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Veröffentlicht am 24.06.2020

Tief verwurzelt

Ich bleibe hier
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Im Grund genommen ist der Vinschgau eine beschauliche, dörfliche Gegend. Das Leben könnte hier im 20. Jahrhundert eigentlich genau so weiterlaufen, wie es das jahrhundertelang zuvor unverändert auch tat. ...

Im Grund genommen ist der Vinschgau eine beschauliche, dörfliche Gegend. Das Leben könnte hier im 20. Jahrhundert eigentlich genau so weiterlaufen, wie es das jahrhundertelang zuvor unverändert auch tat. Ein bäuerliches, einfaches Leben, traditionelle soziale Strukturen, tief verwurzelte Religiosität, Alltag in den Alpen. Politik, Ökonomie, Ökologie spielen jedoch auch hier wie in ganz Europa in die Idylle hinein – und machen Südtirol zu einem Sonderfall. Plötzlich sind die Menschen im Vinschgau keine Tiroler mehr, keine Österreicher, sondern Italiener. Spürbar wird es nach Mussolinis „Marsch auf Rom“. Die Italisierung drängt das deutsche im Alltag vehement und proaktiv zurück, verbietet beispielsweise das Unterrichten der deutschen Sprache, die nationalsozialistische Besatzung ein paar Jahre später dreht das Ruder wieder um 180 Grad herum und wäre das alles nicht belastend genug, schwebt über allem der seit Jahrzehnten geplante Staudamm, der allen Verzögerungen und Beteuerungen zum Trotz plötzlich doch den Lebensraum der Menschen bedroht.
Marco Balzano erzählt die Geschichte, das Schicksal eines ganzen Landstrichs anhand der Geschichte von Trina, einer jungen Lehrerin aus Graun, ein Einzelschicksal und doch exemplarisch für „alle“.
Sie ist zu einem nicht näher bestimmten Erzähl-Zeitpunkt seit Jahren von ihrer Tochter getrennt, und so stellt das Buch so etwas wie eine an sie gerichtete Erzählung der Mutter dar. Trina berichtet vom Dorf, von ihrer Jugend, ihrer Ehe und dem ganzen Drumherum, das den Alltag nun mal beeinflusst: die Weltpolitik, Ideologien von Diktatoren, wirtschaftliche Interessen von Unternehmen. Trina ist tief verwurzelt in der Gegend, lehrt an klandestinen Schulen in Katakomben, dient als Schreiberin und Übersetzerin fast für das gesamte Tal, denn viele der Bauern können nicht schreiben und lesen, geschweige denn auf Italienisch. Sie fühlt sich als Vinschgauerin, setzt sich daher für die deutsch-österreichische Kultur ein, aber später „Heim ins Reich“, in ein ihr vollkommen fremdes Land zu gehen, diese Option stellt sich nicht. Ihr Heimatgefühl ist bestimmend, aber viel regionaler, kleinräumiger. „Ich bleibe hier“ beschließt sie, gemeinsam mit Mann Erich und Sohn Michael. Die gleiche Antwort auf eine ähnliche Frage – als der Staudamm droht, Enteignung und Umsiedlung anstehen – Trina bleibt auch dann.

