Cover-Bild Landnahme
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11,99
inkl. MwSt
  • Verlag: Suhrkamp
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Ersterscheinung: 13.10.2012
  • ISBN: 9783518732953
Christoph Hein

Landnahme

Roman

Bernhard Haber ist zehn, als er 1950 mit seinen Eltern aus Breslau in eine sächsische Kleinstadt kommt, wo man Vertriebene und Ausgebombte lieber heute als morgen wieder abreisen sähe. Zwar werden Handwerker gebraucht, und Bernhards Vater ist Tischler, aber die Einheimischen bestellen ihre Möbel natürlich nicht bei dem Fremden.
Dem Jungen begegnet man in der Schule nicht viel besser, sich durchbeißen und immer wiedere Schläge einstecken - das erkennt er rasch als den einzigen Weg. Daß Bernhard nach der 8. Klasse eine Tischlerlehre beginnt, wundert niemanden, eher schon, daß er später zeitweise als Karusselbesitzer sagenhaft viel Geld verdient. Peter Koller, der in einem selbstgebauten Auto zahlende Gäste nach Westberlin gebracht hat und dafür ein paar Jahre ins Gefängnis muß, weiß genauer, woher Bernhards Wohlstand stammt, aber er verpfeift ihn nicht.
Überhaupt hat Haber Glück mit den Leuten um sich herum: mit seiner Frau Friederike, die ihn anhimmelt, mit seiner Schwägerin Katharina, die ihm beigebracht hat, was Liebe ist, mit dem Sägereibesitzer Sigurd, der dafür sorgt, daß Bernhard als Tischlermeister in den Kegelklub aufgenommen wird, wo die Selbständigen sich treffen, um den nötigen Einfluß auf die Politik des Ortes zu nehmen ... vor 1989 und erst recht in den wilden Jahren danach.

Christoph Hein erzählt die Lebensgeschichte Bernhard Habers über fast fünfzig Jahre aus der Sicht und mit den Stimmen von fünf Wegbegleitern. Es ist der Lebenslauf eines Außenseiters in der Provinz, der mit der großen Geschichte scheinbar nichts zu tun hat und doch den Verlauf deutscher Geschichte vom zweiten Weltkrieg bis zur Jahrtausendwende exemplarisch spiegelt.

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.01.2021

Ein chronistischer Roman oder die Geschichte eines Aufsteigers

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Der Roman Landnahme von Christoph Hein, welcher im Suhrkamp Verlag erschien, behandelt Themen und Erfahrungen, die wahrscheinlich viele Menschen im Nachkriegsdeutschland erlebt haben. Exemplarisch am Leben ...

