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Veröffentlicht am 15.09.2016

Vom Ende der Einsamkein

Vom Ende der Einsamkeit
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Jules wächst mit seinem Bruder und seiner Schwester behütet und von den Eltern geliebt in München auf, bis diese bei einem Verkehrsunfall ums Leben kommen und sich schlagartig alles für die drei Kinder ...

Jules wächst mit seinem Bruder und seiner Schwester behütet und von den Eltern geliebt in München auf, bis diese bei einem Verkehrsunfall ums Leben kommen und sich schlagartig alles für die drei Kinder ändert. Sie kommen in einem Internat unter und verarbeiten das Geschehene auf unterschiedliche Art und Weise. So wird hier schon bewusst aufgezeigt, dass die Geschwister mehr oder weniger einsam mit ihrem Schicksal zurecht kommen müssen, da das eingeschworene Team nun auseinandergerissen wurde.

Jules, der Hauptprotagonist, schildert dem Leser seine Entwicklung vom Kind, Jugendlichen bis hin zum Erwachsenen, der versucht als Familienvater zu bestehen. Er zeigt all die unterschiedlichen Stationen seines Lebens auf, all die Personen die ihm begegnet sind und ihn geprägt haben und beschreibt das sich oft ändernde Verhältnis zwischen ihm und seinen Geschwistern, die ebenfalls ihre eigenen Lasten des Lebens zu tragen haben.

In Alva findet Jules eine Seelenverwandte. Sie lernen sich im Internat kennen und entwickeln eine tiefe Freundschaft und obwohl sie sich im späteren Verlauf ihres Lebens über Jahre aus den Augen verlieren, verlieren sie nicht die Erinnerung aneinander. So ist die Vertrautheit schnell wieder da, als sie sich in München wiedersehen und ihre Freundschaft wieder aufleben lassen.

Endet nun hier die Einsamkeit, die Jules täglich umhüllt? Endet hier das Gefühl nicht richtig dazuzugehören und nichts in seinem Leben erreicht zu haben?

Benedict Wells hat einen angenehmen Schreibstil und besitzt die Gabe einen melancholischen, aber auch hoffnungsvollen Unterton in seine Zeilen einzubauen. Mit philosophischen Anekdoten und tragenden Erlebnissen bringt er dem Leser die Charaktere und ihre Denkweise näher. Kein Charakter bleibt blass und die Wandlungen in den Lebensabschnitten erzeugen eine leichte Spannung, die zum Weiterlesen animiert, jedoch mich nicht komplett gepackt hat. Nichtsdestotrotz ist das Buch absolut lesenswert und interessant.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Kind aller Länder

Kind aller Länder
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Aus der Perspektive der zehnjährigen Kully erfahren wir von ihren Lebensumständen und lernen ihren Charakter, aber auch den ihrer Eltern, kennen. Kully ist ein „Kind aller Länder“, denn aufgrund von Geldnöten ...

