Ich liebe den Schreibstil von Angie Kim! Sie schreibt relativ komplex und anspruchsvoll (ihre oft verschachtelten Sätze gehen nicht selten über mehrere Zeilen), dabei aber sehr flüssig und angenehm lesbar. Ihre unaufgeregte, ruhige Sprache ist unheimlich eindringlich und voller wunderschöner Vergleiche und Beschreibungen. Am meisten beeindruckt hat mich aber, wie unvergleichlich nuanciert sie Menschen beschreibt: ihre Gefühle in allen Schattierungen, ihre Gedanken, ihre Gesten, Blicke und Mimik. Großartig!

Inhalt, Themen & Ende (4 Lilien ♥)

„‘Wir haben alle hin und wieder Gedanken, für die wir uns schämen.‘“ Seite 481

Menschliche Fehler und Schwächen und ihre tragischen Folgen – sie machen den Kern dieses tragischen, intensiven und berührenden Romans aus, der auch euch nicht kaltlassen wird. Es geht in „Miracle Creek“ um jene düsteren Gedanken, die wir uns verbieten, um Seiten an uns, die wir verleugnen, um starke negative Emotionen wie Neid, Frustration und Kränkung, um Lügen und Fehler, die man nicht wiedergutmachen kann, und um Bereuen und brennende Schuldgefühle. Diese Themen behandelt die Autorin emotional und tiefgründig und bringt uns dazu, über unsere eigenen Unzulänglichkeiten nachzudenken. Wer von uns hatte noch nie einen unangemessenen, düsteren und verwerflichen Gedanken, auch wenn er uns nur einen Sekundenbruchteil durch den Kopf geschossen ist? Wer hat noch nie einen Anflug von Neid verspürt, wenn einer anderen Person etwas gelingt, das man sich schon lange wünscht? Wer ohne Sünde sei, werfe den ersten Stein! Und: Wer hat auch diese Gefühle sofort verdrängt und verurteilt und sich selbst einen schlechten Menschen geschimpft? Dieses Buch hat mich, auch wenn ich gerade nicht gelesen habe, nicht mehr losgelassen. Solche Bücher sind doch die besten, oder? Die offene Schilderung von Fehlern und Schwächen hilft vielleicht auch, eigene unerwünschte Gefühle ein Stück weit zu akzeptieren und als menschlich anzunehmen.

Neben Rassismus, Heimat und den Schwierigkeiten, die Migration mit sich bringt, wird auch Gewalt in der Erziehung und wie erschreckend weit verbreitet und alltäglich sie immer noch zu sein scheint, angesprochen – hier muss sich endlich etwas ändern! Sehr interessant fand ich zudem, dass verschiedene Menschen sich an eine Situation ganz unterschiedlich erinnern und diese auch ganz unterschiedlich bewerten. Und keine Sorge: Auch positive Themen wie Liebe, Familie und Freundschaft haben Einzug in die Geschichte gefunden.

Noch etwas anderes ist in „Miracle Creek“ ganz zentral: die Abwesenheit der Väter. Im Mittelpunkt stehen Mütter von Kindern mit Behinderung und ihre Liebe, aber auch ihre Probleme, ihre Fehler und Schwächen, ihre hohe Verantwortung, ihr Ganz-allein-für-alles-zuständig-Sein, ihre Überforderung, ihr Verzicht und alles, was sie aufgeben müssen. Unweigerlich stellt man sich eine Frage: Wo sind eigentlich die Väter? „Miracle Creek“ zeichnet leider ein authentisches, trauriges Bild unserer Gesellschaft, das leider der Wahrheit entspricht: Wenn es schwierig wird, sind es oft die Männer, die gehen und die Frauen, die ganz selbstverständlich bei ihrem Kind bleiben und am Ende ganz alleine dastehen. Mehr dazu beim Unterpunkt „Feministischer Blickwinkel“.

Für mich war „Miracle Creek“ bis zur gelungenen Auflösung und zum runden, mich zufrieden zurücklassenden Ende ein wahrer Lesegenuss! In der Geschichte, die aus mehreren Perspektiven erzählt wird und viele Rückblenden enthält, werden Stück für Stück neue Puzzleteile und überraschende Geheimnisse offenbart, wodurch sich ein richtiger Sog einstellt. Die spannende Gerichtsverhandlung mit ihren unerwarteten Wendungen wechselt sich hierbei auf gelungene Weise mit ruhigeren Schilderungen des Privatlebens der Figuren ab.