Der Roman Landnahme von Christoph Hein, welcher im Suhrkamp Verlag erschien, behandelt Themen und Erfahrungen, die wahrscheinlich viele Menschen im Nachkriegsdeutschland erlebt haben. Exemplarisch am Leben von Bernhard Haber, der aus Breslau stammt, erzählt Christoph Hein die Geschichte von Leben voller Ablehnung, vom Wunsch nach Akzeptanz und Zugehörigkeit.
1950, fünf Jahre nach Ende des zweiten Weltkrieges, kommt Bernhard mit seinen Eltern als Umsiedler in das sächsische Städtchen Guldenberg. Dort stoßen die Vertriebenen, die bei einem Bauern unterkommen, auf Ablehnung, Vorurteile und Fremdenfeindlichkeit. Über die Jahre und im Verlauf des Romans gelingt es Bernhard Haber, in Guldenberg als Tischler aufzusteigen und gesellschaftliches Ansehen sowie politische Relevanz zu erlangen. Ihm gelingt also die Integration in die neue Heimat und Gemeinde, wodurch er nicht mehr als „minderwertiger“ Umsiedler wahrgenommen wird. Parallel zum persönlichen Leben Bernhards werden auch immer wieder geschichtliche Ereignisse oder Entwicklungen in die Handlung des Romans eingebaut. Dazu zählen Beispielsweise, die Zwangskollektivierung und spätere Verstaatlichung, der Prager Frühling, der Mauerbau sowie die Wiedervereinigung.
Der Roman ist multiperspektivisch aufgebaut und ist aus der Sicht von fünf verschiedenen Erzähler:innen geschrieben, die alle irgendwann in einer Verbindung zu Bernhards Leben standen und jeweils von einem Abschnitt seines Lebens erzählen. Durch die verschiedenen Perspektiven änderte sich auch der Schreib- und Sprachstil in den jeweiligen Abschnitten, doch alle Kapitel waren gut und angenehm lesbar.
Mit den meisten Charakteren konnte ich nicht allzu viel anfangen, da ich nicht wirklich einen persönlichen Bezug zu ihnen herstellen konnte. In Kürze will ich auf die sechs relevanten eingehen:
Thomas Nicolas ist der erste Erzähler im Roman und zeichnet sich durch eine nüchterne Sprache aus. Er ist ein Schulkamerad Bernhards und hält am Anfang nicht sehr viel von ihm, versucht später jedoch, ihn näher kennen zu lernen. Marion Denutz stellt die erste Freundin Bernhards dar, mit der er mehrere Jahre zusammen ist. Nach seinem politischen Engagement im Rahmen der Zwangskollektivierungen trennt sich Marion jedoch von ihm.
Marion würde ich als ein naives Mädchen einschätzen. Sie ist sehr auf ihr Äußeres und die Meinung anderer Menschen bedacht und orientiert sich eher an materiellen Dingen.
Peter Koller ist ebenfalls ein Schulkamerad von Bernhard, lernt ihn jedoch erst nach dem Schulabschluss, als sie gemeinsamen Geschäften nachgehen, näher kennen. Für Geld nimmt er große Risiken auf sich und agiert naiv, legt jedoch auch auf soziale und finanzielle Absicherung einen großen Wert.
Katharina Hollenbach ist die Schwägerin von Bernhard. Sie ist scheinheilig, manipulativ und lechzt nach Aufmerksamkeit. Meiner Meinung nach war sie der unsympathischste Charakter im ganzen Buch.
Der letzte Abschnitt wird aus der Sicht von Sigurd Kitzerow erzählt. Dieser ist ein Freund und Geschäftspartner Bernhards und verhilft ihm maßgeblich zum gesellschaftlichen Aufstieg in Guldenberg.
Bernhard selber war für mich der unnahbarste und undurchschaubarste Charakter des Buches, was logischerweise auch daran liegt, dass sein Leben immer nur aus der Außenperspektive beschrieben wird. Auch wenn einzelne Handlungen von ihm ein paar seiner Charakterzüge erkennen lassen, gelang es mir nicht, ihn als Person richtig zu erfassen und zu kennen. Auch seinen Gefühle für Menschen in seinem Umfeld konnte ich teilweise nur sehr schwer einschätzen.
Die Nutzung so vieler Erzählerperspektiven macht den Roman interessant und einzigartig. Den Einbau der historischen Geschehnisse in der DDR zeigen, dass Hein seinem Anspruch als Chronist gerecht geworden ist und gemeistert hat, aber auch welchen Einfluss politische Entscheidungen auf das Leben einzelner haben kann. Jedoch fand ich das Buch teilweise sehr langatmig und auch der Tod seines Vaters konnte keine Spannung in die Handlung bringen. Viele Charaktere, auch abseits der Erzähler:innen, fand ich unsympathisch und anstrengend. Problematisch fand ich desweiteren die Reproduktion von Rassismus im Kapitel von Peter Koller, auch wenn die Aussagen den Zeitgeist und Mentalität der Menschen in der DDR wiedergespiegelt haben.
Als Schullektüre kann ich das Buch jedoch nur empfehlen, da es Einblicke in das Nachkriegsdeutschland, die Erfahrungen von Vertriebenen und die Gesellschaft in der DDR bietet.

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