Aus der Perspektive der zehnjährigen Kully erfahren wir von ihren Lebensumständen und lernen ihren Charakter, aber auch den ihrer Eltern, kennen. Kully ist ein „Kind aller Länder“, denn aufgrund von Geldnöten und anderen fragwürdigen Umständen, die sie ihrem verschwenderischen und verantwortungslosen Vater zu verdanken hat, muss sie von einem Land zum nächsten reisen oder eher gesagt flüchten. Von Prag geht es über Paris nach Amsterdam und nach New York. Übernachtet wird über längere Zeiträume in schicken Hotels, die sich die Familie allerdings gar nicht leisten kann. Der Vater steckt Tochter und Ehefrau in diese edlen Hotels ohne ihnen auch nur ein wenig Geld dazulassen. Er redet sich heraus und verschwindet gerne tage- und wochenlang. Er bereist Europa, um sich hier und da Geld zu leihen, damit alle Rechnungen bezahlt werden können, doch dieses Geld reicht vorn und hinten nicht aus. Zumal er das meiste Geld in Restaurants oder Bars lässt und sich von Kaviar und Champagner ernährt, während Frau und Tochter meist nur eine Mahlzeit am Tag zu sich nehmen. Der Vater ist ein arroganter Stiesel, der von sich zu unrecht überzeugt ist und seiner kleinen Familie kein zu Hause bieten kann. Rastlos reisen die Drei umher und die kleine Kully scheint gar nicht zu merken was sie in ihrer Kindheit verpasst, denn sie kennt es ja nicht anders. Unterrichtet wird sie von ihrer Mutter, deren Bildungsstand eher dürftig und die sehr einfach gestrickt ist und Kontakt zu Gleichaltrigen hat sie kaum. Sie vertraut auf den Vater, der als mickriger Schriftsteller sein Glück immer wieder versucht und doch zum Scheitern verurteilt ist. Doch durch die kindliche Perspektive erscheint alles gar nicht so schlimm. Kully weiß sich zu beschäftigen, lässt ihre Phantasie spielen, ist neugierig, stellt Fragen und findet neue Umgebungen immer wieder interessant und spannend. Sie lässt sich nicht beirren oder negativ beeinflussen. Mir hingehen tat sie einfach nur leid, denn man wünscht einem Kind nichts mehr als eine funktionierende Familie, liebevolle Eltern, Bildung und ein festes Dach über dem Kopf.

Kully ist ein sehr sympathisches kleines Mädchen, welches ich gleich ins Herz geschlossen habe, während mich ihr Vater mit seinem Verhalten einfach nur aufgeregt hat. Irmgard Keun beleuchtet in ihre Buch beide Seiten und die stark unterschiedlichen Charaktere sind auch gut beschrieben. Sie schafft eine kindlich verspielte, aber auch, aus Sicht der Eltern, verstörte und hoffnungslose Atmosphäre. Der Schreibstil ist recht einfach, teils amüsant und doch aussagekräftig.

Veröffentlicht am 19.04.2024

Selbe Stadt, anderer Planet

Selbe Stadt, anderer Planet
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"Selbe Stadt, anderer Planet" ist ein Roman, der eine interessante Thematik beleuchtet – den Massentourismus – und eine fiktionale Geschichte, die in realen Orten spielt. Das Cover des Buches ist nicht ...

"Selbe Stadt, anderer Planet" ist ein Roman, der eine interessante Thematik beleuchtet – den Massentourismus – und eine fiktionale Geschichte, die in realen Orten spielt. Das Cover des Buches ist nicht nur auf der Vorder- sondern auch auf der Rückseite wunderschön gestaltet und die Haptik des Buches ist toll.
Die Handlung dreht sich um den beliebten Urlaubsort Hallstatt in Österreich, der in China quasi eins zu eins nachgebaut wird. In diesem Kontext werden die Lebensgeschichten und die Verbindung zum Ort von drei Hauptpersonen beleuchtet: Johanna, die nach dem Tod ihres Vaters nach Hallstatt und zu ihrer Zwillingsschwester zurückkehrt; Andrej, der mit seiner Frau und den Töchtern nach Hallstatt zieht; und Ren, der in Österreich aufgewachsen ist und in das Projekt der Hallstatt-Kopie in China involviert ist.
Ich hatte leider Schwierigkeiten, die Perspektiven der verschiedenen Protagonisten zu unterscheiden und eine emotionale Bindung zu ihnen aufzubauen. Insgesamt behandelt das Buch ein interessantes Thema, aber die Umsetzung lässt für mich persönlich etwas zu wünschen übrig. Es entsprach nicht ganz meinen Erwartungen und mit dem Schreibstil konnte ich mich nicht so recht anfreunden.

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Veröffentlicht am 15.12.2023

Die Einladung

Die Einladung
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Sebastian Fitzek, berühmt für seine teils kontroversen Werke, beherrscht die Kunst, Leser zu fesseln oder eben zu spalten. Die Ambivalenz seiner Bücher zeigt sich auch in "Die Einladung", das für mich ...

