Spannende Unterhaltung mit viel Historie
Was macht in meinen Augen ein Buch zu einem guten historischen Roman? Sind es viele Jahreszahlen oder die detaillierten Beschreibungen von Schlachten und Gemetzel? Oder ist es die Erotik, welche jeden ...
Was macht in meinen Augen ein Buch zu einem guten historischen Roman? Sind es viele Jahreszahlen oder die detaillierten Beschreibungen von Schlachten und Gemetzel? Oder ist es die Erotik, welche jeden Liebesakt genauestens schildert? Nein, es ist eine Mischung aus Unterhaltung und nachprüfbaren historischen Fakten. Und genau so ist das Buch
Das Juliusspital Ärztin aus Leidenschaft
aufgebaut.Die Handlung spielt in der fränkischen Stadt Würzburg und beginnt im April des Jahres 1950. Die Bankierstochter Vivian wird ungewollt schwanger und von ihren Eltern und dem Bruder verstoßen. Damals galt es noch als „Todsünde“, wenn man als ledige Mutter lebte. Das Fatale an der Sache war aber, dass eine Abreibung mit Gefängnis bestraft wurde. Als normal galt in „höheren Kreisen“, dass die gefallenen Mädchen bis zur Niederkunft in einem Kloster lebten. Dort wurden die Baby geboren und den Müttern direkt nach der Geburt abgenommen. Nein, sehen durften sie sie nicht. Sobald sich Adoptiveltern fanden, wurden die Kleinen abgegeben und niemand wusste, wo oder wie sie künftig lebten. Für die jungen Frauen ein schwerer Schnitt und mitunter verantwortlich für Suizid und Depression.
Vivian lehnt sich gegen die gesellschaftlichen Zwänge auf und behält ihre kleine Tochter. Und nicht nur das. Sie hegt den innigen Wunsch, dass sie als Ärztin tätig ist. Eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Frauen hatten damals für Haus, Mann und Kinder da zu sein. Sie galten als einfältig und ihnen war die Tür zur Universität verschlossen. Wird der Wunsch Vivians erhört und was meint ihre Familie dazu? Viele Wendungen gibt es in dem Roman und er zeigt mal wieder deutlich, in welch freier Zeit wir leben.
Am Schluss des Buches berichten die Autorinnen von ihren Recherchen und warum sie sich ausgerechnet das Juliusspital als Ort der Handlung aussuchten. Dort gab es tatsächlich Vorlesungen von berühmten Professoren, die heute noch für ihre Entdeckungen gerühmt werden. Die umfangreiche Recherche der beiden Schwestern Beinert hat mich sehr beeindruckt. Und auch die Handlung ist lesenswert. Es ist eine gute Mischung aus Fakten und Fiktion und niemals von Schmalz triefend oder schnulzig. Ein wirklich tolles Buch und ein Highlight meines Lesejahres 2020. Einzig die ungelösten Fragen, die am Schluss noch übrig waren, störten mich ein wenig.