Cover-Bild Der Frauenchor von Chilbury
(6)
  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
10,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Kiepenheuer & Witsch
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 480
  • Ersterscheinung: 14.02.2019
  • ISBN: 9783462052879
Jennifer Ryan

Der Frauenchor von Chilbury

Roman
Andrea O'Brien (Übersetzer)

»Eine wunderbare Lektüre, die direkt ans Herz geht« WDR 4, Bücher

Inspiriert von der Geschichte ihrer Großmutter erzählt die britische Autorin Jennifer Ryan in ihrem Debüt von einer Gruppe starker Frauen zu Beginn des Zweiten Weltkriegs in einem kleinen Ort in England.Grafschaft Kent, 1940: Als immer mehr Männer ins Militär eingezogen werden, beschließt der Pfarrer von Chilbury, den Chor der Gemeinde aufzulösen. Die Frauen sind zutiefst enttäuscht. Was bleibt ihnen im schwierigen Kriegsalltag noch? Doch dann kommt die Musikprofessorin Primrose Trent aus London im Ort unter. Sie ist der Überzeugung, dass Musik gerade in schwierigen Zeiten wichtig ist und schlägt die Gründung eines reinen Frauenchors vor. Die Idee stößt auf Skepsis. Ein Chor ganz ohne Bässe und Tenöre? Aber Primrose gibt nicht auf: Mit Energie und Leidenschaft treibt sie ihr Projekt voran – gegen alle Schwierigkeiten.

Weitere Formate

Dieses Produkt bei deinem lokalen Buchhändler bestellen

Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.03.2021

Hanebüchene Geschichte, die auch noch schlecht erzählt wird

0

Ich hatte mir von diesem Buch etwas in der Art von „Deine Juliet“ erwartet – zweiter Weltkrieg in England, eine Dorfgemeinschaft, verschiedene Schicksale, eine gute Balance zwischen heiter und berührend. ...

Ich hatte mir von diesem Buch etwas in der Art von „Deine Juliet“ erwartet – zweiter Weltkrieg in England, eine Dorfgemeinschaft, verschiedene Schicksale, eine gute Balance zwischen heiter und berührend. Die Geschichte wird ausschließlich durch Tagebuchauszüge, Briefe und Zeitungsausschnitte oder Bekanntmachungen erzählt. Eine interessante Methode, denn so lernen wir die Charaktere aus verschiedenen Blickwinkeln kennen. Allerdings klingen die diversen Erzähler alle ziemlich gleich, es gibt kaum Unterschiede in der Erzählstimme. Die Haupterzählerinnen sind die vornamenlose Mrs. Tilling – die gute Seele des Dorfes, die Schwestern Venetia und Kitty aus dem Herrenhaus und die Hebamme Edwina Paltry. Mrs. Tillings Tagebucheinträge waren letztlich fast die einzigen Passagen, die ich lesenswert fand, sowohl vom Stil wie auch von der Geschichte her. Hier findet sich der berührende Teil – die Angst der Mutter um ihren Sohn im Krieg, die Erlebnisse der Krankenschwester mit den Verwundeten, die Gründung des Frauenchors (der nur eine sehr geringe Rolle spielt), die Angst vor der deutschen Invasion und der Kriegsalltag.

Alle anderen Handlungsstränge sind dagegen fast überwiegend hanebüchen und übertrieben. Die Autorin hat sich von echten Aufzeichnungen inspirieren lassen, aber ich habe den Eindruck, sie hat sich die übertriebensten Geschichten ausgesucht und sie alle in dieses kleine Dorf gebracht, so dass den Charakteren die abstrusesten Dinge widerfahren. Es wird so viel Übertriebenes geschildert, gerade die Geschichte der Dorfhebamme wird nicht erst dann lächerlich, als man ihr sagt „Sie werden mit Ihrem Blut bezahlen“, also ob wir plötzlich in einen drittklassigen Krimi transportiert worden wären. Auch die eher alltäglichen Geschichten nehmen überzogene Wendungen. Das liegt nicht zuletzt an der extremen Gewaltbereitschaft, die in diesem Dorf herrscht. Da wird eine Tochter von ihrem Vater mit der Pferdepeitsche geprügelt, eine junge Frau von ihrem Verlobten zusammengeschlagen, eine kleine Messerstecherei plus Prügelei gibt es auch noch nebenbei – Chilbury scheint manchmal eher von Stephen King erdacht zu sein. Der Großteil der Charaktere ist unsympathisch und bösartig. So viele unangenehme Charaktere habe ich selten in einem Unterhaltungsroman erlebt.

Hinzu kommt der nicht gekonnte Schreibstil. Abgesehen davon, dass alle Erzählstimmen ähnlich sind, wird in allen Tagebüchern und Briefen romanartig erzählt, bis hin zur ausführlichen wörtlichen Rede. Es liest sich kaum wie Tagebücher oder Briefe. Dann gibt es plumpes Infodumping, wenn dem Gegenüber bekannte Informationen mit „Wie du weißt“ eingeläutet und dann ausführlich beschrieben werden. Die 13jährige Kitty schreibt von „unerfüllter Leidenschaft“ und ihrer „Verlobung“ und das keinesfalls auf die schwärmerische Art einer 13jährigen, weder klingt sie altersgemäß, noch verhält sie sich so. Die obligatorische Liebesgeschichte ist absolut vorhersehbar. Auch sonst ist alles meistens recht platt und ohne Raffinesse erzählt. Dazu kommt eine dicke Schicht Zuckerguß – natürlich gewinnt der Außenseiter unerwartet bei einem großen Wettbewerb, natürlich werden jahrelang gepflegte Vorurteile nach einem Erlebnis komplett abgelegt, natürlich ist am Ende alles gut, alle sind geläutert, alle Missverständnisse wurden geklärt. Die Schrecken des Krieges werden ab und zu erwähnt, aber auch hier bleibt alles irgendwie platt – es berührte mich kaum, ebenso wie die meisten Charaktere mich nicht berührten. Nichts wird gekonnt entwickelt oder vermittelt. Die Botschaft „jetzt ist die Zeit der starken Frauen“ wird uns dann wenig überraschend auch mehrfach mit dem Holzhammer und sicherheitshalber auch immer wieder direkt mitgeteilt.

Die wenigen guten Ansätze wurden also leider völlig erstickt, und warum dieses Buch (lt. Klappentext) ein „internationaler Bestseller“ sein soll, ist mir ein Rätsel.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere