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Veröffentlicht am 21.08.2019

Old white men

Verratenes Land
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Wie überall in der westlichen Welt an den Schaltstellen der Macht. Kommunal, national, global. Politisch, ökonomisch, kulturell, persönlich. Offiziell, inoffiziell, kriminell.
Fast kommt es einem vor, ...

Wie überall in der westlichen Welt an den Schaltstellen der Macht. Kommunal, national, global. Politisch, ökonomisch, kulturell, persönlich. Offiziell, inoffiziell, kriminell.
Fast kommt es einem vor, wie der örtliche Lions Club, bekäme man vom Bienville Poker Club in Bienville, Mississippi, berichtet, doch dem ist nicht so. Der Club besteht seit dem Sezessionskrieg, seine zwölf Mitglieder regeln das, was in der Kommune, im County und darüber hinaus in ihrem Interesse liegt. Das betrifft heutzutage Wirtschaftsansiedlungen, Schulneunbauten, aber eben auch die Beseitigung von jedweden Hindernissen unter Geltendmachung ihres Einflusses. Dabei kann es eben dann um politische Abstimmungsergebnisse, das Ermittlungsergebnis der Polizei und die Zusprechung von Sorgerecht. Nichts geschieht hier, ohne dass dieser Club es absegnet. Und dabei liegt dann nahe, dass sich die Runde eben auch deutlich außerhalb legaler Machenschaften bewegt. Marshall McEwan weiß das, hat sein Leben lang nichts anderes kennen gelernt, denn er ist in Bienville aufgewachsen. Nun ist er nach Jahren als erfolgreicher Journalist in Washington DC zurückgekehrt, um den Watchman zu leiten, die Zeitung seines Vater, der schwer erkrankt ist. Für ihn wird es zu einer Begegnung mit seiner Vergangenheit auf allen Ebenen – seiner Familientragödie, seiner Jugendliebe, seinem väterlichen Mentor und den Machenschaften dieses dynastischen Clübchens.
Greg Iles rollt dann nicht nur die aktuellen Vorgänge in Bienville rund um die Ansiedlung einer Papierfabrik eines chinesischen Investors auf, sondern auch die seit Jahrzehnten unter der Oberfläche gärenden großen und kleinen Geheimnisse der einzelnen Protagonisten sowie des Poker Clubs. Schnell wird klar, Marshall hat sich durch seine Verstrickung in große Gefahr gebracht – weil er eine Gefahr darstellt für den Club. Doch nicht nur er, auch andere werden plötzlich zur wandelnden Zielscheibe. Und dann geht es um die Frage, wer schneller herausfindet, mit welchen gezinkten Karten sein Gegner spielt, wer kennt welches Geheimnis und wer die Wahrheit. Ich denke, es ist klar, dass dies ein breites Tableau ist und so liest sich auch „Verratenes Land“. Irgendwie immer spannend, aber auch voller Längen. Klar, das große Ganze ist entscheidend, ohne die Vergangenheit nicht die heutigen Auswirkungen, aber es zieht sich zwischendurch doch in meinen Augen arg und die epische Breite zeigt sich nicht nur, aber auch in der schieren Länge des Buches - 830 Seiten, ein gewaltiger Schinken, 600 hätten es sicher auch getan. Obwohl mir insbesondere das Personengeflecht gut gefallen hat, finde ich, es gab sowohl verzichtbare Charaktere (z.B. die ganzen Nebenfiguren des Poker Club, drei von 12 treten quasi gar nicht auf, hätten aber auch sechs graue Eminenzen sein können) als auch einiges was man hätte einfach weglassen können, ohne der Quintessenz der Handlung auch nur zu nahe zu treten.
Für mich war es das erste Buch des Autors und ich würde nun nicht sagen, dass es mir so gar nicht zusagte, aber auf meine Favoritenliste wandert er erst einmal nicht.

Veröffentlicht am 27.05.2019

Leider nicht durchgehend fesselnd

Rheinblick
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Bonn, 1972. Die SPD ist der Gewinner der Bundestagswahl. 46% konnte die Partei um den charismatischen Kanzlerkandidaten Willy Brandt erreichen. Die Kampagne „Willy wählen“ hat die Menschen im Land, vor ...

