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Veröffentlicht am 18.06.2021

Erwachsenwerden im Suffolk der 1930er

Vom Ende eines Sommers
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In den 1930er Jahren wächst die kleine Edith, auch Edie genannt, auf der Farm ihrer Eltern in Suffolk auf. Der Alltag der Familie ist geprägt von der Arbeit auf dem Feld, immer gibt es etwas zu tun, immer ...

In den 1930er Jahren wächst die kleine Edith, auch Edie genannt, auf der Farm ihrer Eltern in Suffolk auf. Der Alltag der Familie ist geprägt von der Arbeit auf dem Feld, immer gibt es etwas zu tun, immer gilt es, irgendwo mitanzupacken. Dabei verbringt Edie ihre Zeit viel lieber irgendwo in der Natur mit einem guten Buch in der Hand. Als dann eines Tages die Londonerin Constanze in dem kleinen Dörfchen auftaucht, änder sich vieles - für Edie, aber auch für alle anderen. Edie bewundert diese Frau, die in Männerkleidung herumläuft, den Einwohnern Fragen zu ihrem alltäglichen Leben stellt um darüber schreiben zu können, und die auch sonst so ganz anders ist als die Menschen, die Edie kennt. Doch das ist noch nicht alles, denn Constanze bringt neben ihrer Neugierde auch eine fragwürdige politische Meinung mit ins Dorf...

Ich fand das Buch insgesamt gut, sehe allerdings noch etwas Luft nach oben. Die Geschichte ist sehr ruhig erzählt, wer große Action oder Spannung erwartet, ist hier falsch, darauf kommt es hier auch gar nicht an. Aus der Sicht der etwa vierzehnjährigen Protagonistin erhält man einen Einblick in das Landleben zu jener Zeit. Edie berichtet von ihren Aufgaben und Pflichten, davon, was als Mädchen von ihr erwartet wird, aber auch, was ihr verboten ist. Das Bild der kleinen Familie, bestehend aus ihren Eltern, ihren Geschwistern und den Arbeitern, ist sehr authentisch und nachvollziehbar und Edie als Hauptfigur war mir sympathisch, wenn ich ihr Handeln auch nicht immer ganz verstanden habe und sie manchmal etwas sehr blauäugig durchs Leben geht.

Noch ausbaufähig fand ich zum Beispiel Constanze als Charakter, der Ansatz ist gut, allerdings hat mir hier irgendwie noch etwas gefehlt, ich fand sie nicht wirklich greifbar. Damit einhergehend hätte der Roman für mein Empfinden auch noch etwas mehr Tiefe gut vertragen. Dass Connie eine eher antisemitische Haltung vertritt, wird zwar durchaus angesprochen, bis auf wenige Stellen wird dies aber gar nicht so deutlich, und wie die verschiedenen Dorfbewohner zu diesen Ansichten stehen hätte auch noch deutlich vertieft werden können. Dementsprechend bleibt das Thema Antisemitismus eher oberflächlich behandelt, was ich schade finde, weil ich denke, dass es sich gut in den Roman hätte einfügen können, noch näher darauf einzugehen. Bei einem anderen Thema, das ich hier nicht nennen möchte um nichts vorwegzunehmen, hätte ich mir sogar noch mehr einige zusätzliche Details gewünscht.

Fazit: Ein ruhiges, schön erzähltes und auch etwas trauriges Buch übers Erwachsenwerden zu einer Zeit großer politischer Umwälzungen, von dem ich mir jedoch etwas mehr Tiefe gewünscht hätte!

Veröffentlicht am 07.06.2021

Der moderne(re) Taugenichts

Fahrtwind
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Der namenslose Protagonist des kurzen Romans möchte nicht in die Fußstapfen seines Vaters treten und zum langweiligen "& Sohn" in dessen Unternehmen werden, und so macht er sich entgegen aller Hoffnungen ...

Der namenslose Protagonist des kurzen Romans möchte nicht in die Fußstapfen seines Vaters treten und zum langweiligen "& Sohn" in dessen Unternehmen werden, und so macht er sich entgegen aller Hoffnungen seiner Eltern auf den Weg in die weite Welt. Mit dabei sind nur seine Gitarre und eine gehörige Portion Planlosigkeit und Sorglosigkeit, denn wohin es gehen soll, bleibt erstmal offen - Hauptsache weg, in die Ferne. Schon bald wird er von zwei netten, vornehmen Damen mitgenommen und findet Arbeit in deren Schlosshotel, doch hier soll seine Reise noch nicht enden - im Laufe des Romans verschlägt es ihn bis nach Italien. Die Umstände, die dazu führen, sind ihm selbst lange schleierhaft, will er doch eigentlich nur die Liebe der jüngeren der beiden Damen gewinnen...