Marco Balzano gelingt etwas sehr Bemerkenswertes: er erzählt eine kleine Geschichte, eine persönliche Geschichte, in einem nicht allzu langen Roman. Und doch umspannen die rund 280 Seiten alles, was die Bewohner von Reschen und Graun in erster Linie, und sehr vergleichbar viele Bewohner Südtirols, und in noch weiter gefasstem Rahmen Millionen von Menschen in Europa im 20. Jahrhundert geprägt hat: das Grauen des Ersten Weltkriegs, ganz Europa wird durchgeschüttelt, neue Grenzen werden gezogen, neue Politik geschaffen. Es entstehen Widerstände, Unzufriedenheiten, neue Führer, nicht neue Ideologien, aber neue Dynamiken der Durchdringung. Das Aufkommen der Faschisten in Italien, der Nationalsozialisten in Deutschland, der Anschluss Österreichs, das Optieren für „Heim-ins-Reich“, der 2. Weltkrieg, das Zerbrechen der Achse Italien-Deutsches Reich, Besatzung, Befreiung. Die Dichte der Ereignisse, die tiefe Spuren hinterlassen im Leben des Einzelnen sind gigantisch. Dazu eine Hinwendung zu Industrialisierung und Technologie auch in zutiefst und bisher rein agrarisch geprägten Bereichen, eine ganz andere Intensität der Nutzbarmachung der natürlichen Ressourcen durch den Menschen, durch Konzerne, den Staat. Und wieder eine Beeinflussung jedes einzelnen Betroffenen, dessen, was er erblickt, wenn er aus dem Fenster schaut. Wieder alles neu, diesmal anders motiviert, aber nicht weniger brutal. Dazu das „normale Leben“, mit harter Arbeit, Liebe, Kindern, Krankheiten, Todesfällen, alles was so nebenbei passiert.
Es gibt keinen Stillstand – und ich möchte ihn hier nicht propagieren, und ja, es gibt sicher gesamtwirtschaftliche Interessen, die über dem Einzelinteresse stehen müssen, aber die Masse dessen, was über die Erzählerin hereinstürzt, ist unfassbar, ohne dass der Autor übertrieben hat, er hat nicht zu dick aufgetragen, dramatisiert. Er zeigt ein absolut durchschnittliches, exemplarisches Menschenleben aus dem Volk, aus dieser Region – das, was Trina passiert, ist absolut naheliegend. Alles in allem stellt es das genaue Gegenteil dessen dar, was man so landläufig vor dem inneren Auge hat, bekäme man die Eckdaten Südtirol, oberes Etschtal, bäuerliches Leben, gewachsene familiäre und dörfliche Strukturen genannt. DAS ist nur die Fassade, das LEBEN, die Geschichte, Freude und (hier eindeutig mehr) Leid liegen im Verborgenen und sehen mitunter ganz anders aus. Wer nur an der Oberfläche kratzt, kann davon nichts sehen, aber es wäre zumindest nett und sich dafür zu interessieren, was darunter liegt. Und der Reschen-See macht es einem da doch sehr einfach: denn der Kirchturm guckt da ja wirklich aus dem Wasser, er durchbricht nach wie vor die Oberfläche. Und auch wenn es kein Drei-Schluchten-Damm ist – dafür liegt er viel näher, dafür sind uns die Menschen viel näher. Das ist kein Selfie-Spot. Das ist ein Denk-mal-Spot mit Betonung auf denken, vielleicht per se das Problem mit dem schönen Selbstbildnis vor malerischer Kulisse.
Fazit: absolute Leseempfehlung, eine sehr dichte Erzählung, bei der man auch so manches Mal wieder die Internet-Enzyklopädie für die genauen Hintergründe zu Rate zieht. Gut für die historische Allgemeinbildung, gut für die politisch-ökonomisch-ökologische Wahrnehmung, ohne dass man den Eindruck hat, eine „schwere“ Lektüre vor sich zu haben.

Veröffentlicht am 08.06.2020

Wertvolle Zeit

Kostbare Tage
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Nichts ist so relativ wie Zeit. Sie fliegt, sie kriecht und alles dazwischen. Man blickt auf die Uhr, und nur Minuten sind vergangen, obwohl man dachte, es sei viel mehr gewesen. Man blickt auf den Kalender ...

