Cover-Bild Gehen, ging, gegangen
(4)
  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
19,99
inkl. MwSt
  • Verlag: Knaus
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Erzählende Literatur
  • Seitenzahl: 352
  • Ersterscheinung: 31.08.2015
  • ISBN: 9783813503708
Jenny Erpenbeck

Gehen, ging, gegangen

Roman
Entdeckungsreise zu einer Welt, die zum
Schweigen verurteilt, aber mitten unter uns ist


Wie erträgt man das Vergehen der Zeit, wenn man zur Untätigkeit gezwungen ist? Wie geht man um mit dem Verlust derer, die man geliebt hat? Wer trägt das Erbe weiter? Richard, emeritierter Professor, kommt durch die zufällige Begegnung mit den Asylsuchenden auf dem Oranienplatz auf die Idee, die Antworten auf seine Fragen dort zu suchen, wo sonst niemand sie sucht: bei jenen jungen Flüchtlingen aus Afrika, die in Berlin gestrandet und seit Jahren zum Warten verurteilt sind. Und plötzlich schaut diese Welt ihn an, den Bewohner des alten Europas, und weiß womöglich besser als er selbst, wer er eigentlich ist.

Jenny Erpenbeck erzählt auf ihre unnachahmliche Weise eine Geschichte vom Wegsehen und Hinsehen, von Tod und Krieg, vom ewigen Warten und von all dem, was unter der Oberfläche verborgen liegt.

Weitere Formate

Dieses Produkt bei deinem lokalen Buchhändler bestellen

Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.05.2020

Über ein politisch wichtiges Thema

0

Dieses im Jahr 2015 erschienene Buch war gerade damals angesichts der Flüchtlingsströme nach Deutschland brandaktuell, ist es aber noch nach wie vor.

Der Protagonist dieser Geschichte ist der gerade emeritierte ...

Dieses im Jahr 2015 erschienene Buch war gerade damals angesichts der Flüchtlingsströme nach Deutschland brandaktuell, ist es aber noch nach wie vor.

Der Protagonist dieser Geschichte ist der gerade emeritierte Professor für Alte Sprachen Richard aus einem Berliner Vorort. Um seine Zeit zu füllen, nimmt er ein neues Projekt in Angriff, zu dem er sich durch eine Gruppe Asylsuchender animieren lässt, die schon geraume Zeit auf dem Oranienplatz campieren und eigentlich nichts lieber tun würden als in Deutschland zu arbeiten. In Befragungen lässt er sich von ihnen ihre ergreifenden Schicksale erzählen und erhält so Einblick in die konfuse Rechtslage von Flüchtlingen, die sich in den Maschen von Dublin II verfangen. Richard kniet sich immer mehr in die Sache hinein und wird zum Wohltäter für eine Reihe von Afrikanern. Das macht er nicht ungern, da er Parallelen zu seinem eigenen Leben sieht, der als Ostdeutscher nach der Wiedervereinigung heimatlos geworden ist. Seine Sichtweise auf sein Leben beginnt sich zu verändern.

Der Schreibstil der Autorin ist sehr besonders. Auffällig sind verschachtelte Sätze im Gegensatz zu dann wieder sehr kurzen und stetige Wiederholungen. Angesichts des Themas ist das Buch sehr interessant für jene mit Interesse an Asyl- und Flüchtlingspolitik, außerdem auch für jene mit Interesse an der Zeit der DDR.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 11.10.2016

Erpenbeck zeigt uns die Gesichter hinter der „Flüchlingskrise“

0

Gebundene Ausgabe: 352 Seiten
Verlag: Albrecht Knaus Verlag (31. August 2015)
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3813503708
Preis: 19,99 €
auch erhältlich als E-Book und als Hörbuch

Erpenbeck zeigt uns die ...