„Gute und schlechte Dinge – jede Freundschaft, jede Liebe, jeder Unfall, jede Krankheit – waren das Ergebnis der Verschwörung hunderter Kleinigkeiten, die jede für sich genommen vollkommen belanglos waren.“ Seite 500

ProtagonistInnen (5 Lilien ♥) & Figuren (5 Lilien ♥)

Die Figurenzeichnung ist ohne Zweifel eine der größten Stärken des Romans: Durch Kims nuancierte Schilderungen der Gedanken- und Gefühlswelt ihrer Protagonistinnen, durch deren authentische Schwächen, Träume, Zweifel und Ängste, wirken sie sehr plastisch und dreidimensional. Man fühlt und leidet unheimlich intensiv mit den liebevoll ausgearbeiteten Figuren mit und identifiziert sich mit ihnen. Auch die Nebenfiguren sind durchgehend sehr lebendig beschrieben und sehr gut gelungen. „Miracle Creek“ zeigt, dass es leider oft gute Menschen sind, die Fehler machen, die schlussendlich in eine Tragödie münden.

Spannung & Atmosphäre (4 Lilien)

Eine gewisse Grundspannung ist im Buch durchgehend vorhanden, ebenso wie zahlreiche hochemotionale und atemlos spannende Momente. Jedoch bricht der Spannungsbogen hin und wieder auch ein. Mir hätte etwas mehr Tempo an manchen Stellen gut gefallen, aber das ist Kritik auf hohem Niveau, denn auch so war ich mit „Miracle Creek“ und seiner dichten Atmosphäre sehr zufrieden.

Feministischer Blickwinkel (2 Lilien)

Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Schlam++, Hu++

„‘Mein Mann ist das überhaupt nicht gewöhnt, sich um die Kinder zu kümmern.‘ […] ‚Bei mir genau das Gleiche. Hoffentlich ist der Prozess schnell vorbei.‘“ Seite 155

„Miracle Creek“ enthält viele starke und interessante Frauenfiguren und besteht problemlos den Bechdel-Test. Außerdem ist die Feministin Janine ein echter Lichtblick. Leider gibt es aber auch einiges, was ich kritisieren muss. Angie Kim, eine ehemalige Anwältin, die sich selbst als Feministin beschreibt, hat zwar eine Art authentische Milieustudie über das Leben von Müttern von Kindern mit Behinderung geschrieben und zeigt darin auf, wie sehr die Frauen unter der Belastung, ganz alleine für alles verantwortlich zu sein, leiden, aber sie kritisiert diese Situation meiner Meinung nach nicht deutlich genug. Stattdessen wird (vielleicht auch unabsichtlich) der Mythos der Mutter, die sich selbst für ihr Kind aufgibt, gefördert. Warum gibt es keinen einzigen Vater, der mit seinem Kind zur Therapie fährt? Warum sind es die Männer nicht gewohnt, sich um ihren Nachwuchs zu kümmern? Das ist doch einfach nur traurig!

Das Buch enthält viele Rollenstereotype und besonders in Youngs Familie herrscht (bedingt durch Einflüsse aus der koreanischen Kultur) eine sehr traditionelle Rollenaufteilung, bei der der Mann als Familienoberhaupt Befehle verteilt und Entscheidungen trifft und bei der die Frau still zu sein und diese auszuführen hat, was mir als Feministin ebenfalls nicht gefallen hat. Zum Beispiel schreibt Young ihre Masterarbeit nicht fertig, weil ihr von ihrer Mutter gesagt wird, dass kein Mann eine besser ausgebildete Frau haben möchte. Auch wenn es zumindest bei einer weiblichen Figur im Laufe des Romans eine positive Entwicklung gibt, lassen sich die Frauen in diesem Buch (mit Ausnahme der einzigen Feministin Janine) viel zu viel von den Männern gefallen!

Auch die Doppelmoral hat mich wütend gemacht: Als eine Ehefrau vermutet, dass ihr Ehemann (der ihr die Treue geschworen hat!) eine Beziehung zu einer Minderjährigen unterhält, stellt diese nicht etwa ihren schuldigen Mann zur Rede, sondern beschimpft lieber die vermeintliche Affäre (die single ist und somit keine Verpflichtungen hat) als Hu++ und Schlam++. Das ist wieder ein wunderschönes Beispiel für verinnerlichte patriarchale Werte, Schuldumkehr und Slut Shaming! Ich würde mir wünschen, dass die Autorin beim Thema Geschlechterstereotype noch etwas sensibler wird und dass ihre feministische Einstellung beim nächsten Buch stärker Einzug in den Text findet. Dann gibt es auch alle Sterne!