Bonn, 1972. Die SPD ist der Gewinner der Bundestagswahl. 46% konnte die Partei um den charismatischen Kanzlerkandidaten Willy Brandt erreichen. Die Kampagne „Willy wählen“ hat die Menschen im Land, vor allem die junge Generation, bewegt und erreicht. Nun beginnt der erste große Kampf nach der Wahl. Nicht mehr der politische Gegner ist für die Konflikte „zuständig“, das Ringen um den Koalitionsvertrag und vor allem die Verteilung der Posten und Pöstchen bestimmt das Denken und Handeln auf der Politbühne.
Teil dieser Bühne ist das Lokal „Rheinblick“, das Wirtin Hilde Kessel mit rheinischer Gelassenheit nach dem Tod ihres Mannes alleine führt. Bei ihr sitzen sie alle am Tresen und beim Mittagstisch, und auch manchmal spät abends betrunken im Taxi nach Hause und manchmal hört Hilde Dinge, die sie am besten gar nicht hören würde. Noch nie hat sie ihren Vorteil aus ihrer „Vertrauensposition“ gezogen, wie der Priester im Beichtstuhl oder die rheinische Version von „what happens in Vegas, stays in Vegas“, ist sie sicherer verschwiegener Boden, zumindest denken das alle…
Im November 1972 geht es also hoch her im Rheinblick, denn unmittelbar nach der Wahl fällt die Hauptperson aus: Brandt muss sich im Klinikum auf dem Venusberg einer Stimmbandoperation unterziehen und hat Redeverbot. Schriftlich nimmt er an den nervenaufreibenden Verhandlungen teil, oder hofft es zumindest und ist angewiesen auf das, was ihm ins Krankenhauszimmer vermittelt wird. In dieser angespannten Situation ist es nicht gerade leicht für Logopädin Sonja Engel, den Kanzler zu Atemübungen zu überreden, insbesondere da ihr Cousin, MdB und möglicher Anwärter auf einen Posten im Kanzleramt, plötzlich an sie herantritt, mit der Bitte, ihre Veschwiegenheitsverpflichtung doch etwas flexibler auszulegen.
Sonja lebt in einer WG, deren Bewohner, den zweiten großen Personenblock im Roman ausmachen. Vier junge Menschen, außer Sonja alle Studenten, die den Schwung der Zeit, ein neues Lebensgefühl, eine neue Freiheit verspüren und leben. Jeder von ihnen mit seinen persönlichen Sorgen belastet, und doch wieder vereint mit auch ihren Verbindungen zum „Rheinblick“ und einem aktuellen Kriminalfall in Bonn, der insbesondere die Journalistin Lotti aus Baden, die vorübergehend bei ihnen unterkommt, beschäftigt.

Und leider hört sich das jetzt – sogar für mich in der Rückschau, während ich diese Rezension schreibe-, spannender an, als es tatsächlich im Roman ist. Ab einem gewissen Zeitpunkt zieht es sich doch sehr arg in die Länge. Grundsätzlich fand ich die Konzeption eigentlich sehr gut, die Studenten-WG, das Politlokal, der angeschlagene Kanzler und die ihn belagernden Genossen, um die Weichen für die neue Legislaturperiode zu stellen, allem voran glaube ich, (soweit ich mich traue, das einschätzen zu wollen, so als nicht Zeitzeugin) treffend eingefangen Zeitgeist verspürt zu haben.

Aber gerade mit einer der Hauptpersonen, der Logopädin Sonja, habe ich mich nie anfreunden können, will ich ihre Rolle fast überflüssig und – sinnlos? – fand. Ihre Anwesenheit auf dem Venusberg hat meiner Meinung nach so gar keine Auswirkung auf die Handlung an sich. Sie dient irgendwie mehr oder weniger nur als Bindeglied zur Studenten-WG, um den Handlungsstrang um Max und Lotti und den Kriminalfall einbinden zu können in das große Ganze und das hat mir irgendwie einfach nicht gefallen.

Dann habe ich auch leider noch einen Kritikpunkt zur Sprache, nicht im allgemeinen, sondern im sehr speziellen und persönlichen Empfinden. Denn insgesamt liest sich das Buch wunderbar und trotz der für mich zu konstatierenden inhaltlichen Längen ist es ein gut zu lesender, flüssiger Plot. Aber immer dann, wenn Hilde Kessel sprach, (oder eben nicht immer!!!) hat es mich leicht geschaudert. Die Autorin wollte der Wirtin einen zu ihr passenden rheinischen Zungenschlag verpassen. Es ist schwer bis unmöglich, Dialekt wirklich schriftlich treffend einzufangen, das ist mir auch klar. Aber: einen kompletten Satz in Hochdeutsch und dann einfach nur bei einem Wort den letzten Buchstaben weglassen – das wirkt dann immer mehr wie ein Tippfehler für mich, gerade wenn es im Satz noch zwei - drei andere, einfache!, Möglichkeiten gegeben hätte (z.B. im Stil von „er hätte es mit dir besprechen müsse.“ – „er hätt et mit dir bespreche müsse‘ wäre schon viel harmonischer und sicher nicht viel komplizierter umzusetzen gewesen. Mit anderen Worten in den drei Worten „na sischer dat“ des Taxiunternehmers lag für mich mehr Rheinland als in allen Hilde-Sätzen zusammen.