Gebundene Ausgabe: 352 Seiten
Verlag: Albrecht Knaus Verlag (31. August 2015)
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3813503708
Preis: 19,99 €
auch erhältlich als E-Book und als Hörbuch

Erpenbeck zeigt uns die Gesichter hinter der „Flüchlingskrise“

Inhalt:

Richard, frisch emeritierter Professor für Alte Sprachen, hat plötzlich viel Zeit. Zufällig sieht er die afrikanischen Flüchtlinge, die auf dem Berliner Oranienplatz campieren. Sie wecken seine Neugier. Anfangs noch etwas unsicher und ganz sachte wagt er einen Schritt nach dem anderen auf sie zu, lernt die einzelnen Personen und ihre Geschichte kennen, bis sein Leben schließlich eng mit dem der Flüchtlinge verzahnt ist.

Meine Meinung:
Sprachlich ist der Roman vielleicht nicht gerade ein Highlight, ist die Sprache doch eher einfach gehalten mit vielen kurzen Sätzen. Allerdings spiegelt das die einfachen Gedanken und Gespräche wider, die beschrieben werden. Leider verzichtet die Autorin auch nicht auf diese neumodische Sitte, bei der wörtlichen Rede die Anführungszeichen wegzulassen.

Und doch hat mich Jenny Erpenbeck mit ihrem Roman sehr beeindruckt, gibt sie doch den Menschen, die wir im Allgemeinen nur als die „Flüchtlingskrise“ wahrnehmen, ein Gesicht, eine Vergangenheit, eine Persönlichkeit. Sie pickt einzelne Menschen heraus und bringt sie uns näher. Dabei verarbeitet sie die Geschichten, die sie in zahlreichen Interviews erfahren hat. So wirkt der Roman sehr authentisch.

Richard ist dabei ein einfacher Mensch. Über Flüchtlinge hat er sich vorher noch nie viele Gedanken gemacht – wie wohl die meisten von uns. Doch als er die einzelnen Menschen in natura vor sich hat, ändert sich sein Blickwinkel ganz automatisch. Schnell wird ihm klar, dass diesen Menschen Schlimmes widerfahren ist und vor allem, dass man ihnen helfen muss. Und so geht Richard weiter seine kleinen Schritte. Er begleitet den Einen zum Rechtsanwalt, geht mit dem Nächsten zum Deutschunterricht, hört sich ihre Sorgen und Probleme an. Es ist nicht genug, was er als Einzelner bewirken kann, und doch so viel. Einfach nur, weil er menschlich handelt. Denn weder können die Flüchtlinge etwas dafür, dass in ihrer Heimat Krieg herrscht noch dass es keine Arbeit oder einfach zu wenig Nahrung für alle gibt. Sie haben einfach nur Pech, dass sie im falschen Land geboren sind.

[ … ] ebenso wüsste keiner von ihnen [Richards Freunde] eine Antwort auf die Frage, wessen Verdienst es in Wahrheit war, dass selbst die Ärmeren aus ihrem Freundeskreis einen Geschirrspüler in ihren Küchen hatten, Weinflaschen im Regal und doppelt verglaste Fenster. Wenn es aber nicht ihr eigenes Verdienst war, dass es ihnen so gut ging, war es andererseits auch nicht die Schuld der Flüchtlinge, dass es denen so schlecht ging. (S. 120)

Und noch etwas sollte man bedenken:
Es ist noch gar nicht so lange her, denkt Richard, da war die Geschichte der Auswanderung und der Suche nach Glück eine deutsche Geschichte. (S. 222)

Fazit:
„Gehen, ging, gegangen“ ist ein Plädoyer für Menschlichkeit, eingebettet in einen ernsten, aber doch unterhaltsamen Roman. Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung!

★★★★★

Veröffentlicht am 27.10.2016

Auf der Suche nach einem neuen Leben

0

Richard, frisch emeritierter Professor, fällt wie so viele vor ihm zu Beginn dieses neuen Lebensabschnittes in eine Leere, die er versucht mit Sinn zu füllen. Da seine Arbeit ihm das einzig Sinngebende ...