Mein Fazit

„Miracle Creek“ ist ein intensiver, tragischer und berührender Roman über menschliche Fehler, Schwächen und Schuld, der auch euch nicht kaltlassen wird. Das lag vor allem am wunderbaren Schreibstil von Angie Kim: Sie schreibt relativ komplex und anspruchsvoll (ihre oft verschachtelten Sätze gehen nicht selten über mehrere Zeilen), dabei aber sehr flüssig und angenehm lesbar. Ihre unaufgeregte, ruhige Sprache ist unheimlich eindringlich und voller wunderschöner Vergleiche und Beschreibungen. Am meisten beeindruckt hat mich aber, wie nuanciert sie Menschen beschreibt: ihre Gefühle in allen Schattierungen, ihre Gedanken, ihre Gesten, Blicke und Mimik. Großartig! Die Figurenzeichnung ist ohne Zweifel eine der größten Stärken des Romans: Die Figuren haben authentische Schwächen, Träume, Zweifel und Ängste und wirken dadurch sehr plastisch und liebevoll ausgearbeitet. Man fühlt und leidet unheimlich intensiv mit ihnen mit. Es geht in „Miracle Creek“ (neben positiven Themen wie Liebe und Freundschaft) um die düsteren und verwerflichen Gedanken und Gefühle, die wir uns verbieten, um Seiten an uns, die wir verleugnen, um schwerwiegende Fehler und um Bereuen und brennende Schuldgefühle. Diese Themen behandelt die Autorin emotional und tiefgründig. Noch etwas anderes ist in „Miracle Creek“ ganz zentral: die Abwesenheit der Väter. Im Mittelpunkt stehen Mütter von Kindern mit Behinderung und ihre Liebe, aber auch ihre Probleme, ihre hohe Verantwortung, ihr Frust, ihre Überforderung und ihr Verzicht. Unweigerlich stellt man sich eine Frage: Wo sind eigentlich die Väter? „Miracle Creek“ zeichnet zwar (leider!) ein authentisches (und trauriges) Bild unserer Gesellschaft und zeigt auf, wie sehr Mütter unter der Belastung, ganz alleine für alles verantwortlich zu sein, leiden, aber sie hinterfragt und kritisiert diese Situation meiner Meinung nach nicht deutlich genug. Problematisch fand ich auch die traditionellen Rollenbilder, die Geschlechterstereotypen und die Doppelmoral (inklusive Slut Shaming). Dafür gibt es einen halben Stern Abzug. Ich würde mir wünschen, dass die Autorin im nächsten Buch sensibler mit diesen Aspekten umgeht und dass sich ihre feministische Einstellung stärker im Text spiegelt. In der Geschichte, die aus mehreren Perspektiven erzählt wird und in der sich die spannende Gerichtsverhandlung mit ruhigeren Schilderungen des Privatlebens der Figuren abwechselt, werden Stück für Stück neue Puzzleteile und überraschende Geheimnisse offenbart, wodurch sich ein richtiger Sog einstellt. Mir hätte etwas mehr Tempo an manchen Stellen gut gefallen, denn hin und wieder bricht der Spannungsbogen ein, doch auch so war ich mit „Miracle Creek“ und seiner dichten Atmosphäre sehr zufrieden. Für mich war der Roman jedenfalls bis zur gelungenen Auflösung und zum runden Ende ein wahrer Lesegenuss! Daher kann ich euch dieses Buch nur wärmstens ans Herz legen! Lest „Miracle Creek“ aber nur, wenn ihr den Kopf in den nächsten Tagen nicht freihaben müsst. Denn: Ihr könnt das Buch zwar zuklappen, die Geschichte wird euch aber nicht mehr loslassen!

Wer dieses Buch mochte, mag wahrscheinlich auch:
„Kleine Feuer überall“ von Celeste Ng
„Der Gesang der Flusskrebse“ von Delia Owens

Bewertung

Idee: 5 Lilien ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 5 Lilien ♥
Umsetzung: 5 Lilien ♥
Worldbuilding: 5 Lilien ♥
Einstieg: 4 Lilien
Ende / Auflösung: 5 Lilien ♥
Schreibstil: 5 Lilien ♥
ProtagonistInnen: 5 Lilien ♥
Figuren: 5 Lilien ♥
Spannung: 4 Lilien
Atmosphäre: 5 Lilien ♥
Emotionale Involviertheit: 5 Lilien ♥
Feministischer Blickwinkel: 2 Lilien

Insgesamt:

❀❀❀❀,5 ♥ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir viereinhalb Lilien und ein Herz und damit den Lieblingsbuchstatus!

