Cover-Bild Was man sät
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22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Suhrkamp
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 317
  • Ersterscheinung: 09.09.2019
  • ISBN: 9783518428979
Marieke Lucas Rijneveld

Was man sät

Roman
Helga van Beuningen (Übersetzer)

Kurz vor Weihnachten bemerkt die zwölfjährige Jas, dass der Vater ihr Kaninchen mästet. Sie ist sich sicher, dass es dem Weihnachtsessen zum Opfer fallen wird. Das darf nicht passieren. Also betet Jas zu Gott, dieser möge ihren älteren Bruder anstelle des Kaninchens nehmen. Am selben Tag bricht ihr Bruder beim Schlittschuhlaufen ins Eis ein und ertrinkt. Die Familie weiß: Das war eine Strafe Gottes, und alle Familienmitglieder glauben, selbst schuld an der Tragödie zu sein. Jas flieht mit ihrem jüngeren Bruder Obbe und ihrer Schwester Hanna in das Niemandsland zwischen Kindheit und Erwachsensein, in eine Welt voll okkulter Spiele und eigener Gesetze, in der die Geschwister immer mehr den eigenen Sehnsüchten und Vorstellungswelten auf die Spur kommen.
Was bedeuten Familie, Glaube, Zusammenhalt? Wie kann man anderen beistehen, wenn man mit den eigenen Dämonen zu kämpfen hat? Marieke Lucas Rijneveld hat einen gewagten, einen kräftigen und lebendigen Roman geschrieben, der unsere innersten Gewissheiten hinterfragt.

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.02.2020

Wenn der Tod zur Sünde wird

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Vor ungefähr zwei Jahren, war Lize Spit mit ihrem düsteren Roman “und es schmilzt” in aller Munde. Viele fanden die Geschichte von Eva sehr verstörend, brutal und faszinierend zu gleich. Und irgendwie ...

Vor ungefähr zwei Jahren, war Lize Spit mit ihrem düsteren Roman “und es schmilzt” in aller Munde. Viele fanden die Geschichte von Eva sehr verstörend, brutal und faszinierend zu gleich. Und irgendwie hat es die belgische Provinz (in der dieser Roman spielt) nach einigen langatmigen Abschnitten ‘hart getroffen’.
Ein ähnliches, beklemmendes Buch ist nun gerade bei Suhrkamp erschienen. Was man sät von Marieke Lucas Rijneveld kommt, wie der Name es vielleicht schon verrät, auch aus dem holländischen Raum und wurde ebenfalls von Helga van Beuningen ins Deutsche übertragen. Auch die Grundvoraussetzungen sind ähnliche und dennoch bringt Rijnevelds Roman eine noch viel düstere und bewegendere Welt zutage.

“Wir haben alle eine alte Seele. Meine ist schon zwölf Jahre alt. Das ist älter als die älteste Kuh des Nachbarn, und die gehört seinen Worten zufolge auf den Schrott, sie gibt nur noch wenig Milch.”

Und genauso fühlt sich Jas. Seit nun zwei Jahren führen sie und ihre Geschwister ein eher sündiges Leben zwischen experimenteller Fantasie, Okkultismus, Sehnsüchten, Angst. Damals waren sie noch eine 6-köpfige Vorzeigefamilie. Es war kurz vor Weihnachten und die Familie freute sich auf die nahenden, besinnlichen Festtage. Doch Jas bemerkte, wie ihr Vater ihrem Lieblingskaninchen immer mehr Aufmerksamkeit schenkte und es mästete. Sie fürchtete schlimmstes und so betete sie zu Gott, er möge es beschützen und lieber ihren ältesten Bruder Matthies zu sich holen… und genau das geschah. Ihr Bruder brach beim Schlittschuhlaufen auf der anderen Seite des Sees durch die Eisdecke und starb. Der Tierarzt überbrachte die Nachricht, als die Mutter Jas und ihre kleine Schwester Hannah badete. Die große Trauer blieb aus, jeder machte sich einzeln Vorwürfe, Weihnachten wurde vor die Tür gesetzt und das Unausgesprochene fraß sich seinen Weg.

“Später dachte ich manchmal, dass hier die Leere begann: dass nicht der Tod schuld war, sondern die beiden Weihnachtstage, die in Töpfen und leeren Husarensalatschachteln weggegeben wurden.”

Ihre Mutter hört auf zu essen und wird immer dünner. Ihr Vater kümmert sich um den Hof, das Vieh und begibt sich immer mal wieder alleine mit dem Fahrrad zum See. Ihr Bruder Obbe, sie und ihre Schwester leben irgendwie weiter, suchen ihren Weg und treiben in ihren Gedanken. Und vor allem Jas macht sich Vorwürfe, die Schuldige an Allem zu sein. Sie hat Angst vor dem Tod, zieht ihre Jacke nicht mehr aus, trägt allerhand Krimskrams in ihren Taschen mit sich, nur um zu sein, um Erinnerungen zu haben und weiter zu leben. Die Kinder probieren sich aus, erkunden sich sexuell, fügen sich Schmerzen zu, lassen Tiere sterben… Es ist als wären sie abgetrennt von der Außenwelt. Ihre eigene Welt, ihre eigenen Gesetze und vor allem Jas scheint irgendwo dazwischen stecken zu bleiben, zwischen Gott und Tod, Angst und Schmerz…

“Im Verlust finden wir uns selbst und sind, wer wir sind: verletzliche Wesen wie gerupfte Starenjunge, die ab und an nackt aus dem Nest fallen und hoffen, dass sie wieder aufgesammelt werden. Ich weine um die Kühe, ich weine um die drei Könige, aus Mitleid, und dann um das lächerliche, in eine Jacke der Angst gehüllte Selbst, die Tränen rasch wieder wegzukriegen.”

In diesem Zusammenhang zu sagen, dass es ein großartiges Buch ist, klingt irgendwie falsch und doch hat mich Rijneveld komplett in eine andere Welt katapultiert. Dieser so wahnsinnig düstere, abgrundtiefe Roman hat eine enorme Bildhaftigkeit und lässt den Schmerz, die Trauer, die Angst von Jas beinahe hautnah erleben. Und dabei entwickelt sich mit jeder Seite eine große Sogwirkung, ohne, dass es sich hierbei um einen Krimi handelt und doch denkt man nur: Was mag als nächstes passieren? Wer wird sterben? Wird wer sterben? Warum tun sie das? Warum merkt das denn niemand? Hilfe! Und das wühlte mich bis zur letzten Seite sehr auf und hat mich noch lange darüber hinaus beschäftigt.
Zwar ist das Ende nicht gerade das, was man sich zu Anfang erhofft und doch hat dieses Buch so etwas in sich Abgerundetes, das ich es einfach nur toll finden kann. Lize Spit selbst sagt: “Rijneveld erschafft eine finstere Welt voll wunderschöner Bilder.” und da merkt man wieder, wie ähnlich die beiden Autorinnen literarisch ‘unterwegs’ sind, denn genau so, wie “Und es schmilzt” endet, ist dieser ganze Roman. Fesselnd, bedrückend, tragisch, faszinierend, menschlich, wow. Also wer in Sachen Romanen einiges ab kann und Lize Spits Geschichte ebenso begeistert gelesen hat, der ist mit diesem Buch wunderbar bedient. Und zu allen anderen würde ich sagen: “Es ist wie der grausigste November. Lest mal vorsichtig rein und lasst dabei vielleicht das Licht an.”

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