Nichts ist so relativ wie Zeit. Sie fliegt, sie kriecht und alles dazwischen. Man blickt auf die Uhr, und nur Minuten sind vergangen, obwohl man dachte, es sei viel mehr gewesen. Man blickt auf den Kalender und ein Jahr ist vergangen wie nichts. Endlos erscheinende Schulstunden - Zeit quält. Zeit in angenehmer Gesellschaft verbracht, vielleicht noch bei schönem Wetter, Zeit zum Genießen. Tage, die sich aneinanderreihen, gleich und eintönig, oder jeder birgt ein neues Abenteuer. Tage werden endlich, wenn jemand sagt, du hast nicht mehr viele, und dann wiegen sie schwerer als zuvor.
Kostbare Tage von Kent Haruf widmet sich diesem Thema. Schauplatz ist wiederum, wie in allen seinen Werken, die Kleinstadt Holt in Colorado. Eisenwarenhändler Dad Lewis bekommt die Endlichkeit seiner Tage durch eine medizinische Diagnose aufgezeigt und fortan begleitet der Leser ihn auf seinen Tagen, die von Erinnerungen, Begegnungen und irgendwann auch dem Fortschreiten der Erkrankung gekennzeichnet sind und geprägt werden von den Menschen um ihn herum. Seine Frau Mary, seine Tochter Lorraine, Sohn Frank. Sie werden zu einem Gesamtbild seiner Geschichte. Und wie in einer Kleinstadt üblich, spielt auch die Vernetzung mit hinein, seine Angestellten, die Nachbarschaft, die Kirchengemeinde. Alle erleben diese Tage mit ihm und doch ihre eigenen Tage, mal mehr oder mal weniger kostbar, der Autor lässt den Leser einfach beobachten und teilhaben.
Kent Haruf ist ein großartiger Erzähler. Er erzählt ganz viel Kleines, alltägliches: Gespräche, Begegnungen, und einfach nur das normale tagein-tagaus der Menschen, ihre Gefühle, ihre Erinnerungen, die kleinen Aufreger in der Kleinstadt. Wieder ergibt sich ein Gesamtbild eines Nebeneinanders und Miteinanders, das mich schon in „Lied der Weite“ sehr begeistert hat, hier empfinde ich es jedoch als noch berührender und persönlicher, vielleicht einfach, weil die Geschichte mehr Tragik aufweist. Er erfindet so stimmige Personen, die dem Leser wirklich nahe gehen und jede ihre Eigenheiten hat, egal ob Mary und Dad, Lorraine, die schrullig-liebenswerten Johnsons, Nachbarin Bertha May und Enkelin Alice oder der neue Pfarrer Rob Lyle.
Die ganze Erzählweise ist ganz nah an den Menschen und schließt den Leser sehr gekonnt mit ein. Das ruhige, entschleunigte Tempo ist eventuell für den ein oder anderen Leser gewöhnungsbedürftig, aber wenn man einmal erkennt, wie viel Philosophie im Alltag, wie viel Großes im Kleinen steckt, kann man eigentlich nur zum Schluss kommen, dass es äußerst schade ist, dass der Autor nur sechs Werke verfasst hat, denn er hat wirklich etwas zu vermitteln.
Fazit: absolute Leseempfehlung. Es war nicht mein erstes Buch des Autors und die erneute Begegnung mit ihm hat mich sehr gefreut, noch mehr freut mich, dass ich noch nicht alles von ihm gelesen habe sondern ihn auch zukünftig wieder nach Holt begleiten darf.

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Veröffentlicht am 17.02.2020

Gefährliche Verblendung

Ein wenig Glaube
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Lyle und Peg Hovde sind überglücklich, als ihre Tochter Shiloh nach ein paar wilden Jahren mit ihrem kleinen Sohn Isaac zurück zu ihnen zieht, ins ländliche Wisconsin. Insbesondere der kleine Enkel bringt ...