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Veröffentlicht am 05.04.2020

Ein emotionales Buch

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Elizabeth Ward ist angeklagt wegen Mordes. Wegen Mordes an ihrem eigenen Sohn und ihrer Freundin Kitt. Sie soll absichtlich ein Feuer in der Nähe der Sauerstofftanks gelegt habe, die die Druckkammer für ...

Elizabeth Ward ist angeklagt wegen Mordes. Wegen Mordes an ihrem eigenen Sohn und ihrer Freundin Kitt. Sie soll absichtlich ein Feuer in der Nähe der Sauerstofftanks gelegt habe, die die Druckkammer für das HBO versorgte, sodass diese Feuer fingen.

Das Cover ist interessant, aber so ganz werde ich nicht schlau daraus.
Auf jeden Fall gefällt mir der Schreibstil sehr gut. Besonders, weil erst so nach und nach die ganze Geschichte ans Licht kommt. Der Fall wird von hinten aufgerollt.
Der Beginn der Geschichte ist die Verhandlung von Elizabeth und es wirkt so als wäre alles klar, was denn passiert ist. Aber da täuscht man sich als Leser, denn jeder der Teilnehmer an der HBO, eine Methode Krankheiten durch konzentrierte Sauerstoffzufuhr zu heilen bzw. zu verbessern, hat ein Geheimnis. Und als Leser erfährt man davon, weil die handelnden Figuren selber zu Wort kommen. Jeder erzählt abwechselnd aus seiner Sicht, also nicht in Ich-Form, aber trotzdem bekommt man die Gedanken und Gefühle der Teilnehmer vermittelt.
Denn nicht nur Elizabeth scheint nicht so zu sein, wie sie sich verhält. Kalt und distanziert, scheint sie zu einem Mord fähig. Doch was ist mit den anderen? Matt, Theresa oder Young, die alleine mit den Patienten war bevor es passierte?
Ich habe richtig mitgefiebert und durch die spannende Erzählweise wollte ich unbedingt wissen, was denn da wirklich passiert ist.
Der Großteil der Handlung spielt sich im Gerichtssaal ab und Angie Kim hat selbst hier eine Spannung aufgebaut, die greifbar ist. Ich habe atemlos den Ausführungen der beiden Anwälte gefolgt und wechselte selbst zwischen dem festen Glauben, dass Elizabeth schuldig sein muss und dem Gedanken, dass es doch mehr gibt und sie es nicht gewesen sein kann.
Die Patienten in der HBO sind fast ausschließlich Kinder. Kitts Sohn TJ und Elizabeths Sohn Henry, die beide an Autismus leiden oder Theresas Tochter Rosa, die im Rollstuhl sitzt und sich nicht äußern kann. Und hier beginnt das Können der Autorin meiner Meinung nach, denn nicht nur die Kinder werden gut beschrieben, auch die Eltern und ihre Gedanken werden gut dargestellt. Man fühlt mich den Charakteren mit und versteht sie und ihre Gefühle. Ich mochte es einfach, wie gut alle Charaktere ausgebaut worden und so ist jeder in dem Buch etwas Besonderes, Einzigartiges. Zum Beispiel gibt es die Figuren, die sich versuchen die Dinge schön zu reden, damit man sich nicht mit der Realität auseinander setzen muss. Oder die anderen, die erst im Nachhinein erkennen was sie falsch gemacht haben und dann aber ehrlich zu sich selber sind. Es sind einfach viele Gefühle in diesem Roman vereint.
Auch wenn es hier nicht so actionreich hergeht, ließ mich dieser Roman nicht los und konnte mich in seinen Bann ziehen. Obwohl er sehr tragisch und zuweilen auch traurig ist, aber es geht darum das richtige zu tun auch wenn es einem schwer fällt.
Denn die Wahrheit ist nicht immer leicht zu ertragen.
Das Ende ist dann wie nicht anders zu erwarten nicht das große Happy End, aber es passt und ich finde es sehr gut, trotz dem tragischen Charakter.