Sebastian Fitzek, berühmt für seine teils kontroversen Werke, beherrscht die Kunst, Leser zu fesseln oder eben zu spalten. Die Ambivalenz seiner Bücher zeigt sich auch in "Die Einladung", das für mich persönlich zu den schwächeren Fitzek-Werken zählt.
Als Liebhaberin von realitätsnahen und wenig konstruierten Thrillern empfinde ich die Schwäche dieses Buches gerade in der mangelnden Realitätsnähe. Fitzek verliert mich bereits nach der Hälfte des Buches, da die Spannung für mich nicht mehr greifbar ist. Die Figuren sind oberflächlich und stereotyp gezeichnet, was es schwer macht, sich mit ihnen zu identifizieren oder mit ihnen mitzufiebern. Das Interesse am Ausgang der Geschichte schwand mit jeder Seite und auch das Tempo am Ende und die etwas überraschende Schlusswendung konnten das Gesamtbild für mich nicht retten. Die "Auflösung" am Ende scheint eher künstlich konstruiert zu sein und wirkt wie ein Mittel, um einen Ausweg aus dem vorherigen Durcheinander zu schaffen, ohne jedoch eine zufriedenstellende Lösung zu bieten.
Insgesamt bleibt "Die Einladung" hinter meinen Erwartungen zurück, die ich von einem Autor wie Sebastian Fitzek gewohnt bin. Trotz einiger überraschender Momente vermag das Buch nicht, mich mitzureißen oder zufriedenstellend zu überraschen.

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Veröffentlicht am 17.11.2023

22 Bahnen

22 Bahnen
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"22 Bahnen" von Caroline Wahl ist ein eindringlicher Blick in das zerrüttete Leben von Tilda, die sich inmitten von Armut, Alkoholismus, und schwierigen familiären Verhältnissen behaupten muss. Die Geschichte ...

"22 Bahnen" von Caroline Wahl ist ein eindringlicher Blick in das zerrüttete Leben von Tilda, die sich inmitten von Armut, Alkoholismus, und schwierigen familiären Verhältnissen behaupten muss. Die Geschichte taucht tief in die Herausforderungen einer belasteten Eltern-Kind-Beziehung und einer starken Geschwisterliebe ein, wobei der Schwimmsport nur als Kulisse dient.

Die Autorin präsentiert Tildas Lebensrealität mit einer einfachen, sachlichen und ehrlichen Sprache. Die ernste Erzählweise unterstreicht die Authentizität der Handlung, während die klare Darstellung von Teenager-Themen viele Klischees anspricht. Wahl vermeidet es, die Leser mit unnötig dramatischen Elementen zu überladen und schafft stattdessen eine Geschichte, die das wahre Leben in den Fokus rückt.

Die Frage nach dem Eingreifen des Jugendamtes und der Abwesenheit von Unterstützung durch das soziale Umfeld bleibt unbeantwortet und ist in meinen Augen unverständlich. Dieses scheinbare Versäumnis, die dysfunktionale Situation zu durchbrechen, könnte einerseits den Realismus der Erzählung unterstreichen, andererseits aber auch zu Frustration bei den Hörer*innen führen. Die Ungewissheit über das Fehlen von Interventionen könnte als bewusste Entscheidung der Autorin interpretiert werden, um die unerbittliche Realität von Tildas Lebensumständen zu betonen.
Was mich unheimlich gestört hat war die Nennung der Person vor jeder wörtlichen Rede. „Ich: …“, „Viktor:…“, „Ida:…“ …eine Geduldsprobe, die mir während des Hörens zu schaffen gemacht hat und für mich einen großen Minuspunkt darstellt.

Insgesamt bietet "22 Bahnen" einen tiefen Einblick in die Komplexität menschlicher Beziehungen und die Überwindung von Widrigkeiten. Obwohl die Erzählung nicht immer fesselnd wirkt, macht sie durch ihre Aufrichtigkeit und Realitätsnähe einen bleibenden Eindruck.

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