Lyle und Peg Hovde sind überglücklich, als ihre Tochter Shiloh nach ein paar wilden Jahren mit ihrem kleinen Sohn Isaac zurück zu ihnen zieht, ins ländliche Wisconsin. Insbesondere der kleine Enkel bringt fortan einen ganz neuen Aktivitätsschub in ihr Leben und sie genießen ihre Großeltern-Zeit. Insbesondere Lyle und Isaac haben eine enge Beziehung, der „alte“ und der „kleine“ Kumpel verbringen viel Zeit miteinander, während Peg es genießt ihre geliebte Tochter wieder um sich zu haben. Shiloh wurde von den beiden adoptiert und es wirkt so, als ob die beiden deshalb fast noch ein bisschen glücklicher darüber sind, sie als Kind haben zu dürfen. Warum genau Shiloh zu ihren Eltern zurückkam, wird nicht ganz klar, denn sie beginnt schnell, einer neuen allzu engen Bindung den Riegel vorzuschieben. Sie gehört einer kirchlichen Gemeinschaft an, die sich in einer nahen Kleinstadt namens La Crosse eine Gemeinde aufgebaut hat. Deren Prediger Steven hat eine Beziehung mit Shiloh, und in jedem Fall eine Menge Einfluss. Obwohl Lyle seinen eigenen Glauben vor langem verloren hat und Peg eigentlich fest in ihrer protestantischen Tradition verankert ist, besuchen die beiden gemeinsam mit ihrer Tochter die Gottesdienste der Gemeinschaft. Schnell wird vor allem Lyle klar, dass ihm die gesamte Konstellation nicht koscher erscheint, die Haltung der Gemeinschaft zu bestimmten Themen ist sehr rigoros – und schwer nachvollziehbar. Doch jede Kritik oder vorsichtige Nachfrage führt dazu, dass Shiloh damit droht, den Eltern den Kontakt zu ihr und vor allem Isaac gänzlich zu untersagen, selbst in extremen Situationen ist sie rationalen Argumenten – und Tatsachen – gegenüber nicht mehr empfänglich. Wie vorhersehbar, führt alles irgendwann zu einer Eskalation mit ungewissem Ausgang.
Seit „Die Herzen der Männer“ bin ich ein großer Freund von Butlers Stil. Seine genaue Beobachtungsgabe, sein feinfühliges Gespür für leise Töne bei großen Themen und vor allem auch hier wieder, der Blick eines männlichen Protagonisten auf einen Themenkomplex, der so gerne als weiblich besetzt oder dominiert dargestellt wird. Die klassischen 3K -Kinder Küche Kirche. Vergessen werden sollte jedoch nicht, dass selbstverständlich die Männer sich ebenfalls in diesem Feld bewegen – ihr Alltag dadurch bestimmt wird. Der Leser erlebt am Beispiel von Lyle so unittelbar mit, wie er zum einen die Zeit mit Isaac genießt, wie wohl er sich fühlt, Geschichten und Erfahrungen weitergibt und auf der anderen Seite, wie sehr er darunter leidet, was durch Shilohs völlige Ausrichtung nach den Glaubenssätzen ihrer Kirche dann geschieht. Wunderschön fand ich das Motiv der Apfelplantage, auf der Lyle tätig ist. In meinen Augen setzt Butler sie als Allegorie zu den anderen Geschehnissen im Buch ein.
Für mich persönlich, sehr rational, eher agnostisch als gläubig, auf jeden Fall evolutionistisch und nicht kreationistisch, ist das alles, was hier geschieht, sehr schwer fassbar. Ich kann einfach nicht nachvollziehen, dass Menschen so denken und handeln – man könnte glatt sagen, mir fehlt der Glaube… aber ich weiß natürlich, dass es das gibt. Und das ist tragisch. Aber auch das ist ja meine Außensicht, meine naturwissenschaftlich geprägte, „unverständige“ Art. Ich finde es sehr schwierig zu beschreiben, was ich darüber denke, eigentlich möchte man/möchte ich sagen, „ich weiß es besser, ihr seid auf dem Holzweg, ihr seid gemeingefährlich, für euch, für andere, das ist Fahrlässigkeit bis zum schlimmsten“ – und andererseits glaube ich an die Prämisse, dass jeder für sich entscheiden müssen darf, was er glaubt, solange es in den Grenzen der Gesetzgebung stattfindet UND aber auch, solange nicht das Wohl eines Menschen gefährdet ist, der diese Entscheidung nicht getroffen hat. Deshalb habe ich ein Problem mit nicht-impfenden Eltern, deshalb möchte ich auch Shiloh hier im Buch am liebsten an den Schultern packen und schütteln. Diese Grenze auszuloten, ist nicht nur eine der im Buch angesprochenen Schwierigkeiten des Themas.
Fazit: Nickolas Butler hat es wieder geschafft, mich weit über die Lektüre hinaus mit der Thematik seines Romans zu beschäftigen. Mehr geht nicht.

Veröffentlicht am 13.02.2020

Zäsur

Nach Mattias
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Nach Mattias. Nach Mattias Tod. Das bedeutet ohne Mattias. Eine Frau ohne Freund, eine Mutter ohne Sohn, Großeltern ohne Enkel, ein Mann ohne seinen besten Kumpel. Denn jede Person ist Teil einer wechselseitigen ...