Toll fand ich tatsächlich den „Soundtrack“ zum Buch, jede der Kapitelüberschriften besteht aus einem Zitat aus einem Liedtext und im Anhang des Buches sind diese und weitere im laufenden Text genannte Lieder alle noch einmal aufgeführt. Also wer die Muse dazu hat, kann sich seine Playlist zur Lektüre zusammenstellen. Diese Idee fand ich sehr kreativ und bemerkenswert.

Fazit: gute Idee, sicher sehr gut recherchiert, mit sehr viel eingefangenem Zeitgeist – das ist die große Stärke des Romans. Aber insgesamt auch einige Schwächen, die dafür sorgen, dass zumindest ich nicht sehr begeistert bin.

Veröffentlicht am 02.07.2019

Zwei Flügel zum Fliegen

Zwei in Solo
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Sophie ist auf dem Heimweg, als sie plötzlich in eine brenzlige Situation gerät. Ein junger Mann springt ihr zur Seite und auf den zweiten Blick bemerkt sie, dass sie ihn kennt. Ein ehemaliger Schüler, ...

Sophie ist auf dem Heimweg, als sie plötzlich in eine brenzlige Situation gerät. Ein junger Mann springt ihr zur Seite und auf den zweiten Blick bemerkt sie, dass sie ihn kennt. Ein ehemaliger Schüler, Milo, steht vor ihr. Das Szenario ist merkwürdig, irgendwie spannungsgeladen und eines ergibt das andere. Trotz des Altersunterschiedes beginnen die beiden eine Beziehung, die mit vielen Problemen zu kämpfen hat. Milos familiäre Problematik ist nur eine davon. Die beiden begeben sich zusammen auf eine Reise und entdecken sich selbst und lernen sich neu zu definieren und zu positionieren. Über allem steht, dass sie nur gemeinsam, nicht perfekt, aber funktionstüchtig sind, bildlich gesprochen zwei Flügel haben, um zu fliegen.
Ich wollte so gerne mal wieder einen Liebesroman lesen, irgendetwas leichtes, nicht zu kitschiges, aber doch emotional mitreißend. Nach der Leseprobe von „Zwei in solo“ dachte ich auch, dies hier gefunden zu haben, aber letztendlich war es das nicht für mich. Ich fand beide Charaktere irgendwie anstrengend, die Konflikte dann doch irgendwie nicht „Weg zum Ziel“ sondern nervig und alltagsfern. Sehr schade, denn der Schreibstil der Autorin hat mir wirklich sehr gefallen, es sind in der Liebesgeschichte wirklich sehr schöne und gute Ideen eingearbeitet (z.B. Milos „Bearbeitung“ des Drachenläufers für Sophie), aber insgesamt nicht mein Buch.

Veröffentlicht am 08.04.2021

Düster und brutal – und nicht für mich

Der Abstinent
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James O’Connor ist Polizist, stammt aus Irland und ist nach schweren persönlichen Schicksalsschlägen von Dublin nach Manchester gewechselt. Im Jahr 1867 schwelt der Konflikt zwischen Engländern und Iren ...