Richard, frisch emeritierter Professor, fällt wie so viele vor ihm zu Beginn dieses neuen Lebensabschnittes in eine Leere, die er versucht mit Sinn zu füllen. Da seine Arbeit ihm das einzig Sinngebende scheint, entschließt er sich zu einem neuen Projekt: Was ist Zeit? Die richtigen Gesprächspartner dazu sieht er in den Flüchtlingen, die in der Nähe seines Hauses untergekommen sind. Denn wer wenn nicht sie, die 'Aus-der-Zeit-Gefallenen', könnten ihm am besten erklären, was Zeit ist? Immer wieder besucht er sie und lässt sich ihr Leben erzählen; ihre Kindheit; ihre Flucht; ihr Ankommen; ihre Wünsche; ihre Träume. Je mehr er zuhört, umso mehr beginnt er zu verstehen, was diese Leute antreibt und überleben lässt. Richards Vorstellungen von der Welt und den Menschen beginnen sich zu ändern, langsam, Stück für Stück...
Die ersten 50 Seiten war ich kurz davor, das Buch zur Seite zu legen. Nichts als die selbstmitleidigen Gedanken eines Pensionärs, der nicht weiß wie er seine Tage füllen soll. Doch dann beginnt er mit seinem Projekt und nach und nach nimmt die Geschichte an Fahrt auf. Nicht in Form von Spannung und Action - der emeritierte Professor lässt sich auf die Geschichten der Flüchtlinge ein und man kann ihm buchstäblich dabei zusehen, wie sich seine Gedanken und seine Einstellungen ändern. Es ist nicht nur die Vergangenheit der Befragten, die so erschütternd ist, sondern auch die Aussichtslosigkeit des Lebens, das den Meisten bevorsteht. Keine Anerkennung als Flüchtling, keine Arbeit, Abschiebung wer weiß wohin, nirgendwo ein Leben mit Perspektive. Und alles nur, weil sie zur falschen Zeit im falschen Land geboren wurden.
Es ist kein mitleidheischendes Buch, der Ton ist vielmehr so sachlich-kühl, dass es mir fast schon wieder zu viel war. Und mit noch einem Punkt hadere ich ein bisschen: Fast Alle waren gut, niemand hatte böse Absichten und/oder kriminelle Energien. Selbst die einzige Person mit einer vielleicht nicht so weißen Weste blieb im Vagen und verursachte mehr schlechtes Gewissen als alles Andere. Schön, wenn es wirklich so wäre - für überzeugend halte ich es nicht.

Veröffentlicht am 27.06.2017

„…immer ist im Zuhören die Frage enthalten: Was soll man verstehen, was will man verstehen, und was wird man nie verstehen, will es aber bestätigt bekommen.“

0

„…immer ist im Zuhören die Frage enthalten: Was soll man verstehen, was will man verstehen, und was wird man nie verstehen, will es aber bestätigt bekommen.“

Ich wollte das Buch unbedingt toll finden ...

„…immer ist im Zuhören die Frage enthalten: Was soll man verstehen, was will man verstehen, und was wird man nie verstehen, will es aber bestätigt bekommen.“

Ich wollte das Buch unbedingt toll finden angesichts des wichtigen aktuellen Themas – doch leider gelang mir das immer nur im steten Wechsel mit ziemlichem Genervtsein. Worum es geht? Rentner Richard redet mit Flüchtlingen, so der Grundplot dieses Buches. Man könnte noch ergänzen: und verlässt seine Komfortzone oder und erweitert seinen Horizont, aber das liegt vielleicht schon im Auge des Betrachters bzw. Lesers.

Ohne Leserunde hätte ich wohl nicht durchgehalten, ich war zwischen Gegensätzen auf der Skala zerrissen. Da ist zum einen die Sprache, oft wunderbar treffend: S. 174 „Sich vom Wünschen zu verabschieden, ist am Alter wahrscheinlich das, was man am schwersten lernt.“ oder „…immer ist im Zuhören die Frage enthalten: Was soll man verstehen, was will man verstehen, und was wird man nie verstehen, will es aber bestätigt bekommen.“ S. 95 (ich hoffe dabei nicht, dass DAS mein Problem ist?!). Auf der anderen Seite sind da verschachtelte Sätze und das Stilmittel der häufigen Wiederholungen, die teils schlicht nerven, hier zu „Freude“: „Die Freude an dem, was am richtigen Platz ist, was nicht verlorengeht, was auf die richtige Weise gehandhabt wird und nicht verschwendet, die Freude an dem, was gelingt, ohne ein anderes am Gelingen zu hindern, ist, so sieht er das, in Wahrheit die Freude an einer Ordnung, die nicht von ihm errichtet, sondern von ihm nur gefunden werden muss, die außer ihm liegt, und ihn gerade deshalb verbindet mit dem, was wächst, fliegt oder gleitet, ihn dafür zwar von manchen Menschen entfernt, aber das ist ihm gleich.“ S. 25