Mein Fazit: Dieses Buch fand ich einfach fantastisch, denn es konnte mich mit den Gefühlen mitreißen und nahm mich mit auf eine Achterbahnfahrt der Emotionen.
Das Buch ist kein Buch um es einfach mal so zwischendurch zu lesen, denn vieles an der Geschichte ist tragisch, aber die sehr gut gestalteten Charaktere haben mir ihre Sichtweisen erzählt und bei vielen konnte ich ihre Handlungen nachvollziehen, obwohl natürlich auch die anderen da waren, die mich mit dem Kopf schütteln ließen. Ich weiß nicht was ich sonst noch sagen soll, außer, lest dieses Buch, denn es ist wirklich einfach sehr gut!

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Veröffentlicht am 25.03.2020

Spannend, aber auch zum Nachdenken!

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Das Buch behandelt wirklich außergewöhnliche Themen und verpackt diese dabei umso menschlicher. Zum einen geht es um die Thematik des Rassismus gegenüber asiatischen Zugewanderten und den Problemen der ...

Das Buch behandelt wirklich außergewöhnliche Themen und verpackt diese dabei umso menschlicher. Zum einen geht es um die Thematik des Rassismus gegenüber asiatischen Zugewanderten und den Problemen der Zuwanderer, sich im neuen, „amerikanischen“ Way of Life zurechtzufinden. Immer wieder finden sich Beispiele des Alltagsrassismus im Buch welche aufzeigen, was auch diese immer wiederkehrenden Konfrontationen für Folgen bei den Betroffenen auslösen können. Zum anderen geht es um das Thema Autismus, besonders berührend am Beispiel betroffener Kinder und deren Eltern.

Miracle Creek ist unglaublich geschickt aufgebaut. So erlebt der Leser ein Gerichtsverfahren, bei dem die Schuldige bereits festzustehen scheint. Durch Zeugenbefragungen und Aussagen erschließt sich nach und nach ein scheinbar schlüssiges Szenario, welches zu dem tragischen Tod zweier Menschen geführt hat. Abgewechselt wird dies durch Einblicke in Gedankenwelten der Beteiligten, aus denen sich weitere Hinweise und Erkenntnisse ergeben, zunächst diffus, dann immer konkreter, aus denen sich nach und nach das tatsächliche Geschehen ergibt. Abwechselnd kommen alle mit dem Unglück beteiligten Personen zu Wort. Der Leser wird hierdurch nicht nur einmal auf die falsche Fährte geführt und angeregt, immer wieder ein Zwischenfazit zum wahren Hergang zu ziehen, dass dann bereits im nächsten Kapitel wieder über den Haufen geworfen wird. Dadurch ist der Spannungsbogen konstant hoch und Miracle Creek unglaublich fesselnd. Man möchte unbedingt wissen, was wirklich passiert ist!

Gepaart wird diese Handlung mit sehr authentisch aufgebauten Charakteren. Auch wenn man oft zwischen Sympathie und Abscheu schwanken kann, so ist doch jede Figur und jeder Beweggrund stark ausgearbeitet und somit für den Leser nachvollziehbar. Besonders stark sind hier die Erfahrungen der Personen mit den Thematiken Migration, Alltagsrassismus und Autismus dargestellt und haben sehr oft etwas in mir anrühren können.

In Miracle Creek hat jeder etwas zu verbergen und alles hängt miteinander zusammen. Es macht bewusst, wie sehr auch unsere kleinsten Handlungen und die unscheinbarsten Umstände Auswirkungen auf andere haben und Dinge ins Rollen bringen können, die dann nicht mehr aufzuhalten sind. Es lässt darüber reflektieren, wie man selbst als Betroffener in solch einer Situation handeln würde und wie gedankenlos man durchs Leben geht.

Auch behandelt es Thematiken wie Schuld, Sühne und Eigenverantwortlichkeit. Was würde man tun, um die zu schützen, was man liebt? Inwiefern übernimmt der Einzelne Verwantwortung für sein Handeln? Oder lässt man zu, dass es ein Bauernopfer gibt, um die eigene Haut zu retten? Und wie schnell verurteilen wir jemanden aufgrund äußerer Umstände, ohne seine Seite der Geschichte zu kennen? Ein wirklich klug aufgebautes Buch voll handfestem Inhalt, das stark nachwirkt, dabei aber nicht den Lesespaß zu kurz kommen lässt.

Eine absolute Leseempfehlung!

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