James O’Connor ist Polizist, stammt aus Irland und ist nach schweren persönlichen Schicksalsschlägen von Dublin nach Manchester gewechselt. Im Jahr 1867 schwelt der Konflikt zwischen Engländern und Iren nicht mehr nur unter der Oberfläche, sondern tritt immer wieder in Aktionen der Fenians, die für die Unabhängigkeit Irlands kämpfen und entsprechenden Reaktionen der englischen Ordnungsmacht zu Tage. Klar, dass O’Connor aufgrund seiner Herkunft per se der „Irland-Spezialist“ der Dienstelle ist – und ganz und gar nicht deren Meinung, wie der richtige Umgang mit den aktuellen Ereignissen aussehen sollte. Als sowohl ein Verwandter von James als auch mit dem gleichen Schiff ein Unterstützer der Freiheitskämpfer, geschickt von Unterstützern der Bewegung unter den irischen Immigranten in Amerika, in Manchester eintreffen, wird eine Spirale in Gang gesetzt, die unaufhaltbar immer weiter in Bewegung gerät und in ihrem Sog Gewalt, radikale Reaktionen und erneut lebensverändernde Umstände für alle Beteiligten mit sich bringt.
Um es direkt auf den Punkt zu bringen: Insgesamt konnte mich der Roman nicht überzeugen. Inhaltlich und auch vom reinen Schreibstil her bin ich schlicht und einfach nie warm damit geworden.
Ich fand die Geschichte einfach nicht fesselnd, nicht packend, nicht mitreißend. Es geht um Verbrechen, um politische Gegensätze und Ideologien. Es geht nicht primär um die Klärung eines Falls, um das Verhindern eines Attentats oder um irgendeine Ermittlung, die mich an den Plot gebunden hätte. Bleiben die Personen, ihre Konstellationen, ihr Schicksal – und auch das dümpelte für mich irgendwie immer weiter, unsympathisch vor sich hin und ich war irgendwie permanent tendenziell enttäuscht. Auch die Erkenntnis, dass radikale Überzeugungen zahllose Opfer fordern, Aktionen nicht mehr kontrollierbare Reaktionen hervorrufen und Leben zerstören ist nun beileibe nicht überraschend oder (vielleicht leider, ist es das nicht) schockierend.
Riesen-Knackpunkt ist für mich auch das Ende des Romans. Die letzten Seiten hätte man sich getrost sparen können. Ein klassischer Showdown wäre für mich irgendwie passender gewesen, als diese merkwürdige nachrichtliche Klärung von O‘Connors Schicksals durch eine Nebenfigur, die peripherer nicht sein könnte.
Irgendwo hätte ich mir vermutlich auch so ein bisschen mehr beiläufiges Hintergrundwissen, über den Plot vermittelt, gewünscht. Über die Fenians, die konkrete politische Lage in Großbritannien, einfach ein bisschen mehr Basiswissen, dass mir in dem Moment fehlte. Das hole ich mir zwar auch gerne in der Wikipedia ab, aber leider hat es mich – ganz ehrlich gesagt – dann doch nicht so gefesselt, als dass es mir diesen Zusatzaufwand wert gewesen wäre.
Fazit: leider so gar nicht mein Fall. Ich weiß auch gar nicht, für wen oder wie ich das Buch einer geneigten Leserschaft empfehlen könnte. Das finde ich immer schade, kann aber tatsächlich mal nichts weiter dazu sagen.

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Veröffentlicht am 21.10.2020

Verzichtbare Fortsetzung

Capitana
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Lola ist die Capitana einer Crew in South LA. Unter ihrer Führung sind die Crenshaw Six von einer kleinen Randerscheinung zu einem wichtigen Player im Drogengeschäft geworden. Ungewöhnlich ist nicht nur ...

Lola ist die Capitana einer Crew in South LA. Unter ihrer Führung sind die Crenshaw Six von einer kleinen Randerscheinung zu einem wichtigen Player im Drogengeschäft geworden. Ungewöhnlich ist nicht nur die Führung einer solchen Vereinigung durch eine Frau, sondern auch ihre Verbindungen, ihre Kooperationspartner. In anderen Geschäftsbereichen würde man von erfolgreichem female entrepreneurship, networking und Synergieeffekten sprechen. Wie jeder gutverdienende Drogenhändler spielt Lola eine wichtige Rolle im Viertel, nicht nur durch ihre Macht, ihren Zugang zu Waffen, ihrer Durchsetzungskraft sondern auch aufgrund ihres sozialen Engagements, wie in prominenenten realen Beispielen ist sie Ansprechpartnerin und oft genug Finanzspritze des Viertels. Plötzlich befindet sich Lola in einer Auseinandersetzung mit dem Kartell ohne es beabsichtigt zu haben, und diese Konflikte werden nur auf eine Weise ausgetragen: blutig.
Capitana trägt leider nicht, nicht so wie der erste Band „Lola“. Irgendwie hektisch, irgendwie verworren, irgendwie unklar. Ich mag nach wie vor den Stil der Autorin, diese geradlinige, oft unmittelbar wirkende Ausdrucksweise, als sei man in Lolas Kopf und mitten im Geschehen, ihrem Denken und ihrem Fühlen. Ich bin nie in diesem Buch angekommen, die Handlung hat mich zu keinem Zeitpunkt gefesselt, die Protagonisten und ihr Schicksal haben mich nicht berührt. Sehr bedauerlich und unerwartet, dass es in diesem Fall wirklich bei den Vorschusslorbeeren aufgrund der positiven Erfahrung mit dem ersten Band geblieben ist. Letztendlich war mir vor allem die Handlung einerseits zu belanglos und oberflächlich, sowohl inhaltlich als auch in der Erzählweise und andererseits wusste ich oft gar nicht so richtig, um wen es gerade warum und wo geht.

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