Und dann ist da, viel wichtiger, das Thema, zum einen Flüchtlinge, zum anderen aber wohl auch das Altern, die Auseinandersetzung mit der DDR/deren Ende und, etwas diffuser vielleicht, so etwas wie Ziele, Lebensgrundsätze. Die Leserunde rettete mir hier ein wenig den Zusammenhang, alles sind Wendepunkte, dennoch: Mir gerät das Ganze zu überladen – schon sprachlich, dann in der Ausweitung des Haupt-Themas um weitere, zuletzt beim eigentlichen Thema selbst. Ja, natürlich ist das Thema Flucht manifest, relevant und drängend, wobei Erpenbeck ihr Buch bereits VOR der Kulmination 2015 geschrieben hatte. Aber VOR ALLEM durch die Ereignisse seit 2015 finde ich ihr Buch schlicht zu wenig, zu theoretisch: sie erzählt brilliant-einfühlsam von Kriegsflüchtlingen – aber nichts an „Widerhaken“ sonst in der Geschichte: keine Einwände bei Richards Freunden (von einem idiotischen Spruch abgesehen), nur lauter sympathische Flüchtlinge (von einem eher angedeuteten Ereignis abgesehen), selbst die Behörden sind vielleicht teils hilflos, aber ebenfalls irgendwie farblos nett (abgesehen von Überforderungen, Bürokratie). Realistisch?

Die Erzählung selbst stellt die nacherzählten Flucht- und Heimatgeschichten dar, den Kampf im Behördendschungel in Deutschland. Das hat Stärken, so wenn Richard den Bezug sieht zwischen griechischer Mythologie und der Historie Libyens, oder bei der grandiosen Gegenüberstellung von Richards Einkaufszettel mit einer Art Wunschzettel der Flüchtlinge je nach Herkunftsland. Und dann liefert Autorin Erpenbeck Fakten, die man eher in einem Sachbuch erwarten würde, einer der Presserezensenten spricht hier von einem „Tatsachenroman“ (FAZ 27.08.2015). Für mich ist der Bruch zum Rest zu stark.

Woran soll ich mich da als Leser reiben? Es wird reichlich viel erklärt, fast vorgegeben durch die Autorin – da bleibt wenig, dass ich mir selbst zusammen-lesen kann (Gegenbeispiel eines aktuellen Jugendbuchs, "The Hate U Give", ein schwarzer Teenager wird von einem Polizisten in den USA erschossen: hier wird der Leser durch verschiedene Phasen geschoben von rein der Sicht seiner Jugendfreundin als unbeteiligter Zeugin, über seine Drogendeals – war er selbst mitschuldig? – bis hin dazu, was denn das bitte rechtfertigen dürfe).

Wie auch hier die Flüchtlinge, fühlte sich wohl schon jeder genervt von deutschen Verwaltungen, jedoch fehlen mir im Buch Ideen für Alternativen zu den bemängelten Behördenprozessen. Es gibt „nur“ Opfer von Kriegshandlungen als Flüchtlinge, keine Frauen, keine alleinreisenden Jugendlichen, keine Opfer sexueller Gewalt – niemanden, der kriminell ist oder radikal auf beiden Seiten. Natürlich werden gerade die letzteren beiden gerne instrumentalisiert, doch wiederum ist mir insgesamt die Darstellung da zu wenig. Und: ALLES wird nicht in einem Buch erfassbar sein, aber doch vielleicht "mehr".

Für mich erfasst "Exit West" das Thema besser, demnächst auch in deutscher Übersetzung
https://www.lesejury.de/mohsin-hamid/buecher/exit-west/9783832198688?tab=reviews&s=1&o=0#review_51217