Nach Mattias. Nach Mattias Tod. Das bedeutet ohne Mattias. Eine Frau ohne Freund, eine Mutter ohne Sohn, Großeltern ohne Enkel, ein Mann ohne seinen besten Kumpel. Denn jede Person ist Teil einer wechselseitigen Beziehung: er ist nicht nur Sohn, er hat eine Frau als Mutter definiert, eine andere als seine Freundin. Er hatte nicht nur Freunde, er war Freund, somit besetzt er immer zwei Rollen, aktiv und passiv. Deshalb fällt es doppelt auf: Mattias fehlt, hinterlässt eine Lücke, Leere und Stille.
Manche merken sein Fehlen nur peripher, vielleicht ein Kunde, der nicht auftaucht, ein loser Mailkontakt, der abreißt. Für diese Menschen dauert Mattias Verlust nur eine kleine Weile an – für andere bestimmt er fortan die Zeit. Es beginnt eine neue Zeit, eine, deren Beginn man klar benennen kann: Nach Mattias.
Der Leser lernt im Laufe des Romans Menschen kennen, auf die Mattias‘ Tod Einfluss genommen hat, ganz und mittelbar oder auch nur mittelbar. Dabei erfährt man erst ganz zu Ende, was zu Mattias Tod geführt hat. Bis dahin ist vollkommen klar, wie und warum Mattias aus dem Leben geschieden ist und lange bleiben auch gedanklich alle Optionen von Krankheit über Suizid und Unfall denkbar. Die tatsächliche Todesursache, die ich hier nicht nennen werde, hat aktuellen Bezug, soviel sei verraten, ich behaupte einfach mal JEDER Leser hat bei der Enthüllung sofort mehrere ähnlich gelagerte Vorfälle, aber einen Namen im Kopf, der ganz eindeutig als Vorbild für den Roman gedient haben muss. Für den Moment soll genügen, dass für alle Beteiligten um ihn herum Mattias aus dem Leben gerissen wurde und viel hinterlässt.
Der Autor schildert alle Auswirkungen, den der Tod einer Person hat, im Großen und im Kleinen. Die Spuren, die eine Person hinterlässt sind mannigfaltig, kaum zählbar, riesig groß und winzig klein. Jedes Kapitel des Buches beleuchtet dabei die Perspektive einer anderen Person. Peter Zantingh schafft es eine Atmosphäre in jedem Kapitel zu erschaffen, die sehr eigen ist – passend zum jeweiligen Protagonisten. Er macht tiefste Trauer und Verzweiflung spürbar, Leere, das Gefühl offener Fragen, auf die niemals mehr eine Antwort erfolgen wird genauso wie die eigentliche Unbedeutsamkeit, des Fehlens einer beliebigen Person, die nur eine Randnotiz darstellt im eigenen Leben, mit den persönlichen Problemen und Prioritäten so rein gar nichts zu tun hat.
Da diese Atmosphäre hin und her schaukelt, ist es auch kein vor Trauer und Verzweiflung triefendes Buch. Natürlich macht die ungeklärte Todesursache im Laufe des Buches sehr neugierig und irgendwann ahnt man auch eine grobe Richtung und hat dann tatsächlich ein ganz blödes Gefühl. Das Buch wirkt nicht gestückelt, nicht wie Flickwerk – eher wie ein Mosaik, Steinchen für Steinchen fällt an einen ihm zugedachten Platz. Manches bildet nur Hintergrund, manches ein entscheidendes Detail, ohne das kein Gesamtbild entsteht. Das ist ein in meinen Augen sehr gut gelungenes Konstrukt und hat mir sehr gut gefallen.
Fazit: Wer evt. „Der Sprung“ von Simone Lappert gelesen hat, ist mit dem Aufbau vertraut. Er gelingt hier wieder sehr gut und wer das mochte, kommt auch hier auf seine Kosten. Insgesamt ist es ein wahnsinnig interessantes Buch, die Frage nicht nur nach dem was geschehen ist, sondern auch nach den Verbindungen der einzelnen Kapitelprotagonisten zu Mattias und in welcher Form sich deren Leben gewandelt, die Frage nach Mattias „impact“ und zwar zu beiden Zeiten, mit Mattias und nach Mattias ist eine spannende Entdeckungsreise. Würde ich einen Kritikpunkt suchen wollen, dann den, dass Mattias mir als Person nicht nähergekommen ist, ich habe eigentlich kein Bild von ihm vor Augen. Vielleicht ist das normal? Ich bin ja schließlich nach Mattias.

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Veröffentlicht am 29.01.2020

Schlaf gut!

ministeps: Wenn kleine Kinder müde sind
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Jeder Tag ist aufregend, jeden Tag entdecken kleine Kinder etwas Neues, lernen etwas dazu – und doch sind sie oft nicht so große Fans vom ZU-Bett-Gehen wie Mama und Papa es sich wünschen würden. Vielleicht ...

Jeder Tag ist aufregend, jeden Tag entdecken kleine Kinder etwas Neues, lernen etwas dazu – und doch sind sie oft nicht so große Fans vom ZU-Bett-Gehen wie Mama und Papa es sich wünschen würden. Vielleicht hilft dieses zauberhafte kleine Büchlein ein bisschen dabei. Es zeigt viele unterschiedliche Situationen wie Kinder schlafen, wo sie schlafen, wen sie gerne bei sich haben.
Mir gefällt das Bilderbuch ausnehmend gut. Die Illustrationen sind farbenfroh, detailliert und dabei doch so klar, dass erkennen, benennen und erzählen neben dem eigentlichen vorlesen nicht zu kurz kommen werden. Die Vielfalt der Schlafsituationen ist großartig und alltagsnah, wirklich gelungen. Die Reime sind kurz, treffend und einprägsam. Bestimmt ein Buch zum mitsprechen nach kurzer Zeit!
Fazit: ein richtig schönes Bilderbuch für die ganz Kleinen, dass sicher ein Lieblingsbuch für das Gute-Nacht-Ritual sein kann!