Wer sich nun an Eichendorffs "Taugenichts" erinnert fühlt, liegt vollkommen richtig - denn "Fahrtwind" ist sozusagen die modernisierte Version der Novelle aus der Spätromantik. Statt Violine spielt der Protagonist Gitarre, er soll nicht gärtnern, sondern Teil eines Unterhaltungsprogramms für rüstige Rentner werden, statt zu Pferd und mit der Postkutsche ist man mit dem Motorrad unterwegs, und statt über die Waldwege des frühen 19. Jahrhunderts macht sich der Protagonist auf den Straßen der 1970er Jahre auf den Weg.

Der Schreibstil ist dabei locker und entspannt und entspricht so ganz dem Gemüt des Protagonisten. Die Handlung hält sich, wenn auch in einer aktuelleren Version, bis auf kleinere Abweichungen sehr eng an die Vorlage. Daher enthält das Ganze teilweise sehr skurrile bis unglaubwürdige Elemente, die man an einem "normalen" Roman wohl kritisieren würde. Hier finde ich es aber vollkommen in Ordnung, weil es der Vorlage so nahe kommt. Dementsprechend kann ich auch die Naivität und Trägheit des Protagonisten akzeptieren. Das sowie der vorangegangene Punkt hätte mich an einem anderen Buch vermutlich gestört, und ich kann mir auch vorstellen, dass dies Leser abschreckt, die den "Taugenichts" nicht gelesen haben. Kennt man ihn aber, macht es teilweise sehr viel Spaß, die diversen Parallelen zu entdecken.

Trotz einiger Schwächen und Längen (die ich so aber tatsächlich an genau denselben Stellen auch im Original verspürt habe), hat mich Modicks Roman gut unterhalten. Wer den "Taugenichts" mag, hat sicher Spaß mit dieser moderneren Variante.

Veröffentlicht am 25.05.2021

Ein wichtiges, aber nicht ganz einfaches Buch

Thérèse und Isabelle
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Anfänglich ist es Hass, der die beiden Internatsschülerinnen Thérèse und Isabelle zu verbinden scheint. Doch dann entdecken die beiden Mädchen ihre tiefen Gefühle füreinander und gehen eine Beziehung miteinander ...

Anfänglich ist es Hass, der die beiden Internatsschülerinnen Thérèse und Isabelle zu verbinden scheint. Doch dann entdecken die beiden Mädchen ihre tiefen Gefühle füreinander und gehen eine Beziehung miteinander ein, die ebenso leidenschaftlich ist wie sie von kurzer Dauer bleiben wird. Die beiden müssen ihre Liebe zueinander geheimhalten, und so liegt dabei über allem stets die Gefahr, von den Aufseherinnen des Internats oder von ihren Mitschülerinnen entdeckt zu werden.

Das gesamte Buch ist aus der Sicht von Thérèse verfasst. Die Handlung beschränkt sich fast ausschließlich auf die gemeinsamen Nächte mit Isabelle sowie die sehnsuchtsvolle Erwartung auf diese in den Zeiten dazwischen. Die Sprache ist sehr poetisch und oft auch sehr metaphorisch, gerade bei den intensiven Schilderungen der heimlich miteinander verbrachten Stunden fällt das sehr stark auf. Durch diesen doch ziemlich anspruchsvollen Stil kann es teilweise etwas anstrengend werden, dem Geschehen zu folgen, wenn er auch für mein Empfinden gut zu dem Buch passt. Manches wird auch sehr deutlich beschrieben, aber ich hätte mir tatsächlich trotzdem insgesamt eine etwas leichtere Sprache gewünscht, einfach weil ich mich beim Lesen teilweise schon sehr konzentrieren musste, um den Sinn hinter den oft sprunghaft und assoziativ wechselnden, verwendeten Bildern zu verstehen.

Der Fokus des Buches liegt ganz klar auf Sexualität und der gleichgeschlechtlichen Liebe zwischen zwei jungen Frauen. So ist es kein Wunder, dass die Geschichte im Frankreich der 60er Jahre als skandalös empfunden wurde und zunächst unveröffentlicht blieb bzw. einer starken Zensur unterlag. Obwohl der Text für mich recht schwer zugänglich war, finde ich es gut und wichtig, jetzt (fast 60 Jahre später!) endlich die Originalfassung lesen zu können. Denn aktuell ist das Thema heute zweifellos mehr denn je.

Veröffentlicht am 24.05.2021

Ich hatte mir mehr erhofft

Die Geschichte von Kat und Easy
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Knapp 50 Jahre, nachdem sie sich in ihrer Jugend in denselben Mann verliebt haben und sich nach einem tragischen Unfall aus den Augen verloren haben, treffen die beiden einstigen Freundinnen Kat und Easy ...

Knapp 50 Jahre, nachdem sie sich in ihrer Jugend in denselben Mann verliebt haben und sich nach einem tragischen Unfall aus den Augen verloren haben, treffen die beiden einstigen Freundinnen Kat und Easy nun auf Kreta wieder aufeinenander. Viel Zeit ist seitdem vergangen, und doch sind die Ereignisse des Jahres 1973 noch immer im Leben beider präsent.

Der Roman spielt abwechselnd auf beiden Zeitebenen, wobei der eine Strang am Silvesterabend 1972 beginnt und hier mit Alkohol- und Drogenkonsum oder der ersten großen Liebe vor allem typische Teenager-Probleme im Mittelpunkt stehen. Im zweiten Handlungsstrang führt Easy ein Leben als dreifache Mutter, die sich im Ferienhaus auf Kreta eine Verschnaufpause vom Alltag gönnt, während Kat einen Block für Lebensberatung führt. Über diesen kommen die beiden Frauen ins Gespräch darüber, was in ihrer Vergangenheit geschehen ist.

Sprachlich lässt sich das Buch gut lesen, die beiden Protagonistinnen sind interessant und ich konnte mich gut in beide hineinfühlen. Ihre Teenagerzeit wird gut dargestellt. Das Zusammentreffen der beiden auf Kreta empfand ich dagegen irgendwie als anstrengend, beide wollen zwar mit der Vergangenheit aufräumen, irgendwie dann aber auch nicht so wirklich, sodass sie gerade zu Beginn beide um das Thema herumschleichen und sich das wirkliche Gespräch wenn überhaupt auf den Blog beschränkt.

Der Grund, weshalb alles so gekommen ist wie es ist, war für mich vorhersehbar und daher die Geschichte nicht wirklich spannend, am Ende war die "Auflösung" dann auch tatsächlich recht unspektakulär.

Ingesamt ist "Die Geschichte von Kat und Easy" schon ein gutes Buch, das mich aber leider nicht ganz überzeugen konnte und von dem ich mir nach den vielen positiven Meinungen einfach etwas mehr erhofft hatte.

Veröffentlicht am 07.05.2021

Die drei Kameradinnen

Drei Kameradinnen
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Die drei Freundinnen Kasih, Hani und Saya kennen sich seit ihrer Jugend. Sie alle haben gemeinsam, dass sie in ihrem Leben immer wieder aufgrund ihrer Herkunft ausgegrenzt oder ihnen mit Misstrauen begegnet ...

Die drei Freundinnen Kasih, Hani und Saya kennen sich seit ihrer Jugend. Sie alle haben gemeinsam, dass sie in ihrem Leben immer wieder aufgrund ihrer Herkunft ausgegrenzt oder ihnen mit Misstrauen begegnet wird. Nach einer längeren Zeit der Trennung treffen sie sich auf einer Hochzeit wieder, und auch jetzt noch spielen Hass und Rechtsradikalismus eine große Rolle in ihrem Alltag.

Erzählt wird der Roman von Kasih, über sie selbst erfährt man dennoch am wenigsten. Denn sie stellt vor allem einen Bericht zusammen, der aus Rückblicken und einzelnen Szenen besteht, in deren Fokus Hani und Saya stehen. Dabei geht sie nicht unbedingt chronologisch, sondern eher assoziativ vor. Sie verweist auch selbst immer wieder auf die Unvollständigkeit dessen, was sie sagt, und darauf, dass nicht alles sich unbedingt genau so abgespielt haben muss wie sie es erzählt. Die Erzählweise hat mir tatsächlich gut gefallen, denn die Leser werden immer wieder direkt angesprochen, die Autorin will provozieren, und irgendwann beginnt man unweigerlich sich zu fragen, ob man nicht selbst längst angefangen hat der Bequemlichkeit halber die Augen zu verschließen und manchmal eben doch lieber einfach in Schubladen zu denken.

Gestört haben mich vor allem ein paar Längen, die sich im Laufe des Buches ergeben, sowie die zwangsläufig doch recht subjektiv gefärbte Sicht Kasihs. Da sie selbst zugibt, immer wieder Details zu verändern und sich manche Dinge vollständig ausgedacht zu haben, büßt zwar keinesfalls der Roman an sich an Wichtigkeit, die Geschichte, die er enthält, aber an Verlässlichkeit ein. Der Grundton ist mir zudem gelegentlich zu wütend, zu plakativ und zu absichtlich provokativ; das ist aber wohl auch meine subjektive Einschätzung.

"Die Drei Kameradinnen" ist zweifelsohne ein wichtiges Buch und ich habe es auch gerne gelesen. Es regt zum Überdenken des eigenen Verhaltens an, möchte den Leser dazu bringen sich selbst die Frage zu stellen, ob er nicht längst viel zu abgestumpft und zu sehr an Rassissmus und Hetze gewohnt ist. Einiges hat mich dennoch gestört oder mir gefehlt, und so lande ich am Ende bei guten 3 Sternen.